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  • 15.01.2013 · IWW-Abrufnummer 130110

    Oberlandesgericht Celle: Urteil vom 10.10.2012 – 4 U 36/12

    Ein Steuerberater ist nicht verpflichtet, seinen als Geschäftsführer der GmbH X tätigen Mandanten auf das Risiko einer persönlichen Haftung aus § 64 Abs. 2 GmbHG hinzuweisen, wenn er der GmbH Y einen steuerlichen Ratschlag für eine Zahlung an die GmbH X erteilt, mit deren Hilfe die GmbH X in der Krise ein Darlehen an eine Dritte (hier: die Tochter des Geschäftsführers) zurückzahlt und der Steuerberater von beiden Gesellschaften ebenfalls mandatiert ist.


    OLG Celle, 10.10.2012

    4 U 36/12

    Tenor:

    Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg vom 21. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

    Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens je zu 1/2 zu tragen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

    Die Revision wird nicht zugelassen.
    Gründe

    I. Die Kläger nehmen den Beklagten wegen der Verletzung seiner Pflichten als Steuerberater auf Schadensersatz in Anspruch.

    Der Kläger zu 1 war Geschäftsführer der H. GmbH (zukünftig: H.); der Kläger zu 2 war deren faktischer Geschäftsführer. Alleinige Gesellschafterin der H. war die H. mbH (zukünftig: H. Handel). Deren Gesellschafterin war die Ehefrau des Klägers zu 2. Die seinerzeit 19jährige Tochter des Klägers zu 2 (und Enkeltochter des Klägers zu 1) gewährte der H. im Jahr 2003 Darlehen in Höhe von insgesamt 40.000 €, weil es dort nach Angaben ihres Vaters verzinst würde. Diese Summe hatte sie aus Zuwendungen ihrer Großeltern gespart. Die Darlehen wurden im Jahr 2004 gekündigt. Nach einem Gespräch zwischen dem Kläger zu 2 und dem Beklagten, dessen Inhalt streitig ist, kam es am 20. März 2006 zu einer Überweisung der H. an die H. Handel in Höhe von 35.000 €. Der Verwendungszweck der Zahlung lautete nach dem Kontoauszug "Darlehen". Kurz darauf, spätestens am 31. März 2006 zahlte die H. an die Tochter des Klägers zu 2 einen Betrag in Höhe von 40.538,30 € (Rückzahlung des Darlehens zzgl. Zinsen).

    Die H. war bereits im Jahr 2004 überschuldet. Die nicht durch Eigenkapital gedeckten Forderungen gegenüber der Gesellschaft betrugen etwas über 100.000 €. Im Jahr 2006 bestanden - gestundete - Forderungen einer Einkaufsgesellschaft in Höhe von über 500.000 €.

    Zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt, aber wohl zwischen dem 31. März und 31. August 2006 begann das Liquidationsverfahren über die H. Diese stellte zum 31. August 2006 den Geschäftsbetrieb ein. Aufgrund der Forderung eines Sozialversicherungsträgers in Höhe von 5.000 € stellten die Kläger für die H. Ende 2007 einen Insolvenzantrag. Die H. war nicht in der Lage, die ausstehende Forderung des Sozialversicherungsträgers aus eigenen Mitteln zu zahlen. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der H. GmbH i. L. wurde am 10. Januar 2008 eröffnet.

    Der Insolvenzverwalter erstritt vor dem Landgericht Hildesheim ein Urteil gegen die hiesigen Kläger, mit dem diese gem. § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. zur Zahlung von 40.538,30 € (entsprechend dem Darlehensrückzahlungsbetrag incl. Zinsen) verurteilt worden. Mit der Klage machen die Kläger den Betrag der titulierten Forderung, Zinsen auf die Hauptforderung in Höhe von 6.870,36 €, Forderung aus Kosten aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss in Höhe von 3.736 €, Zinsen hieraus in Höhe von 26,75 € sowie die eigenen Rechtsanwaltskosten des Vorprozesses in Höhe von 3.413,16 € gegenüber dem Beklagten als Schadensersatz geltend.

    Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

    Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung des Prozessbevollmächtigten des Klägers als Zeugen und der Anhörung des Beklagten mit der Begründung abgewiesen, der Beklagte habe zum Zeitpunkt seiner Empfehlung, das Geld von der H. Handel an die H. zwecks Rückzahlung des Darlehns an die Tochter zu zahlen, nicht vorhersehen können, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet werden würde; dies habe angesichts des dem Beklagten bekannten Liquidationsverfahrens nicht zur Debatte gestanden. Allerdings habe der Beklagte gewusst, dass die H. Liquiditätsprobleme hatte und es um die Rückzahlung des Darlehens von der H. an die Tochter des Klägers zu 2 ging.

    Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, im Wesentlichen mit dem Argument, der Beklagte habe zum Zeitpunkt seiner Empfehlung die Kläger auf die Möglichkeit eines Insolvenzverfahrens und die Problematik des § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. hinweisen müssen.

    Die Kläger stellen den Antrag,

    den Beklagten zu verurteilen, an sie 54.584,57 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von 40.538,30 € sowie auf weitere 3.736 € seit dem 29. September 2011 sowie auf die Gesamtforderung ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er beruft sich darauf, dass es in dem Gespräch mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers nur um die Begleichung von Verbindlichkeiten allgemein gegangen sei.

    Wegen des weiteren Inhalts des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

    II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

    Den Klägern steht kein Anspruch aus § 280 BGB i. V. m. dem seinerzeit zwischen den Parteien bestehenden Steuerberatervertrag zu. Der Beklagte, der sowohl der Steuerberater der Kläger als auch der beiden Gesellschaften war, hat keine Pflichtverletzung begangen. Er war nicht verpflichtet, die Kläger darauf hinzuweisen, dass im Falle einer Insolvenz ihnen ein Rückzahlungsanspruch aus § 64 Abs. 2 GmbHG durch den Insolvenzverwalter drohte, falls die H. das Darlehen an die Tochter des Klägers zu 2 zurückzahlen würde. Denn die Kläger waren insoweit nicht aufklärungsbedürftig. Sie hätten diese ihnen als Geschäftsführern bekannte Pflicht selbst bedenken müssen.

    1. § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. bestimmte, dass die Geschäftsführer einer Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet sind, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Dies galt nicht für Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar waren. Diese Pflicht war den Klägern bekannt, hätte ihnen jedenfalls bekannt sein müssen.

    Nach der Rechtsprechung ist ein Steuerberater z. B. nicht verpflichtet, den Mandanten darauf hinzuweisen, dass seine persönliche Inanspruchnahme wegen der Nichtabführung einbehaltener Sozialversicherungsbeiträge drohe (OLG Düsseldorf, GI 1999, 119 - aus juris). Vom Schutzzweck des Steuerberatungsvertrages ist es nicht gedeckt, dass der Steuerberater im Fall unrichtiger wirtschaftlicher Bewertungen und Zukunftsprognosen auch für den Schaden haftbar sein soll, der dadurch entsteht, dass der Geschäftsführer der Gesellschaft in einem Bereich, den er eigenverantwortlich zu gestalten und zu überwachen hat, seine gesetzlich festgelegten Pflichten verletzt (OLG Düsseldorf, GI 1993, 188 - aus juris). Das OLG Schleswig hat die Auffassung vertreten (GI 1993, 373 - aus juris), ein Steuerberater sei grundsätzlich nur zur steuerlichen Beratung verpflichtet; der Hinweis auf eine Überschuldung und ein einzuleitendes Konkursverfahren liege außerhalb des eigentlichen Bereichs der Steuerberatung. Nach dem hierzu ergangenen Nichtannahmebeschluss des Bundesgerichtshofs (Beschl. v. 24. Febr. 1994, Az.: IX ZR 126/93 nach LG Koblenz, Urt. v. 22. Juli 2009, Az.: 15 O 397/08 - aus juris) habe ein Steuerberater keine entsprechende Aufklärungs- oder Hinweispflicht auf die dem Geschäftsführer der GmbH aus § 64 GmbHG erwachsenden Pflichten, wenn der Geschäftsführer der GmbH deren Überschuldung kennt.

    Eine Belehrung des Steuerberaters ist erforderlich, wenn dem Mandanten - in steuerlicher Hinsicht - erkennbar rechtliche oder wirtschaftliche Risiken drohen. Er hat den Mandanten als Nebenpflicht aus dem Steuerberatungsvertrag vor Schaden zu bewahren und soll ihn z. B. auf insolvenzrechtliche Probleme hinweisen müssen(Gräfe in Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 4. Aufl., Rn. 259, 262; BGH VersR 1988, 178 [BGH 18.02.1987 - IVa ZR 232/85]).

    2. Nach diesen Maßstäben bestand eine Hinweispflicht des Beklagten nicht. Selbst bei Zugrundelegung des vom Landgericht festgestellten Sachverhalts, den der Beklagte in der Berufungsinstanz weiterhin bestritten hat, war der Beklagte nicht gehalten, den Kläger zu 2 bei der Empfehlung betreffend die Rückzahlung des Darlehensbetrags diesen - und dessen Schwiegervater, den Kläger zu 1 - auf die Gefahr einer persönlichen Inanspruchnahme aus § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. hinzuweisen. Dieses Risiko hätten die Kläger selbst bedenken müssen.

    Den Klägern war die Überschuldung der GmbH bekannt. Im Jahr 2006 beliefen sich die Forderungen der Einkaufsgemeinschaft auf über 500.000 €, nachdem im Jahr 2004 bereits Rückstände in Höhe von über 100.000 € bestanden. In einer solchen Situation muss sich ein Geschäftsführer bewusst sein, dass die Rückzahlung eines der GmbH gewährten Darlehens an die eigene Tochter nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers in Übereinstimmung zu bringen ist und er sich der Gefahr der Rückzahlung aus eigenen Mitteln ausgesetzt sieht. Denn er hat die Auszahlung letztlich zu verantworten. In einer solchen Situation braucht ein Steuerberater einen Hinweis auf § 64 Abs. 2 GmbHG a. F., der im Ergebnis eine rechtliche Beratung darstellt, nicht zu erteilen. Es tritt hinzu, dass der vom Beklagten erteilte steuerliche Rat betreffend die Auszahlung eines Betrags von der H. Handel an die H. aus steuerrechtlicher Sicht richtig gewesen sein dürfte.

    Vorliegend ist es nicht entscheidungserheblich, ob der Beklagte auch auf das Risiko eines Insolvenzverfahrens hätte hinweisen müssen. Denn der Hinweis auf § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. ist nicht insolvenzrechtsspezifisch.

    Dabei kann dahinstehen, ob der Steuerberater überhaupt einen Hinweis auf § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. hätte erteilen müssen. Dies ist deswegen zweifelhaft, weil die außerhalb des Steuerrechts liegende rechtliche Beratung nicht im eigentlichen Tätigkeitsfeld des Steuerberaters liegt. Es würde zu weit führen, den Geschäftsführern einer GmbH die Überwachung einer sie selbst und originär treffenden Pflicht dadurch abzunehmen, dass ein Steuerberater bei der Empfehlung steuerlicher Handlungsweisen auch diese noch im Blick haben müsste.

    III. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Die Regelung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO bot dieser Sachverhalt nicht. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder anderer Obergerichte ab.

    RechtsgebietGmbHGVorschriften§ 64 Abs. 2 GmbHG