29.08.2013 · IWW-Abrufnummer 132936
Finanzgericht Hamburg: Beschluss vom 20.06.2013 – 3 V 69/13
1. Überweist eine Arbeitgeberin
als Auslagenersatz deklarierte Beträge auf ausländische
Konten ihrer Arbeitnehmer (sog. „Lohnsplittingmodell”),
zählen diese Zahlungen grundsätzlich zum steuerpflichtigen
Arbeitslohn des Arbeitnehmers, und zwar auch dann, wenn und soweit
durch die Zahlungen Werbungskosten des Arbeitnehmers, etwa aufgrund
doppelter Haushaltsführung, erstattet werden. Die Zahlungen
führen zu einer Steuererhöhung, soweit kein entsprechender
Werbungskostenabzug und damit eine Saldierung vorzunehmen ist.
2. Im Rahmen des § 169 Abs. 2 Satz
2 AO hat das FG die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer
Steuerhinterziehung, für die das Finanzamt die Feststellungslast
trägt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen.
Beweismaßerleichterungen aufgrund einer verweigerten Mitwirkung
seitens des Steuerpflichtigen dürfen bei der Feststellung
einer Steuerhinterziehung dem Grunde nach nicht genutzt werden.
3. Wesentliches Indiz für einen bedingten
Vorsatz des Arbeitnehmers bzgl. einer Steuerverkürzung
ist bei einem derartigen Lohnsplitting vor allem die Art und Weise
der Abwicklung (Zahlung des lohnversteuerten Gehalts auf ein inländisches
Konto und Erstattung privater Aufwendungen des Arbeitnehmers auf
ein ausländisches Konto ohne Lohnsteuerabzug und ohne Angabe
auf der Lohnsteuerbescheinigung).
Tatbestand
I.
Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob bzgl.
der Streitjahre 2002 bis 2005 Festsetzungsverjährung eingetreten
ist oder ob die verlängerte Festsetzungsfrist von zehn
Jahren gilt, weil der Antragsteller vorsätzlich Steuern
verkürzt hat.
1. a) Der Antragsteller ist gebürtiger Italiener und
ausgebildeter ... In den Streitjahren 2002 bis 2005 unterhielt er
einen Wohnsitz in A zusammen mit seiner früheren Lebensgefährtin,
die er inzwischen geheiratet hat. Ab dem ... 2002 wohnte der Antragsteller
daneben in wechselnden Mietwohnungen in B.
b) Ab dem
11.03.2002 war der Antragsteller als angestellter ... für
die Firma C Ltd., D, Großbritannien, tätig (Arbeitsvertrag vom
... 2001, Einkommensteuerakten -EStA-, nicht paginiert) und ab dem 01.04.2003
für die unter derselben Anschrift ansässige Firma
E Ltd. Die Arbeitgeberinnen behielten vom Arbeitslohn des Antragstellers
Lohnsteuer ein und überwiesen den Arbeitslohn auf das Konto des
Antragstellers bei der Bank-1.
c) Darüber hinaus reichte der Antragsteller bei seiner
Arbeitgeberin regelmäßig Rechnungsformulare ein,
die als „request for reimbursement of expenses” und „invoice
(travel costs)” bezeichnet waren. Die Arbeitgeberinnen überwiesen
die hierin in Rechnung gestellten Beträge auf ein bei der
Bank-2 unterhaltenes Konto des Antragstellers und nahmen diesbezüglich
keinen Lohnsteuerabzug vor. Die vom Antragsteller in den Streitjahren
in Rechnung gestellten Beträge sind in zwei Aufstellungen
des Finanzamtes für Prüfungsdienste und Strafsachen
(im Folgenden: Steuerfahndung) zusammengefasst, auf deren Inhalt Bezug
genommen wird (Finanzgerichtsakten Anlagenband -FGA AnlBd- Bl. 46
f.).
2. Der Antragsteller reichte für die Streitjahre im
jeweiligen Folgejahr zunächst beim Finanzamt Hamburg-1
und ab 2004 beim Finanzamt Hamburg-2 jeweils Einkommensteuererklärungen
ein, in denen er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
in Höhe des auf das Konto bei der Bank-1 überwiesenen
Arbeitslohns angab und zusätzlich Aufwendungen für
eine doppelte Haushaltsführung (Verpflegungsmehraufwand,
Aufwendungen für Familienheimfahrten und Mietaufwendungen)
als Werbungskosten geltend machte. In der nachfolgenden Rubrik „vom
Arbeitgeber steuerfrei ersetzt” in den Anlagen N machte
er keine Angaben. Die Einkommensteuerbescheide ergingen, von geringfügigen
und nicht streitgegenständlichen Abweichungen abgesehen,
jeweils erklärungsgemäß (Bescheid für
2002 vom 27.05.2004: Einkommensteuer 1.075,00 €; für
2003 vom 27.09.2004: 3.541,00; für 2004 vom 10.10.2005:
3.532,00 €; für 2005 vom 11.12.2009: 4.062,00 €).
3. Bei einer Außenprüfung der in B ansässigen
E GmbH wurden Eingangsrechnungen der E Ltd. vorgefunden, mit denen
die E Ltd. der GmbH u. a. vom Antragsteller erbrachte Leistungen
und Reisekosten sowie Bearbeitungsgebühren in Rechnung
stellte. Da die Rechnungsbeträge die vom Antragsteller
in den Einkommensteuererklärungen angegebenen Einkünfte überstiegen,
leitete die Steuerfahndung am 10.06.2011 ein steuerstrafrechtliches
Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller ein. Sie stellte fest,
dass die Firma E Ltd. ihren Mitarbeitern aufgrund entsprechender
Vereinbarungen Aufwendungen für Unterkunft und Lebenshaltung
bis zu einem wechselnden maximalen Tagessatz sowie Reisekosten ins
Heimatland bis maximal 511,00 € pro Quartal erstattet hatte.
Die Steuerfahndung kam zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller im Streitzeitraum
folgende Zahlungen erhalten hatte:
Jahr | Bank-1 | Bank-2 | gesamt |
2002 | 27.058,00 € | 9.345,54 € | 36.403,54 € |
2003 | 34.308,00 € | 13.339,46 € | 47.647,46 € |
2004 | 34.560,00 € | 12.842,56 € | 47.402,56 € |
2005 | 36.765,00 € | 12.910,77 € | 49.675,77 € |
wurden, schätzte die Steuerfahndung die „expenses” (Auslagen)
und „travel costs” (Reisekosten) für diese
Zeiträume nach den sich aus den vorliegenden Belegen ergebenden Durchschnittswerten
pro Monat bzw. pro Quartal. Wegen der Einzelheiten wird auf den
Bericht der Steuerfahndung über die steuerlichen Feststellungen
vom 05.12.2012 (FGA AnlBd. 1 ff.) Bezug genommen. Die Steuerfahndung
stellte beim Antragsteller eine als ”....xls” bezeichnete
Datei sicher, in der der Antragsteller die Zahlungen der Arbeitgeberin
(jährliches Bruttogehalt: „Lordo Annuale”;
jährliche Reisevergütung: „Trasferta
Annuale”; jährliche Flüge: t„Voli
Annuale”) aufgeführt und addiert hatte (FGA AnlBd
Bl. 5 ff.).
4. a) Der inzwischen örtlich zuständige Antragsgegner
erließ am 10.01.2013 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung
(AO) geänderte Einkommensteuerbescheide für die
Streitjahre, in denen er die Zahlungen auf das Konto bei der Bank-2
als zusätzlichen steuerpflichtigen Arbeitslohn behandelte
(Nachforderung 2002: 2.345,00 €; 2003: 4.570,00 €;
2004: 4.290,00 €; 2005: 4.070,00 €).
b) Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 28.01.2013
Einspruch ein und beantragte mit Schreiben vom 18.03.2013 die Aussetzung
der Vollziehung (AdV) der angefochtenen Bescheide. Die Feststellungen
des Antragsgegners reichten für den Vorwurf einer vorsätzlichen
Steuerhinterziehung nicht aus.
c) Der Antragsgegner lehnte den AdV-Antrag mit Schreiben vom
28.03.2013 ab. Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung
vom 08.04.2013 pfändete der Antragsgegner u. a. wegen der
hier streitgegenständlichen Forderungen das Konto des Antragstellers
bei der Bank-1.
5. Der Antragsteller hat am 23.04.2013 bei Gericht einen Antrag
auf Aufhebung der Vollziehung gestellt. Der Antragsteller trägt
vor, der Antragsgegner habe nicht festgestellt, dass die Zahlungen absichtlich
aufgespalten worden seien und ein einheitliches Konzept bestanden habe.
Ferner habe der Antragsgegner keinerlei Feststellungen dazu getroffen, dass
es sich bei den Zahlungen um Arbeitslohn handele. Dem stehe die
Unabhängigkeit der E Ltd. von anderen mit dem F-Konzern
in Verbindung stehenden Firmen entgegen. Die Absicht, außerhalb
von Deutschland ein zweites Gehalt zu zahlen, setze zudem voraus,
dass ein zweites Gehalt notwendig gewesen sei, um ein in Deutschland
branchenübliches Gesamtgehalt zu erreichen.
Vor allem habe der Antragsgegner keine Tatsachen festgestellt,
aus dem sich ein vorsätzliches Handeln ergebe. Er, der
Antragsgegner, sei kein Steuerfachmann und in allen Stadien seines
Handelns von der E Ltd. steuerlich beraten worden, ohne je auf eine
steuerliche Konfliktsituation hingewiesen worden zu sein. Sein Arbeitgeber
habe ihm, dem Antragsteller, gegenüber immer erklärt, die
Zahlung mit dem deutschen Finanzamt abgesprochen zu haben. Zudem müsse
für die Annahme einer Steuerpflicht ausgeschlossen werden,
dass er, der Antragsteller, den strittigen Auslagenersatz im Rahmen
einer doppelten Haushaltsführung, eines Mehrverpflegungsaufwandes
oder für eine Dienstreise zu Recht erhalten habe. Er sei
Italiener und im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung dem
F-Konzern überlassen worden. Nach italienischem Recht sei
es aber möglich, steuerfreien Auslagenersatz in Form von
Tagesgeld/Mehrverpflegungsaufwand zu erhalten. Nach dem
Grundsatz „in dubio pro reo” sei daher von einem
den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum auszugehen. Der
Antragsgegner habe bisher nicht nachgewiesen, dass er, der Antragsteller, insgeheim
davon ausgegangen sei, die „italienischen Zahlungen” im
Inland versteuern zu müssen. Man könne getrost
davon ausgehen, dass er die Zahlungen als steuerfreien Auslagenersatz
betrachtet habe. Dass ihm die möglicherweise entgegenstehenden
Regelungen des deutschen Einkommensteuerrechts unbekannt gewesen
seien, könne ebenfalls ohne weiteres unterstellt werden.
Der Antragsteller beantragt, die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide für
2002 bis 2005, jeweils vom 10.01.2013, ohne Sicherheitsleistung
aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner trägt vor, es bestünden keine
ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
angefochtenen Bescheide.
Bei Änderung der Einkommensteuerbescheide für
2002 bis 2005 sei die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen,
weil sie gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 AO
zehn Jahre betrage. Denn der Antragsteller habe vorsätzlich
Steuern hinterzogen, indem er lohnversteuertes Arbeitsentgelt auf
sein Konto bei der Bank-1 und zusätzlich unversteuerte
Arbeitsentgelte auf sein Konto bei der Bank-2 erhalten habe, die
als „expenses” und „travel costs” verschleiert
gewesen seien. Jedoch seien diese Zahlungen auf der Lohnsteuerbescheinigung
nicht als steuerfrei ausgewiesen worden. Der Vorsatz des Antragstellers
ergebe sich daraus, dass er in der von ihm angefertigten Excel-Tabelle
diese Zahlungen mit seinem versteuerten Gehalt zu einem Gesamtgehalt
addiert habe. Aus den vom Antragsteller stammenden Übersichten
(Anlage 3 zum Schriftsatz des Beklagten vom 10.06.2013, FGA AnlBd
Bl. 60 ff.) ergebe sich, dass die Aufwandsentschädigungen
die private Lebensführung beträfen, denn es seien
Mietkosten, diverse Einkäufe und Restaurantbesuche etc.
ersetzt worden. Hinzu komme, dass der Antragsteller diese als Aufwendungsersatz
deklarierten Zahlungen in seinen Einkommensteuererklärungen
nicht erwähnt habe, obwohl er erhebliche Aufwendungen für
doppelte Haushaltsführung und (Heim-) Reisekosten geltend gemacht
habe. Inhaltlich sei die Änderung zu Recht vorgenommen
worden, weil es sich bei den Zahlungen um bislang unversteuerten
Arbeitslohn handele.
Dem Gericht hat ein Band Einkommensteuerakten (St.-Nr. .../.../...)
vorgelegen.
Gründe
II.
1. Der Antrag ist zulässig.
Der Antragsgegner hat die vom Antragsteller mit Schreiben vom 18.03.2013
AdV mit Bescheid vom 28.03.2013 abgelehnt, sodass die Zugangsvoraussetzung
des § 69 Abs. 4 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt
ist.
2. Der Antrag hat jedoch keinen Erfolg.
Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m.
Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung
eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen,
wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des Verwaltungsakts bestehen oder seine Vollziehung für
den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche
Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist
der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann
das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 69
Abs. 3 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des angefochtenen Verwaltungsaktes sind anzunehmen, wenn bei summarischer
Prüfung neben Umständen, die für die
Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Umstände
zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung
der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen
auslösen (BFH-Beschlüsse vom 11.04.2012 IX B 14/12,
juris; vom 19.05.2010 I
B 191/09, BFH/NV 2010, 1554).
Das Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung eines
Verwaltungsaktes gemäß § 69 Abs. 3 FGO
ist als Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ein summarisches
Verfahren, in dem wegen der Eilbedürftigkeit nur aufgrund
des Sachverhalts entschieden wird, der sich aus dem Vortrag der
Beteiligten und der Aktenlage ergibt (BFH-Beschluss vom 03.04.2013 V B 125/12, DStR 2013, 1025). Es
ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen
darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 155 FGO i. V. m. §§ 920
Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung -ZPO-), soweit ihre Mitwirkungspflicht
reicht (BFH-Beschlüsse vom 10.02.2010 V S 24/09, BFH/NV 2010,
930; vom 20.03.2002 IX S 27/00, BFH/NV
2002, 809).
1. Bei der danach gebotenen summarischen
Prüfung anhand des Sachvortrags der Beteiligten und des
Inhalts der vorliegenden Akten bestehen keine ernstlichen Zweifel
an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Änderungsbescheide.
Der Antragsgegner ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Zahlungen
der Arbeitgeberin des Antragstellers auf dessen Konto bei der Bank-2
steuerpflichtiger Arbeitslohn waren (a). Die Änderung der
Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre war zulässig
(b).
a) aa) Dem Antragsteller floss durch die Zahlungen auf das Konto
bei der Bank-2 steuerpflichtiger Arbeitslohn i. S. des § 19
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) zu. Nach dieser
Vorschrift gehören u. a. Bezüge und Vorteile,
die für eine Beschäftigung im öffentlichen
oder privaten Dienst gewährt werden, zu den Einkünften
aus nichtselbständiger Arbeit. Vorteile werden „für” eine
Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle
Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind. Das
ist der Fall, wenn der Vorteil mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis
eingeräumt wird und sich die Leistung im weitesten Sinne
als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen
der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (BFH-Urteile
vom 12.12.2012 VI
R 79/10, DStR 2013, 397; vom 30.06.2011 VI R 80/10, BFHE 234, 195, BStBl II 2011,
948). Im Streitfall waren die nicht lohnversteuerten Zahlungen
der Arbeitgeberin an den Antragsteller unzweifelhaft durch das Dienstverhältnis
veranlasst.
bb) Dieser Arbeitslohn war steuerpflichtig. Das gilt auch, sofern
und soweit durch diese Zahlungen Aufwendungen erstattet wurden,
die beim Antragsteller gemäß § 9 Abs.
1 Satz 3 Nr. 5 EStG im Rahmen einer beruflich bedingten doppelten
Haushaltsführung als Werbungskosten zu berücksichtigen
waren, wie die Kosten für Familienheimfahrten nach Italien
oder die Mietaufwendungen für die B Wohnungen. Denn auch
die Erstattung von Werbungskosten ist als Arbeitslohn zu erfassen.
Zu einer Steuererhöhung führt er allerdings nur
dann, wenn und soweit kein entsprechender Werbungskostenabzug und
damit eine Saldierung vorzunehmen ist (BFH-Urteil vom 24.05.2007 VI R 73/05, BFHE 218, 180, BStBl II 2007,
766). Da die Werbungskosten des Antragstellers aufgrund der
beruflich bedingten doppelten Haushaltsführung bei den
Veranlagungen jedoch bereits berücksichtigt wurden, sind
die Zahlungen nunmehr in voller Höhe steuererhöhend
anzusetzen. Darauf, ob das Gesamtgehalt in Deutschland branchenüblich
ist oder nicht, kommt es entgegen der Auffassung des Antragstellers
nicht an; entscheidend ist die tatsächliche Zahlung aus
Veranlassung des Dienstverhältnisses.
cc) Weiter ist davon auszugehen, dass der Antragsteller Zahlungen
auf das Konto bei der Bank-2 in der vom Antragsgegner ermittelten
und z. T. geschätzten Höhe erhalten hat. Der Antragsgegner
hat sich auf die plausible Schätzung der Steuerfahndung
gestützt, die für Monate mit fehlenden Belegen
Durchschnittswerte angesetzt hat, und der Antragsteller hat hiergegen keine
Einwendungen erhoben. Der beschließende Senat folgt dieser
Schätzung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO
i. V. m. § 162 Abs. 1 Satz 1 AO).
b) Die Änderung der Einkommensteuerbescheide war zulässig.
aa) Die Voraussetzungen für eine Änderung gemäß § 173
Abs. 1 Nr. 1 AO lagen vor. Danach sind Steuerbescheide aufzuheben
oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich
bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.
Dem Antragsgegner wurde nachträglich, nämlich nach
Erlass der ursprünglichen Bescheide, bekannt, dass der
Antragsteller weiteren, bis dahin nicht erfassten Arbeitslohn erhalten
hatte.
bb) Die Festsetzungsfrist war bei Erlass der Änderungsbescheide
am 10.01.2013 noch nicht abgelaufen.
Gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO begann
die Festsetzungsfrist jeweils mit Ablauf des Kalenderjahres, in
die Steuererklärung eingereicht wurde, für den
Veranlagungszeitraum 2002 mithin mit Ablauf des 31.12.2003.
Die Festsetzungsfrist beträgt nach § 169 Abs.
2 Satz 2 AO zehn Jahre, weil hinsichtlich der sich durch die Änderungsbescheide
ergebenden Nachforderungen die Voraussetzungen für eine
Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1
Nr. 1 AO vorliegen. Danach begeht eine Steuerhinterziehung, wer
den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche
Tatsachen vorsätzlich unrichtige oder unvollständige
Angaben macht und dadurch Steuern verkürzt.
aaa) (1) Für die Beurteilung, ob die verlängerte
Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2
Satz 2 AO eingreift, hat das FG die objektiven und subjektiven Voraussetzungen
einer Steuerhinterziehung, d. h. eines der Tatbestände
des § 370 Abs. 1 AO, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
festzustellen (BFH-Urteil vom 11.12.2012 IX R 33/11, juris).
(2) Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen von Normen des
materiellen Strafrechts - hier des § 370 AO - bei der Anwendung
steuerrechtlicher Vorschriften wie § 169 Abs. 2 Satz 2
AO oder § 71 AO von den Finanzbehörden und den
Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit festzustellen, sind verfahrensrechtlich
die Vorschriften der AO und der FGO maßgebend und nicht
die Strafprozessordnung (Beschluss des Großen Senats des
BFH vom 05.03.1979 GrS
5/77, BFHE
127, 140, 145, BStBl II 1979, 570, 573). Indessen
ist auch im Besteuerungs- und Finanzgerichtsverfahren der strafverfahrensrechtliche
Grundsatz „in dubio pro reo” zu beachten (Beschluss
des Großen Senats des BFH vom 05.03.1979 GrS 5/77, BFHE 127, 140,
145, BStBl
II 1979, 570, 573). Dies lässt sich daraus ableiten,
dass die Finanzbehörde (der Steuergläubiger) im
finanzgerichtlichen Verfahren die objektive Beweislast (Feststellungslast)
für steueranspruchsbegründende Tatsachen trägt.
Es ist bezüglich des Vorliegens einer Steuerhinterziehung indes
kein höherer Grad von Gewissheit erforderlich als für
die Feststellung anderer Tatsachen, für die das Finanzamt
die Feststellungslast trägt (BFH-Urteil vom 07.11.2006 VIII R 81/04, BFHE 215, 66, BStBl II 2007,
364).
(3) Beweismaßerleichterungen, die im Besteuerungs- und
Finanzgerichtsverfahren in Folge verweigerter Mitwirkung des Steuerpflichtigen
an der Aufklärung des Sachverhalts eintreten, dürfen
allerdings bei der Feststellung einer Steuerhinterziehung dem Grunde
nach nicht genutzt werden. Die Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung
sind dem Grunde nach auch bei einer Verletzung von Mitwirkungspflichten
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen. Bei
nicht behebbaren Zweifeln ist die Feststellung einer Steuerhinterziehung
mittels reduzierten Beweismaßes nicht zulässig
(BFH-Urteil vom 20.06.2007 II R 66/06, BFH/NV
2007, 2057). Das gilt auch für die Verletzung
sog. erweiterter Mitwirkungspflichten bei internationalen Steuerpflichten
nach § 90 Abs. 2 AO (BFH-Urteil vom 07.11.2006 VIII R 81, BFHE 215, 66, BStBl II 2007,
364). Die Überzeugung, ein Steuerpflichtiger habe
Steuern hinterzogen, darf daher nicht (auch) auf eine verweigerte
Mitwirkung seinerseits gestützt werden (BFH-Urteil vom 20.06.2007 II R 66/06, BFH/NV
2007, 2057).
(4) Welche Anforderungen gemäß § 96
Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO im Einzelfall an die richterliche Überzeugungsbildung
gestellt werden müssen, entzieht sich weitgehend abstrakter
Festlegung. Grundsätzlich muss sich das Gericht die volle Überzeugung
vom Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsachen bilden. Das
bedeutet, dass der Tatrichter ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln
und nur seinem persönlichen Gewissen unterworfen persönliche
Gewissheit in einem Maße erlangt, dass er an sich mögliche Zweifel überwindet
und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen
kann, wobei der Richter nicht eine von allen Zweifeln freie Überzeugung
anstreben darf, sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen
vielmehr mit einem für das praktische Leben brauchbaren
Grad von Gewissheit überzeugen muss (BFH-Urteil vom 15.01.2013 VIII R 22/10, BFH/NV
2013, 799).
(5) Da in einem AdV-Verfahren die entscheidungserheblichen Tatsachen
nur glaubhaft zu machen sind, tritt insoweit eine Sachverhaltsfeststellung
mit überwiegender Wahrscheinlichkeit an die Stelle des
Vollbeweises (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69
FGO Rz. 123).
bbb) (1) Daran, dass der Antragsteller im Streitfall die objektiven
Tatbestandsvoraussetzungen einer Steuerhinterziehung gemäß § 370
Abs. 1 Nr. 1 AO verwirklicht hat, indem er in den Einkommensteuererklärungen
für die Streitjahre jeweils nur das lohnversteuerte Gehalt,
nicht jedoch die „Aufwandsentschädigungen” als
Arbeitslohn angegeben hat, bestehen nach dem oben (zu II.1.a)) Ausgeführten
keine ernstlichen Zweifel. Aufgrund der Nichtangabe des zusätzlichen
Arbeitslohns ist eine Steuerverkürzung eingetreten, weil
das Finanzamt Hamburg-1 und der Antragsgegner die Einkommensteuern
entsprechend niedriger festgesetzt haben.
(2) Aber auch die subjektiven Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung liegen
zur hinreichenden Überzeugung des beschließenden
Senats vor. Der Senat hält es bei summarischer Prüfung
für überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller
zumindest bedingt vorsätzlich handelte, weil er es für möglich
hielt, dass die Zahlungen auf das italienische Konto der inländischen
Steuerpflicht unterlagen, und sie unter billigender Inkaufnahme
einer Steuerverkürzung dennoch nicht erklärte.
(a) Dass dem Antragsteller bewusst war, dass die „Auslagenerstattungen” auf
das italienische Konto in den von ihm erklärten Einkünften
nicht enthalten waren, hat er nicht bestritten und ergibt sich aus
den vom Antragsgegner vorgelegten Ausdrucken der Datei ”....xls” (s.
oben I.3.), in der der Antragsteller die Zahlungen auf das italienische
Konto zum erklärten Bruttolohn addiert hat.
(b) Der Senat sieht keine hinreichenden Anzeichen dafür,
dass der Antragsteller die Zahlungen auf das italienische Konto
als nicht steuerpflichtig beurteilt hätte. Dass die Voraussetzungen
einer Steuerhinterziehung bei einer Mitwirkungsverweigerung des
Steuerpflichtigen dem Grunde nach nicht geschätzt werden
dürfen (s. oben II.1.b)bbb)(3)), hindert das Gericht nicht,
den Vortrag des Antragstellers in seine Beweiswürdigung
einzubeziehen. Dabei fällt auf, dass es in der in der Antragsbegründung
lediglich heißt, man könne „getrost davon
ausgehen”, dass der Antragsteller die Zahlungen als steuerfrei
betrachtet habe, und es könne „ohne weiteres unterstellt
werden”, dass ihm die möglicherweise entgegenstehenden
Regelungen des deutschen Einkommensteuerrechts unbekannt gewesen
seien. Eine eigene Behauptung des Antragstellers bzgl. seiner Vorstellungen
und Kenntnisse zu den Tatzeiten nebst Glaubhaftmachung fehlt hingegen.
(c) Die Behauptung des Antragstellers, seine Arbeitgeberin habe
zugesichert, dass die Zahlungen mit dem deutschen Finanzamt abgesprochen
worden seien, steht der Annahme eines vorsätzlichen Handelns
schon deshalb nicht entgegen, weil der Antragsteller sie nicht durch
eine eidesstattliche Versicherung der betreffenden Person o. Ä.
glaubhaft gemacht hat.
(d) Selbst wenn der Antragsteller grundsätzlich von
einer Steuerfreiheit des „Auslagenersatzes” ausgegangen
wäre, bestünde keine überwiegende Wahrscheinlichkeit
für einen fehlenden Vorsatz. Denn auch einem steuerlichen Laien
ohne Kenntnisse des (inländischen) Steuerrechts muss klar
sein, dass man, wenn man etwa Aufwendungen für Familienheimfahrten
als Werbungskosten geltend macht, angeben muss, in welcher Höhe
diese Aufwendungen vom Arbeitgeber erstattet wurden, weil man insoweit
tatsächlich keinen Aufwand getragen hat. Der Antragsteller
hat die Erstattungen jedoch nicht erklärt, obwohl im Erklärungsformular
(Anlage N) ausdrücklich danach gefragt wird (s. oben I.2.).
Einwendungen gegen diese vom Antragsgegner vorgenommene Wertung
hat der Antragsteller nicht vorgebracht.
(e) Der Senat ist jedoch mit hinreichender Sicherheit davon überzeugt,
dass sich der Vorsatz des Antragstellers nicht nur auf die Angaben
zum Werbungskostenabzug bzgl. der doppelten Haushaltsführung
und eine etwaige Steuerverkürzung in entsprechender Höhe
bezog. Dass der Antragsteller zumindest mit der Unvollständigkeit
der Steuererklärungen in Bezug auf die Höhe des
steuerpflichtigen Arbeitslohns rechnete und die objektive Steuerverkürzung
in voller Höhe in Kauf nahm, ergibt sich zur Überzeugung
des Senats mit überwiegender Wahrscheinlichkeit aus der
Art und Weise der Abwicklung. Es ist kein anderer nachvollziehbarer
Grund dafür ersichtlich oder vorgetragen, das reguläre
Gehalt auf ein inländisches Konto, die Erstattung privater
Aufwendungen des Arbeitnehmers hingegen auf ein ausländisches
Konto zu überweisen und letztere in der Lohnsteuerbescheinigung nicht
anzugeben, als der einer Verschleierung steuerpflichtigen Arbeitslohns.
2. Umstände, die eine mit der Vollziehung
der angefochtenen Einkommensteuerbescheide verbundene unbillige
Härte begründen könnten, hat der Antragsteller
nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
3. a) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135
Abs. 1 FGO.
b) Gründe für die Zulassung der Beschwerde
gemäß § 128 Abs. 3 i. V. m. § 115
Abs. 2 FGO liegen nicht vor.