13.05.2015 · IWW-Abrufnummer 144485
Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 13.01.2015 – VIII-1 StO 1/14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Düsseldorf
VIII-1 StO 1/14
Tenor:
Die Berufung des Berufsangehörigen wird auf seine Kosten verworfen.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e :
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat dem Berufsangehörigen mit Anschuldigungsschrift vom 3. Februar 2014 zur Last gelegt, seine Berufspflichten als Steuerberater schuldhaft verletzt zu haben. Die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Landgerichts Münster (Westf.) hat dem Berufsangehörigen mit Urteil vom 29. August 2014 wegen schuldhafter Berufspflichtverletzung einen Verweis erteilt und gegen ihn eine Geldbuße von4.900,00 € festgesetzt (§§ 57 Abs. 1 und 2, 89, 90 StBerG).
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Hiergegen richtet sich die Berufung des Berufsangehörigen, der einen Freispruch erstrebt.
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Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
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I.
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Zu den persönlichen Verhältnissen des Berufsangehörigen hat der Senat folgende Feststellungen getroffen:
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Der jetzt …. Jahre alte und am 2. Mai 2003 als Steuerberater bestellte Berufsangehörige nahm nach Abitur und Wehrdienst im Jahr 1996 ein Studium an der Fachhochschule für Finanzen in N auf, welches er 1999 als Diplom-Finanzwirt beendete. Von 1999 bis 2003 arbeitete er zunächst als Angestellter in einer Steuerberater- und Wirtschaftsprüfer-Sozietät in E. Anschließend war er erst als Angestellter bzw. als freier Mitarbeiter und später als Partner in der Rechtsanwalts- und Steuerberater-Sozietät L und S in G tätig. Nachdem er wegen der diesem Verfahren zugrundeliegenden Vorfälle aus der Sozietät ausgeschieden war, betreibt der Berufsangehörige seit dem Jahr 2009 in gemieteten Räumen eine eigene Steuerberatungskanzlei in , in der er fünf Mitarbeiter beschäftigt. Mit dieser erzielte er im Jahr 2014 einen Umsatz von etwa 550.000,00 € und einen Gewinn von ca. 140.000,00 €. Der Berufsangehörige ist Miteigentümer eines Mehrfamilienhauses und bewohnt selbst mit seiner Ehefrau und seinem Sohn, der ein Jahr und zwei Monate alt ist, ein gemietetes Haus.
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Der Berufsangehörige ist bislang berufsrechtlich nicht in Erscheinung getreten.
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Jedoch liegt eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer Straftat vor.
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Das Landgericht P (01 KLs - 6 Js 81/08 – 5/11) verurteilte den Berufsangehörigen am 12. Juni 2012 wegen versuchter Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten; die Vollstreckung der Freiheitsstrafe ist zur Bewährung ausgesetzt worden. Durch dieses Urteil wurden außerdem die Angeklagten F wegen Betruges und W wegen versuchter Steuerhinterziehung zu Freiheitstrafen verurteilt, deren Vollstreckung ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Gegenstand des Urteils sind Vorgänge im Zusammenhang mit Kapitalanlagen zahl-reicher Personen.
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Der Verurteilung ist eine Hauptverhandlung vorausgegangen, die an 23 Verhandlungstagen in der Zeit vom 7. Dezember 2011 bis zum 12. Juni 2012 – also über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten – stattgefunden hat. In den Sitzungen sind insgesamt 48 Zeugen vernommen worden, davon waren 40 Personen Kapitalanleger; 8 Zeugen sind zum Organisationsablauf der Kapitalanlagen gehört worden. Das Urteil beruht hinsichtlich aller drei Angeklagten auf einer Verständigung im Sinne des § 257c StPO. Auf die Einzelheiten der Verständigung wird im weiteren Verlauf der Begründung noch näher eingegangen.
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Der Berufsangehörige hat gegen das vorgenannte Urteil ebenso wie die übrigen Angeklagten keine Revision eingelegt, so dass es mit Ablauf der Rechtsmittelfrist am 20. Juni 2012 rechtskräftig geworden ist. Gegenstand des vorliegenden berufsgerichtlichen Verfahrens ist der Sachverhalt, der auch schon dem Urteil des Landgerichts Paderborn zugrundeliegt.
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II.
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Zur Sache geht der Senat von den tatsächlichen Feststellungen aus, die das Landgericht Paderborn in dem vorgenannten Urteil vom 12. Juni 2012 zu den strafbaren Handlungen getroffen hat und die in der Sitzung vor dem Senat gemäß § 249 Abs. 1 StPO verlesen worden sind. Dort wird zu dem Berufsangehörigen und zu dem früheren Mitangeklagten Weßling ausgeführt:
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„Gemeinsam besuchten sie im Jahr 2001/2002 den Aufbaustudiengang des internationalen Steuerrechts an der Universität H. Hier lernten sie sich kennen. Auf einer gemeinsamen Zugfahrt von H zurück nach M setzten sie sich mit der Möglichkeit, erhebliche Steuerersparnisse auf Grundlage des § 7 g Abs. 3 EStG a. F. zu erzielen, auseinander. Nach ihren Vorstellungen sollten in erster Linie selbstständig und freiberuflich tätige Personen als atypische stille Gesellschafter – in der Regel im Rahmen einer zuvor mit einem Familienangehörigen oder sonstigen Dritten gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) – sich in einer Größenordnung von bis zu 5.000,00 € pro GbR an einem ausländischen Unternehmen beteiligen. Anschließend sollte für die vorgeblich künftige Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern betreffend das ausländische Unternehmen eine den Gewinn mindernde Rücklage gemäß § 7 g Abs. 3 EStG a. F. in Höhe von bis zu 154.000,00 € als gesetzlich zulässiger Höchstbetrag gebildet werden (sogenannte Ansparabschreibung). Die gebildete Rücklage sollte sodann gegenüber dem deutschen Finanzamt zur Reduzierung der persönlichen Einkommenssteuerlast geltend gemacht werden können. Spätestens nach 2 Jahren sollte die Rücklage sodann wieder aufgelöst werden. Der aus § 7 g Abs. 4 Satz 2 EStG a. F. folgende 6-prozentige Strafzuschlag sollte sodann dadurch kompensiert werden, dass aufgrund des vornehmlich mit osteuropäischen Ländern bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens nur das tatsächlich im Inland erzielte Einkommen mit dem 6-prozentigen Strafzuschlag zu versteuern ist. Anders als bei einer Auflösung einer Ansparabschreibung im Inland sollte die aufgelöste Ansparabschreibungssumme nicht zu dem zu versteuernden Einkommen hinzugezogen werden müssen. Lediglich zur Ermittlung des Steuersatzes würde die aufgelöste Ansparabschreibungssumme zu dem tatsächlich im Inland zu versteuernden Einkommen hinzugezogen. In Zahlen ausgedrückt sollte sich die Wirkung von negativen Progressionsvorbehalt und Doppelbesteuerungsabkommen wie folgt auswirken:
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2006 / 2007
1) Kalkulation ohne Ansparrücklage
Zu versteuerndes Einkommen 170.000,- € /
170.000,- €
Durchschnittssteuersatz 37,34 % / 37,34 %
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Steuern gesamt (ESt 63.478,- € + Solidariätszuschlag 3.491,29 € + Kirchensteuer 5.713,02 €) 72.682,31 € / 72.682,31 €
2) Kalkulation mit Ansparrücklage
Zu versteuerndes Einkommen 170.000,- € /
170.000,- €
Ansparabschreibung (- Bildung/+ Auflösung) - 154.000,- € / + 154.000,- €
Einkommen für die Berechnung des Durchschnittssteuersatzes 16.000,- € /
324.000,- l€
Einkommenssteuer-Durchschnittssatz 11,21 % / 40,24 %
Tatsächlich mit diesem Satz zu versteuerndes Einkommen 170.000,- € /
170.000,- €
Steuer gesamt (EK – Steuer + Solidaritätszuschlag +Kirchensteuer) 21.820,27 € / 78.327,16 €
Steuerersparnis (+) / Steuermehrbelastung
+ 50.862,04 € / - 5.644,85 €
Steuerersparnis insgesamt (54.228,- € - 4.294,- €) + 45.217,19 € /
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Im Jahr 2004 veröffentlichten die Angeklagten W und R zu der von ihnen gesehenen Möglichkeit, erhebliche Steuervorteile über § 7 g Abs. 3 EStG a. F. mit Auslandsbezug zu erzielen, unter dem Titel „Ansparabschreibung im „Outbound- Fall“ in der Fachzeitschrift IWB einen ersten Aufsatz. Nachfolgend publizierten sie weitere Aufsätze in verschiedenen Fachzeitschriften zu diesem Thema.
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Der gesondert verfolgte Meschede wurde über einen entsprechenden Aufsatz der Angeklagten W und R auf das Steuersparmodell aufmerksam. Er entwickelte die Idee, das Modell gewinnbringend in größerem Umfang an eine Vielzahl von Interessenten zu vertreiben. Zu diesem Zweck nahm er zunächst Kontakt zu den Angeklagten W und R auf, ließ sich das Modell erklären und gründete schließlich mit notariellem Vertrag vom 02.11.2004 die OPRO-AG in Lippstadt mit einem Stammkapital in Höhe von 50.000,00 € und machte sich zugleich zu deren alleinvertretungsberechtigtem Vorstand. Über die O-AG sollte das Modell gewinnbringend an eine Vielzahl von Anlegern vertrieben werden. Aktionäre der O-AG wurden mit 51 %, der gesondert verfolgte Meschede und mit 49 % die Firma S GmbH, bei der es sich um eine 100-prozentige Tochterfirma der Sozietät L und Partner handelt und an der die Angeklagten W und R mit jeweils 15 % beteiligt waren. Zu Aufsichtsräten der O-AG wurden die Angeklagten W und R sowie Werner M, bei dem es sich um den Vater des gesondert verfolgten Sven M handelte, bestellt. Abgesehen von einer Aufsichtsratssitzung kurz nach der Gründung der O-AG erfolgten im Anschluss daran keine weiteren förmlichen Aufsichtsratssitzungen.
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Anfang Februar 2005 stieß der Angeklagte Feldmeier zunächst als freier Mitarbeiter zu der O-AG. Mit Datum vom 01.12.2006 wurde der Vorstand der O-AG um den Angeklagten F erweitert.
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Die O-AG vermarktete das von den Angeklagten W und R entwickelte Steuersparmodell unter dem Namen „Steuerstrategie Null“. Die Akquirierung von Kunden für das Steuermodell erfolgte neben Anzeigen in Fachzeitschriften in erster Linie durch eine Vielzahl von bundesweit durchgeführten Vortrags-und Informationsveranstaltungen, auf denen Interessenten die Funktionsweise des Konzeptes durch die Angeklagten W und R sowie den gesondert verfolgten M jeweils näher dargelegt und zudem die von ihnen verfasste Informationsbroschüre „Steuerstrategie NullI“ verteilt wurde. In dieser Broschüre fanden sich auch geschwärzte Steuerbescheide, wonach das Steuersparmodell von verschiedenen Finanzämtern bundesweit bereits anerkannt worden war. Teilweise nahmen an den Vortragsveranstaltungen auch Steuer- und Vermögensberater teil, die anschließend ihrerseits das Steuersparmodell eigenen Mandanten vorgestellt und bei deren Interesse die zur praktischen Durchführung erforderlichen Schritte mit den Verantwortlichen der O-AG im Namen ihrer Mandanten abgewickelt haben.
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Sofern durch die Informationsveranstaltung ein entsprechendes Interesse geweckt war, meldeten sich die potentiellen Anleger oder ihre Berater bei der O-AG und vereinbarten einen Beratungstermin. Die anschließenden Beratungsgespräche durch den Angeklagten F oder den gesondert verfolgten M fanden entweder beim Kunden selbst, teilweise aber auch in den Räumlichkeiten der O-AG statt. Zum Teil wurden auch lediglich telefonische Beratungsgespräche geführt. Insbesondere zum Ende der Jahre 2005 und 2006 häuften sich die Anfragen von Interessenten, die noch für das laufende Jahr unter Inanspruchnahme des Steuersparmodells Steuervergünstigungen erzielen wollten, jedoch dermaßen, dass persönliche Beratungsgespräche mit sämtlichen Anlegern nicht mehr möglich waren. In diesen Fällen wurden auf Anfrage seitens der O-AG unter Verantwortung des Angeklagten F und des gesondert verfolgten M lediglich schriftliche oder digitalisierte Informationsmaterialien sowie Muster der diversen Vertragsunterlagen und Vollmachten an die Interessenten übersandt.
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Entschied ein Interessent daraufhin, das Steuersparmodell für sich in Anspruch zu nehmen, schloss er mit der O-AG, diese jeweils vertreten durch den gesondert verfolgten M als Vorstandsvorsitzenden oder einen sonstigen mit entsprechender Vollmacht ausgestatteten Mitarbeiter, zunächst einen Honorarvertrag ab. Der Vertragsgegenstand lautete nach § 1 der Honorarverträge übereinstimmend wie folgt:
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„Vermittlung, Beratung und Unterstützung bei der Suche nach Beteiligungen (Kapitalanlage) an Firmen im In- und Ausland, Unterstützung bei der Abwicklung der Beteiligung mit sämtlichen dazugehörigen behördlichen und steuerlichen Aspekten (keine Rechts- und Steuerberatung).“
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Die Vergütung für die O-AG sollte sich gemäß § 5 des Honorarvertrags nach der erwirtschafteten Nettorendite der vermittelten Kapitalanlage – einschließlich etwaiger Steuerrückflüsse – richten und je nach Vertrag 20 oder 25 % betragen. Weitere Vergütungs- bzw. Provisionsabreden zwischen den Anlegern und der O-AG bestanden nicht. Dem jeweiligen Honorarvertrag war darüber hinaus eine Beispielsrechnung beigefügt. Dieses sah wie folgt aus:
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