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  • 15.01.2013 · IWW-Abrufnummer 130113

    Landgericht Essen: Urteil vom 31.01.2012 – 21 KLs-303 Js 101/11-11/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Essen

    21 KLs-303 Js 101/11-11/11

    Tenor:

    Die Angeklagten sind der gemeinschaftlichen Steuerhinterziehung in zwei Fällen schuldig.

    Es werden verurteilt:

    der Angeklagte X zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird,

    der Angeklagte S zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten.

    Den Angeklagten werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.

    G r ü n d e

    (abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)

    Dem Urteil gegen die Angeklagten ist eine Verständigung gemäß § 257c StPO vorausgegangen.

    I. Feststellungen zur Person

    1. Angeklagter S

    Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 62 Jahre alte Angeklagte wurde am ... in P geboren. Er ist deutscher Staatsangehöriger und verheiratet.

    Der Angeklagte S wuchs in P in der Familie auf. Seine Eltern sind mittlerweile verstorben. Er hat einen zehn Jahre jüngeren Bruder.

    Der Angeklagte besuchte die Volksschule bis zur achten Klasse und begann anschließend eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann bei der Firma U, die er im Alter von 18 Jahren erfolgreich abschloss.

    Sodann leistete der Angeklagte seinen 18-monatigen Wehrdienst bei der Bundeswehr. Anschließend wurde er Filialleiter bei der Firma U.

    Im Jahr 1971 wechselte der Angeklagte zu einer Firma für Metall- und Schrotthandel, wo er sich innerhalb eines halben Jahres für den Außendienst qualifizierte. Später arbeitete der Angeklagte für die Firma E GmbH, von der er im Jahr 1984 durch das Unternehmen U1 abgeworben wurde. Nach etwa einem Jahr verlor der Angeklagte seine Arbeit bei der Firma U1 im Jahr 1985, nachdem er sich drei Monate lang in Untersuchungshaft befunden hatte.

    Daraufhin machte sich der Angeklagte S im Alter von 35 Jahren im Metall- und Schrotthandel selbständig. Nachdem er für sein erstes Unternehmen bereits nach einem Jahr Konkurs angemeldet hatte, machte er sich erneut mit einem Schrotthandelsunternehmen in F selbständig. Dabei stellte der Angeklagte fest, dass er seine wirtschaftliche Existenz kurzfristig durch die Nichtabführung von Umsatzsteuer sichern konnte. Auf diese Methode griff der Angeklagte in der Folgezeit immer wieder zurück, wenn er sich in wirtschaftlicher Bedrängnis befand.

    Nachdem der Angeklagte erstmals im Jahr 1995 wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden war, wurde er im Jahr 2000 erstmals zu einer vollstreckbaren Freiheitsstrafe verurteilt. Er verbüßte in der Folgezeit langjährige Freiheitsstrafen, diese teilweise auch im offenen Vollzug.

    Nachdem er nach einer Strafrestaussetzung zur Bewährung aus der Haft entlassen worden war, war der Angeklagte S wieder zwei Jahre lang im Schrotthandel selbständig tätig, wobei er sich auf den Ein- und Verkauf von Schrotten über das Telefon beschränkte. Aufgrund weiterer Steuerstraftaten wurde er erneut zu einer vollstreckbaren Freiheitsstrafe verurteilt.

    Der Angeklagte hatte erstmals im Jahr 1973 oder 1974 geheiratet. Diese Ehe wurde nach etwa 13 oder 14 Jahren geschieden. Aus der Ehe ist eine gemeinsame Tochter im Alter von heute 31 Jahren hervorgegangen. Am ... heiratete der Angeklagte erneut. Aus dieser Beziehung mit seiner jetzigen Ehefrau ist ein gemeinsamer Sohn im Alter von heute 21 Jahren hervorgegangen.

    Der Angeklagte leidet unter Diabetes zwei.

    Der Angeklagte S beabsichtigt, in Zukunft nicht mehr im Altmetall- und Schrotthandel tätig zu werden, sondern aufgrund eines Arbeitsvertrages als Angestellter zu arbeiten.

    Der Angeklagte S ist bislang wie folgt vorbestraft:

    (1) Am ... verurteilte das Amtsgericht P, Az. ..., den Angeklagten wegen Hehlerei sowie fortgesetzter Beihilfe zum Betrug zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 100 DM.

    (2) Am ... verurteilte ihn das Amtsgericht E1, Az. ..., wegen Umsatzsteuerverkürzung in 10 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 3 Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung.

    (3) Am ... verurteilte das Amtsgericht C, Az. ..., den Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung. Einbezogen wurde die Entscheidung des Amtsgerichts E1 vom ....

    (4) Am ... verurteilte ihn das Amtsgericht F, Az. ..., wegen Steuerhinterziehung in 8 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren. Einbezogen wurden die Entscheidungen des Amtsgerichts C vom ... und des Amtsgerichts E1 vom .... Durch Beschluss des Landgerichts E2 vom ... wurde der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis zum .... Später wurde die Strafaussetzung widerrufen.

    (5) Am ... verurteilte das Landgericht F, Az. ..., den Angeklagten wegen Betrugs und versuchter Anstiftung zum Menschenraub zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren. Durch Beschluss des Landgerichts E2 vom ... wurde der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis zum .... Später wurde die Strafaussetzung widerrufen. Die Strafvollstreckung war erledigt am ....

    (6) Am ... verurteilte ihn das Landgericht E1, Az. ..., wegen gemeinschaftlicher Steuerhinterziehung in 10 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren.

    Der Angeklagte S befindet sich derzeit aufgrund der Freiheitsstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts F vom ... und des Landgerichts E1 vom ... in Haft. In dieser Sache war aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts F vom ..., Az. ..., vom ... bis zum ..., dem Tag der Aufhebung des Haftbefehls durch Beschluss des Amtsgerichts F, Az. ..., Überhaft notiert.

    2. Angeklagter X

    Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 27 Jahre alte Angeklagte X wurde am ... in E2 geboren. Er ist deutscher Staatsangehöriger, ledig und nicht unterhaltspflichtig.

    Der Angeklagte wuchs in E2 in der Familie auf. Er hat einen älteren Bruder, seine Eltern leben noch.

    Nach Abschluss der Grundschule besuchte der Angeklagte X zunächst die Realschule, wechselte aber später auf die Hauptschule, die er nach der 10. Klasse im Jahr 2003 abschloss.

    Anschließend begann der Angeklagte X eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker, die er aber später abbrach. Nachdem er mit einem berufsvorbereitenden Jahr begonnen hatte, wurde er zum Wehrdienst eingezogen.

    Der Angeklagte leistete zunächst seinen 9-monatigen Grundwehrdienst, verpflichtete sich anschließend aber zunächst für 23 Monate und später für vier Jahre. Bei der Bundeswehr absolvierte der Angeklagte erfolgreich eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer. Im Jahr 2009 verließ der Angeklagte die Bundeswehr, nachdem sein Antrag „Soldat auf Zeit 8 Jahre“ abgelehnt worden war.

    In der Folgezeit war der Angeklagte zunächst ein Jahr und drei Monate lang arbeitslos, bevor er sich selbständig machte.

    Derzeit ist der Angeklagte als Berufskraftfahrer tätig und verdient zwischen 1.200 und 1.300 € monatlich.

    Der Angeklagte X ist bislang nicht vorbestraft.

    Er wurde in dieser Sache vorläufig festgenommen am ... aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts F vom ..., Az. ..., und befand sich vom ... bis zum ..., dem Tag der Aufhebung des Haftbefehls durch Beschluss des Amtsgerichts F, Az. ..., in Untersuchungshaft.

    II. Feststellungen zur Sache

    In der Sache hat die Kammer, nachdem in der Hauptverhandlung die Strafverfolgung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft gemäß § 154a Abs. 2 StPO im Hinblick auf den Angeklagten X bezüglich des Monats September 2010 auf den Verkürzungsbetrag in Höhe von 206.108,84 € beschränkt worden ist, folgende Feststellungen getroffen:

    Der Angeklagte S, der seit Jahrzehnten in der Altmetall- und Schrotthandelsbranche tätig war, verfügte über Kontakte zu niederländischen Altmetallhändlern mit den Namen „H“ und „K“. Mit diesen vereinbarte er, nachdem er am 29.05.2008 in den offenen Vollzug gekommen war, die Anlieferung von Altmetallen bei deutschen Altmetallhändlern. Da der Angeklagte S selbst kein Gewerbe mehr anmelden konnte, wurden die Altmetalllieferungen des Angeklagten S unter dem Namen von Strohfirmen abgerechnet. Hierzu wandte sich der Angeklagte S an Personen, die bereit waren, auf ihren Namen ein Gewerbe im Altmetall- und Schrotthandel anzumelden.

    Die aus den Niederlanden stammenden Altmetalle wurden absprachegemäß bei deutschen Altmetallhändlern angeliefert, so auch bei der Firma U1 GmbH in L und der X1 GmbH in . Da jedoch für die Altmetalle die Einkaufspreise in den Niederlanden höher waren als die Nettoverkaufspreise in Deutschland, waren die Geschäfte für den Angeklagten S wirtschaftlich nur sinnvoll, wenn die deutsche Umsatzsteuer beim Verkauf ausgezahlt wurde und gleichzeitig eine ordnungsgemäße Versteuerung und Abführung der deutschen Umsatzsteuer nicht erfolgte, indem entweder Umsätze nicht erklärt und/oder Vorsteuern aus Scheinrechnungen zu Unrecht abgezogen wurden. Ohne Auszahlung der Umsatzsteuer wäre es ansonsten zu wirtschaftlichen Verlusten gekommen. Nur dadurch, dass die in Deutschland ausgezahlte Umsatzsteuer teilweise noch für den Wareneinkauf verwendet werden konnte, konnten „Gewinne“ unter den Tatbeteiligten aufgeteilt werden. Der Profit lag somit in der Nichtabführung zumindest eines Teils der deutschen Umsatzsteuer an den deutschen Fiskus. Die Umsatzsteuer wurde zwischen den deutschen und niederländischen Tatbeteiligten aufgeteilt.

    Auch in den Abrechnungen der Firma U1 GmbH mit den Strohfirmen wurde die Umsatzsteuer von 19% gesondert ausgewiesen. Der Bruttorechnungsbetrag wurde regelmäßig von der Firma U1 GmbH auch bar ausgezahlt, so dass der Angeklagte S durch Nichtabführung der Umsatzsteuer in der geschilderten Weise Gewinne erwirtschaften konnte.

    Nachdem der Angeklagte S in dieser Weise zunächst Anlieferungen bei der Firma U1 GmbH auf den Namen des gesondert verfolgten H1 durchgeführt hatte, war dies zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt nicht mehr möglich. Der Angeklagte S suchte deshalb nach einem neuen Namensgeber für die Rechnungserstellung und sprach im Jahr 2010 den Angeklagten X auf eine Tätigkeit im Schrotthandel an. Diesem machte er klar, dass nicht die gesamte Umsatzsteuer, sondern weniger als die Hälfte für sie verbliebe und dieser Betrag nochmals etwa hälftig geteilt werde. Hiermit war der Angeklagte X einverstanden und erweiterte hierzu sein Gewerbe für den Bereich An- und Verkauf von Kfz und Kfz-Pflege auf den Bereich Handel mit Schrotten und Metallen sowie Recycling. Weiter an den Altmetallverkäufen beteiligt war der gesondert verfolgte T, der über Kontakte zu dem niederländischen Altmetallhändler „G“ (Fa. E3) verfügte. Die Angeklagten und der gesondert verfolgte T vereinbarten, dass die Umsatzsteuer aus den Altmetallverkäufen nicht ordnungsgemäß an das Finanzamt abgeführt werde. Über die Firma X2 rechneten die Angeklagten entsprechend ihrer Vereinbarung in der Folgezeit Altmetalllieferungen unter anderem bei der Firma U1 GmbH in L mit gesondertem Umsatzsteuerausweis ab.

    Die Aufgaben zwischen den Angeklagten S und X waren dabei folgendermaßen verteilt: Der Angeklagte S hatte stets eine lenkende und bestimmende Rolle inne. Er kümmerte sich um die Lieferungen der ihm bekannten niederländischen Altmetallhändler und handelte die Preise dafür mit dem Zeugen H2, dem Einkäufer der Firma U1 GmbH, aus. Zudem war er bei sämtlichen Auszahlungen an den Angeklagten X durch die Firma U1 GmbH in L, die der Angeklagte X quittierte, dabei, während der Angeklagte X die administrativen Wege machte und offiziell bei den Behörden auftrat. Der gesondert verfolgte T kümmerte sich demgegenüber um die Lieferungen des „U2“ und handelte die entsprechenden Preise mit dem Zeugen H2 aus.

    Der Angeklagte X war im Zuge dieser Vorgehensweise der Angeklagten seit der Unternehmensgründung verpflichtet, monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben. Dem Antrag auf Dauerfristverlängerung wurde vom Finanzamt entsprochen. Dadurch verlängerte sich die Abgabefrist bis zum 10. Tag des übernächsten Monats. Da Einkaufsrechnungen für die Altmetalle nicht vorlagen, wäre eine hohe Umsatzsteuerzahllast entstanden. Um dies zu vermeiden, erfolgten gemäß dem gemeinsamen Tatplan der Angeklagten unrichtige Angaben zugunsten des Angeklagten X, indem in den eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate August und September 2010 Vorsteuerbeträge aus Scheinrechnungen zu Unrecht abgezogen und für September 2010 Umsätze teilweise gegenüber der Finanzverwaltung nicht erklärt wurden.

    Folgende Umsätze der Firma X2 bei der Firma U1 GmbH wurden getätigt bzw. in den Umsatzsteuervoranmeldungen erklärt:

    Zeitraum


    08/2010


    09/2010

    Nettoumsatz lt. Prüfung


    1.346.766,40 €


    1.093.619,90 €

    Nettoumsatz in USt-VA


    1.346.766,40 €


    652.966,00 €

    Differenz


    0,00 €


    440.653,90 €

    USt auf nicht erklärte Einnahmen


    0,00 €


    83.724,24 €

    In den Voranmeldungen machte der Angeklagte X Vorsteuern aus Eingangsrechnungen eines „N“, Im M-Feld ... in P geltend. Die entsprechenden Belege hatte er von dem Angeklagten S erhalten. Der „N“ existiert indes nicht, so dass er auch keine Waren geliefert hat. Aus diesen Scheinrechnungen des „N“ wurden Vorsteuern zu Unrecht wie folgt abgezogen:

    Zeitraum


    08/2010


    09/2010

    Vorsteuer


    253.948,58 €


    122.384,60 €

    Es ergeben sich somit folgende Verkürzungsbeträge:

    Zeitraum


    08.2010


    09.2010

    Tatzeitpunkt


    05.10.10


    08.11.10

    USt auf nicht erklärte Umsätze


    0,00 €


    83.724,24 €

    Kürzung Vorsteuer


    253.948,58 €


    122.384,60 €

    Umsatzsteuer nach Prüfung


    255.472,96 €


    207.727,91 €

    Umsatzsteuer vor Prüfung


    1.524,47 €


    1.610,43 €

    Umsatzsteuerverkürzung


    253.948,58 €


    206.108,84 €

    Somit verkürzten die Beteiligten, wie von vornherein geplant, in den Monaten August und September 2010 Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 460.057,42 Euro:

    Fall


    Steuerart


    Monat


    Jahr


    Tatzeit


    Tatort / Finanzamt


    Betrag in €

    1


    Umsatzsteuer


    8


    2010


    05.10.10


    Dortmund-Unna


    253.948,58

    2


    Umsatzsteuer


    9


    2010


    08.11.10


    Dortmund-Unna


    206.108,84


    Summe


    460.057,42


    III. Beweiswürdigung

    Die Feststellungen zur Person beruhen auf den Angaben der Angeklagten in der Hauptverhandlung vom 31.01.2012. Die Einlassungen der Angeklagten zur Person sind glaubhaft, da sie in sich schlüssig und widerspruchsfrei sind.

    Die Feststellungen zu den Vorstrafen beruhen auf den Bundeszentralregisterauszügen vom 04.01.2012, deren Inhalt in der Hauptverhandlung vom 31.01.2012 verlesen wurde.

    Die Feststellungen zur Sache beruhen auf den umfassenden Geständnissen der Angeklagten. Sie haben den Sachverhalt so, wie er von der Kammer festgestellt worden ist, eingeräumt. Die Geständnisse der Angeklagten sind glaubhaft. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, warum die Angeklagten zu ihren Lasten in der Hauptverhandlung unzutreffende Angaben gemacht haben sollten.

    Zudem werden ihre Geständnisse gestützt durch die glaubhaften Aussagen der Zeugen L1 und X3. Der Zeuge L1 hat umfangreiche Angaben zu Anlass und Verlauf der Ermittlungen sowie zu den Ergebnissen der Durchsuchungsmaßnahmen und zu den Feststellungen bezüglich der Firma X2 gemacht; ferner hat er zu den Vernehmungen der Angeklagten im Ermittlungsverfahren ausgesagt. Der Zeuge X3 hat ebenfalls umfassende Bekundungen zum Gang des Ermittlungsverfahrens und zu dem Einlassungsverhalten der Angeklagten im Ermittlungsverfahren gemacht. Nach den Aussagen der Zeugen L1 und X3 habe der Angeklagte S seine Taten frühzeitig gestanden und weitere Ermittlungen erleichtert und ermöglicht. Der Angeklagte X habe zunächst zwar keine Aussage gemacht, nach drei Wochen aber umfassend zur Sache ausgesagt und die Taten gestanden. Die Aussagen der Zeugen L1 und X3 sind glaubhaft. Sie bestätigen den von den Angeklagten geständig eingeräumten Sachverhalt. Die Aussagen waren detailreich, schlüssig und in sich widerspruchsfrei. Ihre Aussagen wiesen keine überschießende Belastungstendenz zum Nachteil der Angeklagten auf. Die Zeugen haben auf die Werthaltigkeit der Einlassungen der Angeklagten im Ermittlungsverfahren hingewiesen und ausschließlich Tatsachen bekundet, deren Kenntnis sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit erlangt haben.

    Schließlich wird der von den Angeklagten eingeräumte Sachverhalt bestätigt durch den Inhalt der Urkunden, die in der Hauptverhandlung vom 31.01.2012 verlesen worden sind.

    IV. Rechtliche Würdigung

    Durch das festgestellte Verhalten haben sich die Angeklagten wegen gemeinschaftlicher Steuerhinterziehung in 2 Fällen gemäß §§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, 25 Abs. 2, 53 StGB strafbar gemacht.

    Indem die Angeklagten in den Umsatzsteuervoranmeldungen der Firma X2 für die Monate August und September des Jahres 2010 Umsätze nicht erklärt bzw. Vorsteuern aus Scheinrechnungen eines „N“ geltend gemacht haben, haben sie den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht.

    Der Angeklagte S war auch Mittäter der Steuerhinterziehungen gemäß § 25 Abs. 2 StGB und nicht lediglich Gehilfe gemäß § 27 Abs. 1 StGB. Mittäter einer Steuerhinterziehung in Form des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO kann auch sein, wer selbst weder Steuerschuldner noch sonst Steuerpflichtiger in Bezug auf die hinterzogenen Steuern ist, da die Steuerhinterziehung – jedenfalls in der Form des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO – kein Sonderdelikt ist, die Eigenschaft als Steuerpflichtiger also nicht voraussetzt, und bei gemeinschaftlicher Tatbegehung jeder Beteiligte sich den Tatbeitrag des anderen als eigenen zurechnen lassen muss (BGH NStZ 1986, 463). Die Abgrenzung der Mittäterschaft von der bloßen Teilnahme ist insoweit aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung festzustellen. Kriterien sind insoweit der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung, die objektive Tatherrschaft und der Wille zur Tatherrschaft (BGH NStZ 2009, 25, 26; Fischer, StGB, 59. Aufl. 2012, § 25 Rn. 12, 12a m.w.N.). Die aufgrund eines gemeinsamen Tatplans vorgenommenen Tatbeiträge des Angeklagten S begründeten seine von einem entsprechenden Willen getragene Tatherrschaft. Er beteiligte sich in ganz erheblichem Umfang an den Taten, da er der Initiator des Abrechnungsmodells war und über die maßgeblichen Kenntnisse und Verbindungen im Altmetallhandel verfügte. Er vereinbarte die Anlieferungen der Altmetalle und die Preise. Er stellte dem Angeklagten X die Scheinrechnungen des „N“ zur Verfügung. Der Angeklagte S hatte auch ein erhebliches Eigeninteresse am Erfolg der Taten, da er aus der Hinterziehung und Aufteilung der ausgezahlten Umsatzsteuer seinen Gewinn zog.

    Die Angeklagten handelten jeweils vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft.

    Die Taten stehen im Verhältnis der Tatmehrheit gemäß § 53 StGB zueinander.

    V. Strafzumessung

    Im Rahmen einer in der Hauptverhandlung vom 31.01.2012 gemäß § 257c StPO erzielten Verständigung der Kammer mit den beiden Angeklagten, ihren Verteidigern und der Staatsanwaltschaft hat die Kammer für den Angeklagten S die Obergrenze einer Gesamtfreiheitsstrafe mit 3 Jahren und 6 Monaten sowie die Untergrenze einer Gesamtfreiheitsstrafe mit 3 Jahren und 3 Monaten sowie für den Angeklagten X die Obergrenze einer Gesamtfreiheitsstrafe mit 1 Jahr sowie die Untergrenze einer Gesamtfreiheitsstrafe mit 9 Monaten, jeweils mit Strafaussetzung zur Bewährung, angegeben.

    Bei der Strafzumessung war der Strafrahmen des § 370 Abs. 3 S. 1 AO zugrundezulegen, wonach in besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren ist. In beiden Fällen liegt jeweils ein besonders schwerer Fall vor, da die Angeklagten jeweils das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO verwirklicht haben, indem sie in großem Ausmaß Steuern verkürzt haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind ab einem Hinterziehungsbetrag von 50.000 € Steuern in großem Maße verkürzt bzw. in großem Ausmaß nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, wenn der Täter ungerechtfertigte Zahlungen vom Finanzamt erlangt hat; beschränkt sich das Verhalten des Täters dagegen darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen, liegt die Wertgrenze zum großen Ausmaß bei 100.000 € (BGH NJW 2009, 528, 532; NJW 2011, 2450, 2451; BGH, Beschluss vom 12.07.2011 – 1 StR 81/11). Täuscht der Täter steuermindernde Umstände vor, indem er etwa – wie hier im Fall 1 – tatsächlich nicht vorhandene Betriebsausgaben vortäuscht oder nicht bestehende Vorsteuerbeträge geltend macht, so beschränkt sich sein Verhalten nicht darauf, den bestehenden Steueranspruch durch bloßes Verschweigen von Einkünften oder Umsätzen zu gefährden. Vielmehr unternimmt er einen „Griff in die Kasse“ des Staates, weil die Tat zu einer Erstattung eines (tatsächlich nicht bestehenden) Steuerguthabens oder zum (scheinbaren) Erlöschen einer bestehenden Steuerforderung führen soll, so dass es bei der Wertgrenze von 50.000 € bleibt (BGH, Beschluss vom 15.12.2011 – 1 StR 579/11). Trifft – wie hier im Fall 2 – das Verheimlichen von Einkünften bzw. Umsätzen einerseits und die Vortäuschung von Abzugsposten andererseits zusammen, etwa beim Verheimlichen von Umsätzen und gleichzeitigem Vortäuschen von Vorsteuerbeträgen, so ist das Merkmal des „großen Ausmaßes“ jedenfalls dann erfüllt, wenn der Täter vom Finanzamt ungerechtfertigte Zahlungen in Höhe von mindestens 50.000 € erlangt hat oder ein aufgrund falscher Angaben scheinbar in dieser Höhe bestehender Auszahlungsanspruch ganz oder teilweise mit anderen Steuerverbindlichkeiten verrechnet worden ist (BGH, Beschluss vom 15.12.2011 – 1 StR 579/11). In beiden Fällen wurde die danach maßgebende Grenze von 50.000 € jeweils um ein Vielfaches überschritten.

    Im Rahmen der konkreten Strafzumessung waren gemäß § 46 Abs. 1 StGB die Schuld der Angeklagten sowie die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben der Angeklagten in der Gesellschaft zu erwarten sind, zu berücksichtigen. Insoweit war eine Gesamtbetrachtung von Tatgeschehen und Täterpersönlichkeit vorzunehmen (Fischer, a.a.O., § 46 Rn. 14).

    Zugunsten der Angeklagten war strafmildernd ihr umfassendes und frühzeitiges Geständnis zu berücksichtigen. Die Angeklagten haben bereits am ersten Hauptverhandlungstermin die Tatvorwürfe vollumfänglich eingeräumt und damit die Verantwortung für ihre Taten übernommen sowie zu einer erheblichen Straffung des Strafverfahrens beigetragen. Sie bereuen ihre Taten. Zugunsten des Angeklagten S war strafmildernd ferner zu berücksichtigen, dass er nicht nur bereits in der ersten Vernehmung im Ermittlungsverfahren die Taten eingeräumt, sondern im Verlauf seiner Vernehmungen über diese Taten hinaus auch die Ermittlungen gegen andere Beteiligte durch seine Angaben ermöglicht bzw. vorangebracht hat. Schließlich sprachen zugunsten des Angeklagten S sein fortgeschrittenes Lebensalter und seine damit verbundene Haftempfindlichkeit. Zugunsten des Angeklagten X war strafmildernd weiter zu berücksichtigen, dass er bislang unbestraft ist. Zudem war er nicht der Initiator und die bestimmende Person der Taten. Schließlich hat auch er bereits im Ermittlungsverfahren ein Geständnis abgelegt.

    Zu Lasten der Angeklagten war strafschärfend zu werten, dass diese sowohl durch die einzelnen Taten als auch durch die Taten insgesamt innerhalb kurzer Zeit hohe Steuerschäden verursacht haben. So wurde bei beiden Taten die Grenze zum „großen Ausmaß“ der Steuerhinterziehung um ein Vielfaches überschritten. Strafschärfend zu Lasten des Angeklagten S war ferner zu werten, dass dieser bereits vielfach, auch einschlägig, vorbestraft ist und bereits mehrjährige Haftstrafen verbüßt hat. Zudem hat er die Taten aus dem offenen Vollzug heraus begangen.

    Nach Abwägung sämtlicher für und gegen die Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte hielt die Kammer hinsichtlich des Angeklagten S für die beiden Taten jeweils eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten sowie hinsichtlich des Angeklagten X jeweils eine Freiheitsstrafe von 7 Monaten für tat- und schuldangemessen.

    Aus den Einzelstrafen hat die Kammer unter nochmaliger Abwägung sämtlicher für und gegen die Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte gemäß §§ 53, 54 Abs. 1 S. 2 StGB durch Erhöhung der verwirkten höchsten Freiheitsstrafe jeweils eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet. Dabei hat die Kammer insbesondere nochmals auf der einen Seite zugunsten der Angeklagten ihr frühzeitiges und umfassendes Geständnis sowie auf der anderen Seite zu Lasten der Angeklagten den verursachten erheblichen Steuerschaden berücksichtigt.

    Unter nochmaliger Abwägung sämtlicher für und gegen die Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte hat die Kammer für den Angeklagten S eine Gesamtfreiheitsstrafe von

    3 Jahren und 6 Monaten

    als tat- und schuldangemessen festgesetzt sowie für den Angeklagten X eine Gesamtfreiheitsstrafe von

    10 Monaten.

    Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe konnte hinsichtlich des Angeklagten X gemäß § 56 Abs. 1 und 3 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden, da zu erwarten ist, dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird und die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Freiheitsstrafe nicht gebietet.

    Die Kammer hat dem Angeklagten X eine günstige Sozialprognose gestellt, da er in geordneten sozialen Verhältnissen lebt, bislang nicht vorbestraft ist und nunmehr erstmalig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist sowie in der Hauptverhandlung seine Taten ernsthaft bereut hat. Deshalb ist davon auszugehen, dass ihm bereits allein die Verurteilung eine ausreichende Lehre sein wird, die ihn von der Begehung weiterer Straftaten abhalten wird. Die Verteidigung der Rechtsordnung gebietet auch nicht die Vollstreckung der Freiheitsstrafe, da der Angeklagte – wie bereits ausgeführt – erstmalig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, bislang nicht vorbestraft ist und seine Taten ernsthaft bereut hat.

    VI. Kostenentscheidung

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 StPO.

    RechtsgebieteAO, UStG, StGBVorschriften§§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO i. V. m. 149, 150, 369 AO, § 18 UStG,; §§ 25 Abs. 2, 53, 56 StGB