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  • 17.09.2014 · IWW-Abrufnummer 142688

    Finanzgericht München: Urteil vom 20.05.2014 – 2 K 2289/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    FG München, 20.05.2014 - 2 K 2289/11

    In der Streitsache
    Kläger
    ...
    prozessbevollmächtigt:
    ...
    gegen
    Beklagter
    Finanzamt ...
    wegen
    Haftung für Umsatzsteuer
    hat der 2. Senat des Finanzgerichts München durch
    den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,
    den Richter am Finanzgericht ... und
    die Richterin am Finanzgericht ...
    sowie die ehrenamtlichen Richter ... und ...
    auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 2014
    für Recht erkannt:
    Tenor:

    1.

    Unter Änderung des Haftungsbescheids vom 18. November 2008 und der Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 2011 wird die Haftungsschuld auf 6.233,28 € herabgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
    2.

    Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.
    3.

    Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    Gründe

    I.

    Streitig ist, ob der Beklagte (das Finanzamt) den Kläger zu Recht für Umsatzsteuerschulden der W-GmbH in Haftung genommen hat.

    Die GmbH wurde im Jahr 2003 zur Verwirklichung eines Bauvorhabens von zwei Sechsfamilienhäusern und vier Doppelhäusern in K gegründet. Die Wohnungen bzw. Doppelhäuser wurden von der GmbH fertig gestellt und verkauft. Der Kläger war seit Gründung der GmbH, neben R, zu 50 % an der GmbH beteiligt und deren alleiniger Geschäftsführer.

    In den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis Dezember 2004 erklärte der Kläger keine Umsätze und führte auch keine Umsatzsteuer für die GmbH ab. Für die Monate Januar bis November 2005 wurden keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben. Die Voranmeldung für Dezember 2005 ging erst am 15. Juni 2007 beim Finanzamt ein. Die Umsatzsteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 2004 und 2005, mit denen die GmbH empfangene Bauleistungen anderer Unternehmer als Steuerschuldnerin im Sinne von § 13b Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG 2005 erklärte, wurden am 17. August 2006 und am 20. Dezember 2007 eingereicht. Die Umsatzsteuer wurde gegenüber der GmbH erklärungsgemäß für 2004 mit Bescheid vom 30. August 2006 auf 7.399,96 € und für 2005 mit Bescheid vom 17. Januar 2008 auf 12.857,51 € festgesetzt. Für 2006 wurde die Umsatzsteuer im Schätzungswege unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 12.800,- € festgesetzt. Hiergegen wurden keine Einsprüche eingelegt. Die festgesetzten Steuerbeträge wurden nicht entrichtet.

    Mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 8. Oktober 2010 wurde der Kläger wegen der Hinterziehung von Umsatzsteuer 2004 in Höhe von 5.496,- € und Umsatzsteuer 2005 in Höhe von 12.857,- € zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er als Geschäftsführer der GmbH die Umsatzsteuererklärungen für 2004 und 2005 bewusst verspätet eingereicht und dadurch Steuern verkürzt habe. Die Umsatzsteuerjahreserklärungen wurden dabei zwar als Selbstanzeige nach § 371 AO gewertet. Eine Strafbefreiung trat jedoch mangels Zahlung nicht ein.

    Nachdem am 29. September 2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet worden war und die Rückstände bei der GmbH nicht mehr beigetrieben werden konnten, nahm das Finanzamt den Kläger nach vorheriger Anhörung mit Haftungsbescheid vom 18. November 2008 als Geschäftsführer nach § 69 Abgabenordnung (AO) und als Steuerhinterzieher nach § 71 AO für die offenen Umsatzsteuerforderungen der Zeiträume 2004 bis 2006 einschließlich Nebenleistungen (Zinsen) sowie für auf diese Zeiträume entfallende Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 33.763,29 € in Haftung.

    Auf den Einspruch hin wurde die Festsetzung der Haftungsschuld für Umsatzsteuer 2006 sowie den Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 2006 mit Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 2011 aufgehoben und die Haftungsschuld auf insgesamt 20.773,29 € herabgesetzt. Im Übrigen wurde der Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 2011 als unbegründet zurückgewiesen.

    Mit der hiergegen erhobenen Klage bringt der Kläger im Wesentlichen Folgendes vor: Es sei richtig, dass er als Geschäftsführer der GmbH nach Erhalt der Bilanzen darüber Kenntnis erlangt habe, dass für 2004 und 2005 Umsatzsteuer nachzubezahlen sei. Da die noch offene Umsatzsteuerschuld von 15.000 € bis 17.000 € nur einen Bruchteil der noch offenen Kaufpreisraten betragen habe, wäre eine Befriedigung des Finanzamts problemlos möglich gewesen, wenn diese beglichen worden wären. Die GmbH sei seit etwa Ende 2006 zahlungsunfähig gewesen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung des Finanzamts am 3. Juli 2008 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei das Finanzamt die einzige Gläubigerin gewesen. Alle bis dahin angefallenen Rechnungen seien von ihm bezahlt worden. Außerdem habe er Zahlungen in Höhe von insgesamt 4.977,69 € zu Gunsten der Umsatzsteuerschuld geleistet. Weitere 4.883,53 € seien auf das Konto der GmbH für Umsatzsteuer 2004 umgebucht worden.

    Der Kläger beantragt,

    den Haftungsbescheid vom 18. November 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 2011 aufzuheben.

    Das Finanzamt beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    An der in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung werde festgehalten. Der Kläger habe mit seinen Einlassungen die Ausführungen des Finanzamts zur pflichtwidrigen Benachteiligung des Finanzamts bei gleichzeitiger Befriedigung der übrigen Gläubiger untermauert. Darauf, wann der Kläger die Bilanzen beim Steuerberater in Auftrag gegeben habe, komme es nicht an, weil er seinen steuerlichen Verpflichtungen nur gegenüber dem Finanzamt nachkommen könne.

    Zu den vom Kläger behaupteten Zahlungen weist das Finanzamt daraufhin, dass auf die Primärschulden Umsatzsteuer 2004 und 2005 der GmbH bisher keinerlei Zahlungen erfolgt seien. Die vom Kläger bisher geleisteten Zahlungen habe dieser in seiner Eigenschaft als Haftungsschuldner auf den gegen ihn festgesetzten Haftungsanspruch entrichtet; dies führe jedoch nicht zu einer Minderung des Primäranspruchs, für den gegen den Kläger ein Haftungsanspruch bestehe.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Finanzamts sowie die im Verfahren eingereichten Schriftsätze und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

    II.

    Die Klage ist überwiegend begründet.

    1. Das Finanzamt hat den Kläger dem Grunde nach zu Recht für von der GmbH geschuldete Umsatzsteuern und steuerliche Nebenleistungen nach § 191 Abs. 1 i.V.m. § 69 AO in Haftung genommen. Die Haftung ist allerdings der Höhe nach beschränkt.

    a) Gemäß § 69 AO haften die in den Vorschriften §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Grob fahrlässig im Sinne des § 69 AO handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich hohen Maße außer Acht lässt (Bundesfinanzhof-BFH-Urteil vom 28. Juni 2005 I R 2/04, BFH/NV 2005, 2149 m.w.N.). Die Vertreterhaftung erstreckt sich gemäß § 69 Satz 2 AO auch auf die Säumniszuschläge (§ 240 AO), die infolge der Pflichtverletzung entstanden sind (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 2003 I R 30/02, BFH/NV 2003, 1301, m.w.N.).

    Die Vertreter juristischer Personen haben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AO deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Gesetzlicher Vertreter einer GmbH ist ihr Geschäftsführer (§ 35 GmbHG). Er hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern fristgerecht erklärt (§149 AO i. V. m. § 18 UStG) und aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO). Der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft ist demnach auch dazu verpflichtet, bereits vor Fälligkeit von Steuerforderungen Vorsorge für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu treffen (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 2004 VII R 19/02, BStBl II 2004, 967, m.w.N.). Reichen bei Zahlungsschwierigkeiten die verfügbaren Mittel nicht zur Tilgung aller fälligen Schulden aus, haftet der Geschäftsführer für eine angemessene - zumindest der Befriedigung der anderen Gläubiger entsprechende - Tilgung der Umsatzsteuerforderungen (BFH-Urteil vom 26. April 1984 V R 128/79, BStBl II 1984, 776).

    b) Danach liegen die Voraussetzungen für eine Haftung des Klägers nach § 69 AO hinsichtlich der Umsatzsteuer 2004 und 2005 grundsätzlich vor.

    Zwar stellt die Nichterklärung steuerpflichtiger Umsätze in den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis Dezember 2004 keine Pflichtverletzung dar, da die GmbH Bauträger gewesen ist und deshalb die Steuerschuld nicht gemäß § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG auf sie übergegangen ist (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10, BStBl. II 2014, 128).

    Der Kläger hat jedoch seine steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer der GmbH verletzt, indem er für Januar bis November 2005 keine Umsatzsteuervoranmeldungen, die Voranmeldung für Dezember 2005 und die Jahreserklärungen 2004 und 2005 verspätet beim Finanzamt abgegeben sowie die danach festgesetzte Umsatzsteuer nicht entrichtet hat.

    Der Kläger hat die ihm obliegenden Pflichten zumindest in grob fahrlässiger Weise verletzt.

    Obwohl er als Geschäftsführer der GmbH Kenntnis davon hatte, dass für 2004 und 2005 Umsatzsteuer zu entrichten war, hat er die Umsatzsteuererklärungen nicht fristgerecht eingereicht und nur die Forderungen der sonstigen Gläubiger, aber nicht die des Finanzamts, beglichen. Dies ergibt sich auch aus dem rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 8. Oktober 2010, wonach der Kläger als Geschäftsführer der GmbH die Umsatzsteuererklärungen für 2004 und 2005 bewusst verspätet eingereicht hat. Der Kläger hat hiergegen keine substantiierten Einwendungen erhoben.

    Es kann dahin stehen, ob bereits die Verletzung der Steuererklärungspflichten kausal für den Steuerschaden des Finanzamts gewesen ist. Die unterlassene Tilgung der Steuerschuld der GmbH bei Fälligkeit durch den Kläger ist jedenfalls kausal für den eingetretenen Steuerausfall gewesen (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100).

    c) Das Finanzamt hat den Kläger jedoch der Höhe nach zum Teil zu Unrecht für die noch offenen Umsatzsteuerschulden der GmbH in Haftung genommen.

    aa) Der Umfang der Haftung nach § 69 AO ist nach dem Grundsatz der anteiligen Tilgung auf den Betrag beschränkt, der infolge der Pflichtverletzung nicht entrichtet wurde. Wenn zur Begleichung der Steuerschulden insgesamt keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stehen, bewirkt die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis die Haftung nur in dem Umfang, in dem der Verpflichtete das Finanzamt gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat (BFH-Beschluss vom 31. März 2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322). Der Fiskus darf gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt werden. Ein Geschäftsführer, der dies gleichwohl tut, handelt in der Regel - d.h. soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Annahme einer leichteren Form des Verschuldens rechtfertigen - zumindest grob fahrlässig (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579).

    Rückständige Umsatzsteuer ist danach vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern. Ist dies nicht geschehen, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages (= Haftungssumme) eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat (BFH-Beschluss vom 16. Februar 2006 VII B 122/05, BFH/NV 2006, 1051).

    Hierzu hat das Finanzamt unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen die Haftungsquote zu ermitteln oder - soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann - im Schätzungswege die Quote festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt (§ 162 AO). Zur Feststellung der Haftungssumme kann das Finanzamt vom Geschäftsführer einer GmbH, den es als Haftungsschuldner wegen der nicht entrichteten Umsatzsteuer in Anspruch nehmen will, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum verlangen (§ 90 Abs. 1 AO, vgl. BFH-Urteile vom 31. März 2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322 und vom 27. Februar 2007 VII R 60/05, BFH/NV 2007, 1731).

    Die Feststellungslast für eine Benachteiligung des Fiskus trägt zwar grundsätzlich das Finanzamt. Es kann aber von dem durch Haftungsbescheid in Anspruch genommenen Geschäftsführer verlangen, dass er die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte erteilt und insbesondere Feststellungen zur Höhe der Gesamtverbindlichkeiten der Gesellschaft im Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuerschulden sowie zur Höhe der an sämtliche Gläubiger geleisteten Zahlungen ermöglicht (BFH-Urteil vom 23. August 1994 VII R 134/92, BFH/NV 1995, 570).

    bb) Vorliegend hat das Finanzamt den Kläger mit Haftungsankündigung vom 14. August 2008 Gelegenheit gegeben, zur beabsichtigten Inanspruchnahme als Haftungsschuldner Stellung zu nehmen.

    Da der Kläger hierzu keine Stellungnahme abgegeben hat, ist das Finanzamt, insbesondere im Hinblick auf die Einlassung des Klägers, alle anderen Rechnungen bezahlt zu haben, grundsätzlich berechtigt gewesen, den Kläger im Schätzungswege in voller Höhe für die offenen Umsatzsteuerschulden der GmbH in Anspruch zu nehmen. Bei der Ausübung seiner Schätzungsbefugnis ist die Verletzung der dem Haftungsschuldner obliegenden Pflicht zur Mitwirkung an der Sachaufklärung zu berücksichtigen. Dem Finanzamt, das keinerlei Angaben über die Gesamtverbindlichkeiten und die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, kann ein Schätzungsfehler grundsätzlich nicht vorgeworfen werden (BFH-Urteil vom 26. Oktober 2011 VII R 22/10, BFH/NV 2012, 777).

    Da das Finanzamt in der Haftungsankündigung davon ausgegangen ist, dass die GmbH in der Lage gewesen wäre, ihre Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, wenn die Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuerjahreserklärungen rechtzeitig abgegeben worden wären, nach der neuen Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10, BStBl. II 2014, 128) die Steuerschuld aber nicht gemäß § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG auf die GmbH übergegangen ist, konnte das Finanzamt hierbei nicht auf die Fälligkeit der Umsatzsteuer bei rechtzeitiger Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuerjahreserklärungen abstellen. Maßgeblich für die Feststellung der Haftungsquote ist im Streitfall der Zeitpunkt der Fälligkeit der (rechtswidrig) festgesetzten Umsatzsteuer 2004 und 2005, also der 18. September 2006 (vgl. Abrechnungsbescheid für 2004 vom 30. August 2006) und der 15. Juli 2007 (Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2005 i.H.v. 7.864,38 €) bzw. der Januar 2008 (vgl. Abrechnungsbescheid für 2005 vom 17. Januar 2008).

    Ausweislich des Insolvenzgutachtens vom 24. September 2008 hatte die GmbH bereits im Jahr 2006 erhebliche Zahlungsschwierigkeiten. Danach hatte der Kläger am 20. Dezember 2006 für die GmbH die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Außerdem ist der Kläger lt. dem Insolvenzgutachten mit Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 5. Oktober 2007 wegen Insolvenzverschleppung verurteilt worden. Ausweislich des Strafbefehls soll ab dem 20. Dezember 2006 Zahlungsunfähigkeit bestanden haben. Dies wird bestätigt durch die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung, wonach die GmbH etwa ab Ende 2006 zahlungsunfähig gewesen sei.

    In Ausübung der eigenen Schätzungsbefugnis geht das Gericht deshalb unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger die ihm im Rahmen der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme obliegenden Mitwirkungspflicht zur Sachverhaltsaufklärung verletzt hat, davon aus, dass der Kläger die bis November 2006 fälligen Umsatzsteuerschulden der GmbH noch hätte begleichen können, während dies ab Dezember 2006 nicht mehr möglich gewesen ist und der Kläger als Geschäftsführer der GmbH das Finanzamt somit ab diesem Zeitpunkt auch nicht mehr gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat, da die GmbH ab diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig gewesen ist.

    Demzufolge haftet der Kläger nur für die noch offene Umsatzsteuer 2004 in Höhe von 5.496,28 € und in Höhe der Hälfte der hierzu zum 18. September 2006 verwirkten Säumniszuschläge in Höhe von 737,- €. Die Haftungsschuld reduziert sich deshalb auf 6.233,28 €.

    d) Darauf, ob die Steuerfestsetzung für 2004 gegenüber der GmbH rechtmäßig war, kommt es nicht an, da diese bestandskräftig geworden ist, nachdem der Kläger hiergegen keinen Einspruch eingelegt hat und er nach § 166 AO in diesem Verfahren keine Einwendungen mehr hiergegen vorbringen kann.

    2. Die lediglich nach Maßgabe des § 102 Finanzgerichtsordnung (FGO) überprüfbare Ermessensentscheidung des Finanzamts im Haftungsbescheid und in der Einspruchsentscheidung über die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner nach § 191 Abs. 1 AO begegnet keinen Bedenken.

    3. Eine Inanspruchnahme des Klägers nach § 191 Abs. 1 i.V.m. § 71 AO kommt nicht in Betracht, weil er keine vollendete Steuerhinterziehung begangen hat.

    Der Kläger ist zwar mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 8. Oktober 2008 wegen der Hinterziehung von Umsatzsteuer 2004 und Umsatzsteuer 2005 verurteilt worden. Das Gericht ist aber nicht an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des Strafgerichts gebunden.

    Da der BFH mittlerweile mit Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10 (BStBl. II 2014, 128) entschieden hat, dass ein Bauträger, wie vorliegend die GmbH, keine bauwerksbezogenen Werklieferungen erbringt und somit die Steuerschuld für an den Bauträger erbrachte sog. "Bauleistungen" im Sinn von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG 2005 nicht auf diesen übergeht, sind im Streitfall keine Steuern im Sinn von § 370 Abs. 4 Satz 1 AO verkürzt worden.

    Da die in den gegenüber der GmbH ergangenen Umsatzsteuerbescheiden für 2004 und 2005 bestandskräftig festgesetzte Umsatzsteuer von der GmbH somit nicht nach § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG 2005 gesetzlich geschuldet wird, liegt keine Steuerverkürzung vor (vgl. Schwarz, AO, § 370 Rz. 86).

    Der nach § 370 Abs. 2 AO strafbare Versuch einer Steuerhinterziehung begründet keine Haftung nach § 71 AO, weil dadurch kein Haftungsschaden eintritt.

    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

    5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

    RechtsgebieteAO, UStGVorschriften§ 69 AO; § 13b Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AO; § 13b Abs. 2 S. 2 UStG