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  • 15.02.2012 · IWW-Abrufnummer 120425

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 18.11.2011 – 14 K 1535/09 F

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster

    14 K 1535/09 F

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

    Die Revision wird zugelassen.

    T a t b e s t a n d
    Zu entscheiden ist, ob der Beklagte (Bekl.) einer von der Klägerin (Klin.) auf Grund eines gegen sie von der Europäischen Kommission (im Folgenden: Kommission) verhängten Bußgeldes in der Steuerbilanz zum 31.12.2006 gewinnmindernd gebildeten Rückstellung zu Recht unter Berufung auf die Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die steuerliche Anerkennung versagt hat.
    Die Klin. ist eine Kommanditgesellschaft, deren Unternehmensgegenstand der Betrieb einer B... - Fabrik, einer N... - Fabrik und der Vertrieb von B... aller Art ist.
    Wegen eines Verstoßes gegen Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen verhängte die Kommission mit ihrer Entscheidung in der Sache D vom xx.xx.2006 AZ: XY u. a. auch gegen die Klin. eine Geldbuße, und zwar in Höhe von z EUR.
    Bei der Bemessung dieser Geldbuße war die Kommission von der Schwere der begangenen Zuwiderbehandlung, deren Beschaffenheit, deren konkrete Auswirkungen auf den Markt, sofern messbar, und dem Umfang des räumlich relevanten Marktes ausgegangen (Erwägung 744) und hatte trotz der Behauptung der Klin., dass sie nicht zum harten Kern des Kartells gehört habe, ihre Zuwiderhandlung allenfalls als schwer einzustufen sei und keine Auswirkung auf den Markt gehabt habe (Erwägung 748) zwecks Erzielung einer wirksamen Abschreckung (Erwägung 756) und trotz nicht messbarer Auswirkungen der von der Klin. begangenen Zuwiderhandlung (Erwägung 755) auf der Grundlage der Marktanteile, die die Klin. im Jahre 2000 im Europäischen Wirtschaftsraum hatte (Erwägung 758), einen Ausgangsbetrag für die zu verhängende Geldbuße in Höhe von y EUR ermittelt (Erwägung 777). Diesen Betrag hatte sie sodann in Anbetracht der Dauer der Beteiligung der Klin. an dem Kartell in dem Zeitraum vom ... bis zum ... und damit von 9 Jahren und 3 Monaten (Erwägung 734 xxx) für jedes Jahr der Beteiligung um 10 % (Erwägung 775) und somit um insgesamt 90 %, d. h. um x EUR, auf xy EUR erhöht (Erwägung 777).
    Da dieser Betrag, der nach Auffassung der Kommission weder auf Grund mildernder noch erschwerender Umstände zu ändern war, jedoch 10 % des von der Klin. im Jahr 2005 weltweit erwirtschafteten Gesamtumsatzes überstieg, hatte sie den Betrag der gegen die Klin. letztlich verhängten Geldbuße auf z EUR herabgesetzt (Erwägungen 739, 830, 831).
    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidung der Kommission vom xx.xx.2006 verwiesen.
    Die von der Klin. gegen die Entscheidung der Kommission vom xx.xx.2006 erhobene Klage blieb insgesamt, und zwar auch soweit sie sich gegen die Höhe der verhängten Geldbuße richtete, ohne Erfolg. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil der ... Kammer des Gerichtshofes erster Instanz der Europäischen Union vom xx.xx.2011 AZ: YX verwiesen.
    Gegen dieses Urteil hat die Klin. Rechtsmittel eingelegt. Über dieses Rechtsmittel ist nach Aktenlage bislang nicht entschieden. Wegen der Einzelheiten der Begründung des eingelegten Rechtsmittels wird auf die von der Klin. vorgelegte Rechtsmittelschrift vom 03.06.2011 verwiesen.
    Die von der Kommission gegen sie verhängte Geldbuße hatte die Klin. zunächst nicht entrichtet, sondern stattdessen eine Sicherheit in Form einer Bankbürgschaft gestellt. Mittlerweile hat sie die Geldbuße jedoch entrichtet.
    Am 04.10.2007 ging bei dem Bekl. eine Feststellungserklärung ein, in der für die Gesellschafter der Klin. Einkünfte aus ihrer Beteiligung an dieser in Höhe von insgesamt ... EUR erklärt wurden. Der Erklärung war u. a. eine Steuerbilanz zum 31.12.2006 beigefügt, die u. a. eine Rückstellung für Prozesskosten in Höhe von ... EUR ausweist. Ebenfalls beigefügt war eine Gewinn- und Verlustrechnung, in der u. a. außerordentliche Aufwendungen in Höhe von ... EUR gewinnmindernd berücksichtigt wurden, wovon nach einer Mitteilung der Klin. vom 15.11.2007 ein Betrag in Höhe von ... EUR aus der wegen der verhängten Geldbuße in der Steuerbilanz zum 31.12.2006 gebildeten Rückstellung resultiert.
    Der Bekl. folgte der eingereichten Feststellungserklärung nicht, sondern stellte mit Feststellungsbescheid vom 04.12.2007 im Hinblick darauf, dass seiner Auffassung nach der wegen der verhängten Geldbuße gebildeten Rückstellung die steuerliche Anerkennung zu versagen sei, die von den Gesellschaftern der Klin. aus ihrer Beteiligung an dieser erzielten gewerblichen Einkünfte auf ... EUR fest.
    Hiergegen legte die Klin. mit Schreiben vom 20.12.2007 Einspruch ein und beantragte, die von ihr gebildete Rückstellung in voller Höhe gewinnmindernd zu berücksichtigen.
    Zur Begründung ihres Einspruchs führte die Klin. aus, dass die von ihr auf Grund der gegen sie verhängten Geldbuße in ihrer Steuerbilanz zum 31.12.2006 gebildete Rückstellung, die sich im Streitjahr in Höhe von ... EUR gewinnmindernd ausgewirkt habe, sich zusammensetze aus einer Rückstellung für voraussichtlich anfallende, geschätzte Prozesskosten sowie einer Rückstellung für den in der verhängten Geldbuße – ihrer Auffassung nach – enthaltenen steuerlich berücksichtigungsfähigen "Abschöpfungsteil". Diesen habe sie – ebenfalls im Schätzungswege – mit ... EUR bemessen. Dabei sei sie davon ausgegangen, dass der von der Kommission in ihrer Entscheidung vom xx.xx.2006 angesetzte Ausgangsbetrag von y EUR als "Abschöpfungsteil" und der zusätzlich angesetzte Erhöhungsbetrag von x EUR als "Sanktionsanteil" zu qualifizieren sei, mithin der "Abschöpfungsteil" 52,63 % der nach Auffassung der Kommission an sich festzusetzenden Geldbuße von insgesamt xy EUR betragen habe. Diesen Prozentsatz habe sie sodann auf die von der Kommission auf der Grundlage der "Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen" auf 10 % ihres im Jahre 2005 getätigten Weltumsatzes reduzierten, letztlich verhängten Geldbuße (z EUR) angewandt und auf diese Weise einen steuerlich abzugsfähigen Abschöpfungsanteil in Höhe von ... EUR (= - abgerundet auf volle 10.000,00 EUR - 52,63 % von z EUR) ermittelt.
    Auf Grund des von der Klin. eingelegten Einspruchs wandte sich der Bekl. u. a. am 04.02.2008 per E-Mail auch an die "Generalkommission Wettbewerb" der Kommission und bat um Beantwortung folgender Fragen:
    "1) Enthalten die von der EU-Kommission festgesetzten kartellrechtlichen
    Geldbußen grundsätzlich nur einen Sanktionsteil oder auch einen Teil,
    der den wirtschaftlichen Vorteil aus dem Verstoß gegen das EU-Wettbe-
    werbsrecht abschöpft, gleich Abschöpfungsteil ?
    2) Ist die Kommission in der Lage, im Einzelfall auf Antrag des Unternehmens,
    gegen das ein Bußgeld verhängt wurde, denjenigen Betrag zu bestätigen,
    der auf den Abschöpfungsanteil entfällt ?"
    Diese Anfrage wurde von Seiten der angeschriebenen Behörde am 18.02.2008 per E-Mail unter Bezugnahme auf die "Leitlinien der Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen" und die in diesen Leitlinien ihrerseits in Bezug genommene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, wonach Geldbußen so hoch festgesetzt werden sollen, "dass nicht nur die an der Zuwiderhandlung der beteiligten Unternehmen sanktioniert werden (Spezialpräventation), sondern auch andere Unternehmen von der Aufnahme oder Fortsetzung einer Zuwiderhandlung gegen die Artikel 81 oder 82 abgehalten werden (Generalpräventation)", dahingehend, dass die Geldbußen der Kommission, die zur Ahndung von Verstößen gegen Artikel 81 oder 82 des EG-Vertrages verhängt werden, der Abschreckung dienten, eine gesonderte Abschöpfungsfunktion den Leitlinien nicht zu entnehmen sei und dementsprechend die Kommission auch keinen Abschöpfungsteil bestimmen könne.
    Im Verlauf des Einspruchsverfahrens fand überdies bei der Klin. eine Betriebsprüfung statt. Im Rahmen dieser Prüfung erkannten die mit ihrer Durchführung beauftragten Prüfer zwar die von der Klin. für voraussichtlich anfallende Prozesskosten gebildete Rückstellung in voller Höhe an. Der von der Klin. zusätzlich in Höhe des ihrer (der Klin.) Auffassung nach in der verhängten Geldbuße enthaltenen "Abschöpfungsteils", d. h. in Höhe von ... EUR, gebildeten Rückstellung versagten sie jedoch ebenfalls die steuerliche Anerkennung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom 02.10.2008 verwiesen.
    Auf Grund der Feststellungen der Betriebsprüfung erließ der Bekl. u. a. auch für das Streitjahr am 16.02.2009 zunächst einen Änderungsbescheid, in dem er – den Feststellungen der Betriebsprüfung folgend – die von den Gesellschaftern der Klin. aus ihrer Beteiligung an dieser erzielten gewerblichen Einkünfte auf nur noch ... EUR feststellte.
    Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 08.04.2009 wies er sodann das – nach Erlass des Änderungsbescheides vom 16.02.2009 – verbleibende Einspruchsbegehren der Klin. unter Hinweis darauf, dass nicht festgestellt werden könne, dass die gegen die Klin. verhängte Geldbuße einen Abschöpfungsanteil enthalten habe und überdies die Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG ein von der handelsrechtlichen Regelung abweichendes Rückstellungsverbot enthalte, als unbegründet zurück.
    Hiergegen richtet sich die von der Klin. mit Schriftsatz vom 07.05.2009 erhobene Klage.
    Die Klin. ist der Auffassung, dass der Bekl. der von ihr in Höhe von ... EUR gebildeten Rückstellung zu Unrecht die steuerliche Anerkennung versagt habe.
    Soweit der Bekl. in diesem Zusammenhang aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG ein Rückstellungsverbot ableite, berufe er sich auf einen fehlerhaften Gesetzeswortlaut. Das von dem Bekl. vertretene wörtliche Verständnis des in dieser Regelung normierten Abzugsverbots würde dazu führen, dass die verfassungsrechtlich gebotene Einschränkung des Abzugsverbots erst nachträglich, u. U. erst viele Jahre nach der Verwirklichung des Grundtatbestandes eintrete, was schon verfassungsrechtlich nicht richtig sein könne. Denn nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 23. Jan. 1990 – 1 BvL 4/87, 1 BvL 5/87, 1 BvL 6/87, 1 BvL 7/87 (BStBl II 1990, 483, 486) sei eine Regelung verfassungswidrig, die eine vollständige ordnungswidrigkeitsrechtliche Abschöpfung des Gewinns "mit einer zusätzlichen steuerlichen Belastung verbindet". Danach sei das in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 1 EStG normierte Abzugsverbot verfassungskonform so zu interpretieren, dass zwischen dem Grundtatbestand und seiner Einschränkung durch Satz 4 keine zeitliche Divergenz bestehe.
    Überdies seien die in § 4 Abs. 5 EStG normierten Abzugsverbote für bestimmte "Betriebsausgaben" nicht bilanztechnisch verfasst. Schließlich müsste die Durchbrechung von Regeln des Steuerbilanzrechts ausdrücklich gesetzlich geregelt sein. Ein gesetzliches Rückstellungsverbot sei jedoch weder dem § 5 EStG noch dem § 6 EStG zu entnehmen.
    Entgegen der Auffassung des Bekl. lägen im Streitfall zudem die höchstrichterlich geforderten Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung dem Grunde nach schon deshalb vor, weil die Geldbuße zu Unrecht verhängt worden sei und aus diesem Grunde § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG überhaupt nicht zur Anwendung komme. Denn sie (die Klin.) habe tatsächlich nicht rechtswidrig gehandelt.
    Aber selbst wenn man zugunsten des Bekl. unterstelle, dass im Streitfall § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 1 EStG zur Anwendung komme, sei "die Bildung der Rückstellung zum 31.12.2006 als Abschöpfungsteil im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG zutreffend erfolgt". Denn § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG sei verfassungskonform und im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in der Weise auszulegen, dass die Bildung der Rückstellung für den Abschöpfungsteil – entsprechend der Geltung der Abzugsbeschränkung des Grundtatbestandes des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 1 EStG – bereits mit der Festsetzung der Geldbuße zulässig sei und nicht erst im Zeitpunkt ihrer Zahlung. Nach der Rechtsprechung des BFH könne zudem eine durch die Kommission festgesetzte Geldbuße auch dann in einen Abschöpfungs- und einen Sanktionsteil aufgeteilt werden, wenn die Kommission einen Abschöpfungsteil in ihrer Entscheidung nicht ausdrücklich beziffert habe.
    Auch der Höhe nach sei die von ihr gebildete Rückstellung nicht zu beanstanden. Zwar hätte sie vor dem Hintergrund, dass sie sich überhaupt nicht kartellrechtswidrig verhalten habe, von Verfassungswegen an sich eine Rückstellung in (voller) Höhe des festgesetzten Bußgeldes bilden müssen. Um jedoch die Möglichkeit einer von dem Bekl. akzeptierten Rückstellung nicht a priori auszuschließen, habe sie lediglich eine Rückstellung in Höhe von ... EUR gebildet, obwohl sich der Abschöpfungsanteil nach einer von ihr zwischenzeitlich unter Anwendung der im Kartellrecht anerkannten Vergleichsmarktmethode und auf der Basis der maßgeblichen Zahlen für das Jahr 2000 durchgeführten Berechnung tatsächlich auf ... EUR (höher) belaufe.
    Wegen der weiteren Einzelheiten zu der Berechnung der Klin. wird auf die diesbezüglichen Ausführungen in ihrem am 08.11.2011 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz sowie die diesem Schriftsatz beigefügten Anlagen verwiesen.
    Die Klin. beantragt,
    die EE vom 08.04.2009 aufzuheben und den für das Streitjahr 2006 ergangenen Änderungsbescheid vom 16.02.2009 erneut zu ändern und dabei eine von ihr in Höhe von ... EUR gebildete Rückstellung gewinnmindernd zu berücksichtigen,
    hilfsweise,
    die Revision zuzulassen.
    Der Bekl. beantragt,
    die Klage abzuweisen,
    hilfsweise,
    die Revision zuzulassen.
    Er ist der Auffassung, dass der strittigen Rückstellung die steuerliche Anerkennung bereits deshalb zu versagen sei, weil die von der Kommission verhängte Geldbuße vorrangig Ahndungscharakter habe und auch hätte haben sollen. Dies schließe zwar grundsätzlich nicht aus, dass eine von der Kommission verhängte Geldbuße im Einzelfall auch schon mal Abschöpfungscharakter habe. Derartige Umstände, die darauf hindeuten könnten, dass auch die im Streitfall von der Kommission verhängte Geldbuße ausnahmsweise einen Abschöpfungsanteil enthalten habe, seien allerdings nicht erkennbar. Dagegen sprächen insbesondere die sich aus der Entscheidung der Kommission ergebenden Erwägungen zur Höhe der letztlich verhängten Geldbuße. Werde ungeachtet dessen im Streitfall gleichwohl von dem Vorhandensein eines Abschöpfungsteils ausgegangen, könne dies als europarechtswidrig zu beurteilen sein.
    Er (der Bekl.) halte zudem auch nach wie vor an seiner Auffassung fest, dass die Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG ein von den handelsrechtlichen Regelungen abweichendes Rückstellungsverbot enthalte. Denn nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG gelte das in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 1 EStG für Geldbußen normierte Abzugsverbot nur dann nicht, "soweit der wirtschaftliche Vorteil, der durch den Gesetzesverstoß erlangt wurde, abgeschöpft worden ist, ...". Diese Einschränkung des in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 1 EStG normierten Abzugsverbots resultiere aus dem Übermaßverbot, das es verbiete, einen Steuerpflichtigen sowohl durch eine Geldbuße als auch durch die Besteuerung doppelt zu belasten. Bei einer Auslegung, die sich sowohl an dem Wortlaut als auch an dem Zweck der Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG orientiere, könne die in Satz 4 dieser Vorschrift normierte Ausnahme von dem in ihrem Satz 1 geregelten Abzugsverbot folglich erst dann zur Anwendung kommen, wenn die Geldbuße tatsächlich geleistet worden sei. Denn bis zur Entrichtung einer verhängten Geldbuße liege eine tatsächliche Doppelbelastung zum einen durch die Geldbuße und zum anderen durch die Besteuerung – mithin eine Verletzung des Übermaßverbotes – nicht vor.
    Unabhängig davon bestreite er zudem vorsorglich die Höhe des von der Klin. ermittelten Abschöpfungsteils, da er nicht ausreichend Zeit gehabt habe, sich mit den (aktuellen) Berechnungen der Klin. auseinanderzusetzen.
    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie die von dem Bekl. vorgelegten Steuerakten verwiesen.
    Der Senat hat am 18.11.2011 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
    Entscheidungsgründe
    Die Klage ist nicht begründet.
    Der Bekl. hat der von der Klin. wegen der gegen sie von der Kommission verhängten Geldbuße in ihrer Steuerbilanz zum 31.12.2006 gewinnmindernd gebildeten Rückstellung zu Recht die steuerliche Anerkennung unter Berufung auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 1 EStG versagt.
    Danach dürfen u.a. von Organen der Europäischen Gemeinschaften festgesetzte Geldbußen den Gewinn eines Steuerpflichtigen nicht mindern.
    Diese Regelung ist im Streitfall auch anwendbar. Ihrer Anwendung steht insbesondere nicht bereits – wie die Klin. meint – entgegen, dass bislang noch nicht (rechtskräftig) festgestellt wurde, dass sie (die Klin.) sich tatsächlich kartellrechtswidrig verhalten hat. Denn zum einen ist eine derartige Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen. Zum anderen führte sie aber auch zu einer – wenn auch ggf. nur zeitweisen – dem Gesetzeszweck widersprechenden steuerlichen Begünstigung eines rechtswidrig Handelnden.
    Demgegenüber kann dahin stehen, ob § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 1 EStG nicht nur ein Abzugsverbot, sondern – wie der Bekl. meint – auch ein generelles Rückstellungsverbot enthält, und zwar auch für die Fälle, in denen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG das Abzugsverbot des Satzes 1 nicht oder teilweise nicht gilt, weil nämlich § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG nach seinem Wortlaut das in Satz 1 normierte Abzugsverbot nur in den Fällen aufhebt, in denen durch eine Geldbuße der wirtschaftliche Vorteil "abgeschöpft worden ist", zu der (tatsächlichen) Abschöpfung eines wirtschaftlichen Vorteils durch eine Geldbuße es jedoch erst bei deren (tatsächlicher) Zahlung kommen kann. Denn selbst wenn § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 1 EStG kein generelles Rückstellungsverbot enthalten sollte, wäre der Klage ein Erfolg zu versagen, da der Senat nicht festzustellen vermag, dass die Geldbuße in der Höhe, in der sie von der Kommission letztlich gegen die Klin. verhängt wurde, die Abschöpfung eines bei ihr eingetretenen wirtschaftlichen Vorteils i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG bewirkt hat.
    Davon, dass im Streitfall durch die gegen die Klin. verhängte Geldbuße die Abschöpfung eines bei ihr eingetretenen wirtschaftlichen Vorteils nicht bewirkt wurde, kann im Streitfall allerdings nicht schon deshalb ausgegangen werden, weil sich aus den Erwägungen, von denen sich die Kommission bei der Bemessung der Höhe der gegen die Klin. verhängten Geldbuße hat leiten lassen, ergibt, dass diese weder insgesamt noch zu einem abgrenzbaren Teil ausschließlich oder vorwiegend der Gewinnabschöpfung diente. Denn nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Beschluss vom 24.03.2004 – I B 203/03, BFH/NV 2004, 959) ist auch in einem solchen Fall nicht (zwangsläufig) bereits ausgeschlossen, dass die verhängte Geldbuße gleichwohl auch die Abschöpfung eines Mehrerlöses und damit eines wirtschaftlichen Vorteils i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG bewirkt.
    Im Streitfall hat der Senat jedoch bereits Bedenken, ob die gegen die Klin. verhängte Geldbuße der Abschöpfung eines Mehrerlöses und damit eines von der Klin. aus ihrer Kartellbeteiligung erzielten wirtschaftlichen Vorteils i. S. d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG (faktisch) überhaupt (noch) bewirken konnte, nachdem die an sich von der Kommission als angemessen angesehene Geldbuße – aus Billigkeitsgründen – gekappt und letztlich nach Maßgabe der Umsatzzahlen des Jahres 2005, d. h. eines Jahres, in dem das Kartell schon längst nicht mehr bestand, nur noch eine Geldbuße in Höhe von z EUR verhängt wurde. Denn folgte man insoweit den ursprünglichen Überlegungen der Klin, dass der von der Kommission auf der Basis der Marktanteile der dem Kartell angehörenden Unternehmen im europäischen Wirtschaftsraum im Jahre 2000 bemessene Ausgangsbetrag von y EUR als Abschöpfungsteil und der zusätzlich angesetzte Erhöhungsbetrag von x EUR als Sanktionsteil zu qualifizieren sei, so könnte vor dem Hintergrund, dass letztlich eine Geldbuße lediglich in ungefährer Höhe des Sanktionsteils verhängt wurde, durchaus zu erwägen sein, dass die Kappung den Abschöpfungsteil betroffen hat oder – was naheliegender ist – sich verhältnismäßig ausgewirkt hat.
    Erwägenswert erscheint dem Senat in diesem Zusammenhang überdies, ob nicht vor dem Hintergrund, dass nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich von einer durch eine Geldbuße (faktisch) bewirkten Abschöpfung eines aus einer rechtswidrigen Handlung erzielten wirtschaftlichen Vorteils auszugehen ist, jedenfalls in den Kappungsfällen konsequenterweise auch von einer (faktischen) Berücksichtigung der auf den wirtschaftlichen Vorteil entfallenden Steuern ausgegangen werden müsste.
    Der Senat kann diese Fragen allerdings im Streitfall letztlich offen lassen. Denn er vermag nicht festzustellen, dass die Klin. aus ihrer Kartellbeteiligung überhaupt einen wirtschaftlichen Vorteil, der durch die gegen sie festgesetzte Geldbuße abgeschöpft werden konnte, erzielt hat.
    Dagegen spricht bereits, dass die Klin. selbst – jedenfalls ursprünglich – gegenüber der Kommission bekundet hat, dass ihr das vorgeworfene Verhalten keinerlei Vorteile gebracht habe, und auch die Kommission ausdrücklich erklärt hat, dass sie die tatsächlichen Auswirkungen des Kartells, dem sich die Klin. angeschlossen hatte, nicht habe messen können. Ein wirtschaftlicher Vorteil kann durch eine Geldbuße jedoch bereits begrifflich nicht abgeschöpft werden, wenn ein solcher Vorteil überhaupt nicht eingetreten ist.
    Dass und – wenn ja – in welcher Höhe sie entgegen ihren Bekundungen gegenüber der Kommission doch wirtschaftliche Vorteile aus ihrem kartellrechtswidrigen Verhalten gezogen hat, hat die Klin. zudem weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen.
    Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus ihren Ausführungen in ihrem am 08.11.2011 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz sowie den diesem Schriftsatz beigefügten Anlagen. Denn soweit die Klin. darin den wirtschaftlichen Mehrerlös aus ihrer Kartellbeteiligung nunmehr mit ... EUR beziffert hat, vermag ihr der Senat nicht zu folgen.
    Nach seiner Überzeugung entspricht die zugrunde liegende Berechnung, die allein auf den Zahlen des Jahres 2000 basiert, nicht den Anforderungen, die an eine derartige Berechnung zu stellen sind. Abgesehen davon, dass die Verhältnisse des Jahres 2000, d. h. des letzten vollen Jahres der Kartellbeteiligung der Klin., wohl kaum mit den Verhältnissen des Jahres 1992, d. h. des ersten vollen Jahres ihrer Kartellbeteiligung vergleichbar sein dürften, wäre es überdies erforderlich gewesen, für jedes Jahr der Kartellbeteiligung unter Berücksichtigung der Gewinnentwicklung in den Jahren vor der Kartellbeteiligung und unter Einbeziehung gesamtwirtschaftlicher Entwicklungen, insbesondere konjunktureller Entwicklungen, im Einzelnen darzulegen, inwieweit die in den einzelnen Jahren erzielten Gewinne tatsächlich aus ihrer Kartellbeteiligung resultieren.
    Der Senat sieht sich vor dem Hintergrund, dass er bereits nicht festzustellen vermag, ob durch die gegen die Klin. verhängte Geldbuße überhaupt die Abschöpfung eines bei ihr eingetretenen wirtschaftlichen Vorteils bewirkt wurde, und im Hinblick darauf, dass die Klin. selbst ursprünglich behauptet hat, aus dem ihr vorgeworfenen Verhalten keinerlei Vorteile gezogen zu haben, und auch die Kommission Auswirkungen des Kartells nicht hat messen können, auch außer Stande, die Höhe eines derartigen Vorteils zu schätzen.
    Aber auch, wenn entgegen der Auffassung des Senats die Voraussetzungen für eine Schätzung dem Grunde nach zu bejahen sein sollten, könnte diese Schätzung im Hinblick auf die ursprünglichen Bekundungen der Klin. und des von ihr vorgelegten, nicht ausreichenden Zahlenmaterials lediglich auf 0,00 EUR lauten.
    Da danach der Bekl. der von der Klin. gebildeten Rückstellung bereits auf der Grundlage des nationalen Rechts zu Recht die steuerliche Anerkennung versagt hat, bedarf die von dem Bekl. aufgeworfene Frage, ob eine steuerliche Anerkennung der von der Klin. gebildeten Rückstellung ggf. gegen europäisches Recht verstößt, keiner Entscheidung.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
    Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
    ... ... ...

    RechtsgebietFinanz- und Abgabenrecht