08.01.2015 · IWW-Abrufnummer 143575
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 04.09.2014 – 4 K 86/14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
FINANZGERICHT HAMBURG
Aktz: 4 K 86/14
04.09.2014
Urteil - Einzelrichter
Rechtskraft: NZB, Az.: VII B 157/14
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Einfuhrabgaben.
Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 08.11.2011 forderte der Beklagte vom Kläger Einfuhrabgaben in Höhe von 3.287.764,10 € (304.609,07 € Zoll, 2.373.782,04 € Tabaksteuer und 609.372,99 € Einfuhrumsatzsteuer). Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Kläger habe am ... 2007 und am... 2008 zusammen mit gesamtschuldnerisch ebenfalls in Anspruch genommenen weiteren Beteiligten den Transport von zwei Containern organisiert, in denen sich hinter einer Tarnladung über 17.000.000 Stück Zigaretten befunden hätten. Wegen der weiteren Begründung und der Berechnung wird auf den Einfuhrabgabenbescheid verwiesen.
Das Landgericht Hamburg verurteilte den Kläger mit - nach erfolgloser Revision und nicht angenommener Verfassungsbeschwerde - rechtskräftigem Urteil vom ... 2011 (...) wegen bandenmäßigen Schmuggels in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten. Das Landgericht stellte fest, dass der Kläger, mindestens seit dem Jahre 2006 den Schmuggel von Zigaretten, die in Containern hinter einer Tarnladung aus China kommend vom Freihafen Hamburg nach A transportiert worden seien, organisiert habe. Das Strafverfahren sei auf 2 Taten vom ... 2007 und ... 2008 beschränkt worden, bei denen insgesamt 17.059.200 Stück unverzollte und unversteuerte Zigaretten aus China kommend über den Hamburger Freihafen in die Europäische Union verbracht worden seien. Der Kläger habe den Zigarettenschmuggel mit zwei Mitangeklagten sowie gesondert verfolgten B beschlossen. Er habe den Zollgrenzübertritt der Transporte aus dem Freihafen Hamburg jeweils überwacht und telefonisch Kontakt mit den anderen Angeklagten, die von A aus die organisatorischen Vorbereitungen erledigt und den Kontakt zu den B gehalten hätten, gehalten. Zudem habe er den von ihm ausgesuchten Fahrern die gefälschten Frachtpapiere für die zollamtliche Abfertigung zugänglich gemacht und den Transport zu den Empfangsorten mit seinem Pkw begleitet sowie die Fahrer zum Entladeort dirigiert und überwacht. Das Landgericht stützte sich auf verschiedene Zeugenaussagen sowie insbesondere die in der Hauptverhandlung eingeführten Telefonmitschnitte. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts Hamburg verwiesen.
Der Einspruch des Klägers gegen den Einfuhrabgabenbescheid wurde mit Einspruchsentscheidung vom 07.03.2014 zurückgewiesen. Der Beklagte verwies zur Begründung auf das Urteil des Landgerichts Hamburg. Weiter trug er vor, die Abgaben seien nach Art. 202 Abs. 1 lit. b Zollkodex entstanden. Die Zigaretten seien ohne Gestellung aus dem Hamburger Freihafen in das Zollgebiet der Union verbracht worden. Da die Zigaretten hinter einer Tarnladung versteckt gewesen seien, wäre für eine ordnungsgemäße Gestellung auch die ausdrückliche Mitteilung an die Zollbehörden erforderlich gewesen. Die Zollschuld sei im Zeitpunkt des vorschriftswidrigen Verbringens entstanden. Es greife die zehnjährige Festsetzungsfrist nach Art. 221 Abs. 4 Zollkodex i. V. m. § 169 AO. Die Telefonüberwachungsprotokolle, auf die sich das Landgericht stütze, könnten gemäß § 393 Abs. 3 AO steuerlich verwertet werden. Der Kläger sei Zollschuldner entweder als Beteiligter gemäß Art. 202 Abs. 3 Anstrich 2 Zollkodex oder als Verbringer gemäß Art. 202 Abs. 3 Anstrich 1 Zollkodex. Der bei der Abgabenberechnung angesetzte Zollwert sei nicht zu beanstanden. Der Transaktionswert im Sinne von Art. 29 Zollkodex sei nicht bekannt. Anhaltspunkte für eine Wertermittlung nach Art. 30 Zollkodex bestünden nicht. Daher sei Art. 31 Zollkodex anzuwenden, es seien die vom Bundesministerium der Finanzen festgesetzten Anhaltswerte zu Grunde gelegt worden. Da die Beschlagnahme der Zigaretten nicht "bei" sondern nach dem Verbringen erfolgt sei, sei die Zollschuld nicht nach Art. 233 S. 1 lit. d Zollkodex erloschen. Dass möglicherweise ein früherer Zugriff und eine frühere Beschlagnahme möglich gewesen wären, ändere nichts. Hypothetische Geschehensabläufe könnten nicht berücksichtigt werden. Die Zollbehörden seien nicht verpflichtet, ein vorschriftswidriges Verbringen von Waren zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beenden und damit die Entstehung von Einfuhrabgaben zu verhindern bzw. die Voraussetzungen für das Erlöschen der Abgaben zu schaffen, wenn ermittlungs- oder einsatztaktische Gründe ein anderes Vorgehen nahelegten. Die Inanspruchnahme des Klägers erfolgte gesamtschuldnerisch gemäß Art. 213 Zollkodex. Die Abgabenschuld wurde gemäß § 131 Abs. 1 AO um 304.609,07 € reduziert. Die Zigaretten hätten, da nach Entstehung des Steueranspruchs eine Beschlagnahme und sp ätere Einziehung/Vernichtung erfolgt seien, als gemäß Art. 876a ZK-DVO in ein Zolllagerverfahren überführt gegolten, nach Auffassung der Kommission solle in einem solchen Fall auf die Erhebung der Abgabenart Zoll verzichtet werden.
Mit seiner am 11.04.2014 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er meint, die Abgaben seien gemäß Art. 233 Abs. 1 lit. d Zollkodex erloschen. Die Zigaretten seien vom Beklagten nach Verlassen der Freizonengrenze noch innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs bzw. des Zuständigkeitsbereichs des Hauptzollamts Hamburg-1 beschlagnahmt worden. Der Container sei verplombt gewesen. Einem Zollbeteiligten stehe es frei, wo er seine Ladung kontrollieren lasse. Der Container habe sich nach dem Passieren der Freizonengrenze nicht im freien Verkehr befunden, er habe den Freihafen ohne Einschränkung verlassen dürfen. Zudem sei der Zollwert unzutreffend festgestellt worden. Die Zollwertbestimmung hätte nach Art. 30 Zollkodex erfolgen müssen. Die eingeführte Ware werde in der Gemeinschaft verkauft, somit hätte der Beklagte den Wert nach Art. 30 Zollkodex ermitteln können. Lediglich bei einer Marke hätte er den Auffangwert nehmen dürfen.
Der Kläger beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid vom 08.11.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.03.2014 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf die angefochtenen Bescheide und betont, die Zollschuld sei nicht erloschen. Das vorschriftswidrige Verbringen sei zu dem Zeitpunkt beendet gewesen, zu dem die Waren den Ort, an dem sie hätten ordnungsgemäß gestellt werden müssen (hier das Zollamt Hamburg-2), wieder verlassen hätten. Bei der Tat vom ... 2007 seien die Zigarettenerst nach Verlassen des Amtsplatzes der Freizonengrenzzollstelle - an einer Tankstelle des Autohofs C - vom Zollfahndungsamt beschlagnahmt worden. Die Abgaben seien daher nicht erloschen. Der Zollwert sei richtig ermittelt worden. Der Transaktionswert sei nicht bekannt. Eine Wertermittlung nach Art. 30 Zollkodex sei unmöglich, weil ihm ein Schwarzmarktimportpreis für geschmuggelte Zigaretten, nicht bekannt sei. Ihm seien auch keine preisbildenden Faktoren oder Herstellungskosten im Ausfuhrland, die für eine Wertermittlung nach Art. 30 Abs. 2 lit. c bzw. d Zollkodex erforderlich seien, bekannt. Es habe daher auf ermittelte Durchschnittspreise abgestellt werden können. Die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Tabaksteuer ergebe sich aus dem Kleinverkaufspreis im Sinne von § 5 TabStG bzw. in Anwendung der Verwaltungsvorschrift zu § 5 TabStG nach § 162 AO.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.
I.
Der Einfuhrabgabenbescheid vom 08.11.2011 ist in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.03.2014 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.
Die Einfuhrumsatzsteuer und die Tabaksteuer sind nach Art. 202 Abs. 1 lit. b) Zollkodex, der gemäß § 21 Abs. 2 UStG und § 21 TabStG für diese Abgabenarten entsprechend gilt, entstanden. Die Entstehung der Einfuhrabgaben für die Zigaretten hat der Beklagte zutreffend begründet. Die Zigaretten wurden aus dem seinerzeitigen Freihafen Hamburg ohne Gestellung gemäß Art. 38, Art. 40 Zollkodex in das Zollgebiet der Union verbracht. Sofern die Lkw-Ladungen gestellt worden sind, bezieht sich die Gestellung lediglich auf Waren, die von der Erklärung erfasst sind bzw. auf die Waren, mit deren Vorhandensein der befasste Zöllner unter normalen Umständen zu rechnen hat. Hinter einer Tarnladung versteckte Waren - wie im Streitfall die Zigaretten - sind ohne eine qualifizierte Mitteilung nicht gestellt, wobei es unerheblich ist, inwieweit der Beförderer selbst Kenntnis von den betreffenden Waren hatte (BFH, Urteil vom 20.07.2004, VII R 38/01). Da es sich, wie auch das Landgericht Hamburg in seinem Urteil vom ... 2011 festgestellt hat, um Steuerhinterziehungshandlungen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gehandelt hat, ist auch keine Verjährung eingetreten. Soweit eine Steuer hinterzogen worden ist, beträgt die Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 S. 2 AO zehn Jahre.
Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger in den beiden der Einfuhrabgabenerhebung zu Grunde liegenden Fällen am bandenmäßigen und gewerbsmäßigen Schmuggel beteiligt gewesen ist und die Sachverhaltsdarstellung im Einfuhrabgabenbescheid vom 08.11.2011 zutrifft. Der zugrunde gelegte Sachverhalt ergibt sich bereits aus den Feststellungen des Landgerichts Hamburg im rechtskräftigen Urteil vom ... 2011, mit dem der Kläger wegen bandenmäßigem gewerbsmäßigen Schmuggels in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden ist (...). Das Landgericht Hamburg stellte fest, dass der Kläger gemeinsam mit zwei Mitangeklagten, die im Streitfall als Gesamtschuldner in Anspruch genommen wurden, seit mindestens 2006 und auch in den beiden streitgegenständlichen Fällen nach gemeinsamer Absprache mit Hinterleuten beschlossen hatte, in arbeitsteiliger Weise wiederholt unter Tarnladungen versteckte, in China hergestellte, unversteuerte und unverzollte Zigaretten über den Freihafen Hamburg in die europäische Union zu verbringen, um daran finanziell zu partizipieren. Die Auslieferung sollte entweder in der Bundesrepublik Deutschland oder in A an Personen, die den jeweiligen Ein- und Verkauf organisiert hatten, erfolgen. Dabei überwachte der Kläger jeweils den Zollgrenzübertritt der Transporte aus dem Freihafen in Hamburg vor Ort und hielt dabei telefonischen Kontakt mit den Mitangeklagten, die von A aus die organisatorischen Vorbereitungen erledigten und den Kontakt zu den B hielten. Der Kläger suchte danach auch die Fahrer aus, machte diesen die gefälschten Frachtpapiere für die zollamtliche Abfertigung zugänglich, begleitete die Abholung der Container aus dem Hamburger Freihafen und den Transport zu den Empfangsorten mit seinem Pkw und dirigierte und überwachte die Fahrer zum Entladeort. Das Landgericht Hamburg stützte seine Feststellungen auf die Aussagen von mehreren Zollbeamten und verschiedenen ... Zeugen sowie auf in der Hauptverhandlung abgespielte Telefonmitschnitte.
Das Gericht macht sich diese Feststellungen und rechtlichen Beurteilungen des Strafgerichts zu Eigen. Sind Vorgänge sowohl in strafrechtlicher als auch in abgabenrechtlicher Hinsicht zu ermitteln und zu würdigen, so ist das Finanzgericht zwar an die tatsächlichen Feststellungen einer vorangegangenen strafgerichtlichen Entscheidung nicht gebunden. Es ist jedoch nicht gehindert, sich die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts zu Eigen zu machen, wenn diese Feststellungen nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 S. 1 FGO) zutreffend sind und wenn keine substantiierten Einwendungen gegen die Feststellungen des Strafgerichts erhoben werden; zur Übernahme der Feststellungen des Strafgerichts besteht insbesondere Anlass, wenn die strafgerichtliche Entscheidung - wie dies im Streitfall der Fall ist - bereits rechtskräftig geworden ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteil vom 02.12.2003, VII R 17/03, Beschluss vom 02.07.2008, VII B 242/07 und vom 24.05.2013, VII B 155/12).
Das Gericht hat keine Zweifel an der Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen, zumal diese auch vom Kläger nicht substantiiert bestritten werden. Weder im Verwaltungsverfahren noch im finanzgerichtlichen Klageverfahren hat der Kläger substantiiert dargelegt, dass die Feststellungen des Strafgerichts unzutreffend seien.
Die Abgabenschuld ist nicht nach Art. 233 S. 1 lit. d) Zollkodex erloschen. Nach dieser Bestimmung erlischt die Zollschuld, wenn Waren, für die eine Zollschuld gemäß Art. 202 Zollkodex entstanden ist, bei dem vorschriftswidrigen Verbringen beschlagnahmt und gleichzeitig oder später eingezogen werden. Ein Erlöschen scheidet demnach aus, wenn die Beschlagnahme erfolgt ist, nachdem die Waren bereits verbracht worden waren. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 02.04.2009, C-459/07, bestätigt durch EuGH, Urteil vom 29.04.2010, C-230/08) führt die Beschlagnahme von vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union verbrachten Waren nur dann zum Erlöschen der Zollschuld, wenn sie erfolgt, bevor die Waren über die erste innerhalb dieses Gebiets liegende Zollstelle hinaus gelangt sind. In dem Moment, in dem die Waren über die erste innerhalb des Zollgebiets der Union liegende Zollstelle hinaus gelangt sind, ohne dort gestellt worden zu sein, ist das vorschriftswidrige Verbringen vollzogen. Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 07.03.2006 (VII R 23/04) erkannt, dass das vorschriftswidrige Verbringen von Waren im Sinne des Art. 233 S. 1 lit. d) Zollkodex beendet sei, wenn die Waren den Ort, an dem sie hätten gestellt werden müssen, wieder verlassen hätten, ohne dass eine ordnungsgemäße Gestellung erfolgt sei, denn mit dem Verlassen des Amtsplatzes habe die Ware das Innere des Zollgebiets der Gemeinschaft erreicht. Zu diesem Zeitpunkt ist unabhängig von der Frage, auf welchen Bereich sich die örtliche Zuständigkeit einer Zollstelle erstreckt, eine zollamtliche Überwachung der Waren tatsächlich nicht mehr möglich; der Verbringer befindet sich nicht mehr unter den Augen des Zolls, er kann nach Belieben mit der Ware verfahren (BFH, Urteil vom 07.03.2006, VII R 23/04). Dieser Rechtsprechung folgt das Gericht.
Wie sich aus dem Urteil des Landgerichts Hamburg und den vom Beklagten vorgelegten Unterlagen ergibt, verließ der Lkw im Fall der Tat vom ... 2007 den Freihafen über den Landübergang D. Zuvor hatte der Fahrer beim Zollamt Hamburg-2 ein T 1 Verfahren für den weiteren Transport der Tarnladung eröffnet und die Verplombung veranlasst. Statt den Freihafen endgültig zu verlassen, hielt er sich vielmehr weiter innerhalb des Freihafens auf, um diesen dann nachts über den Landübergang D zu verlassen, wo ihm aufgrund der unzutreffenden Papiere die Weiterfahrt in das Gemeinschaftsgebiet gestattet wurde. Die Beschlagnahme der Zigaretten erfolgte dann erst nach dem Passieren der Freihafengrenzzollstelle auf dem Autohof C (X-Straße, ... Hamburg), wo der Container im Rahmen einer Fahndung gefunden wurde. Die Fahndung war veranlasst worden, nachdem der Container entgegen der Anordnung des Zollamts Hamburg-2 nicht bei der Containerprüfanlage vorgeführt worden war. Vom tatsächlichen Inhalt des Containers wussten die Zolldienststellen zu diesem Zeitpunkt nichts. Der Autohof C liegt außerhalb des Freihafens in einer Entfernung von ca. 5 km zum Landübergang D (Y-Damm). Er liegt ersichtlich außerhalb des Amtsplatzes der Grenzzollstelle und war der zollamtlichen Überwachung gänzlich entzogen. Da es auf den Sitz (Amtsplatz) der passierten Abfertigungsstelle ankommt, ist entgegen der Auffassung des Klägers unerheblich, inwieweit die Beschlagnahme noch innerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbereichs der übergeordneten Hauptzollämter Hamburg-1 bzw. Hamburg-3 - dem Beklagten - erfolgt ist.
In Bezug auf die Tat vom ... 2008 gilt im Ergebnis nichts anderes. Der Container mit den geschmuggelten Zigaretten hat den Freihafen ohne Gestellung über das Zollamt E verlassen. In diesem Fall erfolgte die Beschlagnahme in F, also wiederum nach dem Passieren einer Freihafengrenzzollstelle. Der Unterschied zur Tat vom ... 2007 besteht lediglich darin, dass der Containerinhalt noch im Freihafen durch das Röntgen des Containers erkannt und die Beförderung des Containers bis nach F observiert wurde. Das Passieren der Grenzzollstelle und die folgende Beförderung nach F erfolgten also gewissermaßen unter den Augen des Zolls. Der Ansicht des Klägers, die Waren hätten wegen der zollamtlichen Beobachtung nicht ungehindert in den Wirtschaftskreislauf eingehen können, weshalb das Verbringen bis zur Beschlagnahme noch nicht abgeschlossen gewesen sei, ist nicht zu folgen. In jedem Fall haben die Waren mit dem Passieren der Grenzzollstelle den Bereich der intensiven zollamtlichen Überwachung bereits verlassen, die Interessen der innergemeinschaftlichen Wirtschaft waren bereits konkret gefährdet (vgl. BFH, Urteil vom 07.03.2006, VII R 23/04). Die Verfolgung des Lkws bei der weiteren Beförderung des Containers kann nicht als intensive zollamtliche Überwachung verstanden werden. Es ist grundsätzlich möglich, dass der Lkw aus den Augen gerät und es - aus welchen Gründen immer - letztlich nicht zum Zugriff kommt. Dass die Zollbehörden bereits im Gebiet des Freihafens hätten zugreifen und die Zigaretten beschlagnahmen können, spricht nicht für ein Erlöschen der Abgabenschuld. Es ist zwar richtig, dass die Abgaben erloschen wären, wenn die Zigaretten bereits im Freihafen beschlagnahmt worden wären, auf derart hypothetische Geschehensabläufe kann indes nicht abgestellt werden. Es ist hinzunehmen, dass das Erlöschen der Einfuhrabgaben auch von dem Ausgang ermittlungstaktischer Überlegungen der Zollbehörden über den Zeitpunkt des Zugriffs abhängt, die Zollbehörden sind nicht verpflichtet, ein vorschriftswidriges Verbringen von Waren zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beenden um damit die Entstehung der Einfuhrabgaben zu verhindern bzw. die Voraussetzungen für das Erlöschen der Abgaben zu schaffen, wenn ermittlungs- oder einsatztaktische Gründe ein anderes Vorgehen nahelegen (BFH, Urteil vom 07.03.2006, VII R 23/04). Dass der Zugriff nicht bereits im Freihafen Hamburg, sondern erst in F erfolgte, um die Hinterleute zu ermitteln, ist daher unproblematisch.
Auch der Höhe nach sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden.
Dies gilt zunächst für die Ermittlung des Zollwerts. Eine Zollwertbestimmung nach dem Transaktionswert kommt vorliegend nicht in Betracht, weil dieser Wert nicht bekannt ist. Nach Art. 29 Abs. 1 ist der Zollwert eingeführter Waren der Transaktionswert, das heißt der für die Waren bei einem Verkauf zur Einfuhr in das Zollgebiet der Union tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis. Diesen Preis hat der darlegungspflichtige Kläger nicht mitgeteilt. Er ist auch sonst für das Gericht nicht ersichtlich. Kann der Transaktionswert nicht nach Art. 29 Zollkodex bestimmt werden, muss die Wertermittlung nach Art. 30 Zollkodex oder Art. 31 Zollkodex erfolgen. Hinreichend sichere Anhaltspunkte für eine Wertermittlung nach Art. 30 Abs. 2 Zollkodex liegen nicht vor. Nachvollziehbar hat der Beklagte in der Einspruchsentscheidung dargelegt, dass ein Transaktionswert bzw. ein inländischer Verkaufspreis für gleiche oder gleichartige Waren jedenfalls im Falle der Marke L, die nie legal eingeführt wird, nicht bekannt ist (Art. 30 Abs. 2 lit. a, b und c Zollkodex). Für die anderen Marken, so haben die Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 04.09.2014 vorgetragen, ist der Rückgriff auf bekannte Transaktionswerte für Zigaretten gängiger Marken insofern problematisch, als bei der Anmeldung lediglich die Warennummer für Zigaretten, nicht jedoch die konkrete Marke angegeben werden muss, so dass zuverlässige Werte nicht vorliegen. Ebenso unterliegt keinem Zweifel, dass der Beklagte nicht über die zur Berechnung des Zollwerts nach Art. 30 Abs. 2 lit. d Zollkodex erforderlichen Daten verfügt. Zu Recht wurde der Zollwert daher nach Art. 31 Zollkodex bemessen. Der Beklagte stützt sich, wie im Schriftsatz vom 02.07.2014 deutlich wird, auf Anhaltswerte, die auf der Basis von statistisch aus ATLAS ermittelten Durchschnittspreisen für Waren der gleichen Unterposition ermittelt wurden. Der Zollwert pro Zigarette wird bei Einfuhren von mehr als 1 Million Stück danach mit 0,031 € angesetzt, wobei schon ein erheblicher "Mengenrabatt" berücksichtigt worden ist, da bei Einfuhren von bis zu 50.000 Stück ein Zollwert von 0,058 € je Zigarette angesetzt wird. Dass es sich bei der Zugrundelegung dieser ATLAS-Daten um eine zweckmäßige Methode handelt, und dass die Daten in der EU verfügbar sind, hält das Gericht grundsätzlich nicht für zweifelhaft (vgl. auch FG Hamburg, Beschluss vom 05.01.2011, 4 V 155/10).
Aber auch die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Tabaksteuer ist in Ordnung. Der Beklagte ist vom Kleinverkaufspreis ausgegangen, wobei er - da insoweit eine gesetzliche Differenzierung in Bezug auf die Besteuerung von Tabakwaren fehlt - nicht berücksichtigt hat, dass es sich um Schmuggelzigaretten gehandelt hat. Die angesetzten Kleinverkaufspreise entsprechen den inländischen Kleinverkaufspreisen für Zigaretten, der im Sortenverzeichnis des Hauptzollamts Bielefeld (Arbeitsbereich Tabaksteuer und Steuerzeichenstelle) zusammengefasst sind (Anlage zum Schriftsatz des Beklagten vom 03.09.2014). Die dort aufgelisteten Preise wurden jeweils im Abgabenbescheid vom 08.11.2011 korrekt übernommen. Für Zigaretten der Marke L, die nur illegal eingeführt werden, gibt es keinen Kleinverkaufspreis, insoweit hat der Beklagte zu Recht nach § 162 AO geschätzt und sich dabei im unteren Bereich der für gängige Zigarettenmarken festgestellten Kleinverkaufspreise bewegt. Diese Vorgehensweise unterliegt keinerlei Bedenken.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 04.09.2014 erstmals vorgetragen hat, der Bescheid vom 08.11.2011 sei rechtswidrig oder gar nichtig, weil er vor Erlass des Strafurteils vom ... 2011 auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft erlassen wurde und - so der Kläger - das Strafurteil auf diesem Bescheid fuße, kann dem nicht gefolgt werden. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit des Bescheides gemäß § 125 AO sieht das Gericht nicht. Nichtigkeitsgründe gemäß § 125 Abs. 2 AO liegen ersichtlich nicht vor. Aber auch ein besonders schwerwiegender, offenkundiger Fehler im Sinne von § 125 Abs. 1 AO ist nicht ersichtlich. Ein Abgabenbescheid kann ohne weiteres bereits vor einer strafrechtlichen Verurteilung ergehen. Ob die Tatsachengrundlage, von der das Hauptzollamt bei der Abgabenerhebung ausgeht, reicht oder nicht, ist eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit. Abgesehen davon steht zur gerichtlichen Überprüfung nicht isoliert der Abgabenbescheid vom 08.11.2011 sondern gemäß § 44 Abs. 2 FGO der Ausgangsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung, die dem Strafurteil zeitlich nachfolgte. Die von der Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 04.09.2014 formulierte Annahme, das Strafurteil stütze sich auf einen von der Staatsanwaltschaft veranlassten Einfuhrabgabenbescheid, ist - unabhängig von der Frage der rechtlichen Relevanz eines solchen Vortrags - nicht nachvollziehbar. Die der Abgabenerhebung unterworfene Zigarettenmenge ergibt sich aus den in den fraglichen Containern festgestellten Mengen. Das Landgericht stützt die Verurteilung des Klägers nicht maßgeblich auf den Abgabenbescheid des Beklagten, sondern auf Zeugenaussagen und Telefonüberwachungsprotokolle. Sofern das Strafgericht hinsichtlich des Umfangs des Steuerschadens auf zollamtliche Berechnungen zurückgreift, ist das nicht zu beanstanden.
Als Beteiligter ist der Kläger Zollschuldner nach Art. 202 Abs. 3 Beistrich 2 Zollkodex geworden. Seine Beteiligung an dem vorschriftswidrigen Verbringen und die Tatsache, dass er wusste, dass er damit vorschriftswidrig handelte, ergibt sich bereits aus den Feststellungen des Landgerichts Hamburg, denen das Gericht auch insoweit folgt.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.