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  • 20.02.2014 · IWW-Abrufnummer 140539

    Arbeitsgericht Kiel: Urteil vom 07.01.2014 – 2 Ca 1793a/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Arbeitsgericht Kiel
    Aktenzeichen: 2 Ca 1793 a/13
    Verkündet am 07. Januar 2014
    Urteil
    Im Namen des Volkes
    In dem Rechtsstreit
    pp.
    hat die 2. Kammer des Arbeitsgerichts Kiel auf die mündliche Verhandlung vom 7. Januar 2014 durch den Richter am Arbeitsgericht … als Vorsitzenden und d. ehrenamtlichen Richter … als Beisitzer und d. ehrenamtliche Richterin … als Beisitzerin für Recht erkannt:
    1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht fristlos durch die Kündigung seitens der Beklagten vom 27. September 2013 beendet worden ist.
    2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein Abschlusszeugnis zu erteilen, welches sich auf die Führung und Leistung erstreckt und der Klägerin für ihr weiteres berufliches Fortkommen dienlich ist.
    3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
    4. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
    5. Der Streitwert wird auf EUR 7.450,-- festgesetzt.
    Rechtsmittelbelehrung
    Gegen dieses Urteil können die Parteien Berufung einlegen,
    a) wenn sie in dem Urteil zugelassen worden ist,
    b) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR übersteigt oder
    c) in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses.
    Der Berufungskläger hat gegebenenfalls den Wert des Beschwerdegegenstandes glaubhaft zu machen.
    Die Einlegung der Berufung hat
    binnen einer Notfrist von einem Monat
    nach Zustellung dieses Urteils schriftlich beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Deliusstraße 22, 24114 Kiel zu erfolgen. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Er-klärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
    Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt,
    binnen zwei Monaten
    nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landesarbeitsgericht zu begründen.
    Der Berufungskläger muss sich vor dem Landesarbeitsgericht durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen Berufungs- und eine eventuelle Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
    An seine Stelle kann auch ein Vertreter eines Verbandes (Gewerkschaften, Arbeitgebervereinigungen) oder eines Spitzenverbandes (Zusammenschlüsse solcher Verbände) treten, sofern er kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt und die Partei Mitglied des Verbandes oder Spitzenverbandes ist. An die Stelle der vorgenannten Vertreter können auch Angestellte einer juristischen Person, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer dieser Organisationen stehen, treten, sofern die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung der Verbandsmitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und der Verband für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet. Ist die Partei Mitglied eines Verbandes oder Spitzenverbandes, kann sie sich auch durch einen Vertreter eines anderen Verbandes oder Angestellten einer der oben genannten juristischen Personen mit vergleichbarer Ausrichtung vertreten lassen.
    Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden. Die Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts bittet, Schriftsätze in fünffacher Fertigung einzureichen.
    Tatbestand
    Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch fristlose Kündigung vom 27. September 2013 sowie durch ordentliche Kündigung vom 25. Oktober 2013 zum 31. März 2014. Ferner macht die Klägerin für den Fall des Obsiegens mit den Kündigungsschutzanträgen ein Zwischenzeugnis und bei Unterliegen mit einem der Kündigungsschutzanträge ein Endzeugnis geltend. Für den Fall des Obsiegens mit den Kündigungsschutzanträgen wird Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen verlangt.
    Die Klägerin ist bei der Beklagten, die ein Reinigungsunternehmen mit weit mehr als 10 Mitarbeitern überregional betreibt, seit dem 29. April 2002 beschäftigt. Sie ist am 14. April 1973 geboren, zu 50 % schwerbehindert und deckt gemäß Arbeitsvereinbarung vom 1. Juni 2008 drei Aufgabengebiete ab: Bei einer 5-Tage-Woche täglich 2,25 Stunden als Objektleitung/Kontrolle der Objekte im Bereich K., 85 Stunden Reinigungstätigkeit sowie 65 Stunden Vorarbeitertätigkeit.
    Betriebsleiter der Beklagten für die Niederlassung Nord war und ist Herr S. Die Klägerin war in einem von Herrn S. geführten Reinigungsunternehmen bereits ab dem 1. Februar 1997 beschäftigt. Dieses Unternehmen wurde von der Beklagten übernommen.
    Die Klägerin wurde zumindest im Objekt P. als Reinigungskraft tätig. Die Arbeitsleistung wurde mit Wissen und Wollen der Klägerin aber nicht über diese abgerechnet, sondern über Mutter und Tochter M.. Diese überwiesen die Vergütung an die Klägerin. In anderen Objekten ist möglicherweise auf ähnliche Weise verfahren worden.
    Die Geschäftsführung der Beklagten, die sich aus dem normalen Geschäft in der Niederlassung heraushält und dies dem Betriebsleiter S. überlässt, hat von den Vorgängen am 4. oder 5. September erfahren, nachdem bereits im Juni 2013 ein Gespräch zwischen Herrn S. und der Klägerin zumindest über die fehlende Zugangsberechtigung der Mitarbeiterinnen M. zum Objekt P. stattgefunden hat.
    Unter dem 12. September 2013 beantragte die Beklagte die Zustimmung der Fürsorgestelle zur außerordentlichen, hilfsweise fristgerechten Kündigung (Bl. 63 – 66 dA). Mit Schriftsatz vom 17. September 2013 konkretisierte die Beklagte die Vorwürfe (Bl. 68 f. dA). Mit weiteren Schriftsätzen vom 18. September 2013 und 24. September 2013 wurden die Angaben weiter detailliert (Bl. 70 ff. dA).
    Nach Zugang der Zustimmung der Fürsorgestelle zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin hat die Beklagte mit Schreiben vom 27. September 2013 entsprechend gekündigt.
    Mit Schreiben vom 25. Oktober hat die Beklagte nach Zugang der Zustimmung der Fürsorgestelle zur ordentlichen Kündigung am 4. Oktober 2013 das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. März 2014 gekündigt. Die Kündigungserklärung wurde der Klägerin auf zwei verschiedenen Wegen zugestellt.
    Die Beklagte hat der Klägerin bislang weder ein Zwischenzeugnis noch ein End-zeugnis erteilt.
    Die Klägerin ist in der am 17. Oktober 2013 bei Gericht eingegangenen und am 4. November 2013 erweiterten Kündigungsschutzklage der Auffassung, dass die Kündigungen unwirksam seien. Sie seien Ergebnis der Bestrebungen der Beklagten in Zusammenhang mit einer neuen Objektleiterin, die Klägerin und deren Familienangehörige aus dem Unternehmen zu drängen. Es handele sich bei der Klägerin um eine langjährige und sehr verdiente Mitarbeiterin, die mit dem Betriebsleiter über viele Jahre stets vertrauensvoll zusammengearbeitet habe. Es sei der Betriebsleiter Herr S. persönlich gewesen, der der Klägerin mehrfach vorgeschlagen habe, dass sie, da sie überobligatorisch schon weit über ihre Arbeitszeiten hinaus arbeite, unter den Personalien Dritter Arbeitsstellen besetzen, die Arbeiten dort selbst ausführen und sich das Geld über die Dritten auszahlen lassen solle. Die Klägerin habe selbst überhaupt nicht die Möglichkeit gehabt, die hierfür notwendigen Eintragungen in der Verwaltung am Betriebsleiter vorbei durchzuführen. Herr S. habe bereits in seinem eigenen Unternehmen vor Eintritt bei der Beklagten diese Praxis bei verschiedenen Mitarbeitern praktiziert. Herr S. habe nicht etwa in Zeiten, in denen die Mitarbeiterinnen M. urlaubsbedingt abwesend gewesen seien, sondern in Zeiten, in denen die Klägerin Urlaub genommen habe, dafür gesorgt, dass andere Mitarbeiter die Klägerin dort ersetzten. Im Schreiben der Beklagten an die Fürsorgestelle vom 18. September 2013 habe sie eingeräumt, dass Herr S. von der Tätigkeit der Klägerin in dem Objekt P. gewusst habe. Der Sachvortrag hinsichtlich des weiteren Mitarbeiters Y. C. sei nicht Gegenstand des Fürsorgeverfahrens gewesen. Hierzu fehle jeder detaillierte Vortrag der Beklagten im dortigen Verfahren. Die Klägerin rügt die Einhaltung der 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB. In jedem Fall sei die angebliche Kenntniserlangung des Betriebsleiters im Juni 2013 insoweit maßgeblich. Zwar könne grundsätzlich das eigenmächtige und ohne Kenntnis des Arbeitgebers erfolgte bezahlte Tätigwerden unter den Personalien Dritter einen objektiv geeigneten Grund zur Kündigung eines Mitarbeiters darstellen. Dies gelte jedoch nicht für den Fall, in dem wie vorliegend der Betriebsleiter die entsprechende Praxis selbst angeregt hat. Es fehle an einem kollusiven Tätigwerden, weil der Beklagten kein Schaden entstanden sei. Die Klägerin habe in der gesamten Zeit ihrer Tätigkeit nur den Vorteil der Beklagten im Sinn gehabt. Zudem sei die Klägerin erst mit Schreiben vom 11. September 2013 als Objektleiterin freigestellt worden. In jedem Fall hätte die Beklagte auch dem Betriebsleiter kündigen müssen.
    Die Klägerin beantragt,
    1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht fristlos durch die Kündigungserklärungen vom 27. September 2013 beendet ist,
    2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die weitere fristgemäße Kündigung per Einschreiben/Rückschein vom 25. Oktober 2013, zugegangen am 26. Oktober 2013, zum 31. März 2014 endet,
    3. hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Anträgen zu 1. und 2.
    die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Anträge zu Ziffer 1. und 2. entsprechend ihrem Arbeitsvertrag zu unveränderten Bedingungen bei einer 5-Tage-Woche täglich ca. 2,25 Stunden als Objektleiterin, zusätzlich monatlich durchschnittlich 85 Stunden als Raumpflegerin und darüber hinaus monatlich durchschnittlich 66 Stunden als Vorarbeiterin zu beschäftigen,
    4. hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Anträgen zu 1. und 2.
    die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ein Zwischenzeugnis auszustellen, das sich auf die Führung und Leistung erstreckt und dem beruflichen Fortkommen der Klägerin dienlich ist,
    5. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. oder 2.
    die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ein Abschlusszeugnis zu erteilen, welches sich auf die Führung und Leistung erstreckt und der Klägerin für ihr weiteres berufliches Fortkommen dienlich ist.
    Die Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Kündigungen wirksam seien. Die Klägerin habe die Tätigkeits- und Abrechnungspraxis ohne Kenntnis des Herrn S. durchgeführt. Dieser habe im Juni lediglich erfahren, dass die Klägerin die Mitarbeiter M. in das Objekt P. hereinlasse. Die Tätigkeit durch die Klägerin selbst sei damals von dieser nicht zugegeben worden. Die Beklagte habe von der kriminellen Praxis der Klägerin erst im Nachhinein erfahren. Insofern sei ihr der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zur Beendigung der Kündigungsfrist nicht zumutbar. Dies gelte auch dann, wenn die Klägerin in Kenntnis des Herrn S. tätig geworden sei. Ein solches kollusives Zusammenwirken mit einem Vorgesetzten könne unter keinem Gesichtspunkt eine Rechtfertigung darstellen. Die Beklagte habe im Fürsorgeverfahren auch den weiteren Fall hinreichend detailliert eingeführt.
    Im Übrigen wird hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze, Unterlagen und Protokolle verwiesen.
    Entscheidungsgründe
    A. Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
    B.
    Der Kündigungsschutzantrag zu 1. ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung seitens der Beklagten vom 27. September 2013 (I.). Der Kündigungsschutzantrag zu 2. ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis endete aber durch die ordentliche fristgemäße Kündigung seitens der Beklagten vom 25. Oktober 2013 (II.). Schließlich ist der Zeugnisantrag begründet (III.). Über den Zwischenzeugnisantrag und den Weiterbeschäftigungsantrag war angesichts der Bedingung: „Obsiegen mit den Anträgen zu 1. und 2.“ nicht zu entscheiden.
    I. Der Antrag zu 1. aus der Klagschrift ist begründet, da das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung seitens der Beklagten vom 27. September 2013 beendet worden ist. Die Kündigung ist unwirksam, da die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt hat.
    1. Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von dem für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Auch grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände (BAG 22. November 2012 – 2 AZR 732/11 – Rn. 30, zit. nach juris). Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt (BAG 27. Januar 2011 – 2 AZR 825/09 – Rn. 15, zit. nach juris). Solange er die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, läuft die Ausschlussfrist nicht an. Um den Lauf der Frist nicht länger als notwendig hinauszuschieben, muss eine Anhörung allerdings innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Die Frist darf im Allgemeinen, ohne dass besondere Umstände vorliegen, nicht mehr als eine Woche betragen (BAG 27. Januar 2011, aaO).
    2. Bedarf eine Kündigung wie vorliegend der Zustimmung der Fürsorgestelle gemäß § 91 SGB IX, kann die Zustimmung zur Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen beim Arbeitgeber beantragt werden. Für den Fall, dass bei fristgerechter Antragstellung die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB nach Erteilung der Zustimmung der Fürsorgestelle bereits abgelaufen ist, verlangt § 91 Abs. 5 SGB IX den unverzüglichen Ausspruch der Kündigung (BAG 19. April 2012 – 2 AZR 118/11 – Rn. 13, zit. nach juris).
    3. Danach hat die Beklagte nicht rechtzeitig das Zustimmungsverfahren eingeleitet.
    a) Es ist bereits fraglich, ob seit Kenntniserlangung des Geschäftsführers der Beklagten bis zur vollständigen Antragstellung zwei Wochen oder weniger vergangen sind. Die Beklagte hat zwar den Antrag rechtzeitig gestellt (wohl 12. September 2013), hat jedoch sodann mehrfach unter dem 17., 18. und 24. September 2013 noch weitere Ausführungen zu den Kündigungsgründen gemacht.
    b) Aus Sicht des Gerichts muss sich die Beklagte jedoch zumindest die unstreitige Teilkenntnis des Betriebsleiters S. zurechnen lassen.
    aa) Dieser war weitgehend für die Niederlassung Nord selbstständig verantwortlich und hatte insoweit auch Personalhoheit. Insoweit ist der Betriebsleiter als kündigungsberechtigter Arbeitgeber anzusehen, selbst wenn die Kündigungen tatsächlich dann von dem ohne jeden Zweifel kündigungsberechtigten Geschäftsführer ausgesprochen worden sind. Mit der weitgehenden Selbstständigkeit und entsprechenden Entscheidungskompetenz des Betriebsleiters geht damit auch eine Verantwortlichkeit iSd. § 626 Abs. 2 BGB ein-her.
    bb) Nach dem Beklagtenvortrag, insbesondere im Verfahren vor der Fürsorgestelle, hatte Herr S. als Betriebsleiter zumindest über den Kunden Kenntnis, dass die Zugangsberechtigung zum Kunden P. lediglich die Klägerin und nicht die insoweit angegebenen Mitarbeiter M. hatten. Selbst wenn es zuträfe, dass die Klägerin Herrn S. lediglich mitgeteilt habe, dass sie über ihre Fingerkennung die Mitarbeiterinnen in den Betrieb einlasse, wäre der Betriebsleiter verpflichtet gewesen, hier weiter nachzuforschen, da bereits hier ein schwerwiegender Verstoß im Verhältnis zum Kunden – Umgehung der Sicherheitsvorschriften beim Zugang – auf der Hand lag. Die Beklagte in der Person des Betriebsleiters hat hier nicht mit der durch § 626 Abs. 2 BGB gebotenen Eile weiter ermittelt. Es fällt in diesem Zusammenhang auf, dass völlig offen bleibt, wie die Beklagte überhaupt von dem konkreten Vorfall - Ausübung der Tätigkeit durch Klägerin und Abrechnung über Dritte bei Auszahlung der Vergütung an die Klägerin – Kenntnis erlangt haben will in Abweichung zu den bereits bestehenden Erkenntnissen aus Juni 2013. Insofern geht es vorliegend nicht um grob fahr-lässige Unkenntnis von den Kündigungstatsachen durch den Kündigungsberechtigten, sondern um die gebotene zügige weitere Aufklärung in Kenntnis der Ausgangstatsachen.
    II. Die Klage ist bezogen auf den Kündigungsschutzantrag gegen die Kündigung vom 25. Oktober 2013 unbegründet. Die Kündigung ist nach übereinstimmender Erklärung der Parteien und insbesondere der Beklagten als einheitliche Erklärung, die zweifach zugegangen ist, anzusehen. Die Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis entsprechend dem Wortlaut der Kündigung zum 31. März 2014. Sie ist gemäß § 1 Abs. 1 KSchG iVm. § 1 Abs. 2 KSchG rechtswirksam. Sie ist sozial gerechtfertigt, weil sie durch Gründe im Verhalten der Klägerin bedingt ist (1.). Die Kündigung ist auch nicht etwa aufgrund fehlender Zustimmung der Fürsorgestelle gemäß § 85 SGB IX unwirksam (2.).
    1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch die Kündigung seitens der Beklagten vom 25. Oktober 2013. Die Kündigung ist durch Gründe im Verhalten der Klägerin sozial gerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 2 KSchG.
    a) Eine nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigte Kündigung liegt ua. vor, wenn sie durch Gründe, die in dem Verhalten der Arbeitnehmerin liegen, bedingt ist.
    aa) Sie ist durch solche Gründe „bedingt“, wenn die Arbeitnehmerin ihre vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen – wie etwa eine Abmahnung – von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, bei der Arbeitnehmerin künftige Vertragstreue zu bewirken (ständige Rechtsprechung BAG zuletzt 27. September 2012 – 2 AZR 811/11 – Rn. 16, zit. nach juris). Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten der Arbeitnehmerin, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ihr künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 9. Juni 2011 r– 2 AZR 284/10 – Rn. 35, zit. nach juris).
    bb) Der Arbeitnehmer muss im Sinne einer Pflichtverletzung nicht unbedingt eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt haben. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung aus verhaltensbedingten sozial rechtfertigen (BAG 28. Oktober 2010 – 2 AZR 293/09 – Rn. 12, zit. nach juris).
    b) Selbst den Vortrag der Klägerin als wahr unterstellt, der Betriebsleiter habe die Praxis der Klägerin, von ihr ausgeübte Tätigkeiten über Dritte abzurechnen und von diesen die Vergütung zu erhalten, vorgeschlagen, gut geheißen und auch gedeckt, rechtfertigt dies eine verhaltensbedingte Kündigung seitens der Beklagten auch ohne Abmahnung. Insofern kommt es nicht darauf an, ob der Betriebsleiter S. tatsächlich von der Praxis der Klägerin Kenntnis hatte.
    aa) Die Praxis der Klägerin, die jedenfalls bezogen auf den Fall des Kunden P. und der Pro-forma-Mitarbeiterinnen M. für einen erheblich langen Zeitraum durchgeführt wurde, ist – wie auch die Klägerin eingeräumt hat – erkennbar ungesetzlich. Dadurch umgeht die Klägerin ihre Verpflichtung zur Zahlung von Lohnsteuer und zur Zahlung von Sozialabgaben. Dieses Verhalten ist gemäß § 370 Abs. 1 Abgabenordnung als Steuerhinterziehung strafbar. Möglicherweise liegt sogar ein besonders schwerer Fall vor, sofern in Hinblick auf die Mitarbeiterinnen M. nachgemachte oder verfälschte Belege existieren. Ferner dürfte das Verhalten als Beihilfe zu § 266 a StGB – Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsentgelt – strafbar sein.
    Diese Praxis stellt zugleich eine erhebliche Verletzung des Arbeitsverhältnisses dar iSd. Verletzung der Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 BGB.
    bb) Es mag zutreffen, dass die Praxis der Klägerin vordergründig der Beklagten die Zahlung von Sozialversicherungsanteilen ersparte. Dies ist jedoch zu kurz gegriffen. Der Sozialversicherungsbeitrag bestimmt sich objektiv nach der von der Klägerin zu leistenden Tätigkeit und der dafür tatsächlich erzielten Vergütung. Die Beklagte ist lediglich in der Lage, den Sozialversicherungsbeitrag der Klägerin für drei Monate nachträglich von der Lohn- und Gehaltszahlung einzubehalten (§ 28 g SGB IV). Insofern ist durch diese Praxis die Beklagte bereits beschwert, da sie größtenteils auch den Sozialversicherungsbeitrag der Klägerin übernehmen muss. Hinzukommen die aufwendigen Recherchen und Berechnung für die nachträglich noch zu leistende Lohnsteuer. Insofern ist die Beklagte verpflichtet, die Lohnsteuer nachträglich abzuführen, und sie trägt das Risiko, diese nachträglich abgeführte Lohnsteuer von der Klägerin zurück zu erlangen.
    cc) Es gehört zur arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht eines Arbeitnehmers, sich im Hinblick auf die sozialversicherungsrechtliche und steuerrechtliche Behandlung seiner Arbeitsvergütung ordnungsgemäß zu verhalten. Tut eine Arbeitnehmerin dies nicht, so verstößt sie gegen die Rücksichtnahmepflicht in erheblicher Weise, wie bereits die Strafbewährung deutlich macht. In diesem Zusammenhang behauptet nicht einmal die Klägerin selbst, dass sie in Unkenntnis der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften gehandelt hat. Im Gegenteil, die Praxis diente aus Klägerinsicht zur illegalen Optimierung ihrer Nettovergütung.
    b) Im Rahmen der Interessenabwägung muss geklärt werden, ob die Interessen der Klägerin auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses einerseits gegenüber den Interessen der Beklagten auf Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegen.
    aa) Zu Gunsten der Klägerin ist ihre lange Betriebszugehörigkeit, ihre Schwerbehinderung und das offenbar im Übrigen beanstandungsfreie Tätigwerden der Klägerin zu berücksichtigen.
    bb) Zu Lasten der Klägerin ist allerdings entscheidend die besondere Schwere des Pflichtverstoßes zu berücksichtigen. Der Pflichtverstoß war für die Klägerin ohne weiteres erkennbar. Die Klägerin konnte nicht ernsthaft glauben, dass sie durch die Ausübung der Vergütungspraxis legal und arbeitsvertragskonform agierte.
    cc) Zu berücksichtigen ist allerdings, dass jedenfalls nach Vortrag der Klägerin der Betriebsleiter der Beklagten, welcher sich bei der Beklagten in maßgeblicher Stellung befand und befindet, von der Praxis nicht nur wusste, sondern diese auch initiiert hat.
    (1) Danach kommt im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ein milderes Mittel – insbesondere eine Abmahnung – in Betracht, wenn die Straftaten der Klägerin in Kenntnis und auf Vorschlag von Vorgesetzten erfolgen. Es ist treuwidrig, wenn ein Organ des Arbeitgebers ein bestimmtes illegales Verhalten vorschlägt und über längere Zeit deckt, um dann hieraus einen Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu ziehen (vgl. KR/Fischermeier 10. Aufl. BGB § 626, Rn. 447a).
    (2) Im vorliegenden Fall ist jedoch eine Abmahnung kein geeignetes Mittel in Hin-blick auf die Pflichtverletzung. Hier kommt nämlich hinzu, dass, anders als in Fällen der Auszahlung von Schmiergeldern bzw. dem Aufbau von schwarzen Kassen, das strafrechtlich relevante Verhalten der Klägerin in erster Linie allein zum ihrem eigenen Nutzen erfolgte. Mit ihrem Verhalten hat die Klägerin objektiv gesehen nicht der Beklagten geholfen – für diese wäre auch die Zahlung von Überstunden in ungefähr gleicher Weise finanziell vertretbar gewesen -, sondern sich selbst einen unberechtigten Vorteil zugeschanzt. Erschwerend zu Lasten der Klägerin ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit ihrer teilweisen Tätigkeit als Objektleiterin und als Vorarbeiterin zusätzliche Vorbildfunktion hatte. Die Beklagte konnte und durfte erwarten, dass sich die Klägerin bei der Abrechnung ihrer Leistungen an die gesetzlichen Vorgaben hält und keine Straftaten begeht. Gerade in ihrer Position trägt die Klägerin Verantwortung für die ordnungsgemäße Abrechnung ihres und der anderen Arbeitsverhältnisse in dem Sinne, dass sämtliche geleisteten Stunden korrekt zugeordnet werden.
    (3) Zu Gunsten der Klägerin kann nicht berücksichtigt werden, dass mit dem Betriebsleiter ein in der Hierarchie sehr weit oben angesiedelter Mitarbeiter der Beklagten das illegale Verhalten der Klägerin angeblich initiiert und gedeckt hat. Der Betriebsleiter ist nicht Geschäftsführer der Beklagten. In seiner Position kann er der insoweit zuletzt verantwortlichen Geschäftsführung keine Abrechnungspraxis auf-zwingen, schon gar nicht, wenn diese ungesetzlich ist. Die besondere Position des Herrn S. wirkt sich insoweit nur bei der Frage der Kenntnis des Arbeitgebers von den Kündigungsgründen im Sinne des § 626 Abs. 2 BGB aus.
    dd) Eine Abmahnung scheidet schon deshalb aus, weil die Klägerin objektiv betrachtet nicht ernsthaft davon ausgehen konnte, dass ein Arbeitgeber angesichts strafrechtlicher Konsequenzen das in erster Linie eigennützige Abrechnungsverhalten der Klägerin tolerieren würde. Erschwerend kommt hinzu, dass mit ihrem Verhalten Dritte in die Straftaten Steuerhinterziehung und Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen involviert wurden. Das Maß krimineller Energie ist aus Sicht der Kammer erheblich. Es sei allerdings klarstellend darauf hingewiesen, dass Maßstab für die Abwägungsentscheidung des Gerichts der Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 BGB ist und nicht etwa eine den Strafgerichten vorbehaltene strafrechtliche Würdigung.
    2. Die Kündigung ist nicht etwa gemäß § 85 SGB IX iVm. § 134 BGB unwirksam, weil die Zustimmung der Fürsorgestelle nicht erfolgt sei. Die Beklagte hat mit Antrag vom 12. September 2013 deutlich gemacht, dass sich der Antrag auch auf die Zu-stimmung zur ordentlichen Kündigung bezieht. Der Vortrag ist jedenfalls in Hinblick auf den hier relevanten Tatsachenkomplex des Kunden P. durch die Schriftsätze vom 17., 18. und 24. September hinreichend konkretisiert worden, sodass der Antrag zulässig ist. Die Kündigung selbst ist erst nach Zugang der Zustimmung der Fürsorgestelle (4. Oktober 2013) erfolgt. Etwaige Gründe für die diesbezügliche Unwirksamkeit der Kündigung sind von Klägerinseite nicht vorgetragen worden. Sie sind auch für das Gericht nicht erkennbar.
    III. Die Klägerin hat Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses.
    1. Über den Antrag war zu entscheiden, da die Bedingung: „Unterliegen mit dem Antrag zu 1. oder 2.“ im Hinblick auf den Antrag zu 2. eingetreten ist.
    2. Die Klägerin kann gemäß § 109 GewO ein qualifiziertes Zeugnis verlangen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Nach Maßgabe der Ausführungen unter II. endet das Arbeitsverhältnis zwar erst zum 31. März 2014. Bei normzweck orientierter Auslegung des Begriffes „bei Beendigung“ kann das Zeugnis allerdings bereits im Januar 2014 verlangt werden. Das Zeugnis dient der Unterstützung für die Arbeitnehmerin, ein neues Arbeitsverhältnis zu finden. Hierzu benötigt sie so früh wie möglich ihr Zeugnis. Insofern ist der Arbeitnehmerin ein Endzeugnis in der Regel bereits zu einem früheren Zeitpunkt, als dem tatsächlichen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, zu erteilen (vgl. EK/Müller-Glöge 14. Aufl. Gewerbeordnung § 109, Rn. 7). Da das Arbeitsverhältnis aufgrund der hier ebenfalls in Streit stehenden fristlosen Kündigung tatsächlich nicht vollzogen wird, sprechen auch keine überwiegenden Aspekte auf Seiten der Beklagten, die gegen die Erteilung eines Endzeugnisses sprechen.
    B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, wobei das auf beiden Seiten gleichmäßige Unterliegen mit jeweils einem Kündigungsschutzantrag zur Kostenaufteilung führt. Der Zeugnisanspruch fiel wertmäßig nicht derartig ins Gewicht, dass von der Kostenaufteilung abzuweichen war. Hinsichtlich des Streitwertes (Berufungsstreitwert iSv. § 61 Abs. 1 ArbGG) sind gemäß § 42 Abs. 2 GKG für die erste Kündigung drei Bruttomonatsgehälter und für die weitere Kündigung ein Gehalt á EUR 1.800,-- in Ansatz gebracht worden. Die Erteilung des Zeugnisses ohne inhaltliche Vorgabe wurde mit EUR 250,-- bewertet.