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  • 11.12.2014 · IWW-Abrufnummer 143457

    Verwaltungsgericht Düsseldorf: Urteil vom 23.09.2014 – 27 K 5478/13



    Zur Befristung einer bestandskräftigen Ausweisung, die im Zusammenhang mit der Verurteilung zu einer sechsjährigen Freioheitsstrafe wegen der Beteiligung an Schwarzarbeit am Bau als Arbeitgeber verfügt worden ist.

    Zur Auschreibung im Schengener Information


    Verwaltungsgericht Düsseldorf

    27 K 5478/13

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in Höhe von 110 v. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

    Tatbestand:
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    Der 48-jährige Kläger ist in der Nähe von Sjenica in der heutigen Republik Serbien geboren und nach eigenen Angaben sowohl serbischer als auch bosnisch-herzegowinischer Staatsangehöriger. Aus seiner ersten, in seiner Heimat geschlossenen Ehe stammen vier Kinder: der 26-jährige und seit mehreren Jahren in P. wohnhafte und verheiratete Sohn K. , die nach Angaben des Klägers ebenfalls seit einem Jahr verheiratete und in G. wohnhafte 21-jährige Tochter G1. sowie die noch in Novi Pazar in der Republik Serbien wohnhaften 25- und 22-jährigen Töchter K1. und T. . Der Kläger hat in seiner Heimat eine bautechnische Ausbildung abgeschlossen und anschließend mehrere Jahre als LKW-Fahrer und Spediteur gearbeitet.
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    Nach der Ausländerakte reiste der Kläger erstmals im Juni 1990 in das Bundesgebiet ein, erhielt hier zunächst in den Kreisen Bad L. und B. eine Aufenthaltserlaubnis und später in N. eine Aufenthaltsbewilligung für eine Tätigkeit als Waldarbeiter, bevor er im April 1991 von Amts wegen nach unbekannt verzogen abgemeldet wurde.
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    Nach seinem Wiederzuzug im Januar 1994 wurde er letztlich bis zum Frühjahr 1997 in N1. als Bosnien-Flüchtling geduldet, bestritt dabei seinen Lebensunterhalt zeitweise mit Mitteln seiner Familienangehörigen, zeitweise durch eigene Erwerbstätigkeit im Baugewerbe, zuletzt für die Firma U. BAU GmbH in E. und verließ nach Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung Anfang Juni 1997 das Bundesgebiet wieder.
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    Nach vorangegangenen Hinweisen auf einen illegalen erneuten Aufenthalt reiste der Kläger jedenfalls Anfang Dezember 1997 wieder nach Deutschland ein und stellte in P1. unter Berufung auf eine Vertreibung aus Serbien einen Asylantrag, der bestandskräftig abgelehnt wurde. Bereits in diesem Verfahren gab der Kläger an, wieder geschieden zu sein. Nachdem ein Haftbefehl gegen ihn nach einer Sicherheitsleistung i.H.v. 11.000 DM außer Vollzug gesetzt worden war, tauchte der Kläger zunächst unter und wurde letztlich aufgrund eines neuerlichen Haftbefehls in Italien festgenommen und am 10. August 2001 an die Bundesrepublik ausgeliefert. Hier wurde der Kläger sodann durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts E. vom 4. Oktober 2001 wegen Beihilfe zum gewerbsmäßigen Verstoß gegen das Ausländergesetz in Form der Beschäftigung von insgesamt 60 ausländischen Arbeitnehmern ohne die hierfür erforderlichen ausländerrechtlichen Genehmigungen in der faktisch von ihm geführten Firma U. BAU GmbH in den Jahren 1996-1998 zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt (Az.: 146 Js 203/00 – StA E. ) und noch am selben Tage angesichts der bereits verbüßten Auslieferungs- und Untersuchungshaft aus der Haft entlassen.
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    In den Jahren 2002 und 2003 verfolgte er erfolglos von Bosnien und Herzegowina aus die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug zu der unbefristet aufenthaltsberechtigten, bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigen Frau A. T1. , die er am 7. August 2002 in Janja/Bosnien und Herzegowina geheiratet hatte. Nachdem die Stadt L1. wegen des Verdachts auf eine nicht schutzbedürftige Zweckehe Einreisebedenken geäußert hatte, lehnte die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Sarajevo im Mai 2003 den Visumsantrag ab. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Berlin mit rechtskräftigem Urteil vom 30. Dezember 2004 ab (Az.: VG 16 V 32.03). Am 28. November 2005 wurde diese zweite Ehe des Klägers wieder geschieden.
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    Aufgrund eines erneuten Haftbefehls wurde der Kläger am 3. April 2011 in Ungarn festgenommen, am 14. April 2011 an die Bundesrepublik ausgeliefert und hier sodann in Haft genommen. Mit nach Zurückweisung der Revision rechtskräftigem Urteil des Landgerichts E. vom 3. Januar 2012 wurde der Kläger wegen Steuerhinterziehung in 78 Fällen und Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung in 78 Fällen, jeweils in Tateinheit mit dem Vorenthalten von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt (Az.: 144 Js 189/10 – StA E. ), die er derzeit in der Justizvollzugsanstalt X. verbüßt. In den Urteilsgründen wurde zur Person des Klägers unter anderem festgestellt, dass er zu seinen Kindern keinen regelmäßigen Kontakt habe, auch von seiner dritten Ehefrau inzwischen getrennt lebe und mit einer anderen Frau eine neue Beziehung gehabt habe.
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    Nach entsprechender Anhörung wies der Beklagte den Kläger mit Ordnungsverfügung vom 31. Mai 2013 aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer 1), stellte fest, dass er vollziehbar zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet ist (Ziffer 2), drohte ihm die Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina aus der Haft oder sonstigem öffentlichen Gewahrsam an (Ziffer 3), forderte ihn für den Fall, dass eine solche Abschiebung ausnahmsweise nicht möglich sein sollte, zur Ausreise innerhalb von sieben Tagen nach seiner Entlassung auf und drohte ihm andernfalls die Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina an (Ziffer 4), stellte weitergehend fest, dass er zunächst nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf (Ziffer 5), und befristete die ausländerrechtlichen Wirkungen dieser Verfügung auf einen Zeitraum von sechs Jahren beginnend ab dem Tag der Ausreise, wobei die gesetzliche Verjährungsfrist für die Nachholung einer möglichen Reststrafe hiervon unberührt bleibt (Ziffer 6). Zur Begründung der Ausweisung führte der Beklagte im einzelnen aus, dass der Kläger mit seiner zweiten Verurteilung die Voraussetzungen für eine zwingende Ausweisung nach § 53 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG) verwirklicht habe und zu seinen Gunsten kein besonderer Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG eingreife, die Ausweisung jedoch selbst bei vorhandenem Ausweisungsschutz aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zulässig wäre und er im Übrigen auch bei hilfsweiser Prüfung einer Ermessensausweisung gemäß § 55 AufenthG zu keiner abweichenden Entscheidung käme, da vom Kläger – abgesehen von generalpräventiven Gründen für seine Ausweisung – nach Würdigung seines gesamten bisherigen Verhaltens und seiner Persönlichkeit auch in Zukunft eine Gefahr weiterer Straftaten ausgehe und eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliege, die ein Grundinteresse dieser Gesellschaft berühre; vorrangig zu schützende persönliche, wirtschaftliche oder sonstige Bindungen des Klägers im Bundesgebiet seien nicht ersichtlich. Daran anknüpfend begründete der Beklagte die vorgenommene Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 S. 1 und 2 AufenthG wie folgt: Da der Kläger aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden sei, finde die in § 11 Abs. 1 S. 4 AufenthG vorgesehene zeitliche Grenze von fünf Jahren keine Anwendung. Vor dem Hintergrund der kriminellen Neigungen des Klägers und seines uneinsichtigen Verhaltens sei zunächst eine Frist von sieben Jahren erforderlich, schon um der Wiederholungsgefahr Rechnung zu tragen. Bei der im weiteren Verlauf vorzunehmenden Überprüfung der Frist anhand der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 des Grundgesetzes –GG) sowie der Vorgaben aus Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sei festzustellen, dass der Kläger den Kontakt zu seinem erwachsenen Sohn und sonstigen im Bundesgebiet lebenden Verwandten auch im Ausland aufrechterhalten könne. Sonstige schutzwürdige Belange seien nicht ersichtlich, zumal der Kläger hier weder einen Wohnsitz noch eine Aufenthaltserlaubnis besitze. Allein aus Gründen der Verhältnismäßigkeit verkürze er die vorgenannte Frist auf sechs Jahre, um den Einschnitt in die persönliche Lebensführung des Klägers zu berücksichtigen.
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    Mit der am 28. Juni 2013 erhobenen Klage wendet sich der Kläger ausschließlich gegen die Höhe der Befristung der gegen ihn verfügten Ausweisung und trägt hierzu vor: Die Ordnungsverfügung des Beklagten sei weitestgehend zutreffend und richtig. Einige Schlussfolgerungen seien jedoch unzutreffend und außerhalb des gebotenen Ermessensspielraumes. Er habe ein Geständnis abgelegt und somit die Arbeit der deutschen Justiz erleichtert. Die Schwere seiner Tat sei ihm bewusst und er bereue sie zutiefst. Der Beklagte habe nicht ausreichend begründet, warum in seinem Fall die Grenze für die Wiedereinreisesperre von fünf Jahren überschritten werden solle. Es sei gängige Praxis der Ausländerbehörden in Nordrhein-Westfalen, dass die Wiedereinreisesperre den gleichen Zeitraum umfasse wie die letztlich verbüßte Strafe. Bei einer zu erwartenden Entlassung nach zwei Dritteln der Strafe wären dies in seinem Fall lediglich drei Jahre. Sein begründetes Interesse, wieder nach Deutschland einreisen zu dürfen, sei darin begründet, seinen in Deutschland lebenden Sohn besuchen zu können. Sollte die bisher lediglich in den Gründen des Bescheides erwähnte Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) erfolgen, so würde ihn dies besonders hart und unverhältnismäßig treffen, da es erste Anzeichen der Versöhnung mit seiner in Österreich lebenden Ehefrau gebe und er mühsam versuche, den Kontakt zu ihr wieder aufzunehmen.
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    Mit seinem Antrag vom 2. Januar 2014 auf bedingte Entlassung nach Verbüßung der Hälfte seiner Freiheitsstrafe zum 1. April 2014 hat der Kläger dargelegt, nach seiner Entlassung in seinem Heimatland Serbien leben zu wollen, wo neben seiner geschiedenen (ersten) Ehefrau die übrigen volljährigen Kinder sowie seine schwer kranke Mutter lebten, der er helfen möchte; er habe die Strafe akzeptiert, sei einsichtig geworden und verurteile sein früheres Verhalten zutiefst. Trotz positiver Feststellungen sowohl des Abteilungs- als auch des Werk- und des Sozialdienstes der Justizvollzugsanstalt X. I über das Vollzugsverhalten des Klägers – er habe sich trotz Sprachschwierigkeiten gut integriert, nutze die mit seiner Unterbringung in der wohngruppenähnlichen Abteilung verbundenen Freiheiten nicht zu unerlaubten Zwecken aus, sei sorgsam und ruhig und zeige keine Anhaltspunkte für subkulturelle Aktivitäten – ist die Leiterin der Justizvollzugsanstalt in ihrem Bericht vom 3. Februar 2014 zum Ergebnis gelangt, dass angesichts der unklaren ausländerrechtlichen Situation des Klägers die Voraussetzungen für eine Strafaussetzung bereits zur Halbstrafe von dort nicht gesehen würden. Dieser Einschätzung hat sich die Staatsanwaltschaft E. in ihrer Stellungnahme vom 24. Februar 2014 im Hinblick auf die mit den abgeurteilten Taten über mehrere Jahre zu Tage getretene kriminelle Energie des Klägers sowie angesichts von dortigen Zweifeln an der Absicht des Klägers, nach Serbien zurückzukehren, angeschlossen. In seiner Anhörung durch die Strafvollstreckungskammer vom 20. März 2014 hat der Kläger erklärt, dass er nach seiner Entlassung arbeiten wolle, aber noch nichts konkretes habe und auch nicht wisse, ob er nach Serbien gehen oder in Deutschland bleiben werde; aufgrund seiner Schulden in Höhe von etwa einer halben Million Euro habe er große Angst vor seiner Entlassung. Nachdem ihm die zuständige Richterin mitgeteilt hatte, dass aus ihrer Sicht eine vorzeitige Entlassung nicht in Betracht komme, hat er sein Einverständnis mit der Aussetzung der Reststrafvollstreckung zurückgenommen und ausdrücklich auf förmliche Entscheidung über seinen Antrag verzichtet.
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    Das erkennende Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung ergänzend angehört. Dabei hat er hinsichtlich der Taten, wegen derer er nunmehr eine Haftstrafe verbüßt, insbesondere ausgeführt, dass er sich nicht schuldig fühle und im betreffenden Urteil viele Sachen stünden, die nicht richtig seien. Zum übrigen Ergebnis der Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
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    Der Kläger beantragt,
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    den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 31. Mai 2013 zu Ziffer 6 zu verpflichten, die mit der Ausweisung verbundenen Wirkungen nach § 11 Abs. 1 S. 1 und 2 AufenthG auf drei Jahre ab dem Tag seiner Ausreise zu befristen.
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    Der Beklagte beantragt,
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    die Klage abzuweisen.
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    Zur Begründung verweist er auf die Gründe des angegriffenen Bescheides und führt ergänzend aus: Die Ausländerbehörden seien bei ihrer aufenthaltsrechtlichen Gefahrenprognose nicht an die Entscheidungen der Strafgerichte über eine Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung gebunden. Die Fristgrenze von fünf Jahren sei im vorliegenden Fall ohne Bedeutung, da vom Kläger auch aktuell eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe. Die besondere Schwere des Falles werde bereits daran deutlich, dass die Justiz trotz Aufklärungshilfe des Klägers eine hohe Haftstrafe gegen ihn verhängt habe. Im Übrigen sei zweifelhaft, ob der Kläger seine Straftaten tatsächlich bereue. Denn auch vor seiner ersten Verurteilung im Jahre 2001 habe der Kläger weitgehend gestanden, sei jedoch nach seiner Entlassung aus der Haft wieder in sein altes Verhaltensmuster zurückgefallen, habe sich jedenfalls seine Vorstrafe nicht zur Warnung dienen lassen, sondern das Baugewerbe erneut nach seinen kriminellen Vorstellungen gestaltet. Die Befristung sei auch im Hinblick auf die behaupteten familiären und persönlichen Bindungen des Klägers nicht niedriger anzusetzen. Selbst wenn der Kläger zu den betreffenden Familienangehörigen inzwischen wieder Kontakt pflegen sollte, könnte er dies auch vom Ausland auf andere Weise tun, z.B. durch Briefwechsel, elektronische Medien, gegenseitige Telefonate oder Besuche im Ausland. Selbst bei einer tatsächlichen Versöhnung mit der in Österreich lebenden Ehefrau wäre es dem Kläger zumutbar, zunächst das Konsultationsverfahren abzuwarten, zumal er ohnehin kein Aufenthaltsrecht mehr im Schengen-Gebiet besitze. Zur Vermeidung von Missverständnissen werde klargestellt, dass noch keine Ausschreibung des Klägers im SIS veranlasst worden sei. Der Hinweis in der angegriffenen Verfügung auf eine entsprechende Möglichkeit diene lediglich der Belehrung des Klägers und sei kein Verwaltungsakt.
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    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsvorgänge des Beklagten, der Gefangenenpersonalakte der Justizvollzugsanstalt X. I sowie des Vollstreckungsheftes der Staatsanwaltschaft E. zum dortigen Verfahren 144 Js 189/10 Bezug genommen.
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    Entscheidungsgründe:
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    Die zulässige Klage ist unbegründet. Die in Ziffer 6 des Bescheides des Beklagten vom 31. Mai 2013 erfolgte Befristung der Wirkungen, die nach § 11 Abs. 1 S. 1 und 2 AufenthG mit der vorliegend nicht angegriffenen und damit bestandskräftigen Ausweisung des Klägers verbunden sind, auf die Dauer von sechs Jahren ab Ausreise und die darin liegende Ablehnung einer kürzeren Frist ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Befristung von unter sechs Jahren ab Ausreise.
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    Nach § 11 Abs. 1 S. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist ist gemäß § 11 Abs. 1 S. 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (zu der zuletzt genannten Voraussetzung vgl. Art. 11 Abs. 2 S. 1 der Richtlinie 2008/115/EG – RückfRL). Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Dabei bedarf es der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann. Weiter in die Zukunft lässt sich die Persönlichkeitsentwicklung kaum abschätzen, ohne spekulativ zu werden. Allerdings muss sich die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh), Art. 8 EMRK, messen lassen. Sie ist daher gegebenenfalls in einem zweiten Schritt zu relativieren. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie gegebenenfalls seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen. Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Die Abwägung ist nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorzunehmen bzw. von den Verwaltungsgerichten zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Gerichts zu überprüfen.
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    Vgl. BVerwG, Urteile vom 10. Juli 2012 – 1 C 19.11 –, juris (Rn. 42 f.), vom 13. Dezember 2012– 1 C 20.11 –, juris (Rn. 40 f.) und vom 14. Mai 2013 – 1 C 13.12 –, juris (Rn. 32 f.).
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    Angesichts des Gebotes einer diesbezüglichen Einzelfallentscheidung in § 11 Abs. 1 S. 4 AufenthG bzw. der zu Grunde liegenden Regelung des Art. 11 Abs. 2 S. 1 RückfRL verbietet sich nach Einschätzung der Kammer – wie bereits aufgrund entsprechender unionsrechtlicher Vorgaben bei der Ausweisung selbst –
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    vgl. EuGH, Urteil vom 29. April 2004 – Rs. C-482 und 493/01 –, juris (Rn. 92); BVerwG, Urteil vom 3. August 2004 – 1 C 29.02 –, juris (Rn. 14),
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    auch hinsichtlich der Bemessung der Frist für die Dauer der Wirkungen der Ausweisung jegliche schematische Anwendung entsprechender Raster. Dies gilt insbesondere für die ursprünglich ermessenslenkenden Regelungen in den Ziffern 11.1.4.6.1 ff. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz des Bundesministeriums des Inneren vom 26. Oktober 2009 (VwV AufenthG), denen keine rechtliche Bedeutung mehr bei der Bestimmung der Fristlänge zukommt.
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    OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2013 – 18 A 139/12 –, juris (Rn. 12 ff.); VG Düsseldorf, Urteil vom 6. November 2012 – 27 K 2548/11 –, juris (Rn. 114 ff.), VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 18. September 2012 – 24 K 5186/12 –, juris (Rn. 149). Auch die vom Verwaltungsgericht P1. im Urteil vom 4. Juni 2012 – 11 A 2509/12 –, juris (Rn. 22 ff.) befürwortete „grobe Orientierung“ an einem Raster der Befristung für die Dauer von zwei, vier bzw. sechs Jahren im Fall einer Ermessens-, Regel- oder Ist-Ausweisung scheidet auf Grund der einhergehenden Schematisierung aus.
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    Ausgehend von diesen Maßstäben ist im Fall des Klägers die vom Beklagten vorgenommene Befristung auf sechs Jahre ab Ausreise bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.
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    Die allein unter präventiven Gesichtspunkten zu bestimmende Frist darf hier fünf Jahre schon deshalb überschreiten, weil vom Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Denn in der Person des Klägers besteht weiterhin die Gefahr der Begehung schwerer Straftaten im Bereich der Schwarzarbeit und damit eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.
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    Für diese Annahme spricht bereits die Höhe der gegen ihn mit Urteil des Landgerichts E. vom 3. Januar 2012 wegen Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2 der Abgabenordnung – AO) und Vorenthaltens von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung (§ 266a Abs. 1 des Strafgesetzbuches – StGB) jeweils in Tateinheit mit dem Vorenthalten von Arbeitgeberbeiträgen (§ 266a Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB) verhängten Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Hierin deutet sich die Schwere der vom Kläger begangenen Straftaten an, wenngleich – wie vom Strafgericht im Urteil festgestellt – die einzelnen Taten jeweils keinen besonders schweren Fall im Sinne der Regelungen zu den betreffenden Strafschärfungsgründen in §§ 370 Abs. 3 AO und 266a Abs. 4 StGB darstellen. Dem von diesen Vorschriften geschützten Rechtsgut des öffentlichen Interesses am rechtzeitigen und vollständigen Aufkommen der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge
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    vgl. Klein, Abgabenordnung – Kommentar, 11. Aufl., § 370 Rn. 2; Fischer, Strafgesetzbuch mit Nebengesetzen – Kommentar, 61. Aufl., § 266a Rn. 2,
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    und damit letztlich an der finanziellen Ausstattung und Funktionsfähigkeit unseres Staates und seiner sozialen Sicherungssysteme kommt bereits als solches erhebliche Bedeutung zu. Die Tragweite entsprechender Verstöße zeigt sich allgemein daran, dass die zuständigen Behörden allein im vergangenen Jahr Schäden durch Schwarzarbeit von insgesamt rund 777 Millionen Euro für Fiskus und Sozialkassen aufgedeckt haben,
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    vgl. Bundesministerium der Finanzen, Die Zollverwaltung – Jahresstatistik 2013, S. 18, abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Broschueren_Bestellservice/2014-03-21-zollverwaltung-jahresstatistik-2013.pdf?__blob=publicationFile&v=5,
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    davon allein 357 Millionen Euro im hier betroffenen Baugewerbe.
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    Vgl. Sueddeutsche.de vom 11. Mai 2014, Schwarzarbeit: Zoll deckt Schäden von 777 Millionen Euro auf, abrufbar unter: http://www.sueddeutsche.de/news/karriere/arbeitsmarkt-schwarzarbeit-zoll-deckt-schaeden-von-777-millionen-euro-auf-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-140511-99-02476.
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    Konkret im Fall des Klägers kommt die besondere Bedeutung in dem Umfang, der Dauer und der Beharrlichkeit seines diesbezüglichen strafbaren Verhaltens zum Ausdruck. So beläuft sich der Schaden der ihm vom Landgericht E. im genannten Urteil vom 3. Januar 2012 nachgewiesenen Taten auf insgesamt über 4 Millionen Euro. Dabei handelt es sich um 78 Fälle der Steuerhinterziehung und des Vorenthaltens von Arbeitnehmer- sowie Arbeitgeberbeiträgen. Die Dauer des mehr oder weniger kontinuierlichen strafbaren Verhaltens des Klägers erstreckte sich über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren. Es erfolgte im Rahmen der Tätigkeit des Klägers für insgesamt vier Firmen mit unterschiedlichen Beteiligten in mehreren Städten. Nach den Feststellungen des Landgerichts E. war die Tätigkeit dieser vier Unternehmen gezielt auf den Einsatz von Schwarzarbeit ausgerichtet, um im Bereich des lohnintensiven Baugewerbes durch das Nichtabführen von Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen Leistungen zu geringeren Preisen anbieten zu können und sich auf diese Weise einen Wettbewerbsvorteil gegenüber legal kalkulierenden Mitbewerbern zu verschaffen. Hinsichtlich aller vier Firmen hat das Landgericht dargelegt, dass der Kläger, obwohl er in keinem Fall formeller Geschäftsführer war, die treibende Kraft war und die fraglichen Bauvorhaben eigenverantwortlich betreute, insbesondere die Aufträge besorgte und über die Einstellung, den Einsatz und die Entlohnung der benötigten Arbeitnehmer sowie darüber entschied, in welchem Umfang Arbeitnehmer bei den Sozialversicherungsträgern und dem Finanzamt angemeldet und Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden sollten. Die Beharrlichkeit des strafbaren Verhaltens des Klägers und seine kriminelle Energie werden auch daran deutlich, dass er sein „Geschäftsmodell“ immer wieder auf neue Unternehmen übertrug, wenn das vorangegangene in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet oder aber er sich mit den übrigen Beteiligten zerstritt. Das zielgerichtete und systematische Vorgehen des Klägers tritt beispielsweise dadurch zu Tage, dass die Schwarzlohnzahlungen in den Jahren 2005-2007 und 2009 teilweise dadurch verdeckt wurden, dass Scheinrechnungen für angebliche Subunternehmerleistungen in die Finanzbuchhaltung von drei der vier genannten Bauunternehmen als fingierte Betriebsausgaben eingebucht wurden.
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    Zwar liegen die betreffenden Taten des Klägers inzwischen verhältnismäßig lange zurück. Auch ist sein Vollzugsverhalten in jüngerer Zeit beanstandungsfrei geblieben. Dies steht der Annahme einer konkreten Wiederholungsgefahr im Fall des Klägers jedoch nicht entgegen. Wie das Landgericht E. in seinem Urteil festgestellt hat, dienten die Anlasstaten in der Vergangenheit der Finanzierung seines Lebensunterhaltes. Dieses Motiv besteht weiter, dürfte nach einer etwaigen Entlassung sogar noch dringlicher sein. Soweit ersichtlich war der Kläger in den Jahren vor seiner Inhaftierung schwerpunktmäßig im Baugewerbe tätig und ist dort immer wieder im Zusammenhang mit der illegalen Beschäftigung von Arbeitnehmern in Erscheinung getreten. Eine anderweitige konkrete Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit ist auch ansonsten nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund besteht die ernst zu nehmende Gefahr, dass der Kläger auch in Zukunft im Baugewerbe oder auch einem anderen Gewerbezweig unternehmerisch tätig wird und die Sicherung seines Lebensunterhaltes dadurch gewährleistet, dass er sich mit den Mitteln der Schwarzarbeit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten verschafft. Diese Gefahr wird dadurch noch verstärkt, dass er inzwischen insbesondere wegen der Anlasstaten extrem hohe eigene Schulden hat, die sich nach eigenen Angaben schätzungsweise auf eine halbe Million Euro belaufen. Für eine fortbestehende Wiederholungsgefahr spricht auch der Umstand, dass der Kläger bereits vor diesen Anlasstaten im Zusammenhang mit der illegalen Beschäftigung von Arbeitnehmern im Baugewerbe strafrechtlich in Erscheinung getreten war, aber weder seine daraufhin erfolgte erste Verurteilung durch das Amtsgericht E. vom 4. Oktober 2001 noch die insoweit erlittene Inhaftierung bei ihm zu einer Abkehr von entsprechendem illegalen Verhalten, sondern stattdessen noch zu einer deutlichen Ausweitung einer derartigen Tätigkeit geführt hat.
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    Für eine grundlegende Veränderung in der Entwicklung der Persönlichkeit des Klägers, die die Annahme rechtfertigen könnte, dass er in Zukunft gerade auch im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung treten wird, liegen keine Anhaltspunkte vor. Zwar hat der Kläger in der Klagebegründung noch einmal auf sein im Strafverfahren abgelegtes Geständnis verwiesen und behauptet, dass ihm die Schwere seiner Tat bewusst sei und er sie zutiefst bereue. Auch hat er in seinem Antrag vom 2. Januar 2014 auf Aussetzung des Strafrestes nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe beteuert, einsichtig geworden zu sein, sein Verhalten aus der Vergangenheit zutiefst zu verurteilen und sich in Zukunft an die Gesetze seines Gastlandes halten zu wollen. Daraus lässt sich jedoch eine entsprechend positive Veränderung seiner Persönlichkeit nicht ableiten. Die Bedeutung des Geständnisses im Laufe seines Strafverfahrens wird bereits dadurch gemindert, dass er mit ihm lediglich sein eigenes Verfahren beschleunigt, soweit ersichtlich aber keine aussagekräftigen Angaben gemacht hat, die anderweitige Ermittlungen in diesem Bereich ermöglicht hätten – nach den Feststellungen des Landgerichts E. im Urteil vom 3. Januar 2012 hat er lediglich drei schwarz beschäftigte Arbeitnehmer benannt und keine Angaben zur Höhe der einzelnen Schwarzlöhne gemacht. Jedenfalls aber haben sich die Angaben des Klägers in der Klageschrift und seinem Strafaussetzungsgesuch, dass er die Schwere seiner Tat eingesehen habe und sie nunmehr zutiefst bereue, durch sein Auftreten und seine Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht als bloßes Lippenbekenntnis erwiesen. Denn hier hat der Kläger ausdrücklich erklärt, dass er sich nicht schuldig fühle, im Urteil viele Sachen stünden, die nicht richtig seien, er jedenfalls der Auffassung sei, dass es sich nicht um eine schwere Straftat gehandelt habe. Ansatzpunkte für Unrechtseinsicht, geschweige denn Reue lassen sich seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung nicht entnehmen. Er erkennt noch nicht einmal die Schwere seines über Jahre währenden strafbaren Verhaltens mit einem immensen Schaden für die Allgemeinheit. Stattdessen äußert er Unverständnis darüber, dass er eine Freiheitsstrafe verbüßen muss, während alle vier „Chefs“ der betreffenden Firmen lediglich zu Bewährungsstrafen verurteilt worden sind, und stellt unsubstantiiert Behauptungen zu angeblichen Rechtsverstößen im Verfahren des Landgerichts E. auf, die indes keinen Anlass geben, an der Richtigkeit der strafrichterlichen Feststellungen zu zweifeln.
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    Der Annahme einer fortbestehenden Wiederholungsgefahr und einer fehlenden Läuterung des Klägers nach einer entsprechenden Aufarbeitung seiner Straftaten entspricht es, dass auch die Vollstreckungskammer bei der Anhörung des Klägers am 20. März 2014 wie zuvor die Staatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 24. Februar 2014 selbst ohne das uneinsichtige Auftreten des Klägers in der hiesigen mündlichen Verhandlung zu der Einschätzung gekommen ist, dass die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 StGB für eine vorzeitige Entlassung des Klägers aus der Haft nach Verbüßung der Hälfte seiner Freiheitsstrafe nicht in Betracht kommt.
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    Vor diesem Hintergrund – insbesondere der Schwere seiner Tat und der hohen Rückfallgefahr, die sich aus der fehlenden Unrechtseinsicht und der hohen Verschuldung des Klägers als besonderer Risikofaktor ergibt – ist der Einschätzung des Beklagten zu folgen, dass das mit der Verurteilung vom 3. Januar 2012 geahndete Verhalten des Klägers das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr in Form seiner Ausweisung jedenfalls für die Dauer von sieben Jahren zu tragen vermag.
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    Umstände, die eine weitere Verkürzung dieser Frist gebieten, als sie von dem Beklagten im angegriffenen Bescheid vom 31. Mai 2013 mit einem auf insgesamt sechs Jahre vorgenommen worden ist, liegen nicht vor. Diese Frist wird sowohl verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen als auch den Vorgaben aus Art. 7 GrCH und Art. 8 EMRK gerecht. Insbesondere sind keine schutzwürdigen Belange des Klägers im Sinne des § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG ersichtlich, die eine weitere Verkürzung erfordern.
    40

    Eine schützenswerte eheliche Lebensgemeinschaft unterhält der Kläger im Bundesgebiet, das nach §§ 11 Abs. 1 S. 1, 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG insoweit allein in den Blick zu nehmen ist, nicht. Seine derzeitige Ehefrau lebt vielmehr nach eigenen Angaben in Österreich. Die vom Beklagten verfügte Ausweisung des Klägers führt auch nicht automatisch zu einem Einreise- oder Aufenthaltsverbot in Österreich. Der Beklagte selbst hat in seiner Ordnungsverfügung vom 31. Mai 2013 das Einreise- und Aufenthaltsverbot entsprechend § 11 Abs. 1 S. 1 AufenthG nur auf das Bundesgebiet bezogen. Eine Ausschreibung des Klägers im Schengener Informationssystem (SIS), die seit dem 9. April 2013 nicht mehr im Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ), sondern in der Verordnung (EG) Nr. 1987/2006 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20. Dezember 2006 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II VO) geregelt ist und nach Art. 5 Abs. 1 lit. d) des Schengener Grenzkodex grundsätzlich zur Verweigerung der Einreise auch in jeden anderen Schengen-Staat führt, ist in der Ordnungsverfügung des Beklagten noch nicht angeordnet worden. Sie setzt nach Art. 24 Abs. 1 SIS II VO zunächst eine nationale Ausschreibung – im Falle Deutschlands nach § 50 Abs. 6 AufenthG – und das Vorliegen spezieller Ausschreibungsgründe nach Art. 24 Abs. 2 und 3 SIS II VO voraus.
    41

    Vgl. insoweit zur Vorgängerregelung des Art. 96 SDÜ: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. April 2007 – 7 A 11437/06 –, juris (Rn. 30 ff.).
    42

    Eine unbedingte Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ausschreibung im SIS besteht nicht. Sie steht vielmehr in Anknüpfung an die insoweit eindeutige nationale Regelung des § 50 Abs. 6 S. 1 und 2 AufenthG trotz der scheinbar gegenteiligen Vorgabe in Ziffer 2.2.1.1 der Allgemeinen Anwendungshinweise zum Schengener Durchführungsübereinkommen (AAH-SDÜ) vom 28. Januar 1998 im Ermessen der Ausländerbehörde.
    43

    Vgl. Funke-Kaiser in: Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, Stand: Februar 2012, § 50 Rn. 56 ff.; Bauer/Winkelmann in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht – Kommentar, 10. Aufl., § 50 Rn. 18, 26 und 30; VG N. , Urteil vom 19. Dezember 2006 – M 21 K 05.2136 –, juris (Rn. 104 ff.).
    44

    Abgesehen davon spricht auf der Grundlage der Angaben des Klägers alles dafür, dass zwischen ihm und seiner Ehefrau derzeit gar keine schützenswerte Lebensgemeinschaft besteht. Denn er hat selbst auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung erläutert, im Moment keinen unmittelbaren Kontakt zu seiner Frau zu haben; Kontakt mit ihr habe lediglich seine Familie, über die er alles von ihr erfahre. Dass er derzeit selbst keinen Kontakt zu seiner Ehefrau pflegt, geht auch aus seiner Gefangenenpersonalakte hervor. Danach unterhält der Kläger zwar zahlreiche Kontakte etwa in Form von Besuchen, Briefen und Telefonaten insbesondere mit Familienangehörigen, nicht aber mit seiner Ehefrau. Sie wird von ihm weder als Ansprechpartnerin in Notfall benannt, noch nimmt sie auch nur am Telefonkontensystem in der Justizvollzugsanstalt teil. Der Kläger behauptet zwar weiter, sich entgegen den Feststellungen im Urteil des Landgerichts E. vom 3. Januar 2012 nicht von seiner Ehefrau getrennt zu haben. Andererseits spricht die weitere Angabe des Klägers, dass seine Ehefrau ihm habe ausrichten lassen, dass sie sich nach seiner Entlassung zusammensetzen und über alles reden sollten, eher gegen eine im Moment gelebte innere Verbundenheit. Hierauf deutet auch der Umstand hin, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung noch nicht einmal in der Lage war, die vollständige Adresse seiner Ehefrau anzugeben und offensichtlich bis zu seiner Inhaftierung noch eine anderweitige Beziehung in Deutschland unterhielt.
    45

    Den Kontakt zu seinen in Deutschland aufhältigen Familienangehörigen insbesondere seinen beiden hier wohnhaften Kindern, dem Bruder und seinem Onkel kann der Kläger auch von außerhalb des Bundesgebietes pflegen – sei es in Form von Briefen, Emails, Telefonaten oder Besuchen im Ausland. Da die beiden Kinder volljährig sind, hier in eigenen Familien leben und es ihnen nach eigenen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung gut geht, ist nichts dafür ersichtlich, dass sie auf seine Anwesenheit im Bundesgebiet angewiesen sind.
    46

    Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger hier im Bundesgebiet verwurzelt und in seinem Heimatland entwurzelt ist, so dass ihm eine Rückkehr dorthin nach den Maßstäben des Art. 8 EMRK bzw. Art. 7 GRCh nicht zumutbar ist.
    47

    Vgl. zum entsprechenden Schutz des Privatlebens im Einzelnen: OVG NRW, Beschluss vom 30. Januar 2008 – 18 B 1252/07 –, juris (Rn. 29 ff.
    48

    Anhaltspunkte für eine weit reichende Integration des Klägers in die hiesigen Lebensverhältnisse liegen nicht vor. Legal hat er sich in Deutschland – abgesehen von Zeiten seiner Inhaftierung – bisher lediglich sechs Jahre aufgehalten, davon nur ein humanes Jahr von April 1990 bis April 1991 mit einem Aufenthaltstitel im Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit als Waldarbeiter; anschließend war sein Aufenthalt lediglich für etwa 3 ½ Jahre als Flüchtling geduldet und nach einem kurzen Auslandsaufenthalt für ein weiteres Jahr aufgrund seines Asylantrages gestattet. Auch eine wirtschaftliche Integration ist ihm auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht gelungen. Vielmehr ist er seit langem hier nicht mehr legal erwerbstätig gewesen. Seine letzten Berufstätigkeiten im Bundesgebiet waren vielmehr jeweils unmittelbar mit Straftaten verbunden. Letztere verdeutlichen auch, dass es an einer hiesigen sozialen Integration des Klägers fehlt. Gegen eine weitgehend soziale Integration des Klägers spricht auch, dass er weiterhin erhebliche Sprachschwierigkeiten hat. Demgegenüber hat er die ersten 24 Lebensjahre in seiner Heimat im ehemaligen Jugoslawien verbracht, sich ausweislich seiner vorgelegten Personalpapiere und der Angaben in seinem Asylverfahren, aber auch im Zusammenhang mit dem Visumsantrag zur Zusammenführung mit seiner zweiten Ehefrau zwischenzeitlich immer wieder dort aufgehalten und noch während seiner Inhaftierung zahlreiche Kontakte zu den dort lebenden Familienangehörigen unterhalten, so dass auch eine dortige Entwurzelung nicht festzustellen ist.
    49

    Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
    50

    Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
    51

    Beschluss:
    52

    Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
    53

    Gründe:
    54

    Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes erfolgt.

    RechtsgebietAufenthGVorschriftenAufenthG § 11 Abs 1; AufenthG § 50 Abs 6, 53, 55; AO § 370