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  • 14.11.2013 · IWW-Abrufnummer 133507

    Finanzgericht des Saarlandes: Urteil vom 17.10.2012 – 2 K 1524/10

    1. Die Feststellungen aus einem Strafurteil bzw. aus einem Strafbefehl kann sich das Finanzgericht zu eigen machen, falls nicht die Verfahrensbeteiligten substantiierte Einwendungen erheben und entsprechende Beweisanträge stellen.

    2. Ein Kläger, der im finanzgerichtlichen Verfahren Einwendungen gegen die tatsächlichen Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafurteil erhebt, muss sich mit dem letztinstanzlichen Strafurteil auseinandersetzen und darf sich nicht darauf beschränken, lediglich die in einem früheren Verfahrensstadium des Strafverfahrens erhobenen Einwendungen im finanzgerichtlichen Verfahren zu wiederholen. Waren diese Einwendungen im Strafverfahren letztendlich im Revisionsverfahren beim BGH nicht durchgreifend und ist die Revision auch nicht lediglich aus spezifischen strafprozessualen Gründen verworfen worden, so ist das FG nicht gehindert, sich ohne Beiziehung der Strafakten und ohne eine eigene Beweisaufnahme auf diejenigen Ergebnisse des Strafprozesses zu stützen, die sich nach dem letzten Stand des strafgerichtlichen Verfahrens ergeben.

    3. § 71 AO hat den Charakter einer Schadenersatznorm und auch hier gelten die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung zur anteiligen Tilgung der Umsatzsteuer entsprechend. Bei dem Haftungstatbestand des § 71 AO ist unabhängig vom Maß des Verschuldens für den Umfang der Haftung darauf abzustellen, inwieweit das strafrechtlich relevante Verhalten für den Schaden in Gestalt der Nichtentrichtung der geschuldeten Steuer ursächlich gewesen ist.

    4. Hat die Steuerpflichtige illegal herstellten, nicht versteuerten Branntwein angekauft, so ist ihre Haftung nach § 71 AO hinsichtlich der Branntweinsteuer nicht deswegen ausgeschlossen, weil dem Hersteller des Branntweins und Steuerschuldner der Branntweinsteuer bei Fälligkeit der Steuer keine ausreichenden Mittel zu deren Tilgung zur Verfügung standen.

    5. Das der Finanzbehörde beim Erlass eines auf § 71 AO gestützten Haftungsbescheides zustehende Ermessen ist im Falle einer vorsätzlich begangenen Steuerstraftat nicht nur für die Inanspruchnahme dem Grunde, sondern auch der Höhe nach in der Weise vorgeprägt, dass die Abgaben gegen den Haftungsschuldner festzusetzen sind und dass es einer besonderen Begründung dieser Ermessensentscheidung nicht bedarf.


    FG des Saarlandes v. 17. 10 .2012

    2 K 1524 / 10

    Tatbestand

    Die Klägerin war zusammen mit ihrem Mann an der B-GmbH beteiligt, deren Geschäftsführerin sie nach dem Tod ihres Mannes wurde. An der GmbH war die Tochter der Klägerin, Frau X, als weitere Gesellschafterin zu 50 % beteiligt, ab dem Tod des Ehemanns der Klägerin im Jahr 2005 zu 65 %. Unternehmensgegenstand der GmbH waren der Ankauf und der Verkauf von Abfindungsbranntwein.

    Die Klägerin und ihr Ehemann kauften nach den Feststellungen des Zollfahndungsamts Y und des Landgerichts Z im Zeitraum von Januar 1999 bis Juli 2002 in mindestens vier Fällen gemeinschaftlich handelnd von einem Herrn A insgesamt xxx.xxx,xx Liter reinen Alkohol an. Dieser hatte den Branntwein seinerseits von einem Herrn C erworben. Herr C hatte den Branntwein in einer von ihm ohne Genehmigung betriebenen Brennerei hergestellt, weil er nach einem Konkurs Geld benötigte. Den Branntwein verkaufte er ausschließlich an A. Dieser veräußerte den Branntwein – überwiegend als Trester – an lediglich drei Abnehmer, einer davon die GmbH.

    Die Klägerin wurde für die vorbezeichneten vier Taten (331 Einzelgeschäfte) im vorgenannten Zeitraum von dem Landgericht Z wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei zu einer Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen zu xx EUR verurteilt. Das Gericht legte für die Jahre 1999 bis 2002 eine unversteuerte Gesamtmenge an reinem Alkohol von xxx.xxx Litern und demzufolge einen Steuerschaden in Höhe von y.yyy.yyy EUR zugrunde. Die hiergegen eingelegte Revision der Klägerin verwarf der BGH.

    Aufgrund der Erkenntnisse, die der Zollfahndungsdienst im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen gewonnen hatte, erließ der Beklagte am 16. März 2009 einen Haftungsbescheid gemäß § 71 AO in Höhe von y.yyy.yyy,yy EUR (Branntweinsteuer für xxx.xxx,xx Liter reinen Alkohol). In diesem Haftungsbescheid wurde die Klägerin als Gesamtschuldnerin neben C und A in Anspruch genommen.

    Hiergegen legte die Klägerin am 2. April 2009 Einspruch ein, den der Beklagte mit seiner Einspruchsentscheidung vom 18. August 2010 als unbegründet zurückwies.

    Am 23. September 2010 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

    Sie begründet ihre Klage im Wesentlichen unter Wiederholung ihres Vorbringens im Einspruchsverfahren damit, dass der angefochtene Haftungsbescheid rechtswidrig sei, da die Voraussetzungen des § 71 AO nicht erfüllt seien. Dies gelte zunächst für den Vorwurf der Steuerhehlerei. Insoweit habe sich der Beklagte lediglich auf die Feststellungen und Würdigungen des Strafurteils gestützt. Diese seien jedoch widersprüchlich und falsch.

    Insbesondere sei die Annahme einer Gesamtmenge von rund xxx.xxx Litern reinen Alkohols unzutreffend, weil sie gegen den Inhalt der Akten verstoße.

    Eine Haftung gemäß § 71 AO begründe lediglich einen Anspruch auf Schadenersatz und sei auf den tatsächlich entstandenen Schaden begrenzt. Ein durch das angebliche Handeln die Klägerin entstandener Schaden sei selbst bei dem im Strafurteil beschriebenen Sachverhalt nicht anzunehmen. Eine Haftung gemäß § 71 AO entfalle für diejenigen Steuerbeträge, für die dem Steuerschuldner keine ausreichenden Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Standen dem Steuerschuldner keine ausreichenden Mittel zur Begleichung der Steuerschuld zur Verfügung, dann hafte der Täter bzw. Teilnehmer nur für die Steuern, die anteilig hätten getilgt werden können. Der Steueranspruch sei somit zu keinem Zeitpunkt realisierbar gewesen.

    Der Beklagte erließ am 11. Januar 2011 einen geänderten Haftungsbescheid, in dem er die Haftungsschuld um yy.yyy,yy EUR auf y.yyy.yyy,yy EUR herabsetzte.

    Die Klägerin beantragt,

    den Haftungsbescheid über Branntweinsteuer vom 11. Januar 2011 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage als unbegründet abzuweisen.

    Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, es sei unzutreffend, dass er sich unbesehen auf das Strafurteil des Landgerichts Z gestützt habe. Richtig sei vielmehr, dass er die für den Haftungstatbestand des § 71 AO maßgeblichen objektiven und subjektiven Merkmale des Straftatbestands der Steuerhehlerei nach eigener Prüfung aufgrund der Ermittlungsergebnisse des Zollfahndungsamts festgestellt habe. Der Hinweis auf das Strafurteil sei nur zur Bestätigung des selbständig gefundenen Ergebnisses erfolgt. Außerdem stehe außer Frage, dass durch das Verhalten der Klägerin ein Schaden beim Fiskus entstanden sei, denn nachgewiesenermaßen sei Branntweinsteuer durch die illegale Herstellung von Alkohol hinterzogen worden, und die Klägerin habe diesen Branntwein angekauft. Die Menge ergebe sich aus den strafgerichtlichen Feststellungen.

    Die Haftung entfalle auch nicht dadurch, dass der Steuerschuldnerin keine ausreichenden Mittel zur Verfügung gestanden hätten, um die Steuerschuld zu begleichen. Der Umfang der Haftung gemäß § 71 AO bestimme sich lediglich danach, inwieweit das strafrechtlich relevante Verhalten des Haftenden ursächlich für den Steuerschaden gewesen sei.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die beigezogenen Behördenakten, die Verfahrensakten 2 K 1524 / 10 sowie 2 K 1525/ 10 und auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung verwiesen.


    Entscheidungsgründe

    1. Die zulässige Klage ist unbegründet.

    Der angefochtene, auf § 191 Abs. 1 Satz 1 AO beruhende Haftungsbescheid ist rechtmäßig (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Denn der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 71 AO für eine Haftung die Klägerin vorliegen. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin – zumindest als Mittäterin (§ 25 Abs. 2 StGB i.V.m. § 369 Abs. 2 AO) – eine Steuerhehlerei (§ 374 AO) begangen und dadurch Branntweinsteuer in Höhe von y.yyy.yyy,yy EUR verkürzt hat (§ 71 AO).

    1.1 Die Klägerin hat zusammen mit ihrem Ehemann eine mittäterschaftliche Steuerhehlerei (§ 374 AO, § 25 Abs. 2 StGB i.V.m. § 369 Abs. 2 AO) begangen, indem sie in vier Fällen (331 Einzelgeschäfte) Branntwein – eine verbrauchsteuerpflichtige Ware (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG) –, hinsichtlich derer die Branntweinsteuer gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 AO hinterzogen worden war, vorsätzlich angekauft hat, um sich zu bereichern, und dabei rechtswidrig und schuldhaft handelte. Dies steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der Feststellungen des Landgerichts Z, die durch den BGH bestätigt wurden. Auf diese Feststellungen wird im Einzelnen verwiesen.

    Zwar entfaltet das Strafurteil für das Finanzgericht keine Bindungswirkung (vgl. hierzu BFH vom 29. Oktober 1986 VII R 119/82, BFH/NV 1987, 362). Der Senat ist aber nicht gehindert, sich die strafgerichtlichen Feststellungen zu eigen zu machen und seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Denn das Finanzgericht entscheidet gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es darf dazu auch Strafakten zum Zwecke der Sachaufklärung zuziehen – dies liegt in seinem Ermessen. Eines förmlichen Beweisbeschlusses bedarf es hierfür nicht (vgl. zum Vorstehenden BFH vom 19. Dezember 2011 VII B 28/11, BFH/NV 2012, 752). Die Feststellungen aus einem Strafurteil bzw. aus einem Strafbefehl kann sich das Finanzgericht zu eigen machen, falls nicht die Verfahrensbeteiligten substantiierte Einwendungen erheben und entsprechende Beweisanträge stellen (BFH vom 25. November 1997 VII B 86/97, BFH/NV 1998, 738; vom 20. August 1999 VII B 6/99, BFH/NV 2000, 215; vom 19. Dezember 2011 VII B 28/11, BFH/NV 2012, 752).

    Im Streitfall hat die Klägerin zwar (pauschal) auf ihre Einwendungen im strafgerichtlichen Revisionsverfahren betreffend die Erfüllung des Straftatbestands der Steuerhehlerei (§ 374 AO) verwiesen.

    Allerdings handelt es sich um eben diejenigen Einwendungen, die die Klägerin bereits im Einspruchsverfahren vor dem Beklagten erhoben hat, bevor ihre gegen das Strafurteil des Landgerichts Z eingelegte Revision durch den BGH zurückgewiesen worden war. Der pauschale Verweis auf die Revisionsbegründung ersetzt nicht eine substantiierte Auseinandersetzung mit dem Beschluss des BGH, der die Rügen nicht für durchgreifend erachtete.

    Der Senat sieht sich daher nicht gehindert, sich auf die im Strafverfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu stützen, ohne eine eigene Beweisaufnahme durchzuführen. Dabei setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH. Die Klägerin wiederholt lediglich ihre im strafrechtlichen Revisionsverfahren erfolglos geltend gemachten Einwendungen, ohne sich mit dem Beschluss des BGH über die Verwerfung der Revision im Einzelnen auseinander zu setzen und im vorliegenden Verfahren substantiiert darzulegen, weshalb (auch) der BGH in seiner Revisionsentscheidung fehlerhaft entschieden haben soll. Nach der Auffassung des Senats muss sich ein Kläger, der Einwendungen gegen ein rechtskräftiges Strafurteil erhebt, mit dem letztinstanzlichen Strafurteil auseinandersetzen und darf sich nicht darauf beschränken, die in einem früheren Verfahrensstadium erhobenen Einwendungen im finanzgerichtlichen Verfahren zu wiederholen. Im Hinblick darauf, dass diese Einwendungen im Strafverfahren nicht durchgreifend waren, ist das Finanzgericht nicht gehindert, sich auf diejenigen Ergebnisse des Strafprozesses zu stützen, die sich nach dem letzten Stand des strafgerichtlichen Verfahrens ergeben.

    Es ist für den Senat auch nicht ersichtlich, dass die wiederholten Einwendungen gegen das Urteil des Landgerichts Z deshalb Bestand haben könnten, weil die Revision lediglich aus spezifischen strafprozessualen Gründen verworfen worden wäre. Die Klägerin hat mit der Revision explizit die Ermittlung derjenigen Tatsachen gerügt, auf die das Landgericht seine Verurteilung gestützt hat und die auch im vorliegenden Verfahren maßgebend sind. Damit besteht für den erkennenden Senat keine Veranlassung mehr zu der Annahme, dass diese im Strafverfahren getroffenen Feststellungen unzutreffend sind.

    Für eine Beiziehung der Strafakten bestand daher für den Senat keine Veranlassung, zumal sich der für die Entscheidung der Sache maßgebliche Tatsachenstoff hinreichend aus den vorliegenden Akten ergab.

    1.2 Der Schadenersatzcharakter der Haftung nach § 71 AO steht einer Inanspruchnahme der Klägerin nicht entgegen.

    Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass § 71 AO den Charakter einer Schadenersatznorm hat. Die Regelung stellt keine zusätzliche Strafsanktion für steuerunehrliches Verhalten dar, sondern soll lediglich den durch die Hinterziehungshandlung – bzw. die Handlung des Steuerhehlers – verursachten Vermögensschaden des Fiskus ausgleichen (BFH vom 8. November 1988 VII R 78/85, BStBl II 1989, 118; vom 13. Juli 1994 I R 112/93, BStBl II 1995, 190).

    Die Grundsätze, die der BFH zur anteiligen Haftung für die Umsatzsteuer entwickelt hat, kommen auch grundsätzlich im Falle der Haftung wegen Steuerhinterziehung (oder Steuerhehlerei) nach § 71 AO zur Anwendung, woraus sich im Streitfall eine Beschränkung der Haftung der Klägerin der Höhe nach ergeben könnte (BFH vom 6. März 2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100). Denn es ist auch bei dem Haftungstatbestand der Steuerhinterziehung für den Umfang der Haftung darauf abzustellen, inwieweit das strafrechtlich vorwerfbare Verhalten für den Steuerausfall ursächlich gewesen ist. Grundsätzlich hat der BFH dazu ausgeführt, dass dann, wenn es auch bei pflichtgemäßem Verhalten zu dem Steuerausfall gekommen wäre, weil keine Zahlungsmittel und auch keine Vollstreckungsmöglichkeiten für die Behörde vorhanden waren und der Steuerschuldner mit den im Haftungszeitraum insgesamt geleisteten Zahlungen die Behörde nicht gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat, auch der Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung (oder Steuerhehlerei) nicht weitergehend in Haftung genommen werden kann (vgl. BFH vom 25. April 1995 VII R 99-100/94, BFH/NV 1996, 97 mit weiteren Nachweisen).

    Dieser Grundsatz hat jedoch durch die Rechtsprechung des BFH Einschränkungen erfahren. So hat der BFH entschieden, dass ein haftungsbegründender ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verletzung der Steuererklärungspflicht und dem eingetretenen Steuerausfall (Haftungsschaden) auch dadurch begründet sein kann, dass durch die unrichtige Steueranmeldung eine aussichtsreiche Vollstreckungsmöglichkeit der Behörde vereitelt worden ist (BFH vom 26. August 1992 VII R 50/91, BStBl II 1993, 8), und auch dadurch, dass der aufgrund pflichtwidriger Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuer-Voranmeldung Haftende (und dessen Gehilfe) den Steuerschuldner schon zu einem früheren Zeitpunkt schuldhaft außer Stande gesetzt hat, die vorhersehbare Steuerschuld tilgen zu können (BFH vom 5. März 1991 VII R 93/88, BStBl II 1991, BStBl 1991 II S. 678, BStBl 1991 II S. 681). In diesem Fall liegt der maßgebliche Grund für den Steuerausfall nämlich nicht in der mangelnden Liquidität der Gesellschaft zum Fälligkeitszeitpunkt, sondern darin, dass durch die Abgabe einer unzutreffenden Steueranmeldung der Erfolg der vorsätzlichen Verschlechterung der Liquiditäts- und Vermögensverhältnisse der GmbH sichergestellt werden soll, wofür der Geschäftsführer der GmbH und folglich auch der mit diesem zusammenwirkende Gehilfe einer Steuerhinterziehung verantwortlich gemacht werden kann (vgl. auch BFH vom 11. Februar 2002 VII B 323/00, BFH/NV 2002, 891).

    Mit ihrer Behauptung, dem Steuerschuldner hätten bei Fälligkeit der Steuer keine ausreichenden Mittel zu deren Tilgung zur Verfügung gestanden, kann die Klägerin nicht durchdringen. Es handelt sich um ein Scheinargument, da es gerade das Wesen der Haftung ist, dass der Haftungsschuldner für eine fremde Steuerschuld in Anspruch genommen wird, die vom Steuerschuldner nicht beglichen wird oder beglichen werden kann. Auf die Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners kann es daher nicht ankommen. Wie bei Haftung des gesetzlichen Vertreters nach § 69 AO ist es deshalb ausschließlich von Bedeutung, ob dem Steuerschuldner ausreichende Mittel zur Tilgung der Steuerschuld zur Verfügung standen. Davon ist auszugehen, da sie bei jedem Ankauf des Branntweins offensichtlich über ausreichende Mittel verfügte und weitere Geldmittel durch den Verkauf erlangte.

    Hinzu kommt, dass gerade durch das illegale Verhalten der Klägerin aussichtsreiche Vollstreckungsmöglichkeiten des Beklagten verhindert worden sind.

    Außerdem berücksichtigt die Klägerin nicht, dass Herr C für seinen illegal hergestellten Branntwein, den er veräußert hat, ein Entgelt erhalten hat. Wären die Brennvorgänge im Rahmen der rechtlichen Vorgaben ordnungsgemäß angemeldet worden, hätte die Branntweinsteuer von dem Veräußerungsentgelt im engen zeitlichen Zusammenhang mit jedem einzelnen Brennvorgang entrichtet werden können. Dass es die Vermögenssituation des Steuerschuldners im Zeitpunkt der Entdeckung der Taten nicht erlaubte, die aufgelaufenen Branntweinsteuerschulden zu entrichten, rechtfertigt es daher nicht, von der Haftung abzusehen.

    1.3 Der Beklagte hat die Haftungssumme zutreffend ermittelt.

    Aus den strafgerichtlichen Feststellungen folgt, dass die angekaufte Gesamtmenge insgesamt mindestens xxx.xxx,xx Liter reinen Alkohols betrug. Daraus ergibt sich bei einem Steuersatz von 13,03 EUR je Liter reinen Alkohols (1.303 EUR je Hektoliter reinen Alkohols; § 131 Abs. 1 BranntwMonG) ein Steuerbetrag in Höhe von y.yyy.yyy,yy EUR.

    Das Landgericht Z hat ausdrücklich festgestellt, dass die GmbH, für deren Buchführung die Klägerin verantwortlich war und den Branntweinankauf arbeitsanteilig mit ihrem später verstorbenen Ehemann abwickelte, in den Jahren 1999 bis 2002 insgesamt xxx.xxx Liter reinen Alkohols angekauft habe. Das Gericht hat sich dabei im Einzelnen auf die sichergestellten Ankaufsbelege gestützt. Es handelt sich dabei exakt um die Menge, die der Beklagte seinem ursprünglichen Haftungsbescheid zugrundegelegt hatte. Dass die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Z eine geringere Alkoholmenge ausweist, ergibt sich aus dem Strafverfahren gegen C. Darauf kommt es indessen nicht an, nachdem das Landgericht Z in der Hauptverhandlung die oben angegebene Alkoholmenge ermittelt hat.

    1.4 Ermessensfehler sind nicht erkennbar. Vielmehr hat der Beklagte sein Ermessen im Einklang mit § 5 AO ausgeübt.

    Denn das der Finanzbehörde beim Erlass eines auf § 71 AO gestützten Haftungsbescheides zustehende Ermessen ist im Falle einer vorsätzlich begangenen Steuerstraftat – wie sie auch im Streitfall vorliegt – nicht nur für die Inanspruchnahme dem Grunde, sondern auch der Höhe nach in der Weise vorgeprägt, dass die Abgaben gegen den Haftungsschuldner festzusetzen sind, und dass es einer besonderen Begründung dieser Ermessensentscheidung nicht bedarf (BFH vom 14. Februar 2006 VII B 119/05, BFH/NV 2006, 1246).

    Umstände, die im vorliegenden Fall eine Abweichung von diesen Grundsätzen begründen könnten, sind nicht ersichtlich.

    2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    3. Der Senat hat die Revision zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. FGO) zugelassen. Denn die Rechtsfrage, ob ein Finanzgericht im Hinblick auf §§ 76 Abs. 1 Satz 1, 96 Abs. 1 FGO sich auch dann auf die Ergebnisses eines Strafprozesses stützen kann, wenn substantiierte Einwendungen erhoben und Beweisanträge gestellt wurden, diese sich aber nicht mit der letztinstanzlichen strafgerichtlichen Entscheidung auseinandersetzen, ist nach Auffassung des Senats klärungsbedürftig.

    RechtsgebieteAO, BranntwMonG, FGOVorschriftenAO § 71 AO § 44 AO § 374 AO § 369 Abs. 2 AO § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO § 370 Abs. 4 AO § 5 StGB § 25 Abs. 2 BranntwMonG § 130 Abs. 1 S. 1 BranntwMonG § 143 Abs. 1 BranntwMonG § 143 Abs. 2 Nr. 2 FGO § 96 Abs. 1 S. 1 FGO § 76 Abs. 1 S. 1