Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 20.07.2012 · IWW-Abrufnummer 122817

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 23.05.2012 – 11 K 631/11 F

    Eine gesonderte Feststellung der Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften kann auch nach Ablauf der für diese geltenden Feststellungsfrist erfolgen, wenn die Festsetzungsfrist für den Einkommensteuerbescheid des betreffenden Jahres noch nicht abgelaufen ist.


    Im Namen des Volkes
    URTEIL
    In dem Rechtsstreit
    hat der 11. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richterin … ehrenamtliche Richterin … ehrenamtlicher Richter … ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 23. Mai 2012 für Recht erkannt:
    Tatbestand
    Die Beteiligten streiten darüber, ob erstmalig eine gesonderte Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2002 erfolgen kann.
    Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2002 auf der Grundlage der von ihnen im Mai 2003 eingereichten Einkommensteuererklärung zuletzt mit Bescheid vom 29. August 2006 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Beklagte hatte die Einkommensteuer auf xx.xxx EUR festgesetzt und dabei erklärungsgemäß bei dem Kläger weder Einkünfte aus Kapitalvermögen noch aus privaten Veräußerungsgeschäften berücksichtigt.
    Im Rahmen strafbefreiender Selbstanzeigen erklärte der Kläger im Jahr 2010 bislang nicht erklärte Einkünfte aus Kapitalvermögen und privaten Veräußerungsgeschäften für die Jahre 1999 bis 2008 nach. Daraufhin erließ der Beklagte am 13. September 2010 unter Hinweis auf § 173 der Abgabenordnung (AO) unter anderem einen Einkommensteueränderungsbescheid für das Jahr 2002, in dem er nunmehr beim Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von xx.xxx EUR berücksichtigte. Die negativen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften aus dem Jahr 2002 in Höhe von unstreitig xx.xxx,xx EUR berücksichtigte er dabei – auch im Wege des Verlustrücktrages in das Jahr 2001 – nicht, da keine verrechenbaren positiven Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften vorhanden waren. Die ebenfalls nacherklärten negativen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften des Jahres 2001 wurden vollständig in das Jahr 2000 zurückgetragen, so dass sich kein vortragsfähiger Verlust auf den 31. Dezember 2001 ergab.
    Mit Schreiben vom 18. Oktober 2010 beantragten die Kläger unter anderem, auf den 31. Dezember 2002 einen verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer hinsichtlich der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften des Klägers in Höhe von xx.xxx,xx EUR festzustellen. Dieses lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 2. November 2010 wegen der aus seiner Sicht eingetretenen Verjährung ab. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Kläger blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2011).
    Ihre Klage begründen die Kläger damit, dass die Feststellungsfrist gehemmt und somit der erstmalige Erlass eines Bescheides über die gesonderte Feststellung des auf den Schluss des Jahres 2002 verbleibenden Verlustvortrages zulässig sei.
    Die Feststellungsfrist für die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages auf den 31. Dezember 2002 laufe grundsätzlich gem. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre. Sie beginne mit Ablauf des 31. Dezember 2005 und ende daher nicht vor Ablauf des 31. Dezember 2009 (§ 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Fall 2 AO). Im Streitfall sei der Ablauf der Frist allerdings gem. § 23 Abs. 3 Satz 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 2007 i.V.m. § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG gehemmt gewesen. Die Feststellung sei bei Antragstellung im Jahr 2010 noch möglich gewesen, da die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2002 noch nicht abgelaufen gewesen sei. Infolge der Steuerhinterziehung im Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen gelte die 10-Jahresfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO, d.h. die Festsetzungsfrist ende im Streitfall erst mit Ablauf des 31. Dezember 2013.
    Entgegen der Auffassung des Beklagten verweise § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG nicht lediglich auf die reguläre Festsetzungsverjährung in § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO bzw. nur bei einem unmittelbaren Zusammenhang der festzustellenden Verluste mit hinterzogenen Steuern auf die verlängerte Festsetzungsverjährung. Zwar sei der Wortlaut des Gesetzes insoweit neutral, jedoch gebiete die historische Auslegung, dass sich der Verweis jeweils auf die konkrete Festsetzungsfrist beziehe. Der Gesetzgeber habe mit der Einfügung des Satzes 6 in § 10d Abs. 4 EStG sicherstellen wollen, dass sich jede Änderung der für den Verlustvortrag maßgeblichen Bezugsgrößen bei der Einkommensteuerfestsetzung auch im Verlustfeststellungsverfahren auswirken könne. Sofern also eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung auf Grund der verlängerten Festsetzungsfrist noch möglich sei, solle auch eine entsprechende Änderung der Verlustfeststellung möglich sein. Diese Auslegung entspreche dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Einfügung des Satzes 6 habe verhindern sollen, dass die erstmalige Verlustfeststellung zeitlich unbegrenzt erfolgen könne. Ziel sei es gewesen, unter Beibehaltung der Steuergerechtigkeit eine zeitnahe Entscheidung über die Höhe des Verlustabzuges sicherzustellen. Auch die Systematik spreche dafür, auf die konkrete Festsetzungsfrist abzustellen. Hätte das Gesetz nur auf die reguläre Festsetzungsfrist Bezug nehmen wollen, so hätte der Gesetzgeber dies konkret zum Ausdruck gebracht.
    Ein besonderer Zusammenhang zwischen den zu dem gesondert festzustellenden Verlust führenden Besteuerungsgrundlagen und denjenigen, bezüglich derer eine Steuerhinterziehung vorliege, sei – anders als der Beklagte meine – nicht erforderlich. Einen solchen Zusammenhang sehe das Gesetz nicht vor. Er könne auch nicht aus dem Terminus „soweit” in § 169 Abs. 2 Satz 2 AO hergeleitet werden. Diese Einschränkung beziehe sich lediglich darauf, dass ein hinterzogener Betrag im Sinne des Anspruchs des Fiskus auf eine Abschlusszahlung vorausgesetzt werde. Verbleibe es bei einer Abschlusszahlung, müsse auch ein gleichzeitig verbleibender vortragsfähiger Verlust festgestellt werden.
    Allerdings sei – selbst wenn ein entsprechender unmittelbarer Zusammenhang zu fordern wäre – ein solcher im Streitfall anzunehmen.
    Die Kläger beantragen sinngemäß,
    den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 2. November 2010 und der Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2011 zu verpflichten, einen Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2002 zu erlassen und darin negative Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften des Klägers in Höhe von xx.xxx,xx EUR festzustellen.
    Der Beklagte beantragt sinngemäß,
    die Klage abzuweisen,
    hilfsweise die Revision zuzulassen.
    Er ist der Auffassung, dass die streitige Verlustfeststellung wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung ausgeschlossen sei.
    § 10d Abs. 4 EStG sei zwar auch im Streitfall anwendbar, weil die Feststellungsfrist am 1. Januar 2007 noch nicht abgelaufen gewesen sei. Jedoch ergebe sich aus § 10d Abs. 4 EStG, dass eine Verlustfeststellung im Streitfall nicht mehr möglich sei, da die Festsetzungsfrist in Bezug auf die streitigen negativen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften abgelaufen sei.
    § 169 Abs. 2 Satz 2 AO regele ausdrücklich, dass die Festsetzungsfrist zehn Jahre betrage, soweit eine Steuer hinterzogen worden sei. Mithin komme es zur Teilverjährung nicht hinterzogener Steuerbeträge und zum Nebeneinander von Ablaufdaten für die Festsetzungsfrist. Entgegen der Auffassung der Kläger gebe es keine konkrete Festsetzungsfrist.
    Die historische Auslegung der Kläger greife im Streitfall nicht ein, denn die negativen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften seien unstreitig nicht in die Änderung der Einkommensteuerfestsetzung eingeflossen.
    Auch fehle es an einem Zusammenhang zwischen den nacherklärten positiven Einkünften aus Kapitalvermögen und den negativen Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften. Nach dem Verkauf eines Papieres seien schließlich keine Dividendeneinnahmen hieraus mehr möglich.
    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten Bezug genommen.
    Entscheidungsgründe
    Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO).
    Die Klage ist begründet. Der Beklagte ist verpflichtet, den von den Klägern begehrten Feststellungsbescheid zu erlassen (§ 101 Satz 1 FGO).
    Gem. § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007) vom 13. Dezember 2006 (BGBl I, 2878) mindern Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nach Maßgabe des § 10d EStG die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus privaten Veräußerungsgeschäften nach Absatz 1 erzielt hat oder erzielt; § 10d Abs. 4 EStG gilt entsprechend.
    § 23 Abs. 3 Satz 9, 2. Halbsatz EStG i.d.F. des JStG 2007 ist auch in den Fällen anzuwenden, in denen am 1. Januar 2007 die Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen war (§ 52 Abs. 39 Satz 7 EStG i.d.F. des JStG 2007, vgl. z.B. BFH Urteil vom 22. April 2008 IX R 29/06, BFH/NV 2008, 1244).
    Danach gelten in Bezug auf den streitigen Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften die Vorschriften über das Verlustfeststellungsverfahren (§ 10d Abs. 4 EStG i.d.F. des JStG 2007) auch im Streitfall, denn die Feststellungsfrist war am 1. Januar 2007 noch nicht abgelaufen.
    Gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gelten für die gesonderte Feststellung die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sinngemäß, mithin auch die Regelungen zur Verjährung. Nach § 169 Abs. 1 Satz 1, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine gesonderte Feststellung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Feststellungsfrist abgelaufen ist.
    Die Feststellungsfrist beträgt bei der gesonderten Feststellung nach § 10d Abs. 4 EStG vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO). Ihr Beginn bestimmt sich nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO. Hiernach beginnt die Feststellungsfrist, wenn eine Steuererklärung einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 AO später beginnt. Steuererklärung i.S. des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO ist auch die Erklärung zur gesonderten Feststellung (§ 181 Abs. 1 Satz 2 AO). Für die gesonderte Feststellung nach § 10d EStG besteht gemäß § 181 Abs. 2 Satz 1 AO eine Erklärungspflicht (vgl. z.B. BFH Urteil vom 25. Mai 2011, IX R 36/10, BStBl II 2011, 807). Danach hat eine Erklärung zur gesonderten Feststellung abzugeben, wem der Gegenstand der Feststellung ganz oder teilweise zuzurechnen ist.
    Mithin begann – mangels Abgabe einer Feststellungserklärung durch die Kläger – im Streitfall die Feststellungsfrist für die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 2002 mit Ablauf des Kalenderjahres 2005. Sie hätte mit Ablauf des 31. Dezember 2009 geendet, da die verlängerte Verjährungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO nicht eingreift. Hinsichtlich der streitigen negativen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften lag unstreitig keine Steuerhinterziehung vor.
    Der erstmals im Jahr 2010 begehrten Verlustfeststellung steht – entgegen der Auffassung des Beklagten – nicht der Eintritt der Feststellungsverjährung entgegen, denn gem. § 23 EStG i.d.F. des JStG 2007 i.V.m. § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG i.d.F. des JStG 2007 endet die Feststellungsfrist nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen ist.
    Im Streitfall war die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2002 im Jahr 2010 noch nicht abgelaufen. Die Festsetzungsfrist begann – da die Kläger ihre Einkommensteuererklärung 2002 im Mai 2003 abgegeben hatten – mit Ablauf des 31. Dezember 2003 (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Sie endete – da in Bezug auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen unstreitig eine Steuerhinterziehung vorliegt – mit Ablauf des 31. Dezember 2013 (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO). Die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustes aus privaten Veräußerungsgeschäften auf den 31. Dezember 2002 ist mithin noch möglich.
    Der Senat kann nicht erkennen, dass – wie der Beklagte meint – § 10d Abs. 4 EStG i.d.F. des JStG 2007 lediglich auf die „reguläre” Verjährungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO von vier Jahren verweist. Der Gesetzeswortlaut gibt für ein solches Verständnis keinen Anhalt.
    Die Gesetzesbegründung (vgl. Bundestagsdrucksache 16/2712 vom 25. September 2006, 44) spricht ebenfalls nicht für eine solche Auslegung. Soweit hier von der „allgemeinen” Verjährungsfrist die Rede ist „(regelmäßig sieben Jahre, § 181 Abs. 1 i.V.m. den §§ 169, 170 AO)”, ist eine Beschränkung auf die Regelung des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO nicht erkennbar. Der ausdrückliche Verweis auf die allgemeinen Verjährungsfristen in den §§ 169, 170 AO umfasst gerade auch die verlängerte Verjährungsfrist in den Fällen der Steuerhinterziehung.
    Auch der Sinn und Zweck des § 10d Abs. 4 EStG i.d.F. des JStG 2007 spricht nicht für die Auslegung des Beklagten. Die Regelung soll eine – bis dahin mögliche – zeitlich praktisch unbeschränkte Verlustfeststellung ausschließen und somit eine zeitnahe Entscheidung über die Höhe des Verlustabzuges sicherstellen.
    Verlustfeststellungsbescheide sollen daher nur innerhalb der für die Einkommensteuerbescheide geltenden Verjährungsfristen ergehen können (vgl. Bundestagsdrucksache 16/2712 vom 25. September 2006, 44).
    Der Senat kann demgegenüber nicht feststellen, dass § 10d Abs. 4 EStG i.d.F. des JStG 2007 auch dazu dienen soll, den Zeitraum für die Feststellung von Verlusten in den Fällen einer Steuerhinterziehung auf den Zeitraum der Regelverjährung von vier Jahren zu beschränken. Der Gesetzesbegründung ist eine solche Intention nicht zu entnehmen.
    Der von den Klägern begehrten Verlustfeststellung steht – anders als der Beklagte meint – nicht entgegen, dass es im Streitfall im Jahr 2010 bereits zu einer Teilverjährung von Steueransprüchen (z.B. Ansprüche resultierend aus den Einkünften aus § 15 EStG, § 19 EStG) und damit zu einem Nebeneinander von verschiedenen Festsetzungsfristen gekommen war. Denn der Eintritt der Teilverjährung auf der Ebene der Steuerfestsetzung hindert die gesonderte Verlustfeststellung nicht. Entgegen der Auffassung des Beklagten folgt aus der Formulierung des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO und dem Begriff „soweit” nichts anderes.
    Zum einen lässt sich aus § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG i.d.F. des JStG 2007 eine entsprechende Einschränkung nicht entnehmen. Die Regelung nimmt Bezug auf die „Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum”. Sie besagt gerade nicht – jedenfalls nicht nach ihrem Wortlaut – dass eine Verlustfeststellung nur soweit möglich sein soll, als noch keine Verjährung eingetreten ist. Vielmehr schreibt sie allein fest, dass eine Verlustfestsetzung noch solange möglich sein soll, wie eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung erfolgen kann. Dass die Verjährungsregelungen ausdrücklich eine Teilverjährung zulassen, ändert daran nichts.
    Auch eine Einschränkung dahin, dass zwischen den nacherklärten positiven Einkünften aus Kapitalvermögen und den negativen Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften ein (unmittelbarer) Zusammenhang bestehen muss, lässt sich der Regelung des § 10d Abs. 4 EStG i.d.F. des JStG 2007 nicht entnehmen. Eine solche Verknüpfung ließe die gesetzlich vorgesehene verfahrensrechtliche Trennung von Festsetzungs- und Feststellungsverfahren, die durch die sinngemäße Anwendung der Verjährungsvorschriften für die Festsetzung im Bereich der Feststellung nicht aufgehoben wird, außer Acht. Die durch § 10d Abs. 4 EStG i.d.F. des JStG 2007 hergestellte Verknüpfung von Festsetzungs- und Feststellungsverfahren reicht nur soweit, wie sie angeordnet ist. Sie ermöglicht mithin eine Verlustfeststellung, solange auch eine Änderung der Steuerfestsetzung möglich ist. Sie führt hingegen nicht zu einer inhaltlichen Verknüpfung dahin, dass die Einkünfte, die zu dem festzustellenden Verlust geführt haben, einen unmittelbaren Bezug zu den Einkünften haben müssen, die zur Änderung der Steuerfestsetzung führen.
    Das Ergebnis steht auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Verjährungsregelungen. Die Verjährung von Steueransprüchen soll für die Beteiligten Rechtssicherheit bringen. Allerdings wird – wie die Verlängerung der Verjährungsfristen zeigt – der unredliche Steuerpflichtige als weniger schutzwürdig angesehen. Im Streitfall gilt dies ebenfalls in Bezug auf die von den Klägern nicht erklärten Einkünfte aus § 20 EStG. Wegen der vorliegenden Steuerhinterziehung war insoweit noch im Jahr 2010 eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung möglich. Aus der in Bezug auf die Einkünfte aus § 20 EStG vorliegende Steuerhinterziehung nunmehr zu folgern, dass den Klägern aus der (zumindest teilweise) verlängerten Verjährungsfrist keine Vorteile – wie eine verlängerte Möglichkeit der Verlustfeststellung – entstehen dürfen, erscheint aus Sicht des Senates weder zwingend noch überzeugend.
    Das folgt auch aus dem Sinn und Zweck der Regeln zur Verlustfeststellung, insbesondere der Feststellung von Verlustvor- bzw. -rückträgen. Diese dienen der Herstellung der Steuergerechtigkeit, die im Einzelfall letztlich mittels Durchbrechung des Prinzips der Abschnittsbesteuerung erreicht wird. Dies soll und muss auch in den Fällen einer Steuerhinterziehung gelten, denn die Sanktion für den begangenen Rechtsverstoß, d.h. die Hinterziehung, erfolgt in anderer Weise (z.B. durch Festsetzung von Hinterziehungszinsen und strafrechtliche Konsequenzen).
    Schließlich führt auch der Vergleich mit einem Steuerpflichtigen, der seinen Verpflichtungen zur vollständigen Erklärung der Einkünfte nachgekommen ist, zu keinem anderen Ergebnis. Hätte der Kläger keine Einkünfte aus § 20 EStG verschwiegen und lediglich versehentlich – d.h. ohne Verschulden – seine Verluste aus privaten Veräußerungsverlusten nicht erklärt, so hätte er zwar im Jahr 2010 nicht mehr die Möglichkeit gehabt, eine Verlustfeststellung zu erreichen. Jedoch steht dem von den Klägern durch die Steuerhinterziehung erlangten „Vorteil” der verlängerten Möglichkeit der Verlustfeststellung, der „Nachteil” gegenüber, dass sie die nichterklärten Einkünfte versteuern müssen, obgleich die „reguläre” Verjährungsfrist im Jahr 2010 bereits abgelaufen war.
    Mithin steht der Feststellung des der Höhe nach unstreitigen Veräußerungsverlustes der Eintritt der Verjährung nicht entgegen.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
    Die Zulassung der Revision folgt aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

    VorschriftenEStG § 23 Abs 3 Satz 9, AO § 169, EStG § 10d Abs 4