17.07.2012 · IWW-Abrufnummer 123700
Finanzgericht München: Gerichtsbescheid vom 22.05.2012 – 2 K 3459/09
1. Selbst wenn sich ein abberufener Geschäftsführer weiter als Geschäftsführer geriert, ergibt sich die Verantwortlichkeit des neuen Geschäftsführers als Haftender für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH allein aus seiner nominellen Bestellung zum Geschäftsführer und ohne Rücksicht darauf, ob sie auch tatsächlich ausgeübt werden konnte.
2. Ohne klare und eindeutige Aufgabenverteilung kann der neue Geschäftsführer nicht einfach darauf vertrauen, dass der abberufene, aber noch für die GmbH tätige, Geschäftsführer die steuerlichen Pflichten der GmbH erfüllen werde.
3. Rückständige Umsatzsteuer ist vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern. Ist dies nicht geschehen, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages (= Haftungssumme) eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat.
4. Der Geschäftsführer haftet auch für Säumniszuschläge, die nach seiner Abberufung oder nach Einstellung der Geschäftstätigkeit durch die GmbH entstehen.
IM NAMEN DES VOLKES
Gerichtsbescheid
In der Streitsache
hat der 2. Senat des Finanzgerichts München durch den Richter am Finanzgericht … ohne mündliche Verhandlung am 22. Mai 2012 für Recht erkannt:
1. Unter Änderung des Haftungsbescheids vom 12. Mai 2009 und des Änderungsbescheids vom 23. September 2009 sowie der Einspruchsentscheidung vom 6. Oktober 2009 wird die Haftungsschuld des Klägers auf 10.800,– EUR herabgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 9/10, der Beklagte 1/10.
Gründe
I.
Streitig ist, ob der Kläger für Steuerschulden der Fa. E-GmbH(GmbH) haftet.
Die GmbH erzielte steuerpflichtige Umsätze u. a. aus der Projektentwicklung im Bereich der Elektrotechnik sowie der Planung und Ausführungsvorbereitung für haustechnische Gewerke. Geschäftsführer der GmbH waren zunächst Herr S (1. Oktober 1995 bis 5. November 1998) und Frau PS (5. November 1998 bis 4. September 2006). Bei der Gesellschafterversammlung am 1. Juli 2005 wurde der Gegenstand des Unternehmens der GmbH u. a. auf Unternehmungsberatung, Insolvenzverwaltung und die Vermittlung von Unternehmensbeteiligungen erweitert. Der Kläger wurde, neben der Alleingesellschafterin PS zum weiteren, einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt (vgl. notarielle Urkunde vom 1. Juli 2005). Nachdem Frau PS am 4. September 2006 abberufen worden war, war der Kläger bis zum 28. November 2007 alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH. Ab diesem Zeitpunkt bis zum 14. April 2008 war F zum Geschäftsführer bestellt. Zum 31. März 2008 wurden die Geschäftsanteile der GmbH von einer bulgarischen Firma erworben und das Gewerbe in Deutschland abgemeldet.
Da die Steuerrückstände (Umsatzsteuer 2005 bis März 2008, Verspätungs- und Säumniszuschläge) der GmbH Ende April 2009 insgesamt 34.269,87 EUR betrugen, nahm der Beklagte (das Finanzamt) den Kläger nach vorheriger Anhörung mit Haftungsbescheid vom 12. Mai 2009 gemäß § 69 Abgabenordnung (AO) in Höhe von 16.400,– EUR für ausstehende Umsatzsteuern der Jahre 2005 und 2006 sowie der Monate Januar bis August 2007 zzgl. Verspätungs- und Säumniszuschlägen unter Berücksichtigung einer Tilgungsquote von 80 % in Haftung.
Am 16. Juni 2009 erging eine entsprechender Haftungsbescheid gegenüber Herrn F, mit dem dieser in Höhe von 8.700,– EUR für von der GmbH ab dem Jahr 2006 geschuldete Steuern und steuerliche Nebenleistungen in Anspruch genommen wurde.
Nachdem beim Finanzamt die Steuererklärungen der GmbH für 2007 eingegangen waren, ergab sich eine Minderung der Steuerrückstände, für die der Kläger haftet. Das Finanzamt widerrief deshalb mit Bescheid vom 22. September 2009 den Haftungsbescheid vom 12. Mai 2009 zum Teil, indem es die Haftungsschuld auf 12.100,– EUR herabsetzte. Mit Einspruchsentscheidung vom 6. Oktober 2009 wies es den Einspruch gegen den Haftungsbescheid vom 12. Mai 2009 in Gestalt des Bescheids vom 22. September 2009 als unbegründet zurück.
Mit der hiergegen erhobenen Klage bringt der Kläger im Wesentlichen Folgendes vor:
Während der Ausübung seiner Tätigkeit als Geschäftsführer sei er im Wesentlichen für die aus der Erweiterung des Gegenstands der Gesellschaft resultierenden Tätigkeitsfelder zuständig gewesen. Die organisatorische Abwicklung der laufenden Verwaltung, insbesondere hinsichtlich Zahlungsverkehr, Mahnwesen und Buchhaltung habe der alleinigen Gesellschafterin und Geschäftsführerin PS oblegen. Im Vertrauen auf die fristgerechte Erfüllung der Steuererklärungsfristen durch diese habe er die Einhaltung dieser Verpflichtungen nicht kontrolliert. Unter Beachtung der tatsächlichen Ausübung der Geschäftsführung durch ihn liege somit hinsichtlich der Verletzung der Steuererklärungspflichten keine grobe Fahrlässigkeit vor, da mehrere Geschäftsführer vorhanden gewesen seien und aufgrund der Aufgabenverteilung unter diesen Personen er nicht für den steuerlichen Bereich zuständig gewesen sei. Er habe weder Kenntnis von den Pflichtverletzungen der weiteren Geschäftsführerin gehabt noch sei er tatsächlich in der Lage gewesen, die laufenden Verpflichtungen aus der Stellung als Geschäftsführer der GmbH zu erfüllen. Die beherrschende Stellung der Alleingesellschafterin PS habe auch nach ihrer Abberufung zu einer faktischen Geschäftsführung geführt. Das bei seiner Inanspruchnahme als Haftenden auszuübende Auswahlermessen sei deshalb fehlerhaft ausgeübt worden, weil lediglich er, nicht jedoch auch die weitere Geschäftsführerin PS in Haftung genommen worden sei.
Außerdem sei die GmbH zum Zeitpunkt seiner Geschäftsführerbestellung bereits bilanziell überschuldet gewesen. Da die vorhandenen Mittel der GmbH nicht ausgereicht hätten, um alle Schulden zu bezahlen, sei er nicht verpflichtet gewesen, die Steuerschulden vorrangig zu tilgen. Die tatsächliche Tilgungsquote im Haftungszeitraum habe bei 0 % gelegen. Im Übrigen hätten die Steuerschulden der GmbH Ende 2006 nur 6.436,– EUR gegenüber sonstigen Verbindlichkeiten in Höhe von 127.504,90 EUR und Ende 2007 nur 12.973,21 EUR gegenüber 127.962,89 EUR sonstigen Verbindlichkeiten betragen.
Der Kläger beantragt, den Haftungsbescheid vom 12. Mai 2009 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 22. September 2009 und die Einspruchsentscheidung vom 6. Oktober 2009 aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Es bringt vor, dass der Kläger mit der Abberufung von Frau PS am 4. September 2006 als alleiniger Geschäftsführer für alle Belange der GmbH verantwortlich gewesen sei. Er sei nur für Steuerschulden in Haftung genommen worden, die nach dem 4. September 2006 fällig geworden sind. Der Kläger habe auch schuldhaft gehandelt, weil die Verzögerung der Abgabe der Steuererklärung 2005 über den 28. Februar 2007 hinaus allein er und nicht Frau PS zu vertreten habe. Die von ihm genannte Aufgabenverteilung sei im Jahr 2007 nicht mehr gegeben gewesen, nachdem Frau PS bereits am 4. September 2006 als Geschäftsführerin abberufen worden war. Frau PS sei auch zu Recht nicht in Haftung genommen worden, weil die für die Haftung ursächlichen Steuerschulden erst nach ihrer Abberufung fällig geworden seien. Die vom Kläger genannte Tilgungsquote von 0 % sei nicht nachvollziehbar, weil die Umsatzerlöse der GmbH in 2006 175.546,– EUR und in 2007 111.530,– EUR betragen hätten und davon Löhne, Sozialabgaben und sonstige betriebliche Aufwendungen bezahlt worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Haftungsakte und die im Verfahren eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet.
Das Finanzamt hat den Kläger, mit Ausnahme für das Jahr 2006, dem Grunde und der Höhe nach zu Recht für von der GmbH geschuldete Umsatzsteuern und steuerliche Nebenleistungen in Haftung genommen.
1. Gemäß § 69 AO haften die in den Vorschriften §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Grob fahrlässig im Sinne des § 69 AO handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich hohen Maße außer Acht lässt (Bundesfinanzhof-BFH-Urteil vom 28. Juni 2005 I R 2/04, BFH/NV 2005, 2149 m.w.N.). Die Vertreterhaftung erstreckt sich gemäß § 69 Satz 2 AO auch auf die Säumniszuschläge (§ 240 AO), die infolge der Pflichtverletzung entstanden sind (vgl. auch BFH-Urteil vom 26. Februar 2003 I R 30/02, BFH/NV 2003, 1301, m.w.N.).
Die Vertreter juristischer Personen haben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AO deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Gesetzlicher Vertreter einer GmbH ist ihr Geschäftsführer (§ 35 GmbHG). Er hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern fristgerecht erklärt (§ 149 AO i. V. m. § 18 des Umsatzsteuergesetzes – UStG) und aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO). Der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft ist demnach auch dazu verpflichtet, bereits vor Fälligkeit von Steuerforderungen Vorsorge für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu treffen (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 2004 VII R 19/02, BStBl II 2004, 967, m.w.N.). Reichen bei Zahlungsschwierigkeiten die verfügbaren Mittel nicht zur Tilgung aller fälligen Schulden aus, haftet der Geschäftsführer für eine angemessene – zumindest der Befriedigung der anderen Gläubiger entsprechende – Tilgung der Umsatzsteuerforderungen (BFH-Urteil vom 26. April 1984 V R 128/79, BStBl II 1984, 776).
2. Danach kann der Kläger wegen der verspäteten Abgabe der Umsatzsteuererklärung 2006 schon deshalb nicht in Haftung genommen werden, weil diese aufgrund der vom Finanzamt gewährten Fristverlängerung (vgl. § 149 Abs. 2, § 109 Abs. 1 AO) erst am 28. Februar 2008, also zu einem Zeitpunkt als der Kläger nicht mehr Geschäftsführer der GmbH gewesen ist, einzureichen war. Insoweit hat der Kläger seine Pflicht als gesetzlicher Vertreter der GmbH zur fristgerechten Einreichung der Steueranmeldung nicht verletzt. Da die Umsatzsteuer 2006 auch erst nach Ausscheiden des Klägers aus der GmbH fällig gewesen ist, hat er diesbezüglich auch nicht seine Pflicht zur Entrichtung fälliger Steuern verletzt.
Die Haftungssumme von 12.100,– EUR ist deshalb um 80 % aus den auf das Jahr 2006 entfallenden Betrag für Umsatzsteuer und steuerliche Nebenleistungen (Verspätungszuschlag, Zinsen, Säumniszuschlag) von insgesamt 1.576,93 EUR, das sind 1.261,54 EUR, auf 10.838,46 EUR, gerundet 10.800,– EUR herabzusetzen.
3. Hinsichtlich der Umsatzsteuer 2005 und Januar bis August 2007 liegen die Voraussetzungen für eine Haftung des Klägers jedoch vor. Insoweit hat er seine steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer der GmbH schuldhaft verletzt.
a) Der Kläger ist ab dem 4. September 2006 zum alleinigen Geschäftsführer der GmbH bestellt gewesen. Darauf, ob er bis zu diesem Zeitpunkt neben der bis dahin ebenfalls als Geschäftsführer bestellten PS im Rahmen einer Aufgabenverteilung nicht für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH zuständig gewesen ist, kommt es nicht an, denn die haftungsbegründenden Pflichtverletzungen, hier die nicht fristgerechte Abgabe der Umsatzsteuererklärung 2005 und die nicht fristgerechte Entrichtung der Umsatzsteuervorauszahlungen Januar bis August 2007, haben sich erst ereignet, nachdem PS als Geschäftsführerin abberufen worden war.
Ebenso wenig ist maßgeblich, ob Frau PS auch nach ihrer Abberufung als Geschäftsführerin am 4. September 2006 noch die laufende Verwaltung und Buchhaltung sowie Vorbereitung des Jahresabschlusses oblag. Denn dies hat den Kläger als jetzt alleinigen Geschäftsführer jedenfalls nicht von seiner Pflicht entbunden, die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen. Er kann sich nicht damit entschuldigen, dass die Geschäfte tatsächlich von einem anderen geführt worden sind. Selbst wenn sich Frau PS als Geschäftsführerin geriert hätte, ergibt sich die Verantwortlichkeit des Klägers als Haftender für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH schon aus seiner nominellen Bestellung zum Geschäftsführer und ohne Rücksicht darauf, ob sie auch tatsächlich ausgeübt werden konnte. Ist der Geschäftsführer nicht in der Lage, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen, die ihm die Erfüllung seiner Pflichten ermöglichen, so muss er als Geschäftsführer zurücktreten und darf nicht im Rechtsverkehr den Eindruck erwecken, als sorge er für die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte. Bis zu seinem Rücktritt bleibt er für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten voll verantwortlich (vgl. BFH-Beschluss vom 13. Februar 1996 VII B 245/95, BFH/NV 1996, 657, BFH-Urteil vom 11. März 2004 VII R 5/02, BStBl II 2004, 579, m.w.N.).
Die gesetzlichen Pflichten des Klägers können auch nicht durch eine Vereinbarung mit Frau PS entfallen sein, dass sie die steuerlichen Pflichten übernimmt und die Geschäfte der GmbH faktisch alleinverantwortlich führt. Dies kann lediglich zur Folge haben, dass Frau PS neben dem gesetzlichen Vertreter zur Haftung herangezogen werden könnte (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 8. März 2006 VII B 233/05, BFH/NV 2006 1252), was vom Finanzamt im Streitfall aber mangels nachweisbarer Pflichtverletzungen durch diese im Haftungszeitraum zu Recht abgelehnt worden ist.
Im Übrigen kommt eine Haftungsbegrenzung aufgrund einer internen Aufgabenverteilung nur dann in Betracht, wenn die Aufgabenzuweisung klar und eindeutig, d.h. in schriftlicher Form, festgelegt worden ist (BFH-Beschluss vom 31. Oktober 2005 VII B 57/05, BFH/NV 2006, 246). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall, da für die Zeit nach der Abberufung von Frau PS als Geschäftsführerin keine schriftlichen Vereinbarungen über eine Aufgabenverteilung existieren.
b) Da die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2005 wegen der vom Finanzamt gewährten Fristverlängerung spätestens bis zum 28. Februar 2007 einzureichen war, aber erst am 8. Juni 2008 eingereicht worden ist, hat der Kläger, der ab 4. September 2006 bis 28. November 2007 alleiniger Geschäftsführer war, seine Pflicht verletzt, als gesetzlicher Vertreter der GmbH deren steuerliche Pflichten zu erfüllen.
c) Bezüglich des Haftungszeitraums Januar bis November 2007 hat der Kläger, soweit die Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis August 2007 rechtzeitig abgegeben worden sind, jedenfalls seine Pflicht als Geschäftsführer verletzt, die sich aus den Voranmeldungen ergebenden Vorauszahlungen bis zum 10. Tag des Folgemonats für die GmbH zu entrichten (§ 18 Abs. 1 UStG).
d) Der Kläger hat seine Pflichten als Geschäftsführer zur rechtzeitigen Abgabe der Umsatzsteuererklärung 2005 und zur Entrichtung der gegenüber der GmbH festgesetzten Umsatzsteuervorauszahlungen und Verspätungszuschläge zumindest grob fahrlässig i.S.v. § 69 Abs. 1 Satz 1 AO verletzt.
Wie sich aus dem eigenen Vortrag des Klägers ergibt, hat er im Vertrauen auf Frau PS weder die Einhaltung der Steuererklärungsfristen und noch die Bezahlung der fälligen Steuerschulden kontrolliert. Er hat damit die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande gewesen ist, in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen.
Auch wenn Frau PS noch für die GmbH tätig gewesen ist, durfte der Kläger als alleiniger Geschäftsführer nicht einfach darauf vertrauen, dass diese die steuerlichen Pflichten der GmbH erfüllen werde. Da Frau PS ab 4. September 2006 nicht mehr für die GmbH vertretungsberechtigt gewesen ist und die Umsatzsteueranmeldungen der GmbH ab diesem Zeitpunkt vom Kläger hätten eigenhändig unterschrieben werden müssen (§ 18 Abs. 3 Satz 3 UStG, § 79 Abs. 1 Nr. 3 AO), hätte er sich spätestens mit Ablauf der Fristen für die Abgabe der Steueranmeldungen darum kümmern müssen, dass diese rechtzeitig abgegeben und sich daraus ergebende Zahlungen ggf. auch entrichtet werden. Es gehört zu den Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH, sich mit den handelsrechtlichen und steuerlichen Anforderungen, die an die Ausübung dieser Tätigkeit gestellt werden, vertraut zu machen und gegebenenfalls hinsichtlich der Abgabe von Steuererklärungen fachliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Von einem Geschäftsführer, der auch als Rechtsanwalt tätig ist, ist deshalb zu verlangen, dass er die steuerlichen Pflichten kennt, die er mit seinem Amtsantritt übernommen hat (BFH-Beschluss vom 20. Oktober 2005 VII B 17/05, BFH/NV 2006, 241). Der Kläger hat die Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH damit zumindest billigend in Kauf genommen.
e) Die nicht fristgerechte Abgabe der Steuermeldung 2005 ist auch ursächlich gewesen für die nicht rechtzeitige Festsetzung und die damit verbundene Nichtbezahlung der Umsatzsteuerschuld 2005.
Der Kläger bringt zwar vor, dass die GmbH zum Zeitpunkt seiner Geschäftsführerbestellung am 1. Juli 2005 bereits bilanziell überschuldet gewesen sei und die vorhandenen Mittel nicht ausgereicht hätten, um alle Schulden zu bezahlen und er deswegen nicht verpflichtet gewesen sei, die Steuerschulden vorrangig zu tilgen.
Dies ist nicht nachvollziehbar, denn der Jahresabschluss zum 31. Dezember 2005 weist lediglich einen Jahresfehlbetrag von 10.369,95 EUR aus und enthält noch keinen Hinweis auf eine Überschuldung. Erst der Bericht über den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2007 enthält den Hinweis, dass die GmbH buchmäßig überschuldet sei, dies aber nicht notwendig bedeute, dass auch eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne vorliege. Außerdem haben die Umsatzerlöse der GmbH in 2006 175.546,31 EUR und in 2007 111.530,10 EUR betragen, so dass davon im Jahr 2007 neben den sonstigen Schulden der GmbH auch, zumindest anteilig (siehe unten 4.), die Steuerschulden hätten getilgt werden können. Zahlungsschwierigkeiten der GmbH ändern weder etwas an der Steuerentrichtungspflicht des GmbH-Geschäftsführers, noch schließen sie sein Verschulden bei Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH aus. Auf seine Unkenntnis von den bestehenden Steuerrückständen kann sich der Kläger, wie oben dargelegt, nicht berufen.
4. Der Umfang der Haftung nach § 69 AO ist auf den Betrag beschränkt, der infolge der Pflichtverletzung nicht entrichtet wurde. Stehen zur Begleichung der Steuerschulden insgesamt keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, so bewirkt die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis die Haftung nur in dem Umfang, in dem der Verpflichtete das Finanzamt gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 1. August 2000 VII R 110/99, BStBl II 2001, 271). Der Fiskus darf gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt werden. Ein Geschäftsführer, der dies gleichwohl tut, handelt in der Regel – d.h. soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Annahme einer leichteren Form des Verschuldens rechtfertigen – zumindest grob fahrlässig (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579).
Rückständige Umsatzsteuer ist danach vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern. Ist dies nicht geschehen, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages (= Haftungssumme) eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat (BFH-Beschluss vom 16. Februar 2006 VII B 122/05, BFH/NV 2006, 1051).
Hierzu hat das Finanzamt unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen die Haftungsquote zu ermitteln oder – soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann – im Schätzungswege die Quote festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt (§ 162 AO). Zur Feststellung der Haftungssumme kann das Finanzamt vom Geschäftsführer einer GmbH, den es als Haftungsschuldner wegen der nicht entrichteten Umsatzsteuer in Anspruch nehmen will, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum verlangen (§ 90 Abs. 1 AO, vgl. BFH-Urteile vom 31. März 2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322 und vom 27. Februar 2007 VII R 60/05, BFH/NV 2007, 1731).
Die Feststellungslast für eine Benachteiligung des Fiskus trägt zwar grundsätzlich das Finanzamt. Es kann aber von dem durch Haftungsbescheid in Anspruch genommenen Geschäftsführer verlangen, dass er die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte erteilt und insbesondere Feststellungen zur Höhe der Gesamtverbindlichkeiten der Gesellschaft im Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuerschulden, sowie zur Höhe der an sämtliche Gläubiger geleisteten Zahlungen ermöglicht (BFH-Urteil vom 23. August 1994 VII R 134/92, BFH/NV 1995, 570).
Da die Berechnung der Haftungssumme zeitraumbezogen ist, d.h. hinsichtlich der vorhandenen Zahlungsverpflichtungen und der hierauf geleisteten Zahlungen auf den ganzen Haftungszeitraum abzustellen ist, hätte der Kläger zur Ermittlung der zutreffenden Haftungsquote und daraus folgend der Summe, für die er als Haftungsschuldner einzustehen hat, eine Aufstellung aller Verbindlichkeiten der GmbH zu Beginn des Haftungszeitraums (Dezember 2005) und zum Ende des Haftungszeitraums (November 2007) erstellen sowie – anhand der Kontoauszüge über die Betriebskonten der GmbH – angeben müssen, in welcher Höhe während des Haftungszeitraums Zahlungen auf die Gesamtverbindlichkeiten der GmbH geleistet worden sind. Aus dem sich aus diesen Zahlen ergebenden Verhältnis der Gesamtverbindlichkeiten zu den Gesamttilgungen im Haftungszeitraum hätte das Finanzamt die zutreffende Haftungsquote ermitteln können (vgl. BFH-Beschluss vom 31. März 2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322).
Der Kläger hat aber auf die Haftungsanfrage des Finanzamts vom 18. September 2008 bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung am 6. Oktober 2009 zunächst keine Angaben über die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten und den Umfang ihrer Tilgung im Haftungszeitraum gemacht.
Der erst im Klageverfahren vorgelegte Berechnungsbogen zur Berechnung der Haftungssumme, wonach sich diese auf 0,– EUR belaufe, weil im Haftungszeitraum keinerlei Verbindlichkeiten der GmbH bezahlt worden seien, kann nicht berücksichtigt werden. Dieser ist nicht nachvollziehbar und steht im Widerspruch zum eigenen Vorbringen des Klägers, wonach die vorhandenen Mittel gleichmäßig zur Deckung der auflaufenden Verbindlichkeiten verwendet worden seien und er nicht verpflichtet gewesen sei, die Steuerschulden vorrangig zu tilgen, da die vorhandenen Mittel der GmbH nicht ausgereicht hätten, um alle Schulden zu bezahlen.
Das Finanzamt konnte deshalb, da es keine nachvollziehbaren Angaben über die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, im Schätzungswege von einer anteiligen Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum von 80 % ausgehen. Bei der Ausübung seiner Schätzungsbefugnis ist die Verletzung der dem Haftungsschuldner obliegenden Pflicht zur Mitwirkung an der Sachaufklärung zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 26. Oktober 2011 VII R 22/10, BFH/NV 2012, 777).
5. Obige Ausführungen gelten gleichermaßen für die während der Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der GmbH durch schuldhafte Pflichtverletzungen verwirkten Säumniszuschläge und festgesetzten Verspätungszuschläge (§ 69 Satz 1, § 37 Abs. 1, § 3 Abs. 4 AO).
6. Für die in der Zeit nach seinem Ausscheiden aus der GmbH nach § 240 AO entstandenen Säumniszuschläge haftet der Kläger nach § 69 Satz 2 AO.
Die Haftung nach § 69 Satz 2 AO ist bei Säumniszuschlägen nicht davon abhängig, dass der Haftungsschuldner unmittelbar dafür Verantwortung trägt, dass ein Anspruch auf Zahlung von Säumniszuschlägen entstanden ist, d.h. die Säumnis des Steuerschuldners eingetreten oder weiter aufrecht erhalten worden ist. Folglich haftet ein Geschäftsführer auch für Säumniszuschläge, die nach seiner Abberufung oder nach Einstellung der Geschäftstätigkeit durch die GmbH entstehen (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 2004 VII R 8/04, BFH/NV 2005, 495).
Auch insoweit ist, wie vom Finanzamt getan, der Grundsatz der anteiligen Tilgung zu berücksichtigen und dass die GmbH nach Einstellung der Geschäftstätigkeit zum 30. März 2008 keine Mittel mehr zur Verfügung hatte, und deshalb nur noch eine Inanspruchnahme des Klägers für Säumniszuschläge in Höhe von 50 % in Betracht kommt (vgl. BFH-Urteile vom 24. Januar 1989 VII B 188/88, BStBl. II 1989, 315 und vom 19. Dezember 2000 VII R 63/99, BStBl II 2001, 217).
7. Die lediglich nach Maßgabe des § 102 FGO überprüfbare Ermessensentscheidung des Finanzamts im Haftungsbescheid und in der Einspruchsentscheidung über die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner nach § 191 Abs. 1 AO begegnet keinen Bedenken.
Für den Haftungszeitraum, für den der Kläger in Anspruch genommen worden ist, ist zum einen nicht ersichtlich, dass Frau PS nach außen tatsächlich als faktische Geschäftsführerin aufgetreten ist und als solche in Anspruch hätte genommen werden können. Zum anderen hat das Finanzamt auch den dem Kläger nachfolgenden Geschäftsführer, Herrn F, ebenso als Haftungsschuldner in Anspruch genommen und damit auch das Auswahlermessen ausgeübt.
8. Einwendungen gegen die Höhe der Umsatzsteuerfestsetzungen und Verspätungszuschläge sowie Säumniszuschläge sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
10. Es erscheint als sachgerecht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90a i.V.m. § 79a Abs. 2, 4 FGO).