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  • 07.05.2013 · IWW-Abrufnummer 131541

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 07.02.2013 – 3 K 119/12

    Ein Steuerpflichtiger, der steuerpflichtige Einkünfte über Jahre nicht nur nicht erklärt, sondern bewusst nicht einmal deren Höhe in Erfahrung bringt und auf Nachweise verzichtet, um das Entdeckungsrisiko zu verringern, nimmt dabei notwendigerweise in Kauf, dass er, wenn sich dieses Risiko plötzlich erhöht, zur Erlangung von Straffreiheit zu einer umgehenden Selbstanzeige in Unkenntnis der tatsächlichen Höhe der hinterzogenen Einkünfte gezwungen ist. Tritt diese Folge dann tatsächlich ein und schätzt der Steuerpflichtige die hinterzogenen Einkünfte bei der Nacherklärung zu hoch, um seine vollständige Straffreiheit sicherzustellen, trifft ihn ein die Änderung des aufgrund der Selbstanzeige ergangenen Bescheides verhinderndes grobes Verschulden i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO.


    Tatbestand
    A.
    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Voraussetzungen für die Änderung von Einkommensteuerbescheiden zugunsten der Kläger nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) vorliegen.
    I.
    1. Die Kläger sind Eheleute und erzielten in den Streitjahren 2000 bis 2006 Einkünfte aus Kapitalvermögen aus einem Depot bei der A-Bank in der Schweiz. Diese Einkünfte gaben sie in den für die Streitjahre abgegebenen Einkommensteuererklärungen nicht an. Der Beklagte erließ die Einkommensteuerbescheide zunächst jeweils erklärungsgemäß. Lediglich der Bescheid für 2004 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

    2. Bei den Klägern wurde im Januar 2010 bei ihrem Grenzübertritt von der Schweiz nach Deutschland durch eine Grenzkontrolle Bargeld aufgefunden. Die Kläger erstatteten daraufhin Selbstanzeige, indem sie gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 22.01.2010 die Schweizer Einkünfte sowie weitere, hier nicht streitige Einkünfte aus einem Privatdarlehen nacherklärten.

    In dem Schreiben wiesen sie darauf hin, dass ihnen keine Erträgnisaufstellungen der A-Bank vorlägen und die Ausfertigung dieser Unterlagen nach Auskunft der Bank systembedingt mehrere Monate dauern werde.

    Sie, die Kläger, hätten die Kapitalerträge aus vorliegenden Saldenmitteilungen unter Ansatz einer geschätzten Rendite von 6 % hochgerechnet mit folgendem Ergebnis:

    2000:€ 18.761,10
    2001:€ 15.133,68
    2002:€ 10.676,22
    2003:€ 11.894,88
    2004:€ 11.310,78
    2005:€ 11.742,36
    2006:€ 11.144,52
    II.

    1. Der Beklagte erließ aufgrund der am 10.02.2010 durchgeführten Veranlagungen am 19.02.2010 geänderte Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2006, in denen er die nacherklärten Einkünfte in der erklärten Höhe berücksichtigte.

    Der Bescheid für 2006 wurde am 29.03.2010 aus hier nicht streitigen Gründen geändert. Aufgrund der am 18.03.2010 durchgeführten Veranlagung erließ der Beklagte am 01.04.2010 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2000, in dem er ebenfalls die nacherklärten Einkünfte berücksichtigte.

    2. Mit Schreiben vom 17.05.2010 beantragten die Kläger die Änderung der Bescheide entsprechend den gleichzeitig eingereichten, auf den 09.02.2010 datierten Erträgnisaufstellungen der A-Bank. Nach diesen Aufstellungen beliefen sich die Einkünfte aus dem Schweizer Depot auf:

    2000:€ 208,61
    2001:€ 3.315,45
    2002:€ 3.508,91
    2003:€ 2.970,80
    2004:€ 1.719,38
    2005:€ 126,35
    2006:./. € 551,01
    Die Differenz zu den zunächst erklärten Einkünften belief sich auf insgesamt Euro 87.901,07.

    3. Der Beklagte lehnte die Änderung der Bescheide mit Bescheid vom 23.07.2010 ab. Er wies darauf hin, dass die Bescheide für 2000 bis 2003, 2005 und 2006 nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen seien und der Vorbehalt der Nachprüfung bzgl. des Bescheides für 2004 mit Ablauf der Festsetzungsfrist am 31.12.2009 geendet habe. Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO komme wegen des groben Verschuldens der Kläger nicht in Betracht.

    III.

    1. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger mit Schreiben vom 28.07.2010 Einspruch ein. Ein grobes Verschulden sei ihnen nicht zur Last zu legen, da die Selbstanzeige wegen der drohenden Tatentdeckung geboten und eine Schätzung der Einkünfte erforderlich gewesen sei.

    2. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 06.06.2012 als unbegründet zurück. Die Kläger treffe ein grobes Verschulden bzgl. des nachträglichen Bekanntwerdens der tatsächlichen Höhe der nacherklärten Einkünfte, weil sie sich die notwendigen Unterlagen nicht rechtzeitig besorgt hätten, obwohl ihnen bewusst gewesen sei, dass die Einkünfte zu versteuern seien. Durch die zu hohe Angabe der Einkünfte in der Nacherklärung, mit der die Kläger ihre vollständige Straffreiheit hätten sicherstellen wollen, hätten sie bewusst in Kauf genommen, dass die Einkünfte in den Änderungsbescheiden zu hoch angesetzt würden, und dennoch keinen Einspruch dagegen eingelegt. Eine Änderung nach § 164 Abs. 2 Satz 1 oder § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO komme ebenso wenig in Betracht.

    IV.

    Die Kläger haben am 09.07.2012 Klage erhoben. Sie tragen vor, es treffe sie kein grobes Verschulden daran, dass die tatsächliche Höhe der aus dem Schweizer Depot erzielten Einkünfte dem Beklagten erst nachträglich bekannt geworden sei. Sie hätten die A-Bank umgehend nach der Grenzkontrolle mit der Erstellung von Erträgnisaufstellungen beauftragt und auf die Eilbedürftigkeit hingewiesen. Da die Erträgnisaufstellungen nach Auskunft der Bank bei Abgabe der Nacherklärung noch nicht vorgelegen hätten und systembedingt und aufgrund hoher Arbeitsbelastung auch nicht zeitnah hätten erstellt werden können, hätten sie, die Kläger, die Erträge aus dem A-Bank-Depot bei Erstellung der Nacherklärung schätzen müssen. Eine Kontaktaufnahme mit der A-Bank in der Zeit zwischen der Grenzkontrolle und vor der Nacherklärung sei aus strafrechtlicher Sicht nicht ratsam gewesen, da die Tat auf diese Weise noch unmittelbar vor der Nacherklärung hätte entdeckt werden können. Der Beklagte sei auf die Schätzung ausdrücklich hingewiesen worden.

    Um eine vollständige Strafbefreiung zu erreichen, sei ein Abwarten nicht möglich gewesen und hätten bewusst zu hohe Zahlen zugrunde gelegt werden müssen. Sie, die Kläger, hätten die damals noch nicht vorliegenden Erträgnisaufstellungen nicht einreichen können und ihre Erklärungs- und Mitwirkungspflicht daher bestmöglich erfüllt, wobei sie der Empfehlung in der Pressemeldung der Oberfinanzdirektion Koblenz vom 25.02.2010 gefolgt seien. Ein etwaiges Verschulden der A-Bank sei ihnen, den Klägern, keinesfalls zuzurechnen.

    Bzgl. des am 01.04.2010 erlassenen Änderungsbescheides für 2000 sei eine Weiterleitung der Erträgnisaufstellung ebenfalls nicht rechtzeitig möglich gewesen; ihnen, den Klägern, sei eine Prüfung der Aufstellung durch ihre steuerlichen Berater zuzubilligen gewesen. Zwischen dem Eingang der Erträgnisaufstellung und dem Erlass des Bescheides hätten aber nur drei Büroarbeitstage gelegen.

    Auf das Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 27.09.2002 (1 K 177/02) werde Bezug genommen.

    Ihre, der Kläger, Prozessbevollmächtigte treffe ebenfalls kein grobes Verschulden. Die A-Bank habe die Erträgnisaufstellungen vom 09.02.2010 erst am 17.03.2010 abgesandt (vgl. Schreiben der A-Bank vom 14.11.2012, Finanzgerichtsakten -FGA- Bl. 54). Die erlassenen Änderungsbescheide seien durch die zuständige und an der Nacherklärung mitwirkende Mitarbeiterin im Büro der Prozessbevollmächtigten geprüft und für in Ordnung befunden worden. Der zuständige Partner im Büro der Prozessbevollmächtigten habe sich zu dieser Zeit im Urlaub befunden und sei durch eine Partnerin vertreten worden. Der Änderungsbescheid für 2000 sei nach dessen Eingang aufgrund krankheitsbedingter Abwesenheit der zuständigen Mitarbeiterin durch die vertretende Mitarbeiterin geprüft und für in Ordnung befunden worden. Sie, die Kläger, hätten der Prozessbevollmächtigten am 26.03.2010 die am Tag zuvor bei ihnen eingegangenen Erträgnisaufstellungen für das Depot übergeben, also zu einem Zeitpunkt, in dem die Einspruchsfrist für die Bescheide für 2001 bis 2006 bereits abgelaufen gewesen sei. Nach Auswertung der 107 Seiten umfassenden Aufstellung sei am 17.05.2010 der Änderungsantrag beim Beklagten gestellt worden.

    Die Nichteinlegung eines Einspruchs begründe keine Verletzung einer Pflicht aus dem Steuerverhältnis und damit auch kein grobes Verschulden i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Aber selbst wenn man dies anders beurteilte, sei ihnen, den Klägern, allenfalls das grobe Verschulden der Prozessbevollmächtigten selbst, nicht aber das ihrer Mitarbeiter zuzurechnen. Nach Auffassung der zuständigen Mitarbeiterin habe die für einen Einspruch notwendige Beschwer bei Bekanntgabe der erklärungsgemäß erlassenen Änderungsbescheide nicht vorgelegen. Selbst wenn man dies als schuldhaft ansähe, könne dieses Verschulden den Klägern nicht zugerechnet werden. Ein Organisationsverschulden der Prozessbevollmächtigten liege nicht vor, da sie eine langjährig tätige und qualifizierte Mitarbeiterin mit der Bearbeitung der Nacherklärung betraut habe, die während ihrer Krankheit von einer entsprechend qualifizierten Mitarbeiterin vertreten worden sei.

    Schließlich sei zu beachten, dass für die Frage des Verschuldens nur auf ihr, der Kläger, Verhalten im Zusammenhang mit der Nacherklärung abzustellen sei und dass nicht jedes möglicherweise ein grobes Verschulden begründende Verhalten sachlich und zeitlich unbegrenzt zu einer Versagung der Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO führe. Immerhin sehe die AO selbst die Möglichkeit einer strafbefreienden Nacherklärung vor. Einer Steuerhinterziehung sei immanent, dass der Hinterziehende keine Unterlagen aufbewahre. Nutze er dann die „goldene Brücke” zur Steuerehrlichkeit, dürfe sein Rechtsschutz nicht verkürzt werden.

    Die Kläger beantragen, den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 23.07.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.06.2012 zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid für 2000 vom 01.04.2010, die Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2005, jeweils vom 19.02.2010, und den Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 29.03.2010 dahin zu ändern, dass die Kapitaleinkünfte aus dem Depot Nr. XXX bei der A-Bank nur in folgender Höhe berücksichtigt werden:

    2000:€ 208,61
    2001:€ 3.315,45
    2002:€ 3.508,91
    2003:€ 2.970,80
    2004:€ 1.719,38
    2005:€ 126,35
    2006:./. € 551,01.
    Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte nimmt zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor, die A-Bank sei offenbar doch in der Lage gewesen, die Erträgnisaufstellungen für die Streitjahre zeitnah nach der Grenzkontrolle zu erstellen, da die Aufstellungen auf den 09.02.2012 datiert und somit noch vor dem Erlass der Änderungsbescheide erstellt worden seien.

    Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 02.11.2012 (FGA Bl. 50) der Einzelrichterin übertragen. Wegen des Inhalts des Erörterungstermins vom 23.11.2012 wird auf die Sitzungsniederschrift (FGA Bl. 51 ff.) Bezug genommen.

    Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet. Dem Gericht haben die Bände I bis III der Einkommensteuerakten und ein Band Rechtsbehelfsakten (St.-Nr. .../.../...) vorgelegen.

    Gründe

    B.

    Die Entscheidung ergeht nach § 6 Finanzgerichtsordnung (FGO) durch die Einzelrichterin und mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.

    Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Ablehnung der Änderung der Einkommensteuerbescheide für 2000 bis 2006 durch den Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO).

    I.

    Der Beklagte war nicht gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO zur Änderung der Bescheide verpflichtet. Danach sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen, und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

    1. Zwar ist die Höhe der in den Streitjahren aus dem Depot der Kläger bei der A-Bank erzielten Einkünfte jeweils eine Tatsache und die Erträgnisaufstellungen der Bank sind die entsprechenden Beweismittel. Diese Tatsachen und Beweismittel sind dem Beklagten auch erst nachträglich, nämlich nach Durchführung der Änderungsveranlagungen am 10.02.2010 bzw. 18.03.2010, bekannt geworden.

    2. Jedoch trifft die Kläger ein grobes Verschulden an dem erst nachträglichen Bekanntwerden dieser Tatsachen und Beweismittel.

    a. Ein grobes Verschulden setzt Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit voraus. Vorsätzlich handelt, wer seine Erklärungs- und Mitwirkungspflichten kennt und ihre Verletzung will oder in Kauf nimmt (von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 173 AO Rz. 85; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rz. 75). Grobe Fahrlässigkeit ist dann gegeben, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (BFH-Urteil vom 09.11.2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545, m. w. N.; BFH-Beschluss vom 17.02.2010 IX B 199/09, BFH/NV 2010, 1079).

    b. Das grobe Verschulden des Steuerpflichtigen bezieht sich auf die Verletzung seiner Mitwirkungspflichten und die dadurch verursachte Unkenntnis der Finanzbehörde über die von ihm offen zu legenden Tatsachen und anzugebenden Beweismittel (von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 173 AO Rz. 82; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rz. 74). Der Steuerpflichtige ist verpflichtet, die Steuererklärung wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen abzugeben und ggf. zu berichtigen (§ 150 Abs. 2 Satz 1, § 153 AO). Die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen umfasst die Pflicht zur Sachaufklärung und Herbeischaffung von Beweismitteln (§ 90 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO). Bezieht sich der steuerrechtlich relevante Sachverhalt auf Vorgänge im Ausland, hat der Steuerpflichtige diesen Sachverhalt unter Ausschöpfung aller rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen (§ 90 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO). Er kann sich nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen könne, wenn er sich nach Lage des Falls bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können (§ 90 Abs. 2 Satz 4 AO). Gemäß § 68b Satz 1 Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV) hat der Steuerpflichtige den Nachweis über die Höhe der ausländischen Einkünfte und über die Festsetzung und Zahlung der ausländischen Steuern durch Vorlage entsprechender Urkunden zu führen.

    c. Die Kläger trifft danach ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der tatsächlichen Höhe der Kapitaleinkünfte.

    Die Kläger haben ihre Kapitaleinkünfte aus dem Schweizer Depot in der Nacherklärung bewusst zu hoch angegeben, um sicher Straffreiheit zu erlangen. Sie können sich nicht darauf berufen, insoweit nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt zu haben, weil ihnen die Erträgnisaufstellungen im Zeitpunkt der Nacherklärung nicht vorgelegen hätten. Dabei kann zugunsten der Kläger davon ausgegangen werden, dass ihnen die Erträgnisaufstellungen im Zeitpunkt der Änderungsveranlagungen, also am 10.02.2010 und am 18.03.2010, tatsächlich nicht vorlagen.
    Jedoch trifft die Kläger ein grobes Verschulden daran, dass sie die tatsächliche Höhe der Einkünfte im Zeitpunkt der Nacherklärung nicht kannten und nicht im Besitz der diesbezüglichen Erträgnisaufstellungen waren. Denn sie haben ihre Verpflichtung gemäß § 90 Abs. 2 AO und § 68b EStDV, die für den Nachweis der Höhe ihrer ausländischen Einkünfte notwendigen Beweismittel, die Erträgnisaufstellungen, zu beschaffen, vorsätzlich verletzt, indem sie sich diese Aufstellungen nicht nach Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraums haben übermitteln lassen, um das Risiko einer Tatentdeckung zu verringern. Dabei haben sie bewusst in Kauf genommen, die zutreffende Höhe dieser Einkünfte im Falle einer unmittelbar drohenden Tatentdeckung und einer deshalb kurzfristig erforderlichen Selbstanzeige nicht zu kennen und nicht nachweisen zu können.

    d. Die Kläger können sich nicht darauf berufen, dass für die Verschuldensfrage nur auf den Zeitpunkt der Nacherklärung abzustellen sei ohne Einbeziehung des vorherigen Verhaltens und dass sie bei der Nacherklärung selbst nicht schuldhaft gehandelt hätten. Zum einen hätten sich die Kläger die Erträgnisaufstellungen auch noch nach der Grenzkontrolle, aber vor Durchführung der Änderungsveranlagungen - etwa durch persönliche Vorsprache in der A-Bank – beschaffen oder zumindest die zutreffende Höhe der Einkünfte in Erfahrung bringen können. Dies haben sie bewusst unterlassen und dabei die unrichtige Veranlagung in Kauf genommen. Zum anderen wäre, selbst wenn die Beschaffung der Informationen und Unterlagen im Zeitpunkt der Nacherklärung tatsächlich nicht möglich oder wegen der drohenden Tatentdeckung nicht zumutbar gewesen wäre, das grobe Verschulden aus der Zeit davor in die Beurteilung einzubeziehen. Ein Steuerpflichtiger, der steuerpflichtige Einkünfte über Jahre nicht nur nicht erklärt, sondern bewusst nicht einmal deren Höhe in Erfahrung bringt und auf Nachweise verzichtet, um das Entdeckungsrisiko möglichst gering zu halten, nimmt dabei notwendigerweise in Kauf, dass er, wenn sich dieses Risiko plötzlich erhöht, zur Erlangung von Straffreiheit zu einer umgehenden Selbstanzeige in Unkenntnis der tatsächlichen Höhe der hinterzogenen Einkünfte gezwungen ist. Tritt diese in Kauf genommene Folge dann tatsächlich ein und schätzt der Steuerpflichtige die hinterzogenen Einkünfte bewusst zu hoch, um seine vollständige Straffreiheit sicherzustellen, ändert dies nichts an der vorherigen grob schuldhaften Pflichtverletzung; der Steuerpflichtige wird durch die Verwirklichung des in Kauf genommenen Risikos nicht nachträglich exkulpiert (ähnlich BFH-Urteil vom 16.09.2004 IV R 62/02, BFHE 207, 269, BStBl II 2005, 75: Ein leichtes Verschulden bei der Nichtanfechtung eines Bescheides verdrängt nicht ein grobes Verschulden durch Nichtabgabe der Erklärung).

    e. Das erkennende Gericht weicht mit dieser Beurteilung nicht von den Entscheidungen anderer Finanzgerichte ab. In dem von den Klägern zitierten Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 27.09.2002 (1 K 177/02, juris) bezog sich die – ohnehin nur summarische - Verschuldensprüfung nur darauf, dass Zinserträge in der Nacherklärung versehentlich doppelt erfasst worden waren.

    f. Auf die Frage, ob auch die unterlassene Einlegung eines Einspruchs ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden steuermindernder Tatsachen begründen kann (so FG Münster, Urteil vom 18.06.2010 14 K 920/08 G, EFG 2011, 1394; Revision durch BFH zugelassen und anhängig unter VIII R 10/11; dagegen Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rz. 76b) und ob die Prozessbevollmächtigte im Streitfall ein den Klägern zuzurechnendes grobes Verschulden daran trifft, dass sie nicht fristgemäß Einspruch gegen die Änderungsbescheide eingelegt hat, kommt es nicht an.

    Denn diese Frage stellt sich nur dann, wenn das erste, den zu ändernden Steuerbescheid auslösende Fehlverhalten des Steuerpflichtigen nicht grob verschuldet war (BFH-Urteil vom 16.09.2004 IV R 62/02, BFHE 207, 269, BStBl II 2005, 75; s. auch Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Rz. 76b).

    II.

    Auch die Voraussetzungen der anderen Änderungsvorschriften sind im Streitfall nicht erfüllt.

    1. Eine Änderung nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO scheidet für die Bescheide für 2000 bis 2003, 2005 und 2006 aus, weil sie nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sind. Der Bescheid für 2004 erging zwar zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, doch ist dieser Vorbehalt gemäß § 164 Abs. 4 Satz 1 AO mit Ablauf der Festsetzungsfrist entfallen. Die Festsetzungsfrist betrug vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) und lief, da die Kläger die Einkommensteuererklärung für 2004 im Jahr 2005 eingereicht hatten, am 31.12.2009 ab. Die Verlängerung der Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf fünf bzw. zehn Jahre bei einer Steuerhinterziehung oder leichtfertiger Steuerverkürzung gilt insoweit nicht (§ 164 Abs. 2 Satz 2 AO).

    2. Die Erstellung der Erträgnisaufstellungen durch die A-Bank ist kein zur Änderung berechtigendes rückwirkendes Ereignis i. S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

    3. Eine Änderung gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO kommt schließlich ebenso wenig in Betracht, weil die einmonatige Einspruchsfrist gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 AO für die am 19.02.2010 bzw. 01.04.2010 ergangenen Bescheide im Zeitpunkt des Änderungsantrages vom 17.05.2010 bereits abgelaufen war.

    III.

    1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 153 Abs. 1 FGO.

    2. Gründe, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, liegen nicht vor. Die Entscheidung, ob ein grobes Verschulden vorliegt, ist im Wesentlichen Tatfrage (BFH-Urteil vom 09.11.2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545).

    VorschriftenAO § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1