15.06.2011 · IWW-Abrufnummer 123423
Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 15.02.2011 – 5 K 341/09
Die fehlende Mitteilung des Kindergeldempfängers über die doppelte Auszahlung von Kindergeld aufgrund doppelter Beantragung durch beide Elternteile bei unterschiedlichen Kindergeldkassen erfüllt regelmäßig den Tatbestand der Steuerhinterziehung, so dass die verlängerte Festsetzungsfrist gilt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist es streitig, ob die beklagte Familienkasse gegenüber dem Kläger die Festsetzung von Kindergeld für die Tochter X bezüglich der Monate Januar 1998 bis November 2007 wegen doppelter Zahlung aufheben und die überzahlten Beträge zurückfordern konnte.
Am 11.04.1981 wurde der Sohn Y geboren, woraufhin der Kläger, der von Beruf Schlosser ist, auf dem entsprechenden Vordruck am 20.04.1981 Kindergeld bei der Familienkasse (Arbeitsamt A) beantragte. Hierbei gab er unter Ziffer 8 des Vordrucks an, dass seine Ehefrau E für den Sohn kein Kindergeld beantragt habe. Unter Ziffer 10 kreuzte der Kläger an, dass seine Ehefrau nicht im öffentlichen Dienst tätig sei. Der Vordruck wurde vom Kläger sowie von seiner Ehefrau E unterzeichnet. Diese bestätigte mit ihrer Unterschrift gleichzeitig, dass Sie damit einverstanden sei, dass das Kindergeld an den Ehemann, den Kläger, gewährt werde. Aufgrund dieses Antrags zahlte die Kindergeldkasse dem Kläger das beantragte Kindergeld.
Mit Arbeitsvertrag vom 27.11.1980 wurde die Ehefrau des Klägers mit Wirkung vom selben Tag an bei dem Amtsgericht A als Schreibkraft unter Eingruppierung in die Vergütungsgruppe VII BAT eingestellt. Unter dem 16.05.1981 beantragte sie bei der Bezirkslohnstelle beim Oberlandesgericht O ebenfalls Kindergeld für ihren Sohn Y. Sie bezeichnete sich hierbei als „Kindergeldbezieher”. Unter Ziffer 8 des Vordrucks wurde die Frage, ob der Ehegatte Kindergeld bezogen oder beantragt habe, nicht beantwortet. Der Vordruck wurde von beiden Ehegatten unterzeichnet. Der Kläger bestätigte mit seiner Unterschrift gleichzeitig, dass er damit einverstanden sei, dass das Kindergeld seiner Ehefrau gewährt werde. Hierauf zahlte die Bezirkslohnstelle an die Ehefrau des Klägers Kindergeld für den Sohn Y.
Am 19.10.1987 wurde die Tochter X geboren. Der Kläger zeigte durch Vorlage der Geburtsurkunde vom 20.10.1987 beim damaligen Arbeitsamt die Geburt an. Im Zusammenhang hiermit füllte der Kläger den Vordruck „Nachweis des Einkommens für den Anspruch auf Kindergeld” aus und unterzeichnete diesen am 26.10.1987. Hierbei gab er an, „Kindergeldberechtigter” zu sein. Der Vordruck wurde auch von der Ehefrau des Klägers unterzeichnet. Der Kläger versicherte, alle Angaben wahrheitsgetreu und vollständig gemacht zu haben, das „Merkblatt über Kindergeld” erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Zudem bestätigte er, dass alle Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung sind, unverzüglich angegeben würden. Anschließend zahlte die Familienkasse an den Kläger für die Tochter X Kindergeld.
Unter dem 21.10.1987 wandte sich die Z an die Ehefrau. In dem Schriftsatz wurde festgestellt, dass diese für ein zweites Kind Kindergeld beantragt habe. Hierbei sei die Höhe des Kindergeldes von der Feststellung der Einkünfte des Ehepaars abhängig. Daraufhin zeigte auch die Ehefrau des Klägers die Geburt ihrer Tochter X bei ihrem Arbeitgeber an und füllte den entsprechenden amtlichen Fragebogen aus, den sie am 12.11.1987 unterzeichnete. Hierbei gab sie an, „Kindergeldbezieherin” zu sein. Das Schriftstück wurde auch vom Kläger unterzeichnet. Anschließend zahlte die Z an die Ehefrau Kindergeld für die Tochter X.
Mit Schriftsatz vom 06.06.2007, der bei der Familienkasse (nunmehr Agentur für Arbeit A) am 08.06.2007 einging, teilte die Bezügestelle (als Nachfolgerin der Bezirkslohnstelle beim Oberlandesgericht O) mit, dass aufgrund einer Prüfung durch das Prüfungsamt des Bundes bekannt geworden sei, dass der Kläger und seine Ehefrau doppeltes Kindergeld bezogen hätten. Für den Sohn Y und für die Tochter X habe die Bezügestelle Kindergeld geleistet, und zwar für Y vom 01.04.1981 bis zum 30.04.1999 und für X vom 01.10.1987 bis zum 31.05.2007.
Unter dem 11.04.2008 wandte sich das Zentralamt für Steuern direkt an die beklagte Familienkasse, schilderte den Tatbestand der Doppelzahlung und bat um Bericht über das Veranlasste. Insgesamt seien für den Sohn Y und seine später geborene Schwester X 32.629,55 € Kindergeld bis einschließlich Mai 2007 ausgezahlt worden. Auf den Schriftsatz wird verwiesen.
Gegen den Kläger wurde das Steuerstrafverfahren eröffnet, das zurzeit ausgesetzt ist. Des Weiteren stimmte sich die Familienkasse mit der Bezügestelle dahingehend ab, dass die Bezügestelle Kindergeldzahlungen bis zum 31.12.1995 zurückfordern solle, die Familienkasse ab dem 01.01.1996. Unter dem 05.05.2008 erließ die Familienkasse gegen den Kläger einen Bescheid, der die Festsetzung des Kindergelds für den Sohn Y und für die Tochter X ab Januar 1996 aufhob. Es wurde ein Betrag in Höhe von 21.691,58 € zurückgefordert. Der Bescheid differenzierte nicht zwischen den einzelnen Kindern und benannte nicht die auf diese jeweils entfallenden Rückforderungsbeträge. Dasselbe gilt für die anschließend ergangene Einspruchsentscheidung vom 21.10.2008. Diese Bescheide waren Gegenstand der gerichtlichen Verfahren 5 V 2342/08 und 5 K 3069/08. Letzteres wurde dadurch beendet, dass die Familienkasse die Bescheide wegen Nichtigkeit aufhob und die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärten.
Unter dem 28.10.2008 erließ die Familienkasse einen erneuten Änderungsbescheid wegen Kindergeld für die Tochter X, der auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) beziehungsweise auf § 174 Abs. 2 AO gestützt wurde. Hierbei wurde die Festsetzung des Kindergeldes (beschränkt auf die Tochter X) für die Monate Januar 1998 bis November 2007 aufgehoben und ein Betrag in Höhe von 17.130,80 € zurückgefordert. Das sich anschließende Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg. Die Familienkasse wies den Einspruch mit Entscheidung vom 23.12.2008 als unbegründet zurück.
Mit der nunmehr erhobenen Klage trägt der Kläger vor, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten.
Nach dem Stand der mündlichen Verhandlung (auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen) räumt der Kläger zwar ein, eine leichtfertige Steuerhinterziehung begangen zu haben, vorsätzliches Handeln sei indes auszuschließen. Deshalb könne die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes nur unter Berücksichtigung einer fünfjährigen Festsetzungsfrist aufheben und entsprechende Überzahlungsbeträge (die im Übrigen der Höhe nach nicht beanstandet wurden) zurückfordern.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für das Kind X sowie die Rückforderung überzahlter Beträge vom 28.10.2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 23.12.2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, aus dem Verhalten des Klägers und seiner Ehefrau gehe eindeutig hervor, dass diese vorsätzlich die Zahlung von Kindergeld durch zwei unterschiedliche Behörden für dasselbe Kind herbeigeführt hätten. Deswegen gelte im Streitfall die zehnjährige Festsetzungsverjährung, der angefochtene Bescheid sei insoweit nicht zu beanstanden.
In der mündlichen Verhandlung wurde der erschienene Kläger informatorisch befragt. Wegen der erfolgten Angaben wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Dem Gericht lag zu Kindergeldnummer … ein Band Kindergeldakten sowie ein Aktenband der „Z” (Ehefrau des Klägers) vor.
Gründe
Die Klage ist überwiegend unbegründet.
1. Die Familienkasse konnte gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) die Festsetzung von Kindergeld aufheben, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt wurden, die zum Wegfall einer Steuervergütung führten.
Im Hinblick auf diese Voraussetzungen wurde der Beklagten erst am 08.06.2007 bekannt, dass sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau für die Tochter X parallel Kindergeld bezogen, also auch beantragt haben mussten (§ 67 EStG). Bei rechtzeitiger Kenntnis dieser Tatsache hätte die Familienkasse mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vergleiche Tike/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz. 57 m.w.N.) einen Abgleich mit der Z der Ehefrau des Klägers vorgenommen. So wäre bereits anlässlich der doppelten Antragstellung durch die Eheleute der erforderliche Bezugsberechtigte im Sinne des § 64 Abs. 2 S. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) bestimmt und das Kindergeld ausschließlich an diesen ausgezahlt worden. Das Bekanntwerden der Tatsache wirkte sich auf die Rechtsposition des Klägers aus, indem sie das Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Kindergeld offenbarte.
Der Kläger kann in diesem Zusammenhang nämlich nicht anführen, das Kindergeld sei ihm gegenüber zu Recht gezahlt worden, eine fehlerhafte Festsetzung sei allein gegenüber seiner Ehefrau vorgenommen worden. Denn nach dem vorliegenden Akteninhalt haben sich die Eheleute schon bei der Antragstellung bezüglich des Sohns Y gegenüber der jeweils zuständigen Festsetzungsbehörde gegenseitig zum Bezugsberechtigten im oben genannten Sinne bestimmt. Dieses Vorgehen wurde im Rahmen der Antragstellung für die Tochter X wiederholt. Die Berechtigtenbestimmung ist so lange gültig, bis sie zurück genommen wird, und zwar durch Erklärung gegenüber derjenigen Behörde, die die ursprüngliche Erklärung entgegennahm (BFH-Beschluss vom 11.12.2001 VI B 214/00, BFH/NV 2002,484; Finanzgericht Rheinland-Pfalz vom 10.04.2000 5 K 2268/98, DStRE 2001,134). Zwar ist hiernach eine konkludente Rücknahme der Berechtigtenbestimmung durch Stellung eines gegenläufigen späteren Antrags denkbar. Dies setzt aber voraus, dass der Antrag gegenüber derselben Stelle erfolgt, und nicht gegenüber einer anderen Behörde, die von der gegenläufigen Berechtigtenbestimmung keine Kenntnis hatte. Damit ist im Streitfall davon auszugehen, dass die Erklärung gegenüber der Familienkasse (Kläger) nicht durch die spätere Erklärung gegenüber der Bezirkslohnstelle (Ehefrau) widerrufen wurde.
Im Ergebnis ist die Rechtsposition des Klägers deshalb so zu beurteilen, als hätten die Eheleute überhaupt keine Berechtigtenbestimmung im Sinne des § 64 Abs. 2 S. 2 EStG vorgenommen. Denn Zweck des Gesetzes ist es sicherzustellen, dass für jedes Kind nur einmal Kindergeld gezahlt wird. Die gleichzeitige Bestimmung beider Eheleute zum jeweils Bezugsberechtigten ist nicht vorgesehen und damit steuerlich unbeachtlich.
Damit war die Familienkasse zur Änderung des angefochtenen Bescheids gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO grundsätzlich berechtigt.
Die Änderung konnte darüber hinaus, wie im Streitfall auch geschehen, auf § 174 Abs. 2 AO gestützt werden. Hiernach ist, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zu Gunsten mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist, der fehlerhaften Bescheid aufzuheben. Nach den obigen Ausführungen ergibt sich, dass die Festsetzung von Kindergeld gegenüber dem Kläger (als auch gegenüber seiner Ehefrau) fehlerhaft war. Sie erfolgte nämlich ohne die wirksame Bestimmung des erforderlichen Bezugsberechtigten.
2. Die Familienkasse konnte auch noch die Festsetzung des Kindergeldes für die Monate Januar 1998 bis Juni 2007 aufheben, weil die Festsetzungsfrist insoweit noch nicht abgelaufen war, dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts eine vorsätzliche Steuerverkürzung vorzuwerfen ist.
2.1. Gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist die Änderung einer Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beträgt nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und 5 Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Nach § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Da das Kindergeld monatlich gezahlt wird (§ 66 Abs. 2 EStG), beginnt der Lauf der Frist für alle Monate eines Jahres 01 zum 1.1. des Jahres 02 (BFH-Urteil vom 18.05.2006 III R 80/04, BFH/NV 2006, 2323). Unter Anwendung der zehnjährigen Verjährungsfrist konnte die Familienkasse im Jahr 2008 damit noch einen Änderungsbescheid erlassen, der alle Monate des Jahres 1998 bis Juni 2007 betraf.
2.2. Gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 AO begeht derjenige eine Steuerverkürzung, der die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch zumindest eine rechtzeitige Steuerfestsetzung zu Lasten des Fiskus verhindert. Tatsache in diesem Sinne war die vom Kläger nach seinen eigenen Angaben erkannte doppelte Antragstellung auf Kindergeld für (jeweils) ein und dasselbe Kind sowie die doppelte Auszahlung. Hierüber hat er der für ihn zuständigen Familienkasse keine Mitteilung gemacht. Dies war, auf die obigen Ausführungen kann verwiesen werden, kausal für die später erfolgten und gesetzlich nicht vorgesehenen doppelten Kindergeldfestsetzungen und Zahlungen.
Den Kläger traf auch die Pflicht, seiner Familienkasse den gesamten Sachverhalt offen zulegen. Dies folgt aus § 68 Abs. 1 EStG, wonach der Kläger alle Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen hatte, die für die Leistung erheblich waren. Damit musste er die Familienkasse darüber informieren, dass seine Frau bei ihrer Leistungsbehörde ebenfalls mit seiner Zustimmung Kindergeld für Y und X beantragte. Damit erfüllt das Unterlassen des Klägers den Tatbestand der Steuerverkürzung.
Der Kläger handelte nach Überzeugung des Gerichts vorsätzlich. Der Bezug von Kindergeld stellt eine staatliche Förderung dar, deren Voraussetzungen wegen ihrer Breitenwirkung als „allgemein bekannt” anzusehen sind. Das Gericht hält es für ausgeschlossen, das ein Steuerpflichtiger ernsthaft annehmen konnte, der Staat zahle für ein und dasselbe Kind zweimal Kindergeld. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in seiner Einsichtsfähigkeit hätte besonders beschränkt gewesen sein können, bestehen nicht. Im Gegenteil gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung an, Zweifel an der Richtigkeit der doppelten Zahlungen gehabt zu haben. Er will sogar im Rahmen des Antragsverfahrens bezüglich seines Sohns Y bei der Lohnstelle seiner Ehefrau vorgesprochen haben. Der Kläger räumte ein, von einem bestimmten Zeitpunkt an, nachdem „die Zahlstellen auf seinen Hinweis nicht reagiert hätten”, sein Gewissen damit beruhigt zu haben, dass „alles schon seine Ordnung” haben werde.
Die Einlassung des Klägers erklärt nicht, warum er sich nicht (bezüglich beider Kinder) mit seinen Bedenken an die für ihn selbst zuständige Familienkasse hielt. Denn gegenüber dieser bestand seine besondere Mitwirkungspflicht nach § 68 Abs. 1 EStG. Gegenüber dieser hatte er im Kindergeldantrag vom 20.4.1981 (Sohn Y) sowie im Formular vom 12.12.1988 (Tochter X) mit seiner Unterschrift bestätigt, davon Kenntnis genommen zu haben, dass er alle Änderungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung sind, unverzüglich der Familienkasse mitzuteilen habe. Weiter bestätigte der Kläger jeweils, vom Inhalt des „Merkblattes über Kindergeld” Kenntnis genommen zu haben. Das Gericht wertet die Einlassung des Klägers deshalb als untaugliche Schutzbehauptung, deren Wahrheitsgehalt nicht weiter zu untersuchen war. Auch die unsubstantiierte Behauptung, im Bekanntenkreis des Klägers sei geäußert worden, dass doppeltes Kindergeld fließe, wenn ein Ehegatte im öffentlichen Dienst tätig sei, entbehrt jeder Grundlage und kann die Pflichtwidrigkeit des Klägers nicht entschuldigen.
Wenn der Kläger damit trotz seines Fehlverhaltens darauf verzichtete, bei seiner Familienkasse die von ihm eingeräumten Bedenken vorzutragen, nahm er zumindest billigend in Kauf, dass diese an ihn ohne Rechtsgrundlage Kindergeld zahlte. Dem mag die unentschuldbare Einstellung zu Grund liegen, die Zahlungen in Empfang nehmen zu können, wenn der Staat schon seine Zahlstellen nicht so organisiere, dass er Fehler selbst entdecken könne (was dann schließlich doch geschah).
Die vorstehenden Darlegungen gelten um so mehr, als sich der Kläger auch bei der Beantragung von Kindergeld für die Tochter X nicht veranlasst sah, die Verhältnisse offen zulegen.
Nach alledem lief im Streitfall die zehnjährige Festsetzungsverjährung. Die Beklagte war deshalb nicht gehindert, mit Bescheid vom 28.10.2008 die Festsetzung für die Monate Januar 1998 bis Juni 2007 aufzuheben.
2.3. Soweit die Beklagte allerdings die Festsetzung des Kindergeldes auch für die Monate Juli bis November 2007 aufhob, war dies rechtswidrig.
Der Familienkasse war bereits am 06.06.2007 bekannt, dass an den Kläger und seine Ehefrau für beide Kinder doppelte Kindergeldzahlungen erfolgten. Sie hätte deshalb die Zahlungen ab Juli 2007 einstellen können und müssen. Infolge hiervon war das Vorliegen neuer Tatsachen im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu verneinen. Auch § 174 Abs. 2 AO, der die Kausalität eines unrichtigen Antrags auf Kindergeld für die doppelte Begünstigung der Eheleute voraussetzt, waren nicht mehr anwendbar. Denn es steht die am 08.06.2007 erlangte Kenntnis der Familienkasse entgegen.
Der Klage war hier im genannten geringen Umfang stattzugeben.
3. Letztlich hat die Familienkasse den Betrag von xxx € zutreffend vom Kläger zurückgefordert.
Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) hat die Familienkasse einen Anspruch auf Erstattung, wenn eine Steuervergütung (das Kindergeld) ohne rechtlichen Grund an den Leistungsempfänger (den Kläger) gezahlt wurde.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt, weil die Familienkasse die Auszahlungen vornahm, obwohl es an einer steuerlich berücksichtigungsfähigen Berechtigtenbestimmung i.S. des § 64 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 EStG fehlte. Der Rückforderungsbetrag als solcher ist der Höhe nach zwischen den Beteiligten nicht streitig.
3.1. Soweit die Familienkasse auch für die Monate Juli bis November 2007 Beträge in Höhe von 770,00 € zurückforderte, war die Klage wieder in geringem Umfang begründet.
Nach alledem war die Klage insgesamt mit der Kostenfolge aus § 136 Abs. 1 S. 3 FGO abzuweisen.