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  • 26.11.2013 · IWW-Abrufnummer 142968

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 18.09.2013 – 7 K 1379/11

    Legt das FA im Rahmen einer wegen Nichtabgabe der Steuererklärung notwendigen Schätzung der Besteuerungsgrundlagen der Steuerfestsetzung
    (ledlich) einen gewerblichen Gewinn von 20.000 EUR zugrunde, obwohl die Kläger in einer dem FA übersandten Anlage GSE und
    dem Jahresabschluss einen Gewinn von 66.041 EUR erklärt hatten, liegt darin eine offenbare Unrichtigkeit, wenn anzunehmen
    ist, dass der Bearbeiter die übersandten Unterlagen übersehen hat.


    Im Namen des Volkes
    URTEIL
    In dem Rechtsstreit
    hat der 7. Senat in der Besetzung: Vizepräsident des Finanzgerichts … Richter am Finanzgericht … Richterin … ehrenamtlicher
    Richter … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 18.09.2013 für Recht erkannt:
    Tatbestand
    Streitig ist die Befugnis des Beklagten zur Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2005 nach § 129 AO.
    Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten. Sie erzielen beide u.a. gewerbliche Einkünfte, der Kläger
    aus der gewerblichen Verpachtung einer Gaststätte sowie aus einer Versicherungsvertretung, die Klägerin aus einem Einzelhandel
    mit Damenoberbekleidung.
    Einkommensteuerlich werden die Kläger bereits seit 1998 bei dem Beklagten unter der Steuernummer …/…/1 geführt. Daneben bestehen
    für die Kläger mit Blick auf den zweiten Gewerbebetrieb des Ehemannes sowie den Gewerbebetrieb der Ehefrau jeweils separat
    zwei weitere Steuernummern – …/…/2 für das Versicherungsgewerbe des Ehemannes und …/…/3 für die Ehefrau. Auf der Vorderseite
    der Einkommensteuerakte der Kläger ist handschriftlich folgender Vermerk angebracht:

    „”FI”EM …/…/2
    EF …/…/3”.
    Unter der Nummer …/…/3 wird die Klägerin – ebenfalls seit 1998 – für Zwecke der Festsetzungen des Gewerbesteuermessbetrages
    und der Umsatzsteuer aus ihrem Textileinzelhandel geführt, es werden die Steuererklärungen und Gewinnermittlungen hierzu in
    der entsprechenden Akte abgelegt sowie die Steuerbescheide unter dieser Steuernummer erlassen und abgelegt.
    In den von ihrem steuerlichen Berater erstellten und zu …/…/1 eingereichten Einkommensteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume
    2001-2004 hatten die Kläger den Gewinn aus dem Textileinzelhandel jeweils auf der Vorderseite des Erklärungsformulars „Anlage
    GSE” zu der Kennziffer 59 mit der Beschreibung „lt. gesonderter Feststellung (Betriebsstättenfinanzamt und Steuernummer)”
    eingetragen. Dazu war von dem Steuerberater der Kläger stets vermerkt worden „A … 3”.
    Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Gewerbesteuerakte des Beklagten zu der Steuernummer …/t…/3 war dort am 10.1.2007 eine
    von dem steuerlichen Berater erstellte und von der Klägerin unterschriebene „Erklärung zur gesonderten – und einheitlichen
    – Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung” eingegangen, der ein Vordruck „Anlage GSE”, eine Gewerbesteuererklärung
    sowie der Jahresabschluss für den Textileinzelhandel, jeweils für das Jahr 2005, beigefügt waren. In den dafür vorgesehenen
    Feldern der Erklärungsvordrucke sowie auf dem Deckblatt des Jahresabschlusses war jeweils die Steuernummer mit „… 3” bzw.
    „…/…/3” eingetragen worden.
    Auf der ersten Seite des Erklärungsvordruckes waren von dem Steuerberater der Kläger die Felder „Wohnsitzfinanzamt” und „Steuernummer ”
    mit „A” und „…/…/1” ausgefüllt worden; die Seite ist handschriftlich durchgestrichen und mit dem Vermerk „keine Feststellung”
    versehen. Auf der dahinter abgehefteten „Anlage GSE” ist der von dem Steuerberater für den Textileinzelhandel mit 65.808 EUR
    in die Kennziffer 10 des Vordrucks eingetragene Gewinn handschriftlich durchgestrichen; links daneben befindet sich eine Notiz
    „§ 4 Abs. 4a EStG vgl. Bilanzakte”, rechts daneben der ebenfalls handgeschriebene Vermerk „10/66.041”.
    Der vorliegende Jahresabschluss weist auf Seite 8 einen Gewinn für den Einzelhandel der Klägerin i. H. v. 60.442,70 EUR aus;
    darunter ist handschriftlich notiert „+ Hinzurechnung § 4 Abs. 4a EStG + 5.599,–” sowie „66.041,70”.
    In der Gewerbesteuerakte des Beklagten zu …/…/3 heften darüber hinaus der wiederum handschriftlich durchgestrichene und mit
    der Anmerkung „intern” versehene amtliche Bescheidvordruck „Gesonderte Feststellung des Gewinns 2005”, ausgefüllt u.a. mit
    der Datumsangabe „02.02.2007” und dem „Gewinn aus Gewerbebetrieb 66.041”, sowie ein Schreiben des zuständigen Sachbearbeiters
    des Beklagten an den steuerlichen Berater der Kläger mit auszugsweise folgendem Inhalt:
    „Termin/Frist: 09.03.2007
    …/…/3
    08.02.2007
    Gewerbesteuer 2005
    B, aus C
    Sehr geehrter Herr D,
    ich beabsichtige von einem Gewinn in Höhe von 66.041,– EUR auszugehen (vgl. beigefügte Anlage). Sollten Sie eine Stellungnahme
    für erforderlich halten, bitte diese bis zum o.g. Termin einzureichen.”
    Die dem Schreiben nachgeheftete Anlage besteht in einer Berechnung des Hinzurechnungsbetrages nach § 4 Abs. 4a EStG für den
    Zeitraum 2005 und lautet auf einen „Hinzurechnungsbetrag gem. § 4 Abs. 4a EStG” von 5.599 EUR.
    Dahinter ist die Gewerbesteuererklärung für 2005 abgelegt; der unter „Gewinn” erklärte Wert von 65.808 EUR ist wiederum handschriftlich
    durchgestrichen und mit dem handgeschriebenen Kommentar „§ 4 Abs. 4a EStG vgl. Bilanzakte” auf 66.041 EUR abgeändert. Der
    Verfügungsteil des Erklärungsvordruckes enthält die Datumsangabe „09.03.07” sowie das Namenskürzel des Sachbearbeiters, Herrn
    E.
    Der Bescheid des Beklagten über den Gewerbesteuermessbetrag 2005 lautet ausweislich der in der Akte befindlichen Durchschrift
    auf einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von ebenfalls 66.041 EUR.
    Die Gewerbesteuerakte enthält auf der Vorderseite die Notiz „…/…/1 EM+EF ESt”.
    Die Einkommensteuerfestsetzung der Kläger für 2005 hatte der Beklagte in Ermangelung einer Einkommensteuererklärung mit Bescheid
    vom 7.8.2007 im Schätzungswege durchgeführt. Die Festsetzung war unter der gemeinsamen Steuernummer der Kläger …/…/1 auf 3.636
    EUR erfolgt und hatte u.a. Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb der Klägerin i.H.v. 20.000 EUR zugrunde gelegt. Der Eingabebogen
    mit den informationstechnisch verarbeiteten Werten für die Schätzungsfestsetzung ist ausweislich der Einkommensteuerakte wiederum
    mit dem Namenskürzel des Bearbeiters der Beklagten sowie der Datumsangabe „16.07.2007” versehen.
    Gegen den Schätzungsbescheid hatten die Kläger durch ihren Steuerberater am 7.9.2007 Einspruch eingelegt, der jedoch wegen
    fehlender Begründung mit Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 18.10.2007 als unbegründet zurückgewiesen worden war.
    Im Juli 2009 führte der Beklagte bei beiden Klägern eine steuerliche Außenprüfung durch. Diese erstreckte sich auch auf die
    Einkommensteuer sowie die Umsatz- und Gewerbesteuer der Klägerin und den Besteuerungszeitraum 2005. Dabei traf die Betriebsprüfungsstelle
    des Beklagten u.a. die Feststellung, dass Jahresabschluss sowie Steuererklärungen für den Textilhandel der Klägerin unter
    der Steuernummer …/…/3 vorlagen, während diese Unterlagen für die Gewerbebetriebe des Klägers ebenso wie die gemeinsame Einkommensteuererklärung
    2005 der Kläger unter der Steuernummer …/…/1 fehlten. Für die Einzelheiten sowie die weiteren Prüfungsfeststellungen wird
    auf die beiden dem Gericht vorliegenden Betriebsprüfungsberichte vom 1.9.2009 zu Steuernummer …/…/1 und …/…/3 Bezug genommen.
    Entsprechend der dortigen Ankündigung erließ der Beklagte unter dem 21.10.2009 einen Änderungsbescheid über Einkommensteuer
    2005, in dem er nunmehr für die Klägerin den bereits der Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung zugrunde gelegten Gewinn aus
    dem Textileinzelhandel i.H.v. 66.041 EUR anstatt der geschätzten 20.000 EUR in Ansatz brachte. Diese Berichtigung stützte
    der Beklagte auf § 129 AO.
    Daneben führte er mit dem Bescheid eine Änderung der Festsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO aus anderen, unstreitigen Gründen
    durch. Die Einkommensteuer 2005 beträgt danach 20.596 EUR.
    Am 20.11.2009 legten die Kläger gegen diesen Bescheid wiederum Einspruch ein, den sie damit begründeten, dass kein Schreib-
    oder Rechenfehler und damit kein nach § 129 AO zu berichtigender Sachverhalt vorliege.
    Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 29.3.2011 als unbegründet zurück. Zu deren Begründung führte er an, dass
    § 129 AO auch das Übersehen feststehender Tatsachen erfasse, wenn es seinen Grund in einer Unachtsamkeit habe und offen zu
    Tage liege. Indem der Bearbeiter des zuständigen Veranlagungsbezirkes die gewerblichen Einkünfte der Ehefrau mit einem geschätzten
    Betrag von 20.000 EUR in die Veranlagung einbezogen hat, habe er die feststehende Tatsache übersehen, dass die Klägerin unter
    der Steuernummer …/…/3 zum Zeitpunkt der Schätzung bereits Steuererklärungen und eine Bilanz mit einem Gewinn von 66.041 EUR
    eingereicht hatte, obwohl für die Betriebe des Ehemannes weder unter …/…/1 noch unter …/…/2 Gewinnermittlungen bzw. Steuererklärungen
    vorgelegt worden waren. Sowohl die Steuernummer der Eheleute (…/…/1) als auch die Steuernummer für den Gewerbebetrieb der
    Klägerin (…/…/3) seien in dem selben Veranlagungsbezirk „x” desselben Sachbearbeiters geführt worden. Durch den Querverweis
    auf der Vorderseite der Einkommensteuerakte der Eheleute sei ersichtlich gewesen, dass es zu dem Steuerfall weitere Akten
    gibt.
    Der vorliegende Fall sei außerdem dem Übersehen eines Grundlagenbescheides vergleichbar, was der BFH mit Urteil vom 16.7.2003
    X R 37/99, BFH/NV 2003, 1612, als mechanischen Fehler i. S. d. § 129 AO beurteilt habe. Zudem liege eine die Anwendung von
    § 129 AO ausschließende Verletzung der Amtsermittlungspflicht nicht vor, da wie in dem der BFH-Entscheidung vom 27.5.2009
    X R 47/08, BStBl 2009 II, 946, zugrunde liegenden Sachverhalt versehentlich unterlassen wurde, unterjährig eingegangene, den
    laufenden Veranlagungszeitraum betreffende Unterlagen auszuwerten; von unzureichender Sachverhaltsaufklärung könne allenfalls
    bei unterbliebener Hinzuziehung von Vorjahresunterlagen die Rede sein.
    Anhaltspunkte für einen – nicht nur theoretisch – möglichen Rechtsirrtum seitens des Sachbearbeiters des Finanzamtes seien
    jedenfalls nicht erkennbar.
    Mit der am 29.4.2011 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgen die Kläger ihre Einwendungen gegen die berichtigte Einkommensteuerfestsetzung
    weiter.
    Da ganz offenbar ein Schreib- oder Rechenfehler vorliegend nicht gegeben sei, könne eine Berichtigung des Steuerbescheides
    nur erfolgen im Falle einer ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit, vergleichbar einem Eingabe- oder Übertragungsfehler. Offenbare
    Unrichtigkeiten seien mechanische Fehler, die ebenso mechanisch, d.h. ohne weitere Prüfung, erkannt und berichtigt werden
    könnten; der BFH habe unter Hinweis auf das Fehlen dieses Kriteriums in seiner Entscheidung V R 27/85 vom 29.3.1990, BFH/NV
    1993, 711, für Schätzungsbescheide die Berichtigung nach § 129 AO abgelehnt. Die Ermittlung von Schätzungsgrundlagen und die
    Ausfertigung eines Schätzungsbescheides seien Akte der Rechtsanwendung, so dass die Berichtigung eines Schätzungsbescheides
    nach § 129 AO grundsätzlich nicht in Betracht komme; hierzu verweisen die Kläger auf das Urteil des FG Hamburg vom 30.10.2000
    V 183/99. Aus dem Urteil des BFH vom 3.3.2011 IV R 8/08, BFH/NV 2011, 1649, ergebe sich nichts anderes.
    Die Kläger sind der Auffassung, es handele sich bei der Nichtberücksichtigung der in den Akten vorliegenden Bilanz nicht mehr
    um ein einfaches Übersehen einer Tatsache, das wie eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit berichtigt werden könne. Die vorgenommene
    Schätzung sei nicht durch simples Hinzufügen der Tatsache der vorliegenden Bilanz einfach und ohne Schwierigkeiten zu berichtigen,
    weil dies die Schätzung völlig verändern und zu einem nicht mehr auf einer Schätzung beruhenden Ergebnis führen würde. Für
    eine neue Schätzung hätte der Bearbeiter eine erneute Berücksichtigung des gesamten Sachverhaltes einschließlich der Zahlen
    aus der Bilanz vornehmen müssen.
    Demgegenüber würden in den Bereich der Willensbildung fallende Fehler bei der Auslegung oder Nichtanwendung einer korrekten
    Rechtsnorm, die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder Fehler, die auf mangelnder
    Sachaufklärung bzw. Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen, die Anwendung des § 129 S. 1 AO ausschließen. Sobald die
    ernsthafte, mehr als nur theoretische Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache auf einem
    Rechts- oder Denkfehler, fehlerhafter Tatsachenwürdigung oder unvollständiger Sachaufklärung beruht, liege kein bloß mechanisches
    Versehen und damit keine offenbare Unrichtigkeit mehr vor.
    Bei einer Schätzung handele es sich um das Ergebnis eines wertenden Denkprozesses. Daher gehe es vorliegend auch anders als
    in dem Urteil des BFH vom 27.5.2009 X R 47/08, a.a.O., vorliegend auch nicht um die Berichtigung eines Steuerbescheides, bei
    dessen Erstellung eine in den Akten befindliche Information versehentlich nicht berücksichtigt wurde, sondern um die Berichtigung
    eines auf einer wertenden Beurteilung und Willensbildung beruhenden Schätzungsbescheides.
    Für die Beurteilung des Fehlers komme es entscheidend auf die Umstände der Entscheidungsfindung und demzufolge auf den Akteninhalt
    an. Eine erforderliche, jedoch von dem Sachbearbeiter unter Verletzung der Amtsermittlungspflicht unterlassene Sachverhaltsermittlung,
    die dazu führe, dass eine feststehende Tatsache unberücksichtigt bleibe, sei kein mechanisches Versehen.
    Der Finanzbeamte hätte zwingend die unter dem Namen der Klägerin geführte Akte einsehen müssen. Indem er dies unterlassen
    hat, habe er der Fehlvorstellung unterlegen, es seien keine vollständigen Unterlagen von der Klägerin eingereicht worden.
    Ein derartiger Irrtum über das Vorliegen von Tatsachen entziehe sich einer Berichtigung nach § 129 AO, wenn der Beamte sich
    im Schätzungsverfahren befindet. Anderenfalls könne die Finanzverwaltung ohne intensive Prüfung der vorhandenen Besteuerungsgrundlagen
    schätzen, weil sie im Falle des Übersehens wichtiger, die Besteuerungsgrundlagen erhöhender Tatsachen stets später eine Berichtigung
    des Bescheides herbeiführen könnte.
    Vorliegend sei eine Unrichtigkeit, die wie ein mechanischer Fehler ohne weiteres durch Übertragung aus den vorliegenden Akten
    in den Steuerbescheid berichtigt werden könne, gerade nicht gegeben. Für eine Übernahme des bisher nicht berücksichtigten
    Akteninhalts hätte es vielmehr wertender Beurteilungen und eigenständiger Entscheidungen des Bearbeiters des Beklagten bedurft.
    Das Verhalten des Bearbeiters müsse als unterlassene Sachverhaltsermittlung, als unzutreffende Tatsachenwürdigung in Gestalt
    der Annahme der Schätzungsvoraussetzungen oder aber auch als unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden
    Sachverhalts – Nichtvorliegen vollständiger Unterlagen für den Erlass eines Steuerbescheides ohne Schätzung – verstanden werden.
    Die Kläger beantragen,
    den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 21.10.2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 29.3.2010 dahingehend zu ändern,
    dass die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb der Klägerin lediglich mit 20.000 EUR erfasst werden,
    hilfsweise die Revision zuzulassen.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen,
    hilfsweise die Revision zuzulassen.
    Er hält an seinen Ausführungen in der Einspruchsentscheidung fest.
    Ergänzend macht er Ausführungen zu der organisatorischen Behandlung eines Steuerfalls wie dem der Kläger innerhalb der Finanzverwaltung:
    Unterhalten Ehegatten mehr als einen Betrieb, sei für den zweiten und jeden weiteren Betrieb jeweils eine gesonderte Steuernummer
    nur für die Betriebssteuern zu vergeben. Organisatorisch seien deshalb neben der für die Einkommensteuer vergebenen Steuernummer
    weitere Steuernummern einheitlich in dem Bezirk aufzunehmen, in dem auch die Hauptakte, also die Einkommensteuerakte geführt
    wird. Auf der Hauptakte und den so genannten „FI”-Akten seien entsprechende Verweise auf die jeweils anderen Steuernummern
    anzubringen. Der Kennbuchstabe „FI” stehe dabei für „Feststellung intern”.
    Zwar seien für den Betrieb der Klägerin im Jahr 2007 neben der Bilanz und der Umsatz- und Gewerbesteuererklärung 2005 auch
    eine Erklärung zur gesonderten Feststellung abgegeben worden, es sei jedoch zutreffend kein Feststellungsbescheid erlassen
    worden, da sowohl der Wohnsitz der Kläger als auch die Betriebe in dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten lägen und damit
    die Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO nicht gegeben seien.
    Bei der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensteuerfestsetzung habe das Finanzamt daher hinsichtlich der
    Einkünfte aus dem Betrieb der Klägerin keine wertende Beurteilung und keine rechtlichen Erwägungen mehr vorzunehmen, sondern
    den Gewinn zwingend wie bei der Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung mit dem ermittelten Betrag von 66.041 EUR einzusetzen
    gehabt. Da eine Willensbildung über den anzusetzenden Gewinn dem Grunde und der Höhe nach hätte unterbleiben müssen, könne
    ein Nichtansatz des erklärten Gewinnes nur in einem Übersehen liegen. Für die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb der Ehefrau
    habe das Finanzamt schon keine Schätzungsbefugnis gehabt, da die Einkünfte vor Erlass des Schätzungsbescheides vom 7.8.2007
    bereits erklärt und auch einverständlich ermittelt waren. Es gehe vorliegend nicht darum, eine Schätzung durch eine andere
    Schätzung zu ersetzen.
    Der Hinweis auf eine unterlassene Sachverhaltsermittlung gehe fehl, da der Sachverhalt mit dem einvernehmlich auf 66.041 EUR
    ermittelten Gewinn vollständig geklärt gewesen sei. Das Verhalten des Bearbeiters sei nicht als unzutreffende Annahme eines
    in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhaltes zu verstehen, sondern eine mechanische Nichtberücksichtigung einer feststehenden
    Tatsache, vergleichbar mit dem Übersehen einer Kontrollmitteilung. Es sei jedenfalls auszuschließen, dass der Fehler auf etwas
    anderes als ein mechanisches Versehen zurückgehe, ohne dass entscheidend sei, auf welchem konkreten Vorgang der Fehler beruht.
    Entscheidungsgründe
    Die Klage ist unbegründet.
    Der angefochtene Änderungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
    Der Beklagte durfte den geänderten Ansatz des Gewinns aus dem Gewerbebetrieb der Klägerin nach § 129 S. 1 AO vornehmen.
    Bei dem Ansatz des schätzungsweisen Gewinnes von 20.000 EUR statt des ermittelten Gewinnes von 66.041 EUR im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung
    handelt es sich um eine offenbare Unrichtigkeit, die dem Beklagten bei dem Erlass des Einkommensteuerbescheides unterlaufen
    ist und deshalb nach § 129 AO berichtigt werden durfte.
    I.
    Nach § 129 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die bei dem Erlass
    eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit innerhalb laufender Festsetzungsfrist berichtigen.
    Wie sich aus der gesetzlichen Formulierung „beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen” ergibt, setzt diese Berichtigung
    zum einen grundsätzlich voraus, dass der Fehler in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden
    ist.
    Zum anderen muss ein Schreib- oder Rechenfehler oder eine „ähnliche offenbare Unrichtigkeit” vorliegen.
    Das Tatbestandsmerkmal der „ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit” wird durch folgende Merkmale gekennzeichnet (vgl. statt vieler:
    BFH v. 27.5.2009 X R 47/08, BStBl II 2009, 946):
    Es ist erforderlich, dass die Unrichtigkeit einem Schreib- oder Rechenfehler ähnlich ist, d.h. dass es sich um einen gleichermaßen
    rein mechanischen Fehler handelt, der ebenso mechanisch, also ohne weitere Prüfung, erkannt und berichtigt werden kann.
    Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten augenfällig,
    also klar und deutlich ohne weitere Prüfung erkennbar ist.
    Sobald jedoch die mehr als theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums gegeben ist, liegt keine offenbare Unrichtigkeit vor.
    Auch eine aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderliche, von dem Sachbearbeiter der Finanzbehörde – ggf. unter
    Verletzung seiner Amtsermittlungspflicht – jedoch unterlassene Sachverhaltsermittlung ist kein mechanisches Versehen in diesem
    Sinne.
    Allerdings können die einem Schreib- oder Rechenfehler ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten nicht nur die in dem Verwaltungsakt
    bekundete Willensäußerung des Finanzamtes, sondern auch die dem Erlass des Verwaltungsakts vorausgehende Willensbildung betreffen;
    Voraussetzung ist nur, dass sie sich unmittelbar, also ohne weitere Sachverhaltsermittlung und die hieran anknüpfenden Zwischenschritte
    aus den Akten ergeben (vgl. BFH v. 3.3.2011 IV R 8/08, BFH/NV 2011, 1649).
    Zu den offenbaren Unrichtigkeiten gehört auch die Nichtberücksichtigung feststehender Tatsachen, wie das Übersehen eines Grundlagenbescheides,
    einer Kontrollmitteilung oder eines Außenprüfungsberichtes, das Übersehen von Angaben des Steuerpflichtigen bei der Veranlagung
    oder das Übersehen erklärter Einkünfte. Die Nichtberücksichtigung von feststehenden Tatsachen muss jedoch aus Unachtsamkeit
    passiert sein und darf nicht auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung oder einer erforderlichen jedoch unterlassenen Sachverhaltsermittlung
    beruhen. (Vgl. Wernsmann in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 129 AO Rz. 55 m. w. N. aus der Rechtsprechung.)
    In diesem Zusammenhang ist eine offenbare Unrichtigkeit abzulehnen, soweit der Sachbearbeiter des Finanzamtes auf Akten des
    Vorjahres hätte zurückgreifen müssen und ihm ein Fehler unterlaufen ist, weil er dies unterlassen hat; demgegenüber liegt
    keine derartige Verletzung der Amtsermittlungspflicht vor, wenn zu dem jeweiligen zu veranlagenden Jahr bereits vorliegende
    Unterlagen versehentlich nicht i.R.d. Festsetzung (mit-)ausgewertet werden (vgl. nur BFH v. 27.5.2009 X R 47/08, a.a.O.; FG
    München v. 30.3.2010 9 K 168/08, EFG 2010, 1370).
    Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt,
    ist jeweils nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen. So kann ein Rechtsanwendungsfehler dann nicht angenommen
    werden, wenn ein Denkfehler zwar hypothetisch möglich ist, in dem konkreten Fall jedoch außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit
    liegt (vgl. FG Düsseldorf v. 7.7.1977 V/XI 26/76 K, EFG 1978, 98).
    II.
    Vor dem Hintergrund dieser zu § 129 AO herausgearbeiteten Kriterien ist dem Beklagten im Streitfall bei dem Erlass des Einkommensteuerschätzungsbescheides
    vom 7.8.2007 eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, indem er statt des bereits ermittelten Gewinns aus dem Gewerbebetrieb
    der Klägerin von 66.041 EUR einen geschätzten Gewinn von 20.000 EUR angesetzt hat.
    1.
    Da im Streitfall ein Schreib- oder Rechenfehles offensichtlich nicht vorliegt, kommt nur das Vorliegen einer diesen Fehlern
    ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit in Betracht. Es handelt sich bei dem hier erfolgten Ansatz des geschätzten statt des erklärten
    bzw. ermittelten Gewinnes nach Überzeugung des Gerichtes um einen mechanischen Fehler, der auch mechanisch zu erkennen war
    und gleichermaßen automatisch behoben werden konnte.
    Denn der Sachbearbeiter des Beklagten hat bei Erlass des Schätzungsbescheides übersehen, dass mit dem gewerblichen Gewinn
    der Klägerin eine Besteuerungsgrundlage erklärt und daraufhin einvernehmlich und abschließend ermittelt worden war. Indem
    er keine Notiz von den bereits zu dem Veranlagungszeitraum 2005 vorhandenen Unterlagen über den Gewinn aus dem Textileinzelhandel
    genommen und diese infolgedessen auch nicht ausgewertet hat, hat er eine für die Einkommensbesteuerung relevante Tatsache
    übersehen. Dabei kann es keinen Unterschied machen, dass diese nicht unmittelbar den Einkommensteuerakten oder einer Steuererklärung
    zu entnehmen war wie in den Fällen, die den Entscheidungen des BFH v. 27.5.2009 X R 47/08, a.a.O., und des FG München v. 30.3.2010
    9 K 168/08, a. a. O. zugrunde lagen. Auch hier ist eine Ermittlungspflichtverletzung des Sachbearbeiters etwa dadurch, dass
    eine angezeigte Rückfrage bei den Klägern unterblieben ist, auszuschließen. Denn die für einen zutreffenden Gewinnansatz erforderlichen
    Unterlagen waren bei dem Beklagten bereits vorhanden und hatten auch bereits mit feststehendem Ergebnis einen Ermittlungs-
    und Entscheidungsprozess durchlaufen, nur dass diese eben in anderen Akten desselben Veranlagungszeitraumes abgelegt waren
    und der entsprechende Querverweis auf der Vorderseite der Einkommensteuerakte nicht beachtet worden war.
    Es wurde hier nicht, wie die Kläger meinen, eine gebotene Sachverhaltsermittlung unterlassen, vielmehr wurde das Ergebnis
    einer schon erfolgten Sachverhaltsfeststellung samt rechtlicher Würdigung übersehen. Deshalb ist der vorliegende Fall auch
    nicht vergleichbar mit einem Sachverhalt, in dem Vorjahresakten beizuziehen und in die Willensbildung bei dem Erlass eines
    Verwaltungsaktes einzustellen sind, weil Letztere hinsichtlich der hier in Rede stehenden Besteuerungsgrundlage bereits beendet
    war.
    Ein derartiges Vorgehen ist auch nur mit einem Versehen zu erklären. Nach Ansicht des Gerichts spricht hier nichts dafür,
    dass der Bearbeiter bei der Nichtberücksichtigung der Tatsache des ermittelten Gewinns der Klägerin sowie bei Annahme und
    Gebrauchmachen von einer – nicht bestehenden – Schätzungsbefugnis Überlegungen rechtlicher oder tatsächlicher Art angestellt
    hat, die ihn dazu veranlasst hätten, den bereits feststehenden Gewinn willentlich außer Ansatz zu lassen.
    Ein Denkfehler ist zwar theoretisch möglich, liegt hier jedoch außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, weil Sachaufklärung, Tatsachenwürdigung
    und rechtliche Bewertung der vorliegenden Gewinnermittlung und des weiteren Akteninhaltes bereits im Vorfeld der Festsetzung
    des Gewerbesteuermessbetrages erfolgt und a– nach dem Erörterungsschreiben des Beklagten zur Gewerbesteuer 2005 vom 8.2.2007
    auch deutlich erkennbar – abgeschlossen worden waren.
    Zwar ist den Klägern darin zuzustimmen, dass die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen das Ergebnis eines wertenden Denkprozesses
    ist.
    Zum einen geht es hier aber, soweit der gewerbliche Gewinn der Klägerin betroffen ist, entgegen der klägerischen Auffassung
    nicht um die Ersetzung einer Schätzung durch eine andere Schätzung.
    Zum anderen kann eine nach § 129 AO zu berichtigende offenbare Unrichtigkeit nicht nur die in dem Verwaltungsakt zum Ausdruck
    kommende Willensäußerung, sondern auch die der Willensäußerung vorausgehende Willensbildung betreffen. Zu der der Schätzungsfestsetzung
    vorgelagerten Willensbildung und zu der Ausübung eines tatsächlich nicht eröffneten Schätzungsermessens wäre es vorliegend
    gar nicht gekommen, wenn die unter der Steuernummer der Klägerin, c, ermittelte Besteuerungsgrundlage nicht übersehen worden
    wäre. Denn dann wäre diese richtigerweise in die Einkommensteuerfestsetzung vom 7.8.2007 übernommen worden, und die Annahme
    der Schätzungsbefugnis – ausgehend von der Annahme der Nichtermittelbarkeit der Besteuerungsgrundlage – wäre ebenso wie die
    i.R.d. Schätzungsfestsetzung von dem Sachbearbeiter des Beklagten angestellten tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen jedenfalls,
    soweit die gewerblichen Einkünfte der Klägerin betroffen sind, unterblieben.
    Darin besteht auch ein maßgeblicher Unterschied zu dem Sachverhalt, der dem Urteil des BFH vom 29.3.1990 V R 27/85, a.a.O.,
    zugrunde liegt, aus dem die Kläger wiederum den Grundsatz herleiten, für Schätzungsbescheide sei eine Berichtigung nach §
    129 AO abzulehnen. Dort sah die Finanzbehörde eine offenbare Unrichtigkeit darin, dass der zuständige Sachbearbeiter bei Erlass
    eines Umsatzsteuerschätzungsbescheides die von dem Steuerpflichtigen abgegeben Voranmeldungen übersehen, sich deshalb nicht
    an diesen als Schätzungsgrundlage orientiert und infolgedessen im Vergleich zu den vorangemeldeten Besteuerungsgrundlagen
    erheblich zu geringe Umsätze geschätzt hat. Hier lehnte der BFH eine Anwendbarkeit des § 129 AO ab mit der Begründung, dass
    im Falle einer Schätzungsfestsetzung bei fehlender Umsatzsteuerjahreserklärung zwar die Voranmeldungen herangezogen werden,
    jedoch nicht die Summen der Besteuerungsgrundlagen aus den Voranmeldungen unverändert in die Steuerfestsetzung eingehen, sondern
    allgemein durch Hinzuschätzungen ergänzt werden. Dementsprechend habe das Übersehen der Voranmeldungen nicht „mechanisch”
    dazu geführt, dass die Summen der Besteuerungsgrundlagen aus den Voranmeldungen nicht in die Umsatzsteuerfestsetzung aufgenommen
    wurden; die Unrichtigkeit der Schätzungsfestsetzung habe vielmehr darin bestanden, dass der Bearbeiter von anderen – fehlerhaften
    – Schätzungsgrundlagen ausgegangen sei.
    Im Gegensatz dazu geht es hier nicht um den Austausch von einer Schätzungsgrundlage gegen eine andere Schätzungsgrundlage,
    die sodann einem weiteren Entscheidungsprozess zu unterwerfen gewesen wäre und als Grundlage für die weitere Anwendung von
    Schätzungsermessen gedient hätte. Vielmehr wäre der gesamte Willensbildungsprozess der Schätzung entfallen, wenn der zuständige
    Bearbeiter die unter …/…/3 ermittelte Besteuerungsgrundlage nicht übersehen hätte. Ebenso wie sich die Übernahme eines – falschen
    – Wertes aus den Akten oder den Angaben des Steuerpflichtigen infolge Unachtsamkeit als unwillkürlicher Fehlgriff darstellt,
    muss das unbewusste Vernachlässigen eines ansonsten berücksichtigten Wertes als im Wortsinne „gedankenloser” Akt, der automatisch
    weitere Folgen wie die Ausübung einer Schätzungsbefugnis nach sich zieht, beurteilt werden. Ein Denkfehler bzw. das Ingangsetzen
    eines neuen Entscheidungsprozesses ist hier ausgeschlossen, da dieser ausweislich der Betriebssteuerakten der Ehefrau bereits
    durchlaufen wurde und für einen unvoreingenommenen Dritten auch keine Zweifel daran bestehen dürften, dass es sich bei dem
    gewerblichen Gewinn der Klägerin für Zwecke des Gewerbesteuermessbetrages und der Einkommensteuer um die identische Besteuerungsgrundlage
    handelt. Für eine rechtliche Überlegung in diesem Zusammenhang ist kein Raum, denn die Ermittlung des Gewerbeertrages geht
    nach § 7 GewStG von dem einkommensteuerlichen Gewinn aus; dieser ist nur einmal zu ermitteln und dann für Einkommen- und Gewerbesteuer
    zu berücksichtigen. Es ist kein vernünftiger Grund dafür erkennbar, einen der Gewerbesteuer unterworfenen und in den Unterlagen
    hierzu ausgewiesenen Gewinn nicht oder in gänzlich anderer Höhe der Einkommensteuerfestsetzung desselben Steuerpflichtigen
    zugrunde zu legen (gl. A. zu vergleichbarem Sachverhalt: FG Berlin v. 6.12.1988 VII 416/87, EFG 1989, 333).
    Wenn die Kläger schließlich argumentieren, eine Fehlvorstellung über das Vorliegen vollständiger Unterlagen entziehe sich
    im Schätzungsverfahren durchweg einer Berichtigung nach § 129 AO, weil die Finanzverwaltung sonst ohne intensive Prüfung vorhandenen
    Besteuerungsgrundlagen schätzen könnte, da bei Übersehen steuererhöhender Tatsachen stets später eine Berichtigung des Bescheides
    möglich sei, so ist dem zum einen Folgendes entgegenzuhalten: Einer quasi voraussetzungslosen Anwendung des § 129 AO in Schätzungsfällen
    sind bereits dann Grenzen gesetzt, wenn mit einer solchen Schätzung Ermittlungspflichtverletzungen verknüpft sind oder es
    um Fehler bei der – nicht mechanischen erfolgenden – Feststellung von Schätzungsgrundlagen und der Ausübung des Schätzungsermessens
    geht.
    Zum anderen würde umgekehrt der Steuerpflichtige einen Vorteil aus der Nichtabgabe vollständiger Unterlagen ziehen, wenn eine
    Berichtigung feststehender steuererhöhender Besteuerungsgrundlagen ausgeschlossen wäre, die deshalb übersehen wurden, weil
    sie von dem Steuerpflichtigen nicht pflichtgemäß auf der abzugebenden Steuererklärung ausgewiesen wurden. Aus dem in diesem
    Zusammenhang von den Klägern zitierten Urteil des FG Hamburg v. 30.10.2000 V 183/99, juris, ergibt sich mangels Vergleichbarkeit
    des Urteilsfalles mit dem hier vorgefundenen Sachverhalt nichts anderes. Denn dort bestand der vermeintliche Fehler darin,
    dass Besteuerungsgrundlagen einer GmbH geschätzt wurden, obwohl das Finanzamt zuvor telefonisch über eine Inaktivität der
    GmbH informiert worden war. Während hier in Gestalt des Gewinnes aus dem Textileinzelhandel eine Besteuerungsgrundlage feststand
    und keinen Raum mehr für Tatsachenwürdigung oder Rechtanwendung ließ, waren in dem Urteilsfall des FG Hamburg wiederum Entscheidungsprozesse
    tatsächlicher und rechtlicher Art der telefonischen Mitteilung der Inaktivität und dem Schätzungsergebnis zwischengeschaltet;
    eine Ersetzung des Schätzungsergebnisses durch den übersehenen Umstand war dort (beispielsweise im Hinblick auf nachträgliche
    Einnahmen oder Ausgaben i.R.e. ruhenden Betriebes) keineswegs zwingend und automatisch möglich.
    Der hier vorliegende Fehler ist nach Auffassung des Gerichtes dem in der Rechtsprechung als offenbare Unrichtigkeit anerkannten
    Übersehen einer in den Akten befindlichen Kontrollmitteilung oder eines Grundlagenbescheides vergleichbar. Die – mechanische
    – Qualität des Fehlers wird nicht dadurch eine andere, dass die feststehende Tatsache sich nicht unmittelbar aus dem zu veranlagenden
    Einkommensteuervorgang oder der Einkommensteuerakte, sondern nur unter Einbeziehung der zu dem identischen Steuerfall gehörenden
    Akten einer anderen Steuernummer ergibt; denn das Vorhandensein der anderen Akten und die Verknüpfung der Steuernummern waren
    durch wechselseitige Verweise sowohl des Finanzamtes auf seinen Akten als auch der Steuerpflichtigen in ihren Erklärungen
    kenntlich gemacht und so gewissermaßen mehrfache Entscheidungsprozesse ausgeschlossen. Die Unstimmigkeit war den zu dem Steuerfall
    der Kläger gehörenden Unterlagen mechanisch, durch Einsichtnahme in die Steuerakten zu …/…/1 und …/…/3 eindeutig zu entnehmen,
    ohne dass eine weitere Prüfung, Tatsachenwürdigung oder rechtliche Erwägungen anzustellen gewesen wären. Eine Berichtigung
    des Fehlers konnte ebenso mechanisch ohne weitere Sachverhaltsermittlung und die hieran anknüpfenden rechtlichen Zwischenschritte
    erfolgen durch Übernahme des in den Unterlagen zu …/…/3 an verschiedenen Stellen (Anlage GSE; Jahresabschluss; Bescheidvordruck
    „Gesonderte Feststellung des Gewinns 2005; Erörterungsschreiben; Gewerbesteuererklärung) notierten Gewinns von 66.041 EUR.
    Daraus ergibt sich gleichzeitig, dass die hier vorgefundene Unrichtigkeit auch offenbar i.S.d. § 129 AO, also für jeden unvoreingenommenen
    Dritten durch Abgleich des Gewinns laut der „FI”-Akte …/…/3 und laut dem Eingabebogen für die Einkommensteuerschätzung unter
    …/…/1 erkennbar war: Durch die konsequenten Querverweise auf die jeweils andere Steuernummer sowohl auf den Akten des Beklagten
    als auch in den Erklärungen und Unterlagen der Kläger wird die inhaltliche Verknüpfung zwischen den beiden organisatorisch
    getrennt geführten Steuerfällen hergestellt und auf die Identität der Besteuerungsgrundlage „Gewinn aus dem Gewerbebetrieb
    der Ehefrau” unmissverständlich hingewiesen.
    Selbst die Eintragungen der Kläger bzw. ihres steuerlichen Beraters auf den vorhandenen Einkommensteuererklärungen machen
    dies unmissverständlich kenntlich. Sie nehmen auf den unter der Nr. …/…/3 erklärten Gewinn Bezug wie auf eine in einem Grundlagenbescheid
    festgestellte Besteuerungsgrundlage. Umgekehrt finden sich auf den zu der Betriebssteuernummer der Klägerin eingereichten
    Unterlagen Verweise auf die Einkommensteuernummer der Kläger, und es wurde sogar eine für die Durchführung eines Feststellungsverfahrens
    bestimmte Erklärung abgegeben. Dadurch wird zwar die Einkommensteuerfestsetzung nicht zu einem Grundlagenbescheid bzw. es
    wird nicht eine dem Verhältnis Grundlagenbescheid-Folgebescheid entsprechende Bindungswirkung hergestellt; es wird aber für
    jeden unvoreingenommenen Dritten anhand der Akten deutlich, dass es sich insoweit – was den Gewinn aus dem Textileinzelhandel
    anbelangt – um dieselbe Besteuerungsgrundlage handelt, die für unterschiedliche Steuerarten und -nummern desselben Steuerpflichtigen
    von Bedeutung ist.
    Die offenbare Unrichtigkeit ist vorliegend auch in der Sphäre des Beklagten, also bei dem Erlass des Einkommensteuerschätzungsbescheides,
    entstanden und in der Einspruchsentscheidung fortgesetzt worden.
    Nach dem Wortlaut des § 129 AO steht die danach mögliche Berichtigung im Ermessen der Finanzbehörde.
    Die Berichtigung eines i.S. des § 129 AO offenbar unrichtigen Steuerbescheids ist im Hinblick auf das Ziel der materiellen
    Richtigkeit der Steuerfestsetzung regelmäßig ermessensgerecht. Entsprechende Ermessenserwägungen brauchten deshalb hier weder
    angestellt noch in dem Berichtigungsbescheid oder in der Einspruchsentscheidung dargestellt zu werden
    III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
    IV. Die Revision war nicht zuzulassen.

    VorschriftenAO § 162, AO § 129