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  • 20.10.2011 · IWW-Abrufnummer 142970

    Finanzgericht München: Beschluss vom 30.08.2011 – 10 V 735/11

    1. Nach § 162 Abs. 1 S. 2 AO sind bei einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Das gewonnene Schätzungsergebnis muss schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein und darf nicht den Denkgesetzen und den allgemeinen Erfahrungssätzen widersprechen.
    2. Verstößt das FA bei der Schätzung gegen grundlegende mathematische Regeln, ist die Schätzung rechtswidrig.
    3. Schätzt das FA den Gewinn nach Rohgewinnaufschlagsätzen aus Richtsatzsammlungen, ist diese Schätzung nur zulässig, wenn das FA nachweist, dass der Betrieb nicht mit deutlich niedrigeren Rohgewinnaufschlagsätzen kalkuliert.
    4. Wird bei der Ermittlung des durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatzes das arithmetische Mittel aus verschiedenen Rohgewinnaufschlagsätzen in Form von Prozentsätzen errechnet, wird gegen grundlegende statistische Regeln verstoßen. Das arithmetische Mittel darf nämlich nur für metrische Daten (d.h. Daten, die mindestens auf Intervallskalenniveau liegen) errechnet werden.


    BESCHLUSS
    In der Streitsache
    hat der 10. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung […] ohne mündliche Verhandlung am 30. August 2011 beschlossen:
    1. Die Einkommensteuerbescheide vom 6. März 2009 für 2001, für 2002 und für 2003 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2010 werden für die Dauer des Klageverfahrens für 2001 in Höhe von 21.400,64 EUR, für 2002 in Höhe von 16.888,00 EUR und für 2003 in Höhe von 3.883,00 EUR ausgesetzt.
    2. Die durch die Einkommensteuerbescheide vom 6. März 2009 für 2001, für 2002 und für 2003 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2010 angefallenen Säumniszuschläge werden ab Fälligkeit aufgehoben, soweit sie durch die ausgesetzte Einkommensteuer entstanden sind.
    3. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
    4. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller zu 9/100 und der Antragsgegner zu 91/100.
    Gründe
    I.
    Die Antragsteller (ASt) sind Ehegatten und wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der ASt erzielte in den Streitjahren u.a. gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb des [… China-Restaurants]. Seinen Gewinn ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich.
    Der Antragsgegner – das Finanzamt (FA) – führte zunächst endgültige Veranlagungen durch. Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung vertrat der Betriebsprüfer die Auffassung, dass Gewinnzuschätzungen vorzunehmen seien. Die Zuschätzungen wurden im Wesentlichen darauf gestützt, dass für den im Jahr 2001 erfolgten Erwerb einer privaten Immobilie ein ungeklärter Geldzufluss auf einem privaten Bankkonto in Höhe von 217.000 DM aus einer Überweisung durch eine Bank in Hongkong vorliege, sich aus den eingereichten Gewinnermittlungen unplausible Schwankungen der Gewinnaufschläge ergäben, sich aus Kontrollmitteilungen nicht verbuchte Wareneinkäufe entnehmen ließen, die Überprüfung des Barzahlungsverkehrs negative Bargeldsalden ergeben habe und Kassenunterlagen nicht vollständig aufbewahrt worden seien.
    Das FA änderte mit Bescheiden vom 6. März 2009 gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) die Festsetzungen zur Einkommensteuer für 2001, 2002 und 2003 und ging von Gewinnen aus Gewerbebetrieb für 2001 von 208.531 DM, für 2002 von 47.355 EUR und für 2003 von 37.459 EUR aus.
    Für die Dauer des Einspruchsverfahrens hat das Finanzgericht (FG) mit Beschluss vom 22. Januar 2010 (Az.: 10 V 2438/09) Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt.
    Die gegen die Änderungsbescheide vom 6. März 2009 gerichteten Einsprüche hatten keinen Erfolg. Mit Schreiben vom 25. August 2010 teilte das FA den ASt mit, dass eine neue Schätzung der Gewinne zu höheren Steuerfestsetzungen führen würde. Nach der neuen Schätzung ergäben sich Gewinne für 2001 von 282.646 DM, für 2002 von 107.247 EUR und für 2003 von 63.474 EUR. Mit Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2010 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück und ging nun davon aus, dass die Gewinne aus Gewerbebetrieb 248.799 DM im Jahr 2001, 90.287 EUR im Jahr 2002 und 46.488 EUR im Jahr 2003 betragen hätten.
    Die dagegen gerichtete Klage begründen die ASt u.a. damit, dass die Kalkulation des FA unzutreffend sei. Die Rohgewinnaufschlagsätze anderer Restaurants könnten nicht auf sie übertragen werden, da sie ca. 70% ihres Umsatzes mit verbilligten Mittagsmenüs erzielen würden und außerdem das Restaurant im ländlichen Bereich liege, wo nur geringe Verkaufspreise durchsetzbar seien.
    Die Antragsteller beantragen, die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide vom 6. März 2009 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2010 für 2001 in Höhe von 23.868,13 EUR, für 2002 in Höhe von 18.698,00 EUR und für 2003 in Höhe von 3.883,00 EUR wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit und wegen einer unbilligen Härte für die Dauer des Klageverfahrens ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.
    Der Antragsgegner (Finanzamt) beantragt, den Antrag abzulehnen, hilfsweise eine Aussetzung der Vollziehung von der Stellung einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.
    Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Bericht über die steuerliche Außenprüfung (BP-Bericht) vom 8. Dezember 2008, die Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2010, die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
    II.
    1. Der Antrag ist teilweise begründet.
    Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des Sachverhalts anhand präsenter Beweismittel bestehen ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 Absatz 3 und Absatz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit der Bescheide (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 24. Februar 2000 IV B 83/89, BStBl II 2000, 298) und zwar aus folgenden Erwägungen:
    2. Nach summarischer Prüfung ist der beschließende Senat der Auffassung, dass das FA zu einer Schätzung befugt ist.
    Nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO ist das FA u.a. dann zu einer Schätzung befugt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Buchführung nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Bücher und Aufzeichnungen unvollständig oder formell oder sachlich unrichtig sind.
    Diese Voraussetzungen liegen bei summarischer Prüfung zwar vor. Denn durch den Betriebsprüfer wurde anhand Kontrollmitteilungen festgestellt, dass der Wareneinkauf in allen Streitjahren unvollständig (2001: 15.022,49 DM, 2002: 3.504,14 EUR und 2003: 623,27 EUR) aufgezeichnet wurde. Dies stellt einen erheblichen Mangel der Buchführung dar.
    3. Der Senat ist jedoch nach summarischer Prüfung der Auffassung, dass die Schätzung des FA zu hoch ausgefallen ist.
    a) Bei ungeklärten Geldzuwächsen im Privatvermögen ist eine Schätzung nur dann gerechtfertigt, wenn die Buchführung nicht ordnungsgemäß ist und der Bezug zu dem privaten Konto mit der für eine Schätzung erforderlichen Wahrscheinlichkeit – einschließlich einer eventuellen Beweismaßreduzierung – nachgewiesen werden kann. Anderenfalls kann das Vermögen in der Regel nur dann als steuerpflichtige Einkünfte zugerechnet werden, wenn mit einer dem Einzelfall angepassten Vermögenszuwachs- und Geldverkehrsrechnung ein ungeklärter Vermögenszuwachs oder Ausgabenüberschuss aufgedeckt wird, mithin feststeht, dass die eingezahlten Beträge nicht aus den sogenannten ungebundenen Entnahmen oder aus anderen versteuerten oder steuerfreien Einkunftsquellen stammen können (vgl. etwa BFH-Urteile vom 28. Mai 1986 I R 265/83, BStBl II 1986, 732; und vom 28. Januar 2009 X R 20/05, BFH/NV 2009, 912 m.w.N.; FG München, Beschluss vom 22. Januar 2010 10 V 2438/09, n.v. juris).
    Im Streitfall ist der beschließende Senat – wie bereits beim Beschluss vom 22. Januar 2010 10 V 2438/09 – bei summarischer Prüfung der Auffassung, dass das FA zu Recht davon ausgegangen ist, dass die ASt hinsichtlich des am 6. März 2001 erfolgten Zuflusses von 216.992,40 DM keinen ausreichenden Herkunftsnachweis geführt haben. Der beschließende Senat hat jedoch weiter – wie bereits beim Beschluss vom 22. Januar 2010 10 V 2438/09 – Zweifel, ob ein Bezug zwischen der nicht ordnungsgemäßen Buchführung und dem ungeklärten Geldzufluss auf dem privaten Konto mit der für eine Schätzung erforderlichen Wahrscheinlichkeit hergestellt werden kann.
    b) Auch ist der beschließende Senat – wie bereits im Beschluss vom 22. Januar 2010 10 V 2438/09 ausgeführt wurde – der Auffassung, dass das FA keine Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung erstellt hat, die die Zuschätzungen dieses ungeklärten Geldzuflusses zu den Betriebseinnahmen begründen kann.
    4. Der beschließende Senat ist nach summarischer Prüfung der Auffassung, dass erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Schätzung des FA teilweise rechtswidrig ist.
    a) Nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO sind bei einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Das gewonnene Schätzungsergebnis muss schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein (BFH-Beschluss vom 28. März 2001 VII B 213/00, BFH/NV 2001, 1217, m.w.N.) und darf nicht den Denkgesetzen und den allgemeinen Erfahrungssätzen widersprechen (Seer in Tipke/Kruse, AO-/FGO-Kommentar, § 162 Rz. 29 [Jan. 2010] m.w.N.; FG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Februar 2007, 16 V 4691/06 A (E, U, F), EFG 2007, 814).
    Die Methodenwahl steht im pflichtgemäßen Ermessen des Finanzamts (BFH-Beschluss vom 3. September 1998 XI B 209/95, BFH/NV 1999, 290). Die Methode muss auf zumutbare Weise zum Ergebnis mit der größten Wahrscheinlichkeit führen (BFH-Urteil vom 17. Oktober 2001 I R 103/00, BFH/NV 2002, 134). Die Nachkalkulation ist eine anerkannte Schätzungsmethode, die – richtig angewendet – so zuverlässig ist, dass sie (sogar) die Beweiskraft einer formell ordnungsmäßigen Buchführung widerlegen und in Höhe der errechneten Beträge nicht verbuchte Betriebseinnahmen nachweisen kann (BFH-Urteile vom 8. September 1994 IV R 6/93, BFH/NV 1995, 573; vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BStBl II 1982, 430, 435, jeweils m.w.N.). Eine Schätzung erweist sich erst dann als rechtswidrig, wenn sie den durch die Umstände des Falles gezogenen Schätzungsrahmen verlässt. Wird die Schätzung – wie im Streitfall – wegen Verletzung der Buchführungs- oder Aufzeichnungspflichten erforderlich, so kann sich das FA an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren, weil der Steuerpflichtige möglicherweise Einkünfte verheimlichen will (BFH-Urteile vom 1. Oktober 1992 IV R 34/90, BStBl II 1993, 259; vom 29. März 2001 IV R 67/99, BStBl II 2001, 484; BFH-Beschluss vom 13. Juli 2000 IV R 55/99, BFH/NV 2001, 3). Da jede Schätzung gewisse Unsicherheiten enthält (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BStBl II 1986, 226, 228), muss der Steuerpflichtige, will er eine abweichende Schätzung herbeiführen, erweisbare Tatsachen oder Erfahrungssätze vortragen, die geeignet sind, zu dem Schluss zu gelangen, dass ein anderer als der von der Finanzbehörde geschätzte Betrag wahrscheinlicher sei (BFH-Beschluss vom 5. Februar 1993 VIII B 103/92, BFH/NV 1993, 351).
    b) Nach Auffassung des Senats sprechen nach summarischer Prüfung erhebliche Gründe gegen eine Kalkulation mit den vom FA verwendeten Rohgewinnaufschlagsätzen.
    Denn die vom FA bei seiner Kalkulation in der Einspruchsentscheidung zugrunde gelegten Rohgewinnaufschlagsätze, die für die China-Restaurants in Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland von der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Mannheim-Neckarstadt ermittelt wurden, sind nach Auffassung des Senats nicht auf den Betrieb des ASt übertragbar.
    Dies zeigt sich bereits aus dem Umstand, dass man bei einer zutreffenden Ermittlung des durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatzes aus den vom FA in seiner Einspruchsentscheidung kalkulierten fünf Speisen einen Wert von 299,72% erhält. Dieser durchschnittliche Rohgewinnaufschlagsatz liegt deutlich unter den vom FA verwendeten Rohgewinnaufschlagsätzen, die es für seine Kalkulation in der Einspruchsentscheidung zugrunde gelegt hat (nämlich 331%, 338% und 346%) und zeigt damit deutlich, dass eine Gewinnschätzung für das Restaurant des ASt mit den Rohgewinnaufschlagsätzen der Steuerfahndungsstelle unzutreffend ist.
    Das FA hat seinen durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz für den Betrieb des ASt aus den fünf nachkalkulierten Speisen in der Einspruchsentscheidung statistisch unzulässig (d.h. mathematisch falsch) mit 354,8% berechnet. Das FA hat zur Ermittlung des durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatzes nur das arithmetische Mittel (den Durchschnitt) aus den fünf für jede einzelne Speise ermittelten Rohgewinnaufschlagsatz errechnet und ist so zu dem Betrag von 354,8% gelangt (436,42 + 442,38 + 191,27 + 520,45 + 185,37 = 1.775,90; 1.775.90: 5 = 3,5480). Mit dieser Ermittlung des durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatzes hat das FA aber gegen grundlegende mathematische Regeln verstoßen. Das arithmetische Mittel darf nämlich nur bei metrischen Daten (d.h. Daten, die mindestens auf Intervallskalenniveau liegen) errechnet werden (vgl. nur Clauß/Finze/Partzsch, Statistik für Soziologen, Pädagogen, Psychologen und Mediziner, Band 1, Grundlagen, 2. Aufl. 1995, Seite 41 – Tz. 2.2.2.1.3; Schülerduden Mathematik, Band I, 7. Aufl. 2004, Stichwort Statistik, Mittelwert und Streuungsmaßnahme einer Stichprobe, Seite 406). Diese Voraussetzung erfüllen aber Prozentzahlen, die sich auf unterschiedliche Grundgrößen – wie im Streitfall unterschiedliche Verkaufspreise – beziehen gerade nicht; d.h. anders formuliert: es ist unzulässig, aus Prozentsätzen das arithmetische Mittel zu errechnen (zur zutreffenden Ermittlung des Rohgewinnaufschlagsatzes vgl. Schröder/Muss, Handbuch der steuerlichen Betriebsprüfung, Die Außenprüfungen, 2. Band, Stichwort 3455: Der innere und der äußere Betriebsvergleich bei der steuerlichen Betriebsprüfung, Tz. B.III.1.d.db [6. Lfg. VII/79]). Hätte des FA stattdessen den durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz aus den fünf kalkulierten Speisen zutreffend errechnet, wäre es zu einem Wert von 299,72% gelangt. Der durchschnittliche Wareneinsatz bei den fünf Speisen beträgt nämlich 2,15 (1,51 + 1,51 + 3,55 + 1,32 + 2,87 = 10,76; 10,76 / 5 = 2,15) und der durchschnittliche Rohgewinn beträgt 6,45 (6,59 + 6,68 + 6,79 + 6,87 + 5,32 = 32,25; 32,25 / 5 = 6,45). Demgemäß beträgt der durchschnittliche Rohgewinnaufschlagsatz bei zutreffender Berechnung 299,72% (6,45 / 2.15 = 2,9972). Dass dieses statistisch unzulässige Verfahren auch Auswirkungen auf die Kalkulation hat, ist daraus ersichtlich, dass bei dem Netto-Verkaufspreis aus den fünf vom FA kalkulierten Speisen von 43,01 DM (8,10 + 8,19 + 10,34 + 8,19 + 8,19 = 43,01) der Rohgewinn 32,25 DM beträgt. Errechnet man dagegen mit dem vom FA ermittelten durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz aus dem Wareneinsatz dieser fünf Speisen den Rohgewinn, erhält man einen unzutreffenden Wert von 38,22 DM (10,76 * 3,5518 = 38,22) und damit einen Netto-Verkaufspreis mit dem unzutreffenden Wert von 48,98 DM (10,76 + 38,22 = 48,98).
    c) Außerdem zeigt sich nach Auffassung des Senats, dass die Werte der Steuerfahndung auf den Betrieb des ASt nicht übertragbar sind auch aus den von den ASt vorgebrachten weiteren Begründungen. Mit diesen weiteren Argumenten, dass das Lokal in einer ländlichen Gegend liege und der Hauptteil des Umsatzes mit verbilligten Mittagsmenüs erwirtschaftet wird, hat sich das FA in der Einspruchsentscheidung nicht zureichend auseinandergesetzt. Das FA hat zur Begründung, dass es sich an den Richtsätzen der Steuerfahndung orientiert, stattdessen nur ausgeführt (Seite 9 der Einspruchsentscheidung): „Jedenfalls liegen hier keine gegenteiligen Erkenntnisse vor, und auch die Ef haben gegen eine solche Annahme nichts vorgetragen.”
    Die ASt haben aber nach Auffassung des Senats mit diesen beiden Argumenten erweisbare Tatsachen oder Erfahrungssätze vortragen, die geeignet sind, zu dem Schluss zu gelangen, dass ein anderer als der von der Finanzbehörde geschätzte Betrag wahrscheinlicher ist. Dies rechtfertigt eine abweichende Schätzung. Und der vom Senat errechnete durchschnittliche Rohgewinnaufschlagsatz aus den vom FA kalkulierten fünf Speisen belegt zusätzlich den Umstand, dass der Betrieb des ASt Besonderheiten aufweist, die in der Kalkulation des FA nicht berücksichtigt sind.
    d) Auch hat das FA nicht die Argumentation des Senats in seinem Beschluss vom 22. Januar 2010 (Az.: 10 V 2438/09) berücksichtigt und seine Kalkulation nicht auf verschieden Warengruppen gestützt. Eine Nachkalkulation durch Ermittlung des durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatzes setzt die Aufteilung des Wareneinsatzes in mehrere unterschiedlich preiskalkulierte Warengruppen voraus (FG Bremen, Urteil vom 17. Januar 2007, 2 K 229/04 (5), EFG 2008, 8; BFH-Urteil vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BStBl II 1982, 430). Das FA hat aber nur fünf Speisen aus dem Mittagsmenü für 2001 nachkalkuliert und damit fünf Waren aus einer Warengruppe kalkuliert. Deshalb kann der Senat auch nicht seinen aufgrund der Kalkulation des FA zutreffend errechneten Rohgewinnaufschlagsatz von 299,72% für seine Schätzung nach summarischer Prüfung verwenden.
    e) Nach summarischer Prüfung ist der Senat aber der Auffassung, dass ein Teil der Zuschätzungen durch das FA deshalb begründet ist, weil die ASt insoweit selbst im Einspruchsverfahren gegenüber dem FA eingeräumt haben, dass eine Hinzuschätzung sachgerecht erscheint (Schreiben vom 29. September 2010).
    Nach summarischer Prüfung sind die Gewinne in den Streitjahren um Zuschätzungen, die auf den nicht verbuchten Wareneinkäufen ansetzen, zu erhöhen. Für seine Schätzung legt der beschließende Senat die vom ASt nach seinen Jahresabschlüssen erklärten Rohgewinnaufschlagsätze für die Streitjahre (vgl. die Aufstellung des FA in der Anlage 7 zum BP-Bericht) zugrunde. Es ergeben sich nach Auffassung des Senats Gewinne aus Gewerbebetrieb für 2001 von 103.893 DM, für 2002 von 25.748 EUR und für 2003 von 28.195 EUR, die aus folgenden Gewinnzuschätzungen resultieren: […]
    Daraus resultieren folgende Aussetzungsbeträge […]:
    5. Eine weitergehende AdV wegen einer unbilligen, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen Härte (§ 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 FGO) scheidet im Streitfall aus, da die ASt selbst eingeräumt haben, dass eine Gewinnerhöhung basierend auf den nicht verbuchten Wareneinkäufen sachgerecht ist.
    6. Das Abhängigmachen der AdV von einer Sicherheitsleistung kam im Streitfall nicht in Betracht. Die AdV gegen Sicherheitsleistung (§ 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 FGO) ist angezeigt, wenn die spätere Vollstreckung der Steuerforderung infolge der AdV gefährdet oder erschwert erscheint. Die Sicherheitsleistung dient der Vermeidung von Steuerausfällen bei einem für den Steuerpflichtigen ungünstigen Verfahrensausgang (BFH-Beschlüsse vom 24. Oktober 2000 V B 144/00, BFH/NV 2001, 493, und vom 17. Mai 2005 I B 109/04, BFH/NV 2005, 1782). Das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Steuerausfällen entfällt, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 26. Juni 2009 IX B 194/08, n.v. juris; vom 10. Februar 2010 V S 24/09, BFH/NV 2010, 930).
    Im Streitfall hat der beschließende Senat diese ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte, die so erheblich sind, dass bereits aus diesem Grund keine Sicherheitsleistung zu verlangen ist. Das FA hat bereits aus dem ersten AdV-Beschluss des FG vom 22. Januar 2010 10 V 2438/09 nicht die nötigen Folgerungen gezogen und seine Schätzung nicht auf eine tragfähige Grundlage gestellt.
    Auch das Argument des FA, eine Vollstreckung gegen die ASt könne möglicherweise nach dem Verkauf des Hauses nur im Ausland erfolgen, rechtfertigt vorliegend keine Sicherheitsleistung. Eine Gefährdung des Steueranspruchs kann zwar gegeben sein, wenn der Steuerschuldner einen Wohnsitz im Ausland hat oder wenn eine Vollstreckung im Ausland (in Auslandsvermögen) im Falle der rechtskräftigen Bestätigung des Steueranspruches erfolgen muss (allgemeine Meinung, vgl. z.B. Seer in Tipke/Kruse, AO-/FGO-Kommentar, § 69 FGO Rz. 110 [Mai 2010]). Im Streitfall ist nicht ersichtlich, wieso die ASt nach dem Verkauf ihres Hauses am 30. Juli 2010 den Erlös ins Ausland verbringen sollten oder einen Wohnsitz nur im Ausland nehmen sollten. Nach den Feststellungen des Notars haben sich die ASt beim Notar mit Bundespersonalausweisen bzw. deutschen Reisepässen (und nicht mit chinesischen Papieren) ausgewiesen.
    7. Die Entscheidung über die Verwirkung der Säumniszuschläge hat ohne Antrag von Amts wegen zu erfolgen (BFH-Beschluss vom 3. Februar 2005 I B 208/04, BStBl II 2005, 351).
    8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

    VorschriftenAO § 162 Abs. 1, AO § 162 Abs. 2 S. 2, AO § 158