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  • 14.06.2012 · IWW-Abrufnummer 121810

    Oberlandesgericht Brandenburg: Urteil vom 03.05.2012 – 10 U 6/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    10 U 6/11 Brandenburgisches Oberlandesgericht
    11 O 20/09 Landgericht Potsdam

    Anlage zum Protokoll vom 03.05.2012
    verkündet am 03.05.2012

    Brandenburgisches Oberlandesgericht

    Im Namen des Volkes

    Urteil

    In dem Rechtsstreit XXX
    hat der 10. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2012 durch XXX für R e c h t erkannt:

    Die Berufung der Beklagten gegen das am 12. Mai 2011 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam wird zurückgewiesen.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Der Berufungswert wird auf 185.391,80 € festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Die Beklagte begehrt im Rahmen ihrer Widerklage - nur insoweit ist der Rechtsstreit noch im Berufungsverfahren anhängig - die Rückzahlung eines angeblich am 15.4.2008 in C… an den Kläger gezahlten Betrages von 175.000 €.

    Die Parteien waren von 1997 bis Januar 2007 nichteheliche Lebenspartner. Nach Beendigung der Lebensgemeinschaft nahm die Beklagte Kontakt mit Rechtsanwalt … auf und bat darum, die Rechtslage nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu klären. Es kam zu Verhandlungen der Parteien über eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung; es wurden verschiedene Vertragsentwürfe erarbeitet. Gegenstand der Entwürfe war u. a. die Übertragung eines im Eigentum der Beklagten stehenden Bungalowgrundstücks.

    Mit Schreiben vom 19.9.2007 erklärte sich die Beklagte zur Sicherung möglicher Ansprüche des Klägers zur Eintragung einer Eigentümerbriefgrundschuld bereit und schlug vor:
    „In der Zwischenzeit werden die Parteien die vertraglichen Vereinbarungen in einem Textentwurf abschließend fixieren.“

    Im Weiteren holte die Beklagte zwei Wertgutachten über den Grundstückswert der im Streit stehenden Grundstücke ein.

    Durch Schreiben vom 2.11.2007 und 19.12.2007 nahm die Beklagte auf vom Kläger vorgeschlagene Vereinbarungen Bezug und wies darauf hin, dass „das Steuerproblem der Grundstücksübertragung bzw. der Zuwendung des Verkaufserlöses des zweiten Grundstückes zu klären sei.

    In einem Gespräch am 18.1.2008 in den Räumen des Rechtsanwalts … wurden ein weiteres Mal die Verhandlungspositionen auch unter steuerlichen Gesichtspunkten ausgetauscht. Im Ergebnis beabsichtigte die Beklagte, Vermögensübertragungen zugunsten des Klägers „im Zuge einer emotionalen Verpflichtung“ vorzunehmen (Schreiben des Rechtsanwalts … an die Beklagte vom 24.1.2008).

    Über das Vermögen des Klägers wurde beim Amtsgericht Offenburg (Az. 1 IN 108/02) ein Insolvenzverfahren geführt. Mit Beschluss vom 27.2.2008 erteilte das Amtsgericht Offenburg die Restschuldbefreiung.

    Am 15.4.2008 trafen sich die Parteien in den Räumen der Tischlerei Si… in C…. Dort unterzeichnete der Kläger eine von Rechtsanwalt … erstellte Vereinbarung zur Regelung der wechselseitigen Verhältnisse nach Beendigung der Lebenspartnerschaft. Die Vereinbarung enthält verschiedene Verpflichtungen der Parteien, sieht jedoch die Zahlung eines Geldbetrages nicht vor. Sie enthält allerdings folgende Ausgleichsklausel:

    „Die Parteien vereinbaren und stellen klar, dass mit dieser Vereinbarung und ihrer Durchführung sämtliche wechselseitigen Ansprüche und Forderungen ausgeglichen und erledigt sind, gleichviel, ob diese im Rahmen der bisherigen Verhandlungen geltend gemacht wurden oder den Parteien selbst oder wechselseitig bekannt bzw. offenbart worden sind. Die Parteien vereinbaren somit eine vollständige Ausgleichsklausel.“

    Wegen des weiteren Wortlautes wird auf die Vereinbarung (Blatt 71 d. A.) Bezug genommen. Ob die Beklagte dem Kläger bei dieser Gelegenheit 175.000 € übergeben hat, ist streitig.

    Nachdem der Kläger Anfang September 2008 erneut Forderungen u. a. gegen die Beklagte erhoben hatte, führte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit dem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 13.9.2008 aus, dass der Kläger in C… „unter der Absprache, dass eine Schenkungssteuer nicht anfallen solle“, 175.000 € in bar erhalten habe und stellte fest, „dass die Zahlung möglicherweise ohne Rechtsgrund erfolgt ist und begehre bereits jetzt die Rückzahlung gemäß § 812 BGB an meine Mandantin B… S…, da augenscheinlich unter Irrtumserregung und gleichzeitiger Drohung mit einem empfindlichen Nachteil gegenüber den anderen Mandanten, diese dazu genötigt wurden, den vermeintlichen Ausgleichsbetrag aufzubringen. (Sie drohten mit entsprechenden Nachteilen für B… S…).“

    Wegen des Inhalts des Schreibens vom 13.9.2008 im Übrigen wird auf Blatt 8 d. A. Bezug genommen.

    Mit dem weiteren Schreiben vom 6.5.2009 erklärte die Beklagte dann „die Anfechtung der Zahlung … in Höhe von 175.000 € … aus jedem erdenklichen Rechtsgrund.“

    Der Kläger hat vorgetragen, der Betrag von 175.000 € sei ihm nicht übergeben worden; Drohungen von ihm habe es nicht gegeben. Die Beklagte sei im Rahmen der Vergleichsverhandlungen ausgleichsbereit gewesen. Sie habe betont, dass sie zu einer Zahlung nicht verpflichtet sei.

    Er hat beantragt,
    1. festzustellen, dass der Beklagten kein Anspruch auf Anwaltshonorar in Höhe von 5.395,04 € lt. Rechnung vom 13.9.2008 zusteht.
    2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.127,92 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 20.9.2008 zu zahlen.

    Die Beklagte hat beantragt,
    die Klage abzuweisen.

    Widerklagend hat sie beantragt,
    den Kläger zu verurteilen, an sie 175.000 € zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.4.2008 zu zahlen.

    Der Kläger hat beantragt,
    die Widerklage abzuweisen.

    Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe sie während der Lebenspartnerschaft und nach der Trennung wiederholt genötigt und sei gewalttätig gewesen. Wegen der höchst emotionalen Stresssituation, auch aufgrund ihrer Schwangerschaft, habe sie sich am 15.4.2008 veranlasst gesehen, 175.000 € zu zahlen. Sie meint, ein Anspruch des Klägers habe nicht bestanden. Sie habe gezahlt, um Ruhe zu haben.

    Mit dem am 12.5.2011 verkündeten Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht Potsdam Klage und Widerklage abgewiesen.

    Gegen das am 15.6.2011 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 15.6.2011 eingelegten und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 14.9.2011 begründeten Berufung. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt vor:
    Das Gericht habe verfahrensfehlerhaft gehandelt und hätte dem Beweisangebot zur Zahlung des Geldbetrages nachgehen müssen. Zudem sei der Ausgang verschiedener Ermittlungsverfahren gegen den Kläger abzuwarten. So habe die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen den Kläger wegen Bedrohung weitergeführt, nachdem sie weiter vorgetragen habe.

    Die Beklagte beantragt,
    unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 12.5.2011 den Rechtsstreit in die erste Instanz zur erneuten mündlichen Verhandlung zurückzuverweisen.
    hilfsweise,
    unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 12.5.2011 den Kläger zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 175.000 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.4.2008 sowie vorgerichtlichen Schadenersatz in Höhe von 10.391,80 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.11.2011 zu zahlen.

    Der Kläger beantragt,
    die Berufung zurückzuweisen.

    Er verweist auf sein erstinstanzliches Vorbringen und macht geltend, dass die Beklagte in den lang andauernden Verhandlungen nicht fremdbestimmt gehandelt habe.

    Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

    II.

    Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

    1.
    Eine Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung an das Landgericht kommt nicht in Betracht. Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Landgericht Verfahrensfehler unterlaufen sind. Denn die Angelegenheit ist jedenfalls ohne Weiteres spruchreif, so dass der Senat über die Sache entscheidet (vgl. dazu Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 538, Rz. 6).

    2.
    Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Rückzahlung von 175.000 € aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB. Denn der Kläger hat das Geld jedenfalls nicht ohne Rechtsgrund erlangt.

    a)
    Im Ergebnis der Anhörung der Parteien durch den Senat bleibt zweifelhaft, ob der Kläger aus Anlass des Treffens am 15.4.2008 in C… tatsächlich den Betrag von 175.000 € in Empfang genommen, mithin etwas erlangt hat.

    Zwar schildert die Beklagte nachvollziehbar die Übergabe des Geldes, während die Einlassung des Klägers, er habe das Geld nicht in Empfang genommen, Zweifel aufkommen lässt. Insbesondere bedürfte es weiterer Erklärungen dazu, warum er – obwohl ein finanzieller Ausgleich für ihn über die lang andauernden Verhandlungen sehr wichtig war – die auf den 20.1.2008 rückdatierte Vereinbarung vom 15.4.2008 ohne Annahme des Geldes unterzeichnet hat. Zudem lässt sich nicht nachvollziehen, warum er – wenn kein Geld übergeben wurde – die Unterzeichnung der Vereinbarung nicht im Büro der Beklagten oder im Haus von deren Eltern vornahm. Der weiteren Aufklärung des Sachverhaltes durch den Senat bedurfte es jedoch nicht, weil die im Weiteren – zu Gunsten der Beklagten – zu unterstellende Leistung jedenfalls mit Rechtsgrund erfolgte.

    b)
    Die Zuwendung erfolgt ohne rechtlichen Grund, wenn der Empfänger sie nach den Kriterien der rechtsgeschäftlichen Güterzuordnung nicht behalten darf. Die Leistung muss mithin ohne ein wirksames Kausalverhältnis erfolgt sein (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 812, Rz. 6). Ein solches Kausalverhältnis ist jedoch in der auf den 20.1.2008 datierten Vereinbarung (unterzeichnet am 15.4.2008) zu sehen.

    Die Beklagte selbst trägt vor, die Parteien hätten sich auf die Zahlung der 175.000 € verständigt und nach Zahlung die Vereinbarung mit der umfassenden Ausgleichsklausel unterzeichnet. Nach dem Willen der Vertragsparteien bedingen sich daher der Abschluss der Vereinbarung und die Zahlung des Betrages, auch wenn die Vereinbarung eine Zahlung nach dem Wortlaut nicht vorsah. Jedenfalls wäre eine Rückforderung des zuvor gezahlten Geldes aufgrund der umfassenden Ausgleichsklausel ausgeschlossen.

    Der Rechtsgrund ist nicht durch Anfechtung der Vereinbarung entfallen.

    aa)
    Die Beklagte befand sich zum Zeitpunkt der Leistung nach ihrem eigenen Vortrag nicht in einem Irrtum (§ 119 BGB), der zur Anfechtung berechtigt hätte. Zudem wäre die Erklärung nicht unverzüglich angefolgt, § 121 BGB.

    bb)
    Die Beklagte hat die Vereinbarung auch nicht wirksam wegen einer widerrechtlichen Drohung angefochten, §§ 123, 142 BGB.

    Bedrohung ist das in Aussicht Stellen eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt der Drohende Einfluss zu haben vorgibt. Als Übel genügt jeder Nachteil, unabhängig davon, ob er materieller oder ideeller Natur ist oder sich auf den Erklärenden bzw. eine andere Person bezieht. Die Drohung besteht in der Ankündigung eines Übels, erfordert also, dass der Drohende das Übel irgendwie in Aussicht stellt. Es genügt nicht, wenn der Anfechtende bei Abgabe der Willenserklärung lediglich erwartet hat, der andere Teil werde ihm bei Nichtabgabe der Erklärung ein Übel zufügen, wenn sich diese Befürchtung lediglich aus der objektiven Sachlage ergibt, nicht aber von dem anderen Teil hervorgerufen oder bestärkt wird. Es kommt dann lediglich das Ausnützen einer Zwangslage des Erklärenden durch den anderen Teil in Betracht, das den Tatbestand einer Drohung i. S. d. § 123 BGB nicht erfüllt, sondern unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit, § 138 BGB, zu prüfen ist (BGH NJW 88, 2599 f).

    Eine konkrete Bedrohungslage in diesem Sinn hat die Beklagte nicht vorgetragen. Die angeführten Handlungen des Klägers, z.B. nächtliches Umherschleichen auf dem Grundstück, Beschimpfungen etc., stellen keine Ankündigung eines konkreten Übels dar und lassen zudem einen bestimmten Zusammenhang mit der begehrten Ausgleichszahlung nicht erkennen.

    Im Übrigen ist die Vereinbarung nicht rechtzeitig binnen Jahresfrist angefochten worden, § 124 BGB.

    Bei einer widerrechtlichen Drohung beginnt die Anfechtungsfrist mit dem Ende der Zwangslage, § 124 II 1 Alt 2 BGB. Das ist entweder dann der Fall, wenn das angedrohte Übel eingetreten ist oder der Bedrohte glaubt, mit dem Eintritt des Übels nicht mehr ernsthaft rechnen zu müssen. Entscheidend ist der Zeitpunkt, ab dem der Anfechtungsberechtigte nicht mehr unter dem Einfluss des widerrechtlich angedrohten Übels steht; hierbei ist vom subjektiven Standpunkt des Bedrohten auszugehen (Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 124, Rz. 2; Wendtland in Bamberger/Roth, Beck´scher Online-Kommentar, BGB, 22. Aufl., § 124, Rz. 3).
    Die von der Beklagten geschilderte Bedrohungssituation ist auch aus ihrer Sicht mit der Unterzeichnung der Vereinbarung am 15.4.2008 beendet worden. Die „Anfechtung der Zahlung“ mit Schreiben vom 6.5.2009 ist mithin – soweit sie überhaupt als Anfechtung der Vereinbarung angesehen werden kann – jedenfalls verspätet.

    Das innerhalb der Anfechtungsfrist liegende Schreiben vom 13.9.2008 stellt keine wirksame Anfechtung dar. Die Anfechtung muss zwar nicht ausdrücklich erklärt, der Ausdruck Anfechtung nicht verwendet werden. Erforderlich ist aber eine Äußerung oder ein konkludentes Verhalten, dem der Anfechtungsgegner unzweideutig entnehmen kann, dass das Rechtsgeschäft wegen des Willensmangels bzw. Drohung rückwirkend beseitigt werden soll. Im Einzelfall kann auch die Rückforderung des Geleisteten ausreichen (Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 143, Rz. 3). In jedem Fall muss die Erklärung aber unzweideutig den Willen erkennen lassen, das Geschäft wegen eines Willensmangels nicht bestehen lassen zu wollen (Wendtland, a.a.O., § 143, Rz. 3). Daran fehlt es, weil dem Schreiben schon nicht eindeutig zu entnehmen ist, dass die Beklagte nicht nur die Zahlung, sondern auch die Vereinbarung vom 15.4.2008 (20.1.2008) anfechten will. Dieser Wille ist auch nicht im Wege der Auslegung anzunehmen. Die Beklagte schildert während des gesamten Rechtsstreites nachdrücklich, wie wichtig es ihr war, „Ruhe zu haben“. Dazu bedurfte es der Ausgleichsklausel, wie sie der Vereinbarung zu entnehmen ist. Daher kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass die Beklagte auch die Ausgleichsklausel anfechten wollte.

    Hinzu kommt, dass sie die Erklärung im Schreiben vom 13.9.2008 auf einen neuen Lebenssachverhalt stützt.

    Die Angabe des genauen rechtlichen Grundes der Anfechtung ist zwar für die Wirksamkeit der Erklärung nicht erforderlich. Hat der Anfechtende seine Erklärung aber auf Tatsachen gestützt, aus denen sich – ggf. im Wege der Auslegung – die Geltendmachung eines bestimmten gesetzlichen Anfechtungsgrundes ergibt, kann er nachträglich keine Tatsachen nachschieben, aus denen ein anderer Anfechtungsgrund folgt. Diese – weitere – Erklärung stellt eine neue Anfechtungserklärung dar, deren Rechtzeitigkeit nach dem Zeitpunkt ihrer Abgabe zu beurteilen ist (BGH NJW-RR 1989, 1183). So heißt es in dem Schreiben:

    „da augenscheinlich unter Irrtumserregung und gleichzeitiger Drohung mit einem empfindlichen Nachteil gegenüber den anderen Mandanten, diese dazu genötigt wurden, den vermeintlichen Ausgleichsbetrag aufzubringen. (Sie drohten mit entsprechenden Nachteilen für B… S…).“ Gegenstand der Erklärung ist mithin nicht eine angebliche Bedrohungssituation gegenüber der Beklagten, sondern gegenüber Dritten, die daraufhin Maßnahmen eingeleitet hätten. Die Vereinbarung am 15.4.2008 haben jedoch nicht Dritte, sondern die Beklagte unterzeichnet.

    c)
    Die Vereinbarung vom 15.4.2008/20.1.2008 ist nicht wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig, § 138 BGB. Grundsätzlich kann auch ein durch Ausnutzen einer Zwangslage geschlossenes Geschäft wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig sein. Das bloße Ausnützen der Zwangslage genügt jedoch zur Anwendung des § 138 BGB nicht. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, die sich nicht ausschließlich auf die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, sondern auf die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts selbst beziehen (BGH NJW 1988, 2599). Ein Rechtsgeschäft ist danach sittenwidrig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Zweck und Beweggrund zu entnehmenden Gesamtcharakter gegen die guten Sitten verstößt.

    Daran fehlt es, weil Ansprüche des Klägers nach Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Raum standen, die nicht von vornherein auszuschließen waren. Die Beklagte hat während der Lebenspartnerschaft der Parteien von ca. 10 Jahren Eigentum an Grundstücken in N…, …straße 27/28 erworben. Zwischen den Parteien bestand Streit darüber, ob der Kläger maßgeblich am Eigentumserwerb beteiligt war und lediglich aufgrund des laufenden, der Beklagten bekannten Insolvenzverfahrens kein Vermögen erwerben konnte. Daher standen Ausgleichsansprüche des Klägers gegen die Beklagte nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen bzw. unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder einer Zweckkondiktion, § 812 Abs. 1 Satz 2, 2.Alt. BGB, im Raum (vgl. BGH, FamRZ 2008, 1822). Diese wurden in rechtlicher Hinsicht für die Beklagte von deren Rechtsanwalt …, in wirtschaftlicher Hinsicht durch die Beklagte selbst durch Einholung von zwei Wertgutachten eingehend geprüft. Die bestehende Unsicherheit, ob und in welcher Höhe ein Ausgleich zu erfolgen hatte, wurde durch die vereinbarte Zahlung des Betrages von 175.000 € zusammen mit der Ausgleichsklausel beseitigt. Dass der gezahlte Betrag in keinem angemessenen Verhältnis zu dem bei der Beklagten bestehenden möglichen Prozessrisiko stand, ist von der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten (vgl. BGHZ 53, 379; NJW 95, 1429) nicht hinreichend vorgetragen und unter Beweis gestellt.

    d)
    Die Berufung der Beklagten auf die Sittenwidrigkeit des Vertrages mit Blick darauf, dass hier eine Steuerhinterziehung und/oder eine Umgehung insolvenzrechtlicher Vorschriften verbunden mit einer Gläubigerbenachteiligung erfolgt seien, greift nicht.

    Gegen insolvenzrechtliche Vorschriften konnten die Parteien bereits deshalb nicht verstoßen, weil zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung am 15.4.2008 das Insolvenzverfahren gegen den Kläger abgeschlossen war. Naheliegend ist jedoch ein Verstoß gegen steuerrechtliche Vorschriften. Der Kläger hat – den Vortrag der Beklagten als richtig unterstellt – den Geldbetrag von 175.000 € ohne Zeugen bzw. schriftliche Dokumentationen entgegengenommen, um keine Schenkungsteuer zahlen zu müssen. Darin kann eine Benachteiligung der Allgemeinheit liegen, die die Sittenwidrigkeit der Leistung begründet. In der Folge wäre die Leistung nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB zurückzugewähren.

    Eine Rückforderung des Geleisteten ist dann jedoch nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen. Die Vorschrift enthält einen Kondiktionsausschlussgrund für die Fälle, in denen der Leistende selbst sich einen Gesetzes- und Sittenverstoß entgegenhalten lassen muss. Das ist der Fall. Die Vereinbarung selbst als auch die steuerlichen Auswirkungen waren – diesen Vortrag hat sich die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27.3.2012 zu eigen gemacht – Gegenstand der Erörterungen zwischen den Parteien und ihren Bevollmächtigten am 18.1.2008. Mit dem Argument der Mithaftung der Beklagten, § 20 Abs. 1 ErbStG, sollte die Zahlung der 175.000 € erfolgen, um Steuerzahlungen zu ersparen. Der von der Beklagten nunmehr angeführte Sittenverstoß war mithin von beiden Parteien bewusst realisiert worden.

    3.
    Ein Zahlungsanspruch wegen Zweckverfehlung aus § 812 Abs. 1 S. 2 2. Alt. BGB besteht ebenfalls nicht. Danach soll der Empfänger eine Leistung nicht behalten dürfen, die der Leistende in der schließlich enttäuschten Erwartung erbracht hat, vom Empfänger eine Gegenleistung zu erhalten, auf die er keinen durchsetzbaren Rechtsanspruch hat. Erforderlich ist, dass der Bereicherungsgläubiger dem Empfänger mindestens konkludent zu verstehen gibt, die Leistung nur in der Erwartung des Eintritts eines bestimmten Erfolgs erbringen zu wollen, und dass der Empfänger die darin liegende Zweckbestimmung kennt und zumindest konkludent billigt (Palandt/Sprau, a.a.O., § 812, Rz. 30 m.w.N.).

    Die Beklagte hat die Vereinbarung vom 15.4.2008 unterzeichnet, um „Ruhe zu haben“. Dies konnte der Kläger schon daran erkennen, dass die Vereinbarung eine umfassende Ausgleichsklausel enthielt. Allerdings beschränkt sich die Vereinbarung auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien, nicht jedoch auf die Beziehungen zwischen dem Kläger und Dritten. Soweit der Kläger im September 2008 an den Vater der Beklagten herangetreten war, um Geld wegen dessen angeblicher Falschangaben im Insolvenzverfahren zu erlangen, wird nicht das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien, mithin auch nicht die Zweckabrede berührt. Zudem wird nicht vorgetragen, dass der Kläger mit dem Zahlungsverlangen unmittelbar oder auch nur mittelbar Druck auf die Beklagte aufbauen wollte.

    4.
    Weitere Ansprüche der Beklagten, insbesondere aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 240 StGB, sind aus den vorgenannten Gründen nicht gegeben.

    5.
    Mangels Hauptanspruch bleibt für einen weitergehenden – von der Beklagten nicht begründeten – Schadensersatzanspruch kein Raum.

    6.
    Eine Aussetzung des Rechtsstreites gemäß § 149 ZPO wegen laufenden Ermittlungsverfahren gegen den Kläger kommt nicht in Betracht. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens würden für den hier geführten Rechtsstreit keine Bindungswirkung entfalten. Es ist auch nicht anzunehmen, dass aus der Verwertung der strafrechtlichen Ermittlungen für das Zivilverfahren ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn folgen würde, der die Nachteile der zeitlichen Verzögerung einer Entscheidung aufwiegen könnte. Ein zeitnaher Abschluss eines Strafverfahrens innerhalb eines Jahres ist ebenfalls nicht anzunehmen.

    7.
    Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung.