11.08.2016 · IWW-Abrufnummer 187929
Sozialgericht Stuttgart: Urteil vom 08.03.2016 – S 8 KR 4005/14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
S 8 KR 4005/14
Im Namen des Volkes
Urteil
in dem Rechtsstreit
xxx
Die 8. Kammer des Sozialgerichts Stuttgart
hat auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 08.03.2016 in Stuttgart
durch die Richterin am Sozialgericht ..... als Vorsitzende
sowie den ehrenamtlichen Richter ....... und
die ehrenamtliche Richterin ......
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist eine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Säumniszuschlägen streitig.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform der GmbH insgesamt zwei Tankstellen in S...., und zwar in G.. und in Z.... Seit dem Jahr 2002 war der Beigeladene für die Klägerin auf geringfügiger Basis tätig. Zum 07.01.2004 meldete der Beigeladene folgende Tätigkeiten als Gewerbe an: C. f. I. auf den Philippinen (Vermittlung von Geschäftsbeziehungen), Büroservice, Partnervermittlung. Zum 01.03.2004 wurde der Beigeladene von der Klägerin mit der Leitung der Tankstelle Z. betraut. Seine Tätigkeiten wurden hierbei wie ein freies Dienstverhältnis abgerechnet. Mit Bescheiden der Bundesagentur für Arbeit vom 04.03.2004, 31.01.2005 und 30.06.2006 wurden dem Beigeladenen Existenzgründungszuschüsse für den Zeitraum vom 07.01.2004 bis 06.01.2007 gewährt. Seit dem 01.03.2004 war der Beigeladene als freiwilliges Mitglied bei der Beklagten kranken- und pflegeversichert. Seit dem 01.01.2005 war der Beigeladener mit einem Gesellschaftsanteil von 20% (Kapitaleinsatz 20.000,00 €) Gesellschafter der Klägerin.
Durch Manipulationen im Kassenabrechnungssystem der Tankstelle Z. beim Verkauf von Zigaretten sind der Klägerin im Zeitraum vom 01.11.2006 bis 13.01.2007 erhebliche finanzielle Schäden entstanden. Nach Aufdeckung der Manipulationen sind dem Beigeladenen weitere Tätigkeiten auf dem Tankstellengelände untersagt worden. Am 13.01.2007 hat die Klägerin das freie Dienstverhältnis mit dem Beigeladenen fristlos gekündigt. Mit Schreiben vom 27.02.2007 wurde dem Beigeladenen nochmal vorsorglich außerordentlich und fristlos gekündigt. Auf der Gesellschafterversammlung am 21.02.2007 wurden die Geschäftsanteile des Beigeladenen durch einstimmigen Beschluss der anwesenden Gesellschafter eingezogen.
Am 16.04.2007 erhob der Beigeladene Klage zum Arbeitsgericht Stuttgart und wollte festgestellt wissen, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis bestehe. Des Weiteren klagte er für die Monate Dezember 2006 bis März 2007 Vergütungen ein. Die Klägerin erhob Widerklage und macht hierbei den vom Beigeladenen verursachten Schaden geltend. Das Arbeitsgericht Stuttgart wies im Urteil vom 02.08.2007 den Antrag des Klägers auf Feststellung, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis bestehe, ab und führte in den Entscheidungsgründen hierzu folgendes aus: „Die Kammer geht davon aus, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Dass der Kläger mit einer Einlage in Höhe von 20.000,00 € an der Beklagten beteiligt war oder ist, spielt für die Qualifizierung des Dienstverhältnisses keine Rolle. Der Kläger war auch nicht Pächter der Tankstelle in Z.. Das war die Beklagte. Der Kläger hatte feste Arbeitszeiten einzuhalten, er war bezüglich der Abgabepreise an Kraftstoffen und verkauften Waren an feste Vorgaben gebunden. Das wirtschaftliche Risiko aus dem Tankstellenbetrieb trug die Beklagte allein. Der Kläger hat auch keine weiteren Personen beschäftigt. Die dort tätigen Personen waren allesamt Beschäftigte der Beklagten. Dass der Kläger sich an die ihm erteilten Vorgaben nicht gehalten hat, sondern die Beklagte erheblich geschädigt hat, spricht nicht für ein freies Dienstverhältnis. Das Rechtsverhältnis der Parteien ist spätestens mit Zugang des Kündigungsschreibens der Beklagten vom 27.02.2007 aufgelöst worden. Der Kläger hat sich gegen die Kündigung erstmals mit Klageerhebung am 16.04.2007, bei Gericht am 18.04.2007 eingegangen, gewährt. Damit war die 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG abgelaufen. Wie die Beklagte das gekündigte Rechtsverhältnis bezeichnet hat, ist entgegen der Auffassung des Klägers unerheblich.“
Mit Schreiben vom 19.05.2010 wies der Beigeladene die beklagte Krankenkasse daraufhin, dass das Arbeitsgericht Stuttgart mit Urteil vom 02.08.2007 festgestellt hat, dass seine Tätigkeit für die Klägerin kein freies, sondern ein abhängiges Dienstverhältnis gewesen sei. Daher fordere er seine geleisteten Beiträge (01/2004 bis 01/2007) zurück.
Mit Schreiben vom 26.10.2010 teilte die Beklagte dem Beigeladenen mit, dass er bis zum 06.01.2007 einen Existenzgründungszuschuss bezogen habe und daher als hauptberuflich selbständig zu betrachten sei. Sollte er den Zuschuss zurückzahlen müssen, werde das Versicherungsverhältnis erneut geprüft.
Mit Schreiben vom 13.12.2010 machte der Beigeladene durch seinen Bevollmächtigten erneut bei der Beklagten die Rückzahlung seiner geleisteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge geltend.
Mit Bescheid vom 14.04.2011 hob die Bundesagentur für Arbeit die Bewilligung des Existenzgründungszuschusses ab dem 07.01.2004 auf und forderte den Beigeladenen zur Rückzahlung der geleisteten Zuschüsse auf. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Beigeladenen wies die Bundesagentur für Arbeit mit Widerspruchsbescheid als unbegründet zurück.
Mit Schreiben vom 25.07.2011 teilte die Beklagten dem Beigeladenen mit, dass seine freiwillige Mitgliedschaft als Selbstständiger in eine Pflichtmitgliedschaft als Arbeitnehmer umgewandelt worden sei.
Mit Schreiben vom 28.09.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Beigeladene nach der in der Urteilsbegründung des Arbeitsgerichts Stuttgart aufgeführten Entscheidungsgründen in einem anhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden und damit der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung unterlegen habe. Deshalb seien für den Beigeladenen für die Dauer seiner Beschäftigung Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten. Die Klägerin werde daher gebeten, für den Beschäftigungszeitraum (01.03.2004 bis 27.02.2007) die entsprechenden Meldungen zur Sozialversicherung vorzunehmen und die Beitragsnachweise einzureichen. Vorab würden die Sozialversicherungsbeiträge in Anlehnung an die in der Urteilsbegründung angegebene Vergütung geschätzt. Diese Beitragsschätzungen seien bis zur Einreichung der tatsächlichen Beitragsnachweise zur Zahlung fällig. Aus dem beiliegenden Kontoauszug ergab sich eine Beitragsnachforderung in Höhe von 42.304,42 €.
Mit Schreiben vom 21.10.2011 legitimierte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Beklagten.
Mit Leistungsbescheid vom 04.11.2011 mahnte die Beklagte offene Gesamtsozialversicherungsbeiträge sowie Säumnis- und Mahngebühren in Höhe von insgesamt 42.777,42 € an.
Gegen die Bescheide vom 28.09.2011 und 04.11.2011 legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vorsorglich Widerspruch ein. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Widerspruch nur vorsorglich erfolge, da noch kein vollstreckbarer Beitragsbescheid ergangen sei. Mit einem weiteren Schreiben vom 06.12.2011 wurde ausgeführt, dass sich die Klägerin auf den Selbständigenstatus des Beigeladenen berufe und sie die Einrede der Verjährung geltend mache.
Mit Leistungsbescheid vom 09.01.2012 mahnte die Beklagte offene Gesamtsozialversicherungsbeiträge sowie Säumnis- und Mahngebühren in Höhe von insgesamt 42.799,92 € an.
Mit Leistungsbescheid vom 05.03.2011 mahnte die Beklagte offene Gesamtsozialversicherungsbeiträge sowie Säumnis- und Mahngebühren in Höhe von insgesamt 43.646,92 € an.
Mit Bescheid vom 05.06.2012 machte die Beklagte Säumniszuschläge für den Abrechnungsmonat 05/2012 in Höhe von 423,50 € geltend. Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 29.06.2012 durch ihre Prozessbevollmächtigte Widerspruch ein.
Mit Leistungsbescheid vom 04.07.2012 mahnte die Beklagte offene Gesamtsozialversicherungsbeiträge sowie Säumnis- und Mahngebühren in Höhe von insgesamt 45.340,92 € an.
Mit Bescheid vom 05.07.2012 stellte die Beklagte erneut die Melde- und Beitragspflicht der Klägerin für den Beigeladenen vom 01.03.2004 bis 27.02.2007 fest. Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 09.07.2012 durch ihre Prozessbevollmächtigte Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 03.08.2012 machte die Beklagte Säumniszuschläge für den Abrechnungsmonat 07/2012 in Höhe von 423,50 € geltend. Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 13.08.2012 durch ihre Prozessbevollmächtigte Widerspruch ein.
Mit Leistungsbescheid vom 05.09.2012 mahnte die Beklagte offene Gesamtsozialversicherungsbeiträge sowie Säumnis- und Mahngebühren in Höhe von insgesamt 46.187,92 € an. Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 17.09.2012 durch ihre Prozessbevollmächtigte Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 04.10.2012 machte die Beklagte Säumniszuschläge für den Abrechnungsmonat 09/2012 in Höhe von 423,50 € geltend. Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 16.10.2012 durch ihre Prozessbevollmächtigte Widerspruch ein.
Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigen der Klägerin vom 17.04.2013 teilte sie der Beklagten die an den Beigeladenen geflossenen Rechnungsbeträge mit. Mit Schreiben vom 19.07.2013 bot sie eine Teilzahlung in Höhe von 5.000,00 € an.
Die Beklagte wies den Widerspruch vom 07.12.2011 gegen den Bescheid vom 28.09.2011 sowie den Widerspruch vom 09.07.2012 gegen den Bescheid vom 05.07.2012 mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2014 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Widerspruch vom 07.12.2011 verfristet sei, die Verfristung jedoch durch die weitere Bearbeitung durch die Beklagte geheilt sei. Die Widersprüche seien somit zulässig, jedoch unbegründet. Für die Feststellung, ob eine abhängige versicherungspflichtigen Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung vorliegt, liege grundsätzlich die Zuständigkeit der Krankenversicherung als Einzugsstelle vor. Das Arbeitsgericht Stuttgart sei in seinem Urteil vom 18.10.2007 davon ausgegangen, dass zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen vom 01.03.2004 bis 27.02.2007 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Die Beklagte habe hiervon erstmals am 19.05.2010 Kenntnis erlangt. Mit Bescheid vom 25.07.2011 habe die Beklagte festgestellt, dass die Beschäftigung des Beigeladenen bei der Klägerin vom 01.03.2004 bis 27.02.2007 der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Dieser Bescheid sei rechtskräftig. Der Arbeitgeber sei verpflichtet, die Meldung für seine Beschäftigten bei der zuständigen Einzugsstelle zu erstatten. Die versicherungspflichtigen Arbeitnehmer seien von allen diesbezüglichen Formalitäten befreit. Die Abgabe der korrekten Meldungen zur Sozialversicherung für Versicherte sei nach der DEÜV Aufgabe des Arbeitgebers. Für die Gesamtsozialversicherungsbeiträge sei der Arbeitgeber zahlungspflichtig. Der Beigeladene sei vom 01.03.2004 bis 27.02.2007 bei der Beklagten kranken- und pflegeversichert gewesen. Deshalb sei die Klägerin verpflichtet, die Meldung zur Sozialversicherung bei der Beklagten zu erstatten. Außerdem habe sie als Zahlungspflichtige die Gesamtsozialversicherungsbeiträge an die Beklagte als zuständige Einzugsstelle zu zahlen. Mit Bescheiden vom 28.09.2011 und vom 05.07.2012 habe die Beklagte die Melde- und Beitragspflicht der Klägerin für den Beigeladenen vom 01.03.2004 bis zum 27.02.2007 korrekt festgestellt. Die Klägerin sei durch die Beklagte auf die festgestellte Sozialversicherungspflicht aufmerksam gemacht worden. Zwar sei die Beklagte verpflichtet, die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu überwachen und geltend zu machen. Die Überwachungspflicht gelte jedoch nicht gegenüber dem Beitragspflichtigen, sondern nur für die Krankenkasse selbst bzw. gegenüber anderen Sozialversicherungsträgern, denen Beiträge weiterzuleiten sind. Auf die Verletzung der Überwachungspflicht bzw. auf ein zwingendes Fehlverhalten der Beklagten könne sich die Klägerin daher nicht berufen. Die Beitragsschätzungen würden sich an den Vergütungen aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 18.10.2007 orientieren. Verjährung sei nicht eingetreten. Die Ansprüche auf Sozialversicherungsbeiträge verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Vorsätzlich vorenthaltene Beiträge wiederum verjähren nach 30 Jahren. Die 30-jährige Verjährungsfrist gelte auch dann, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge noch gutgläubig war, jedoch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig geworden ist. Spätestens mit dem Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 18.10.2007 müsse der Klägerin bewusst gewesen sein, dass zwischen ihr und dem Beigeladenen vom 01.03.2004 bis zum 27.02.2007 ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden hat. Die Klägerin habe jedoch weder Meldungen zur Sozialversicherung entrichtet noch Sozialversicherungsbeiträge. Die Klägerin gehe deshalb von bedingten Vorsatz aus. Nach § 45 SGB X könne die Beklagte entscheiden, ob die Beiträge rückwirkend zu entrichten sind. Laut Darstellung der Klägerin habe diese darauf vertraut, dass der Beigeladene aufgrund der Ausübung einer hauptberuflichen Selbstständigkeit nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege. Die Klägerin sei ihrer Meldepflicht nicht nachgekommen. Nach Prüfung der Einwände würden die Argumente überwiegen, die für die rückwirkende Forderung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge genannt wurden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2014 wies die Beklagte zudem den Widerspruch vom 07.12.2011 gegen den Bescheid vom 04.11.2011, den Widerspruch vom 02.07.2012 gegen den Bescheid vom 05.06.2012, den Widerspruch vom 14.08.2012 gegen den Bescheid vom 03.08.2012, den Widerspruch vom 21.09.2012 gegen den Bescheid vom 05.09.2012 sowie den Widerspruch vom 16.10.2012 gegen den Bescheid vom 04.10.2012 zurück. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass eine Beitragsabführung für die Zeit vom 01.03.2004 bis zum 27.02.2007 bisher nicht erfolgt sei. Daher sei die Zahlung dieser Beiträge nicht bis zum Ablauf der jeweiligen Fälligkeitstage erfolgt. Infolgedessen sei die Beklagte berechtigt, mit den Bescheiden vom 05.06.2012, 03.08.2012 und vom 04.10.2012 Säumniszuschläge zu erheben.
Hiergegen erhob die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 25.07.2014 Klage zum Sozialgericht Stuttgart. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass im streitgegenständlichen Zeitraum die Firma „G......“, vertreten durch deren Inhaber, dem Beigeladenen, als Betriebsleitung der Tankstelle Z.. tätig gewesen sei. Der Beigeladene sei auf seinen ausdrücklichen Wunsch als Dienstnehmer und nicht als Arbeitnehmer beschäftigt worden. Die Klägerin habe hiergegen keinerlei Einwände gehabt, zumal von Anfang an geplant gewesen sei, der Beigeladenen bzw. dessen Familie, die ebenfalls an der Klägerin beteiligt gewesen sei, im späteren Zeitpunkt sämtliche Gesellschaftsanteile der Klägerin erwerben sollte. Der Beigeladene sei als Betriebsleiter und Mitgesellschafter zu keinem Zeitpunkt den Weisungen und Vorgaben der Klägerin unterworfen gewesen. Vielmehr sei der „G.....“ die selbstständige Leitung und Organisation der Tankstelle Z... übertragen worden. Der Beigeladene habe infolgedessen den Tankstellenbetrieb weisungsunabhängig und in eigener Verantwortung geführt und sowohl über Personalfragen (Anzahl des Personals sowie Höhe der Gehälter) als auch über Art und Umfang des dem Kunden angebotenen Warensortiments sowie Verkaufspreise (mit Ausnahme der Abgabepreise für Kraftstoffe) entschieden. Die Entscheidung über die Planung seiner eigenen Zeiteinteilung sowie über etwaige Urlaubsabwesenheit habe dem Beigeladenen als Mitgesellschafter stets freigestanden. Er habe sich in der Zeit seiner Abwesenheit von Dritten/Personal vor Ort vertreten lassen können. Mit Ausnahme der Personalabrechnung sowie buchhalterischer Angelegenheiten sei die Tankstelle Z.... losgelöst von dem Organisationsfeld und den organisatorischen Abläufen der Klägerin. So habe der Beigeladene unter anderem auch über die Öffnungszeiten seiner Tankstelle entschieden und diese zeitweise auch auf 24 Stunden erstreckt. Dass der Beigeladene nach Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung seiner Betriebsleitertätigkeit keinem umfassenden Weisungsrecht unterworfen gewesen sei, zeige auch die Tatsache, dass der Mitgesellschafter des Beigeladenen, Herr J...., aufgrund einer Krankheit im Jahr 2006 den vollständigen Sommer und Herbst ausgefallen sei. Die „G......“ habe der Klägerin monatlich unterschiedliche Beträge in Rechnung gestellt, die vom Beigeladenen von der Gesellschaftskasse/vom Geschäftskonto eigenständig entnommen worden. Neben der selbständigen Tätigkeit bei der Klägerin habe die „G.....“ noch Einkünfte aus Vermittlungsgeschäft erwirtschaftet, die in keiner Geschäftsbeziehung zur Klägerin gestanden haben. Der Beigeladene habe als Inhaber der „G.....“ einen Existenzgründerzuschuss erhalten. Im Steuerbescheid 2004 habe der Beigeladene selbst lediglich Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitaleinkünfte aufgeführt, nicht aber aus einer nichtselbständigen Tätigkeit. Am 25.07.2011 sei gegenüber der Klägerin kein Bescheid ergangen, der die Beschäftigung des Beigeladenen bei der Klägerin vom 01.03.2004 bis 27.02.2007 als sozialversicherungspflichtige Tätigkeit festgestellt habe. Da ein Bescheid gegenüber der Klägerin nicht erlassen wurde, konnte ein solcher auch nicht rechtskräftig werden. Die durch die Klägerin eingelegten Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2014 zurückgewiesen. Begründet wurde diese einzig und allein aufgrund der Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses des Beigeladenen in den Entscheidungsgründen des Urteils des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 02.08.2007. Eine eigene Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen als selbständig oder weisungsgebunden sei zu keinem Zeitpunkt durch die Beklagte erfolgt. Unabhängig davon, dass Ansprüche aufgrund der selbständigen Tätigkeit der „G...“ im streitgegenständlichen Zeitraum nicht bestehen, wären solche ohnehin größtenteils Anfang des Jahres 2011 verjährt. Insbesondere sei kein bedingter Vorsatz der Klägerin anzunehmen. Die Klägerin stelle sich nach wie vor auf den Standpunkt, die Beiträge nicht bezahlen zu müssen, da die „G.....“ in selbständiger Tätigkeit die Betriebsleitung der Tankstelle übernommen habe. Dies ändere sich auch nicht durch das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 02.08.2007, da die dortigen Entscheidungsgründe nicht in Rechtskraft erwachsen seien. Die Tatsache, dass gegen das Urteil kein Rechtsmittel eingelegt worden sei, sei nicht mit dem Einverständnis zu den Ausführungen in den Entscheidungsgründen gleichzusetzen. Vielmehr habe die Klägerin deshalb keine Berufung eingelegt, weil die von ihr erhobene Widerklage gegen den Beigeladenen in vollem Umfang begründet gewesen sei, sie sei nicht beschwert gewesen. Darüber hinaus könne der Klägerin schon deshalb kein bedingter Vorsatz unterstellt werden, weil der Beigeladene für den streitgegenständlichen Zeitraum Existenzgründungszuschüsse bezogen habe. Insoweit werde auf § 7 Absatz 4 Satz 2 SGB IV in der vom 01.01.2003 bis 30.06.2009 geltenden Fassung verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Bescheide vom 28.09.2011 und 05.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.07.2014 aufzuheben,
2. die Bescheide vom 04.11.2011, 05.06.2012, 03.08.2012, 05.09.2012 und 04.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 01.07.2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wurde auf den Widerspruchsbescheid verwiesen. Zudem wurde im Schriftsatz vom 04.03.2016 ausgeführt, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Schreiben vom 17.04.2013 mitgeteilt habe, dass sämtliche Unterlagen aufgrund einer im Sommer 2009 stattgefundenen Überschwemmung mit Ausnahme der beiliegenden Buchungslisten zerstört wurden. Dies bestätige eine notarielle Urkunde, die mit Schreiben vom 24.04.2013 bei der Beklagten vorgelegt worden sei. Da auch der Rentenversicherungsträger ihren Antrag auf Durchführung einer Betriebsprüfung ablehnte, habe die Beklagte keine andere Wahl gehabt, als die Beiträge für den Beschäftigungszeitraum vom 01.03.2004 bis zum 27.02.2007 zu schätzen. Als Berechnungsgrundlage habe der im Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 02.08.2007 angegebene Verdienst in Höhe von 2.677,50 € gedient. Die Beklagte habe nun die Beiträge anhand der Zahlungen, die im Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 17.04.2013 angegeben worden waren, berechnet und gespeichert. Dies ergebe eine Neuberechnung der Säumniszuschläge und somit eine Änderung des Beitragssaldos. Nach der heutigen Berechnung bestehe somit eine Forderung in Höhe von 48.886,18 €. In dieser Gesamtsumme seien Säumniszuschläge in Höhe von 13.900,50 € enthalten.
Mit Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.09.2015 wurde Herr M.... notwendig zum Verfahren beigeladen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Akten des Arbeitsgerichts Stuttgart Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 28.09.2011 und 05.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.07.2014 sowie die Bescheide vom 04.11.2011, 05.06.2012, 03.08.2012, 05.09.2012 und 04.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 01.07.2014 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Recht hat die Beklagte festgestellt, dass der Beigeladene im Zeitraum vom 01.03.2004 bis 27.02.2007 bei der Klägerin abhängig beschäftigt war und der Beitragspflicht in der Sozialversicherung unterlag. Auch die Höhe der festgesetzten Beiträge und Säumniszuschläge ist nach der Neuberechnung vom 04.03.2016 nicht mehr zu beanstanden.
Bei dem Schreiben vom 28.09.2011 handelt es sich auch um einen anfechtbaren Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Daran ändert auch die fehlende Bezeichnung als Bescheid bzw. die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung nichts, da die kennzeichnenden Merkmale eines Verwaltungsakts vorliegen, insbesondere das Anliegen hinreichend bestimmt ist und der rechtliche Bindungswille deutlich in Erscheinung tritt (Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31 SGB X Rn. 27). Die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung führt gemäß § 66 Absatz 2 Satz 1 SGG nur dazu, dass für die Einlegung eines Rechtsbehelfs die Jahresfrist gilt. Daher war der am 06.12.2011 eingelegte Widerspruch nicht verfristet.
Die vor Erlass des streitigen Bescheids vom 28.09.2011 unterlassene Anhörung wurde nach Auffassung der Kammer jedenfalls im Widerspruchsverfahren geheilt, da die Klägerin nachträglich die Gelegenheit erhalten hat, sich sachgerecht zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern.
Die Beklagte war als Einzugsstelle (§ 28i SGB IV) zum Erlass des angefochtenen Bescheids sachlich zuständig. Sie hatte auch kein Anfrageverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Clearing-Stelle) gemäß § 7a Absatz 1 Satz 2 SGB IV einzuleiten. Gemäß § 28h Absatz 2 Satz 1 SGB IV entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. In diesem Verfahren können Feststellungen nicht nur von Amts wegen, sondern auch auf Antrag von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern getroffen werden (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteil v. 23.09.2003, - B 12 RA 3/02 R -; Landessozialgericht <LSG> Berlin-Brandenburg, Urteil 15.08.2007, - L 31 KR 128/07 -; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 19.02.2008, - L 11 KR 5528/07 -). Das Anfrageverfahren ist in § 7a SGB IV geregelt. Gemäß § 7a Absatz 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet (fakultatives Statusfeststellungsverfahren). Vorliegend hat der Beigeladene bei der Beklagten am 19.05.2010 die Überprüfung seines sozialversicherungsrechtlichen Status in der Tätigkeit für die Klägerin beantragt und damit das Einzugsstellenverfahren gemäß § 28h Absatz 2 Satz 1 SGB IV eingeleitet.
1. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene im Unternehmen der Klägerin eine abhängige und zu allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Absatz 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 20 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 25 Absatz 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Absatz 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil v. 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4 - 2400 § 7 Nr. 7, BSG, Urteil v. 04.07.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit BVerfG SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG, Urteil v. 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7).
Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass der Beigeladene ausgehend von diesen Grundsätzen im streitigen Zeitraum bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen ist, da nach dem Gesamtbild seine Tätigkeit nicht der unternehmerischen Betätigung im eigenen Betrieb diente. Die Kammer stützt ihre Überzeugung auf die im verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen, die Unterlagen aus dem Arbeitsgerichtsprozess sowie auf die Aussagen des Beigeladenen sowie des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung.
Der Beigeladene leitete vorliegend zwar vergleichsweise eigenverantwortlich die Tankstelle in Zuffenhausen, bestimmte über die Öffnungszeiten, erledigte die Kassenabrechnungen, handelte die Preise mit den Lieferanten aus, erledigte die Wareneinkäufe etc. Gerade bei Diensten bzw. Arbeiten, die eine besondere Qualifikation des Leistenden voraussetzen, ist seit jeher jedoch anerkannt, dass die dem Weisungsrecht des Arbeitgebers korrespondierende Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers zu einer sogenannten funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein kann (BSG, Urteil v. 30.01.2007 - B 2 U 6/06 R - juris). Zudem erhielt der Beigeladene in bestimmten Bereichen ganz konkrete Weisungen. So konnte er im Rahmen seiner Tätigkeit nicht eigenverantwortlich über die Verkaufspreise in der Tankstelle bestimmen. Auch das Personal wurde von der Klägerin eingestellt.
Der Beigeladene hatte auch kein echtes unternehmerisches Risiko als Kennzeichen einer selbständigen Tätigkeit. Er hat keinerlei Betriebsmittel einsetzen und kein eigenes Kapital mit der Gefahr des Verlustes investieren müssen (BSG, Urteil v. 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris). Der Beigeladene hatte auch keine laufenden betrieblichen Aufwendungen. So war insbesondere nicht er, sondern die Klägerin Pächterin/Mieterin der Tankstelle. Auch die Wareneinkäufe tätigte der Beigeladene mit der Firmenkundenkarte der Metro, die die Rechnungen direkt mit der Klägerin und nicht mit dem Beigeladenen abrechnete. Der Beigeladene stellte der Klägerin lediglich seine reine Arbeitskraft zur Verfügung. Der Erfolg seines Arbeitseinsatzes war nicht ungewiss, da er dafür den vereinbarten Stundensatz bzw. eine Pauschale erhielt. Ein besonderes Vergütungsrisiko hatte der Beigeladene dabei nicht zu tragen.
Wesentliche unternehmerische Chancen oder Freiheiten sind ebenfalls nicht erkennbar. Dem Beigeladenen war es außer durch Erhöhung der Stundenzahl nicht möglich, anderweitig seinen Gewinn zu optimieren. Der Beigeladene stellte der Klägerin wie in einem Arbeitsverhältnis seine Arbeitskraft zur Verfügung und führte fremdbestimmte Arbeiten aus.
Auch der Gesellschaftsanteil des Beigeladenen in Höhe von 20% spricht nicht für eine selbständige Tätigkeit. Im gesetzlichen Regelfall entscheidet gemäß § 47 Absatz 1 GmbHG (Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) der Anteil am Stammkapital über die Einflussmöglichkeiten in der Gesellschaft. Deswegen ergeben sich aus dem Umfang der Teilhabe am Stammkapital wesentliche Auswirkungen für die Frage, ob ein mitarbeitender Gesellschafter-Geschäftsführer als Beschäftigter der GmbH anzusehen oder Selbständiger ist. Ein Alleingesellschafter als Geschäftsführer steht zu „seiner“ GmbH in keinem Beschäftigungsverhältnis. Als Alleingesellschafter kann er die Willensbildung der Gesellschaft nämlich nach Belieben steuern. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der mindestens über die Hälfte des Stammkapitals verfügt, hat einen vergleichbaren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft, so dass er grundsätzlich ebenfalls nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (BSG, Urteil v. 24.06.1982 – 12 RK 45/80 – juris Rn 14; Seewald, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht <Std.: 82. EL. 2014>, § 7 SGB VI Rn. 89 ff.). Verfügt ein Gesellschafter-Geschäftsführer aber über weniger als 50 % des Stammkapitals, ist dieser Umstand in der Regel ein Indiz für seine abhängige Beschäftigung. Regelmäßig wird der mitarbeitende Gesellschafter-Geschäftsführer mit weniger als 50% Kapitalanteil die Entscheidungen der Gesellschafterversammlung nicht endgültig beeinflussen können, so dass ihn fremde Entscheidungen binden und ihm Weisungen erteilt werden können.
Die beim Beigeladenen vorliegende Gewerbeanmeldung ist im Rahmen der Gesamtabwägung kein aussagekräftiges Kriterium, da eine Überprüfung durch das Gewerbeaufsichtsamt hinsichtlich des Vorliegens einer Beschäftigung nicht stattfindet.
Dass der Beigeladene das Risiko trug, im Fall von Krankheit oder sonstigen Hinderungsgründen kein Entgelt zu erhalten, spricht ebenfalls nicht für Selbständigkeit. Die Belastung mit Risiken im Zusammenhang mit der Verwertung der Arbeitskraft spricht nur dann für Selbständigkeit, wenn ihr eine größere Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenübersteht. Dagegen vermag die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als Arbeitnehmer anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken keine Selbständigkeit zu begründen (Hessisches Landessozialgericht, Urteil v. 20.10.2005 - L 8/14 KR 334/04; so auch BSG, SozR 2200, § 1227 Nr. 17 S. 37; BSG, USK 79, 129; BSGE 51, 164, 170 = SozR 2400, § 2 Nr. 16 S. 23; vgl. auch BSG, SozR 2400, § 2 Nr. 19 S. 30). Darüber hinaus ist vorliegend zu berücksichtigen, dass sich der Beigeladene bei einem eigenen Ausfall wegen Krankheit oder anderer Umstände weder um eine Ersatzkraft bemühen noch die Kosten für eine Ersatzkraft tragen musste.
Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung nach den tatsächlichen Verhältnissen und nicht die von den Beteiligten gewählte vertragliche Beziehung. Solche Vereinbarungen sind im Übrigen eher typisch bei Scheinselbstständigkeit, die die Arbeitnehmerrechte wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Ansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und nicht zuletzt die Beitragszahlung zur Sozialversicherung umgehen soll. Dem Arbeitnehmer werden dadurch sämtliche Schutzmöglichkeiten genommen, ohne dass dies im Ergebnis durch unternehmerische Rechte oder gar Gewinne kompensiert wird (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 12.12.2008 - L 4 R 3542/05 (juris) und v. 24.02.2012 - L 4 KR 352/11).
Ausschlaggebend ist vorliegend auch nicht, dass der Beigeladene für seine Tätigkeit Umsatzsteuer abgeführt hat. Es entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass das Abführen und Erheben von Umsatzsteuer kein maßgebliches Indiz ist, um eine Tätigkeit als abhängige Beschäftigung oder selbstständige Betätigung zu erachten (vgl. BSG, Urteil v. 04.06.1998 - B 12 KR 5/97 R - SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; BSG, Urteil v. 19.08.2003 - B 2 U 38/02 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 1, Rn. 22; BSG, Urteil v. 30.06.2009 - B 2 U 3/08 R - juris). In dieser tatsächlichen Handhabung zeigt sich lediglich der Wille der Vertragspartner, die Tätigkeit des Beigeladenen als eine selbständige zu behandeln. Dieser Wille allein macht aus einem tatsächlich bestehenden Beschäftigungsverhältnis aber keine selbstständige Tätigkeit. Subjektive Fremd- und Selbsteinschätzungen sind untaugliche Hinweise zur Qualifizierung einer Dienstleistung als abhängige Beschäftigung oder unternehmerische Tätigkeit; eine Beschäftigung ist anzunehmen, wenn das Gesamtbild der jeweiligen Dienstleistung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung, ggf. der maßgeblichen Fachkreise, auf eine persönliche Abhängigkeit des Dienstnehmers gegenüber seinem Dienstgeber schließen lässt (Sächsisches LSG, Urteil v. 17.05.2011 - L 5 R 368/09 BSG, Urteil v. 30.06.2009 - B 2 U 3/08 R - juris).
Der von der Bundesagentur für Arbeit zunächst gewährte Existenzgründerzuschuss für die Tätigkeit des Beigeladenen stellt zwar ein gewisses Indiz gegen eine abhängige Beschäftigung dar. Allerdings ist weder die Beklagte noch das Gericht an die Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit gebunden. Zwar galt im streitigen Zeitraum noch § 7 Absatz 4 Satz 1 und Satz 2 SGB IV a.F., wonach für Personen, die einen Existenzgründungszuschuss beantragen, widerlegbar vermutet wurde, dass sie in dieser Zeit als Selbstständige tätig sind und Personen für die Dauer des Bezugs dieses Zuschusses als selbständig Tätige galten. Allerdings handelte es sich insoweit bei der Entscheidung über den Existenzgründerzuschuss um eine Prognoseentscheidung für die Zukunft. Für die in Absatz 4 geregelte Vermutung ist kein dann kein Raum mehr, wenn die Würdigung der gesamten Umstände in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht gegen das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung sprechen (BSG USK 2006–8 = ZIP 2006, 678 = GmbHR 2006, 645 m Hinw auf BSG SozR 3–2400 § 7 Nr. 17 = NZS 2001, 644).
Die Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls spricht zur Überzeugung der Kammer für das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Die Annahme einer Beschäftigung ist dabei nicht abhängig von der individuellen Schutzbedürftigkeit der betroffenen Person. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts schließen es aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien, ihren Vereinbarungen oder ihren Vorstellungen zu entscheiden (BSG, Urteil v. 25.01.2001 - B 12 KR 18/00 R - juris).
2. Auch die Höhe der eingeforderten Beiträge ist nach der Neuberechnung vom 04.03.2016, die die von der Klägerin mitgeteilten Rechnungsbeträge zugrunde legt, nicht zu beanstanden. Fehler bei der Berechnung sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen.
Gemäß § 28e Absatz 1 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Arbeitgeber ist danach diejenige natürliche oder juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts zu der Arbeitnehmer in einem Verhältnis der persönlichen Abhängigkeit steht. In aller Regel wird es sich um denjenigen handeln, mit dem der Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat oder bei einem anderen Vertragsverhältnis, welches als abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu qualifizieren ist, der daraus Berechtigte. Im Zweifel ist daher als Arbeitgeber derjenige anzusehen, der dem Arbeitnehmer den Lohn bzw. die Gegenleistung für die Arbeit schuldet (Werner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 28e SGB IV, Rn. 36). Nach den obigen Ausführungen handelt es sich vorliegend bei der Klägerin um den Arbeitgeber des Beigeladenen. Sie ist somit zur Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags verpflichtet.
3. Die Ansprüche sind vorliegend auch nicht verjährt. Gemäß § 25 Absatz 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 25 Absatz 1 Satz 2 SGB IV wird auch dann angenommen, wenn der Beitragsschuldner noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig wird. Für das Vorliegen von Vorsatz trifft grundsätzlich den Versicherungsträger die objektive Beweislast (BSG, Urteil v. 21.03.2007 - B 11a AL 15/06 R; BSG, Urteil v. 30.03.2000 - B 12 KR 14/99 R). Vorsatz umfasst nach allgemeiner Definition drei Formen: den bedingten Vorsatz, den direkten Vorsatz sowie die Absicht. Vorsätzlich in Form des bedingten Vorsatzes handelt, wer einen Erfolg für möglich hält und ihn billigend in Kauf nimmt; die lange Verjährung muss damit auch gegen sich gelten lassen, wer als Beitragspflichtiger seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 25 SGB IV, Rn. 28; BSG v. 21.06.1990 - 12 RK 13/89 - Die Beiträge 1991, 112-115). Die Kammer ist vorliegend davon überzeugt, dass die Klägerin (durch ihren Geschäftsführer) seit der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht bzw. seit dem Vorliegen der schriftlichen Gründe des Urteils des Arbeitsgerichts vom 18.10.2007 die Möglichkeit einer Beitragspflicht erkannt und die Vorenthaltung der Beiträge wenigstens billigend in Kauf genommen hat. Ergibt ein arbeitsgerichtliches Verfahren, dass ein Beschäftigungsverhältnis besteht bzw. fortbesteht und werden nach dessen Abschluss vom Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge nicht entrichtet, so liegt eine absichtliche Beitragshinterziehung vor (BSG, Urteil v. 26.05.1977 - 12/3 RK 68/75 - SozR 2200 § 29 Nr. 9.).
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass dem Beigeladenen Existenzgründungszuschuss gewährt wurde und im streitigen Zeitraum die Vermutungsregel des § 7 Absatz 4 Satz 1 und Satz 2 SGB IV a.F. gegolten hat, da für den bedingten Vorsatz gerade keine gesicherte Kenntnis erforderlich ist. Bei Zweifeln hätte die sich Klägerin zudem mit Hilfe des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV über die versicherungsrechtliche Einordnung der Tätigkeit des Beigeladenen Klarheit verschaffen können.
Auch die vom Rentenversicherungsträger durchgeführten Betriebsprüfungen ändern an dieser Beurteilung nichts. Eine Betriebsprüfung soll die Beitragsentrichtung sicherstellen, hat aber nicht die Funktion, einem Arbeitgeber für die Prüfzeiträume eine „Entlastung“ zu erteilen (zuletzt BSG, Urteil v. 18.12.2013 – B 12 R 2/11 R – juris Rn. 36). Vertrauensschutz auf der Grundlage von unterbliebenen Nachforderungen kann sich nur ergeben, wenn eine bestimmte Frage ausdrücklicher Gegenstand einer Betriebsprüfung war oder von dem zu prüfenden Betrieb zum Gegenstand der Prüfung gemacht werden sollte. Daraus folgt, dass die Einzugsstelle nicht gehindert ist, trotz durchgeführter Betriebsprüfung einen Beitragsbescheid zu erlassen, wenn die Betriebsprüfung ohne Beanstandung geblieben ist (LSG Baden-Württemberg v. 28.04.2009 - L 11 KR 2495/05 - juris Rn. 53 - UV-Recht Aktuell 2009, 699-708.).
4. Die Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 24 SGB IV ist nicht zu beanstanden. Die Erhebung von Säumniszuschlägen scheidet nicht wegen § 24 Absatz 2 SGB IV aus. Danach ist ein auf eine durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellte Beitragsforderung entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Für die Frage, ob unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht vorgelegen hat, ist nicht auf diejenigen Maßstäbe zurückzugreifen, die das BSG für die Beurteilung des Vorsatzes im Sinne des § 25 Absatz 1 Satz 2 SGB IV entwickelt hat (so aber BSG, Urteil v. 26.01.2005, B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 7). Vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass die Person mit „Wissen“ und „Wollen“ gehandelt hat, wobei das „Wollen“ darauf beschränkt sein kann, dass der (rechtswidrige) Erfolg eines Tuns oder Unterlassens (hier: Nichtabführung von Beiträgen) billigend in Kauf genommen wird. Das Gesetz stellt in § 24 Absatz 2 SGB IV nur auf die fehlende Kenntnis einer Rechtspflicht (Zahlungspflicht) ab. Dies betrifft einen den Vorsatz ohnedies nicht berührenden Subsumtionsirrtum, der in strafrechtlicher Hinsicht allenfalls geeignet wäre, einen durch Einleitung eines Statusverfahrens nach § 7a SGB IV vermeidbaren Verbotsirrtum zu begründen (BGH, Urteil v. 07.10.2009, 1 StR 478/09, NStZ 2010, 337). Dieser Gesichtspunkt lässt sich auch auf die Regelung in § 24 Absatz 2 SGB IV übertragen. Die Vorschrift dient lediglich der Vermeidung unbilliger Härten (BSG, Urteil v. 12.02.2004, B 13 RJ 28/03 R, BSGE 92,150). Maßgebend ist deshalb auch im Fall des § 24 Absatz 2 SGB IV nur, ob die Unkenntnis des Beitragsschuldners von der Zahlungspflicht vermeidbar war. Davon ist hier auszugehen. Die Klägerin hätte die Möglichkeit gehabt, sich über ein Verfahren nach § 7a SGB IV oder eine Anfrage bei der Einzugsstelle (§ 28 h SGB IV) die erforderliche Kenntnis zu verschaffen (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 20.10.2015 – L 11 R 3898/14 –, juris; zur Annahme des Verschuldens, wenn aufgrund eines Arbeitsgerichtsurteils Gehalt oder Lohn nachbezahlt wurde vgl. Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 24 SGB IV Rn. 41).
5. Die Klage war daher in vollem Umfang abzuweisen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Absatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 154 Absatz 1, 155 Absatz 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht Baden-Württemberg, Hauffstr. 5, 70190 Stuttgart - Postfach 10 29 44, 70025 Stuttgart -, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Stuttgart, Theodor-Heuss-Str. 2, 70174 Stuttgart, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Im Namen des Volkes
Urteil
in dem Rechtsstreit
xxx
Die 8. Kammer des Sozialgerichts Stuttgart
hat auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 08.03.2016 in Stuttgart
durch die Richterin am Sozialgericht ..... als Vorsitzende
sowie den ehrenamtlichen Richter ....... und
die ehrenamtliche Richterin ......
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist eine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Säumniszuschlägen streitig.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform der GmbH insgesamt zwei Tankstellen in S...., und zwar in G.. und in Z.... Seit dem Jahr 2002 war der Beigeladene für die Klägerin auf geringfügiger Basis tätig. Zum 07.01.2004 meldete der Beigeladene folgende Tätigkeiten als Gewerbe an: C. f. I. auf den Philippinen (Vermittlung von Geschäftsbeziehungen), Büroservice, Partnervermittlung. Zum 01.03.2004 wurde der Beigeladene von der Klägerin mit der Leitung der Tankstelle Z. betraut. Seine Tätigkeiten wurden hierbei wie ein freies Dienstverhältnis abgerechnet. Mit Bescheiden der Bundesagentur für Arbeit vom 04.03.2004, 31.01.2005 und 30.06.2006 wurden dem Beigeladenen Existenzgründungszuschüsse für den Zeitraum vom 07.01.2004 bis 06.01.2007 gewährt. Seit dem 01.03.2004 war der Beigeladene als freiwilliges Mitglied bei der Beklagten kranken- und pflegeversichert. Seit dem 01.01.2005 war der Beigeladener mit einem Gesellschaftsanteil von 20% (Kapitaleinsatz 20.000,00 €) Gesellschafter der Klägerin.
Durch Manipulationen im Kassenabrechnungssystem der Tankstelle Z. beim Verkauf von Zigaretten sind der Klägerin im Zeitraum vom 01.11.2006 bis 13.01.2007 erhebliche finanzielle Schäden entstanden. Nach Aufdeckung der Manipulationen sind dem Beigeladenen weitere Tätigkeiten auf dem Tankstellengelände untersagt worden. Am 13.01.2007 hat die Klägerin das freie Dienstverhältnis mit dem Beigeladenen fristlos gekündigt. Mit Schreiben vom 27.02.2007 wurde dem Beigeladenen nochmal vorsorglich außerordentlich und fristlos gekündigt. Auf der Gesellschafterversammlung am 21.02.2007 wurden die Geschäftsanteile des Beigeladenen durch einstimmigen Beschluss der anwesenden Gesellschafter eingezogen.
Am 16.04.2007 erhob der Beigeladene Klage zum Arbeitsgericht Stuttgart und wollte festgestellt wissen, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis bestehe. Des Weiteren klagte er für die Monate Dezember 2006 bis März 2007 Vergütungen ein. Die Klägerin erhob Widerklage und macht hierbei den vom Beigeladenen verursachten Schaden geltend. Das Arbeitsgericht Stuttgart wies im Urteil vom 02.08.2007 den Antrag des Klägers auf Feststellung, dass zwischen den Parteien ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis bestehe, ab und führte in den Entscheidungsgründen hierzu folgendes aus: „Die Kammer geht davon aus, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Dass der Kläger mit einer Einlage in Höhe von 20.000,00 € an der Beklagten beteiligt war oder ist, spielt für die Qualifizierung des Dienstverhältnisses keine Rolle. Der Kläger war auch nicht Pächter der Tankstelle in Z.. Das war die Beklagte. Der Kläger hatte feste Arbeitszeiten einzuhalten, er war bezüglich der Abgabepreise an Kraftstoffen und verkauften Waren an feste Vorgaben gebunden. Das wirtschaftliche Risiko aus dem Tankstellenbetrieb trug die Beklagte allein. Der Kläger hat auch keine weiteren Personen beschäftigt. Die dort tätigen Personen waren allesamt Beschäftigte der Beklagten. Dass der Kläger sich an die ihm erteilten Vorgaben nicht gehalten hat, sondern die Beklagte erheblich geschädigt hat, spricht nicht für ein freies Dienstverhältnis. Das Rechtsverhältnis der Parteien ist spätestens mit Zugang des Kündigungsschreibens der Beklagten vom 27.02.2007 aufgelöst worden. Der Kläger hat sich gegen die Kündigung erstmals mit Klageerhebung am 16.04.2007, bei Gericht am 18.04.2007 eingegangen, gewährt. Damit war die 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG abgelaufen. Wie die Beklagte das gekündigte Rechtsverhältnis bezeichnet hat, ist entgegen der Auffassung des Klägers unerheblich.“
Mit Schreiben vom 19.05.2010 wies der Beigeladene die beklagte Krankenkasse daraufhin, dass das Arbeitsgericht Stuttgart mit Urteil vom 02.08.2007 festgestellt hat, dass seine Tätigkeit für die Klägerin kein freies, sondern ein abhängiges Dienstverhältnis gewesen sei. Daher fordere er seine geleisteten Beiträge (01/2004 bis 01/2007) zurück.
Mit Schreiben vom 26.10.2010 teilte die Beklagte dem Beigeladenen mit, dass er bis zum 06.01.2007 einen Existenzgründungszuschuss bezogen habe und daher als hauptberuflich selbständig zu betrachten sei. Sollte er den Zuschuss zurückzahlen müssen, werde das Versicherungsverhältnis erneut geprüft.
Mit Schreiben vom 13.12.2010 machte der Beigeladene durch seinen Bevollmächtigten erneut bei der Beklagten die Rückzahlung seiner geleisteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge geltend.
Mit Bescheid vom 14.04.2011 hob die Bundesagentur für Arbeit die Bewilligung des Existenzgründungszuschusses ab dem 07.01.2004 auf und forderte den Beigeladenen zur Rückzahlung der geleisteten Zuschüsse auf. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Beigeladenen wies die Bundesagentur für Arbeit mit Widerspruchsbescheid als unbegründet zurück.
Mit Schreiben vom 25.07.2011 teilte die Beklagten dem Beigeladenen mit, dass seine freiwillige Mitgliedschaft als Selbstständiger in eine Pflichtmitgliedschaft als Arbeitnehmer umgewandelt worden sei.
Mit Schreiben vom 28.09.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Beigeladene nach der in der Urteilsbegründung des Arbeitsgerichts Stuttgart aufgeführten Entscheidungsgründen in einem anhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden und damit der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung unterlegen habe. Deshalb seien für den Beigeladenen für die Dauer seiner Beschäftigung Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten. Die Klägerin werde daher gebeten, für den Beschäftigungszeitraum (01.03.2004 bis 27.02.2007) die entsprechenden Meldungen zur Sozialversicherung vorzunehmen und die Beitragsnachweise einzureichen. Vorab würden die Sozialversicherungsbeiträge in Anlehnung an die in der Urteilsbegründung angegebene Vergütung geschätzt. Diese Beitragsschätzungen seien bis zur Einreichung der tatsächlichen Beitragsnachweise zur Zahlung fällig. Aus dem beiliegenden Kontoauszug ergab sich eine Beitragsnachforderung in Höhe von 42.304,42 €.
Mit Schreiben vom 21.10.2011 legitimierte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Beklagten.
Mit Leistungsbescheid vom 04.11.2011 mahnte die Beklagte offene Gesamtsozialversicherungsbeiträge sowie Säumnis- und Mahngebühren in Höhe von insgesamt 42.777,42 € an.
Gegen die Bescheide vom 28.09.2011 und 04.11.2011 legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vorsorglich Widerspruch ein. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Widerspruch nur vorsorglich erfolge, da noch kein vollstreckbarer Beitragsbescheid ergangen sei. Mit einem weiteren Schreiben vom 06.12.2011 wurde ausgeführt, dass sich die Klägerin auf den Selbständigenstatus des Beigeladenen berufe und sie die Einrede der Verjährung geltend mache.
Mit Leistungsbescheid vom 09.01.2012 mahnte die Beklagte offene Gesamtsozialversicherungsbeiträge sowie Säumnis- und Mahngebühren in Höhe von insgesamt 42.799,92 € an.
Mit Leistungsbescheid vom 05.03.2011 mahnte die Beklagte offene Gesamtsozialversicherungsbeiträge sowie Säumnis- und Mahngebühren in Höhe von insgesamt 43.646,92 € an.
Mit Bescheid vom 05.06.2012 machte die Beklagte Säumniszuschläge für den Abrechnungsmonat 05/2012 in Höhe von 423,50 € geltend. Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 29.06.2012 durch ihre Prozessbevollmächtigte Widerspruch ein.
Mit Leistungsbescheid vom 04.07.2012 mahnte die Beklagte offene Gesamtsozialversicherungsbeiträge sowie Säumnis- und Mahngebühren in Höhe von insgesamt 45.340,92 € an.
Mit Bescheid vom 05.07.2012 stellte die Beklagte erneut die Melde- und Beitragspflicht der Klägerin für den Beigeladenen vom 01.03.2004 bis 27.02.2007 fest. Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 09.07.2012 durch ihre Prozessbevollmächtigte Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 03.08.2012 machte die Beklagte Säumniszuschläge für den Abrechnungsmonat 07/2012 in Höhe von 423,50 € geltend. Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 13.08.2012 durch ihre Prozessbevollmächtigte Widerspruch ein.
Mit Leistungsbescheid vom 05.09.2012 mahnte die Beklagte offene Gesamtsozialversicherungsbeiträge sowie Säumnis- und Mahngebühren in Höhe von insgesamt 46.187,92 € an. Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 17.09.2012 durch ihre Prozessbevollmächtigte Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 04.10.2012 machte die Beklagte Säumniszuschläge für den Abrechnungsmonat 09/2012 in Höhe von 423,50 € geltend. Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 16.10.2012 durch ihre Prozessbevollmächtigte Widerspruch ein.
Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigen der Klägerin vom 17.04.2013 teilte sie der Beklagten die an den Beigeladenen geflossenen Rechnungsbeträge mit. Mit Schreiben vom 19.07.2013 bot sie eine Teilzahlung in Höhe von 5.000,00 € an.
Die Beklagte wies den Widerspruch vom 07.12.2011 gegen den Bescheid vom 28.09.2011 sowie den Widerspruch vom 09.07.2012 gegen den Bescheid vom 05.07.2012 mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2014 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Widerspruch vom 07.12.2011 verfristet sei, die Verfristung jedoch durch die weitere Bearbeitung durch die Beklagte geheilt sei. Die Widersprüche seien somit zulässig, jedoch unbegründet. Für die Feststellung, ob eine abhängige versicherungspflichtigen Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung vorliegt, liege grundsätzlich die Zuständigkeit der Krankenversicherung als Einzugsstelle vor. Das Arbeitsgericht Stuttgart sei in seinem Urteil vom 18.10.2007 davon ausgegangen, dass zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen vom 01.03.2004 bis 27.02.2007 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Die Beklagte habe hiervon erstmals am 19.05.2010 Kenntnis erlangt. Mit Bescheid vom 25.07.2011 habe die Beklagte festgestellt, dass die Beschäftigung des Beigeladenen bei der Klägerin vom 01.03.2004 bis 27.02.2007 der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Dieser Bescheid sei rechtskräftig. Der Arbeitgeber sei verpflichtet, die Meldung für seine Beschäftigten bei der zuständigen Einzugsstelle zu erstatten. Die versicherungspflichtigen Arbeitnehmer seien von allen diesbezüglichen Formalitäten befreit. Die Abgabe der korrekten Meldungen zur Sozialversicherung für Versicherte sei nach der DEÜV Aufgabe des Arbeitgebers. Für die Gesamtsozialversicherungsbeiträge sei der Arbeitgeber zahlungspflichtig. Der Beigeladene sei vom 01.03.2004 bis 27.02.2007 bei der Beklagten kranken- und pflegeversichert gewesen. Deshalb sei die Klägerin verpflichtet, die Meldung zur Sozialversicherung bei der Beklagten zu erstatten. Außerdem habe sie als Zahlungspflichtige die Gesamtsozialversicherungsbeiträge an die Beklagte als zuständige Einzugsstelle zu zahlen. Mit Bescheiden vom 28.09.2011 und vom 05.07.2012 habe die Beklagte die Melde- und Beitragspflicht der Klägerin für den Beigeladenen vom 01.03.2004 bis zum 27.02.2007 korrekt festgestellt. Die Klägerin sei durch die Beklagte auf die festgestellte Sozialversicherungspflicht aufmerksam gemacht worden. Zwar sei die Beklagte verpflichtet, die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu überwachen und geltend zu machen. Die Überwachungspflicht gelte jedoch nicht gegenüber dem Beitragspflichtigen, sondern nur für die Krankenkasse selbst bzw. gegenüber anderen Sozialversicherungsträgern, denen Beiträge weiterzuleiten sind. Auf die Verletzung der Überwachungspflicht bzw. auf ein zwingendes Fehlverhalten der Beklagten könne sich die Klägerin daher nicht berufen. Die Beitragsschätzungen würden sich an den Vergütungen aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 18.10.2007 orientieren. Verjährung sei nicht eingetreten. Die Ansprüche auf Sozialversicherungsbeiträge verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Vorsätzlich vorenthaltene Beiträge wiederum verjähren nach 30 Jahren. Die 30-jährige Verjährungsfrist gelte auch dann, wenn der Schuldner zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge noch gutgläubig war, jedoch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig geworden ist. Spätestens mit dem Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 18.10.2007 müsse der Klägerin bewusst gewesen sein, dass zwischen ihr und dem Beigeladenen vom 01.03.2004 bis zum 27.02.2007 ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden hat. Die Klägerin habe jedoch weder Meldungen zur Sozialversicherung entrichtet noch Sozialversicherungsbeiträge. Die Klägerin gehe deshalb von bedingten Vorsatz aus. Nach § 45 SGB X könne die Beklagte entscheiden, ob die Beiträge rückwirkend zu entrichten sind. Laut Darstellung der Klägerin habe diese darauf vertraut, dass der Beigeladene aufgrund der Ausübung einer hauptberuflichen Selbstständigkeit nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege. Die Klägerin sei ihrer Meldepflicht nicht nachgekommen. Nach Prüfung der Einwände würden die Argumente überwiegen, die für die rückwirkende Forderung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge genannt wurden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2014 wies die Beklagte zudem den Widerspruch vom 07.12.2011 gegen den Bescheid vom 04.11.2011, den Widerspruch vom 02.07.2012 gegen den Bescheid vom 05.06.2012, den Widerspruch vom 14.08.2012 gegen den Bescheid vom 03.08.2012, den Widerspruch vom 21.09.2012 gegen den Bescheid vom 05.09.2012 sowie den Widerspruch vom 16.10.2012 gegen den Bescheid vom 04.10.2012 zurück. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass eine Beitragsabführung für die Zeit vom 01.03.2004 bis zum 27.02.2007 bisher nicht erfolgt sei. Daher sei die Zahlung dieser Beiträge nicht bis zum Ablauf der jeweiligen Fälligkeitstage erfolgt. Infolgedessen sei die Beklagte berechtigt, mit den Bescheiden vom 05.06.2012, 03.08.2012 und vom 04.10.2012 Säumniszuschläge zu erheben.
Hiergegen erhob die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 25.07.2014 Klage zum Sozialgericht Stuttgart. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass im streitgegenständlichen Zeitraum die Firma „G......“, vertreten durch deren Inhaber, dem Beigeladenen, als Betriebsleitung der Tankstelle Z.. tätig gewesen sei. Der Beigeladene sei auf seinen ausdrücklichen Wunsch als Dienstnehmer und nicht als Arbeitnehmer beschäftigt worden. Die Klägerin habe hiergegen keinerlei Einwände gehabt, zumal von Anfang an geplant gewesen sei, der Beigeladenen bzw. dessen Familie, die ebenfalls an der Klägerin beteiligt gewesen sei, im späteren Zeitpunkt sämtliche Gesellschaftsanteile der Klägerin erwerben sollte. Der Beigeladene sei als Betriebsleiter und Mitgesellschafter zu keinem Zeitpunkt den Weisungen und Vorgaben der Klägerin unterworfen gewesen. Vielmehr sei der „G.....“ die selbstständige Leitung und Organisation der Tankstelle Z... übertragen worden. Der Beigeladene habe infolgedessen den Tankstellenbetrieb weisungsunabhängig und in eigener Verantwortung geführt und sowohl über Personalfragen (Anzahl des Personals sowie Höhe der Gehälter) als auch über Art und Umfang des dem Kunden angebotenen Warensortiments sowie Verkaufspreise (mit Ausnahme der Abgabepreise für Kraftstoffe) entschieden. Die Entscheidung über die Planung seiner eigenen Zeiteinteilung sowie über etwaige Urlaubsabwesenheit habe dem Beigeladenen als Mitgesellschafter stets freigestanden. Er habe sich in der Zeit seiner Abwesenheit von Dritten/Personal vor Ort vertreten lassen können. Mit Ausnahme der Personalabrechnung sowie buchhalterischer Angelegenheiten sei die Tankstelle Z.... losgelöst von dem Organisationsfeld und den organisatorischen Abläufen der Klägerin. So habe der Beigeladene unter anderem auch über die Öffnungszeiten seiner Tankstelle entschieden und diese zeitweise auch auf 24 Stunden erstreckt. Dass der Beigeladene nach Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung seiner Betriebsleitertätigkeit keinem umfassenden Weisungsrecht unterworfen gewesen sei, zeige auch die Tatsache, dass der Mitgesellschafter des Beigeladenen, Herr J...., aufgrund einer Krankheit im Jahr 2006 den vollständigen Sommer und Herbst ausgefallen sei. Die „G......“ habe der Klägerin monatlich unterschiedliche Beträge in Rechnung gestellt, die vom Beigeladenen von der Gesellschaftskasse/vom Geschäftskonto eigenständig entnommen worden. Neben der selbständigen Tätigkeit bei der Klägerin habe die „G.....“ noch Einkünfte aus Vermittlungsgeschäft erwirtschaftet, die in keiner Geschäftsbeziehung zur Klägerin gestanden haben. Der Beigeladene habe als Inhaber der „G.....“ einen Existenzgründerzuschuss erhalten. Im Steuerbescheid 2004 habe der Beigeladene selbst lediglich Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitaleinkünfte aufgeführt, nicht aber aus einer nichtselbständigen Tätigkeit. Am 25.07.2011 sei gegenüber der Klägerin kein Bescheid ergangen, der die Beschäftigung des Beigeladenen bei der Klägerin vom 01.03.2004 bis 27.02.2007 als sozialversicherungspflichtige Tätigkeit festgestellt habe. Da ein Bescheid gegenüber der Klägerin nicht erlassen wurde, konnte ein solcher auch nicht rechtskräftig werden. Die durch die Klägerin eingelegten Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2014 zurückgewiesen. Begründet wurde diese einzig und allein aufgrund der Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses des Beigeladenen in den Entscheidungsgründen des Urteils des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 02.08.2007. Eine eigene Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen als selbständig oder weisungsgebunden sei zu keinem Zeitpunkt durch die Beklagte erfolgt. Unabhängig davon, dass Ansprüche aufgrund der selbständigen Tätigkeit der „G...“ im streitgegenständlichen Zeitraum nicht bestehen, wären solche ohnehin größtenteils Anfang des Jahres 2011 verjährt. Insbesondere sei kein bedingter Vorsatz der Klägerin anzunehmen. Die Klägerin stelle sich nach wie vor auf den Standpunkt, die Beiträge nicht bezahlen zu müssen, da die „G.....“ in selbständiger Tätigkeit die Betriebsleitung der Tankstelle übernommen habe. Dies ändere sich auch nicht durch das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 02.08.2007, da die dortigen Entscheidungsgründe nicht in Rechtskraft erwachsen seien. Die Tatsache, dass gegen das Urteil kein Rechtsmittel eingelegt worden sei, sei nicht mit dem Einverständnis zu den Ausführungen in den Entscheidungsgründen gleichzusetzen. Vielmehr habe die Klägerin deshalb keine Berufung eingelegt, weil die von ihr erhobene Widerklage gegen den Beigeladenen in vollem Umfang begründet gewesen sei, sie sei nicht beschwert gewesen. Darüber hinaus könne der Klägerin schon deshalb kein bedingter Vorsatz unterstellt werden, weil der Beigeladene für den streitgegenständlichen Zeitraum Existenzgründungszuschüsse bezogen habe. Insoweit werde auf § 7 Absatz 4 Satz 2 SGB IV in der vom 01.01.2003 bis 30.06.2009 geltenden Fassung verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Bescheide vom 28.09.2011 und 05.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.07.2014 aufzuheben,
2. die Bescheide vom 04.11.2011, 05.06.2012, 03.08.2012, 05.09.2012 und 04.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 01.07.2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wurde auf den Widerspruchsbescheid verwiesen. Zudem wurde im Schriftsatz vom 04.03.2016 ausgeführt, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Schreiben vom 17.04.2013 mitgeteilt habe, dass sämtliche Unterlagen aufgrund einer im Sommer 2009 stattgefundenen Überschwemmung mit Ausnahme der beiliegenden Buchungslisten zerstört wurden. Dies bestätige eine notarielle Urkunde, die mit Schreiben vom 24.04.2013 bei der Beklagten vorgelegt worden sei. Da auch der Rentenversicherungsträger ihren Antrag auf Durchführung einer Betriebsprüfung ablehnte, habe die Beklagte keine andere Wahl gehabt, als die Beiträge für den Beschäftigungszeitraum vom 01.03.2004 bis zum 27.02.2007 zu schätzen. Als Berechnungsgrundlage habe der im Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 02.08.2007 angegebene Verdienst in Höhe von 2.677,50 € gedient. Die Beklagte habe nun die Beiträge anhand der Zahlungen, die im Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 17.04.2013 angegeben worden waren, berechnet und gespeichert. Dies ergebe eine Neuberechnung der Säumniszuschläge und somit eine Änderung des Beitragssaldos. Nach der heutigen Berechnung bestehe somit eine Forderung in Höhe von 48.886,18 €. In dieser Gesamtsumme seien Säumniszuschläge in Höhe von 13.900,50 € enthalten.
Mit Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.09.2015 wurde Herr M.... notwendig zum Verfahren beigeladen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Akten des Arbeitsgerichts Stuttgart Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 28.09.2011 und 05.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.07.2014 sowie die Bescheide vom 04.11.2011, 05.06.2012, 03.08.2012, 05.09.2012 und 04.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 01.07.2014 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Recht hat die Beklagte festgestellt, dass der Beigeladene im Zeitraum vom 01.03.2004 bis 27.02.2007 bei der Klägerin abhängig beschäftigt war und der Beitragspflicht in der Sozialversicherung unterlag. Auch die Höhe der festgesetzten Beiträge und Säumniszuschläge ist nach der Neuberechnung vom 04.03.2016 nicht mehr zu beanstanden.
Bei dem Schreiben vom 28.09.2011 handelt es sich auch um einen anfechtbaren Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Daran ändert auch die fehlende Bezeichnung als Bescheid bzw. die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung nichts, da die kennzeichnenden Merkmale eines Verwaltungsakts vorliegen, insbesondere das Anliegen hinreichend bestimmt ist und der rechtliche Bindungswille deutlich in Erscheinung tritt (Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31 SGB X Rn. 27). Die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung führt gemäß § 66 Absatz 2 Satz 1 SGG nur dazu, dass für die Einlegung eines Rechtsbehelfs die Jahresfrist gilt. Daher war der am 06.12.2011 eingelegte Widerspruch nicht verfristet.
Die vor Erlass des streitigen Bescheids vom 28.09.2011 unterlassene Anhörung wurde nach Auffassung der Kammer jedenfalls im Widerspruchsverfahren geheilt, da die Klägerin nachträglich die Gelegenheit erhalten hat, sich sachgerecht zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern.
Die Beklagte war als Einzugsstelle (§ 28i SGB IV) zum Erlass des angefochtenen Bescheids sachlich zuständig. Sie hatte auch kein Anfrageverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Clearing-Stelle) gemäß § 7a Absatz 1 Satz 2 SGB IV einzuleiten. Gemäß § 28h Absatz 2 Satz 1 SGB IV entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. In diesem Verfahren können Feststellungen nicht nur von Amts wegen, sondern auch auf Antrag von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern getroffen werden (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteil v. 23.09.2003, - B 12 RA 3/02 R -; Landessozialgericht <LSG> Berlin-Brandenburg, Urteil 15.08.2007, - L 31 KR 128/07 -; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 19.02.2008, - L 11 KR 5528/07 -). Das Anfrageverfahren ist in § 7a SGB IV geregelt. Gemäß § 7a Absatz 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet (fakultatives Statusfeststellungsverfahren). Vorliegend hat der Beigeladene bei der Beklagten am 19.05.2010 die Überprüfung seines sozialversicherungsrechtlichen Status in der Tätigkeit für die Klägerin beantragt und damit das Einzugsstellenverfahren gemäß § 28h Absatz 2 Satz 1 SGB IV eingeleitet.
1. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene im Unternehmen der Klägerin eine abhängige und zu allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Absatz 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, § 20 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, § 25 Absatz 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Absatz 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil v. 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4 - 2400 § 7 Nr. 7, BSG, Urteil v. 04.07.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit BVerfG SozR 3 - 2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG, Urteil v. 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 7).
Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass der Beigeladene ausgehend von diesen Grundsätzen im streitigen Zeitraum bei der Klägerin abhängig beschäftigt gewesen ist, da nach dem Gesamtbild seine Tätigkeit nicht der unternehmerischen Betätigung im eigenen Betrieb diente. Die Kammer stützt ihre Überzeugung auf die im verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen, die Unterlagen aus dem Arbeitsgerichtsprozess sowie auf die Aussagen des Beigeladenen sowie des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung.
Der Beigeladene leitete vorliegend zwar vergleichsweise eigenverantwortlich die Tankstelle in Zuffenhausen, bestimmte über die Öffnungszeiten, erledigte die Kassenabrechnungen, handelte die Preise mit den Lieferanten aus, erledigte die Wareneinkäufe etc. Gerade bei Diensten bzw. Arbeiten, die eine besondere Qualifikation des Leistenden voraussetzen, ist seit jeher jedoch anerkannt, dass die dem Weisungsrecht des Arbeitgebers korrespondierende Weisungsunterworfenheit des Arbeitnehmers zu einer sogenannten funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein kann (BSG, Urteil v. 30.01.2007 - B 2 U 6/06 R - juris). Zudem erhielt der Beigeladene in bestimmten Bereichen ganz konkrete Weisungen. So konnte er im Rahmen seiner Tätigkeit nicht eigenverantwortlich über die Verkaufspreise in der Tankstelle bestimmen. Auch das Personal wurde von der Klägerin eingestellt.
Der Beigeladene hatte auch kein echtes unternehmerisches Risiko als Kennzeichen einer selbständigen Tätigkeit. Er hat keinerlei Betriebsmittel einsetzen und kein eigenes Kapital mit der Gefahr des Verlustes investieren müssen (BSG, Urteil v. 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris). Der Beigeladene hatte auch keine laufenden betrieblichen Aufwendungen. So war insbesondere nicht er, sondern die Klägerin Pächterin/Mieterin der Tankstelle. Auch die Wareneinkäufe tätigte der Beigeladene mit der Firmenkundenkarte der Metro, die die Rechnungen direkt mit der Klägerin und nicht mit dem Beigeladenen abrechnete. Der Beigeladene stellte der Klägerin lediglich seine reine Arbeitskraft zur Verfügung. Der Erfolg seines Arbeitseinsatzes war nicht ungewiss, da er dafür den vereinbarten Stundensatz bzw. eine Pauschale erhielt. Ein besonderes Vergütungsrisiko hatte der Beigeladene dabei nicht zu tragen.
Wesentliche unternehmerische Chancen oder Freiheiten sind ebenfalls nicht erkennbar. Dem Beigeladenen war es außer durch Erhöhung der Stundenzahl nicht möglich, anderweitig seinen Gewinn zu optimieren. Der Beigeladene stellte der Klägerin wie in einem Arbeitsverhältnis seine Arbeitskraft zur Verfügung und führte fremdbestimmte Arbeiten aus.
Auch der Gesellschaftsanteil des Beigeladenen in Höhe von 20% spricht nicht für eine selbständige Tätigkeit. Im gesetzlichen Regelfall entscheidet gemäß § 47 Absatz 1 GmbHG (Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) der Anteil am Stammkapital über die Einflussmöglichkeiten in der Gesellschaft. Deswegen ergeben sich aus dem Umfang der Teilhabe am Stammkapital wesentliche Auswirkungen für die Frage, ob ein mitarbeitender Gesellschafter-Geschäftsführer als Beschäftigter der GmbH anzusehen oder Selbständiger ist. Ein Alleingesellschafter als Geschäftsführer steht zu „seiner“ GmbH in keinem Beschäftigungsverhältnis. Als Alleingesellschafter kann er die Willensbildung der Gesellschaft nämlich nach Belieben steuern. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der mindestens über die Hälfte des Stammkapitals verfügt, hat einen vergleichbaren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft, so dass er grundsätzlich ebenfalls nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (BSG, Urteil v. 24.06.1982 – 12 RK 45/80 – juris Rn 14; Seewald, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht <Std.: 82. EL. 2014>, § 7 SGB VI Rn. 89 ff.). Verfügt ein Gesellschafter-Geschäftsführer aber über weniger als 50 % des Stammkapitals, ist dieser Umstand in der Regel ein Indiz für seine abhängige Beschäftigung. Regelmäßig wird der mitarbeitende Gesellschafter-Geschäftsführer mit weniger als 50% Kapitalanteil die Entscheidungen der Gesellschafterversammlung nicht endgültig beeinflussen können, so dass ihn fremde Entscheidungen binden und ihm Weisungen erteilt werden können.
Die beim Beigeladenen vorliegende Gewerbeanmeldung ist im Rahmen der Gesamtabwägung kein aussagekräftiges Kriterium, da eine Überprüfung durch das Gewerbeaufsichtsamt hinsichtlich des Vorliegens einer Beschäftigung nicht stattfindet.
Dass der Beigeladene das Risiko trug, im Fall von Krankheit oder sonstigen Hinderungsgründen kein Entgelt zu erhalten, spricht ebenfalls nicht für Selbständigkeit. Die Belastung mit Risiken im Zusammenhang mit der Verwertung der Arbeitskraft spricht nur dann für Selbständigkeit, wenn ihr eine größere Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenübersteht. Dagegen vermag die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als Arbeitnehmer anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken keine Selbständigkeit zu begründen (Hessisches Landessozialgericht, Urteil v. 20.10.2005 - L 8/14 KR 334/04; so auch BSG, SozR 2200, § 1227 Nr. 17 S. 37; BSG, USK 79, 129; BSGE 51, 164, 170 = SozR 2400, § 2 Nr. 16 S. 23; vgl. auch BSG, SozR 2400, § 2 Nr. 19 S. 30). Darüber hinaus ist vorliegend zu berücksichtigen, dass sich der Beigeladene bei einem eigenen Ausfall wegen Krankheit oder anderer Umstände weder um eine Ersatzkraft bemühen noch die Kosten für eine Ersatzkraft tragen musste.
Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung nach den tatsächlichen Verhältnissen und nicht die von den Beteiligten gewählte vertragliche Beziehung. Solche Vereinbarungen sind im Übrigen eher typisch bei Scheinselbstständigkeit, die die Arbeitnehmerrechte wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Ansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und nicht zuletzt die Beitragszahlung zur Sozialversicherung umgehen soll. Dem Arbeitnehmer werden dadurch sämtliche Schutzmöglichkeiten genommen, ohne dass dies im Ergebnis durch unternehmerische Rechte oder gar Gewinne kompensiert wird (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 12.12.2008 - L 4 R 3542/05 (juris) und v. 24.02.2012 - L 4 KR 352/11).
Ausschlaggebend ist vorliegend auch nicht, dass der Beigeladene für seine Tätigkeit Umsatzsteuer abgeführt hat. Es entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass das Abführen und Erheben von Umsatzsteuer kein maßgebliches Indiz ist, um eine Tätigkeit als abhängige Beschäftigung oder selbstständige Betätigung zu erachten (vgl. BSG, Urteil v. 04.06.1998 - B 12 KR 5/97 R - SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; BSG, Urteil v. 19.08.2003 - B 2 U 38/02 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 1, Rn. 22; BSG, Urteil v. 30.06.2009 - B 2 U 3/08 R - juris). In dieser tatsächlichen Handhabung zeigt sich lediglich der Wille der Vertragspartner, die Tätigkeit des Beigeladenen als eine selbständige zu behandeln. Dieser Wille allein macht aus einem tatsächlich bestehenden Beschäftigungsverhältnis aber keine selbstständige Tätigkeit. Subjektive Fremd- und Selbsteinschätzungen sind untaugliche Hinweise zur Qualifizierung einer Dienstleistung als abhängige Beschäftigung oder unternehmerische Tätigkeit; eine Beschäftigung ist anzunehmen, wenn das Gesamtbild der jeweiligen Dienstleistung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung, ggf. der maßgeblichen Fachkreise, auf eine persönliche Abhängigkeit des Dienstnehmers gegenüber seinem Dienstgeber schließen lässt (Sächsisches LSG, Urteil v. 17.05.2011 - L 5 R 368/09 BSG, Urteil v. 30.06.2009 - B 2 U 3/08 R - juris).
Der von der Bundesagentur für Arbeit zunächst gewährte Existenzgründerzuschuss für die Tätigkeit des Beigeladenen stellt zwar ein gewisses Indiz gegen eine abhängige Beschäftigung dar. Allerdings ist weder die Beklagte noch das Gericht an die Entscheidung der Bundesagentur für Arbeit gebunden. Zwar galt im streitigen Zeitraum noch § 7 Absatz 4 Satz 1 und Satz 2 SGB IV a.F., wonach für Personen, die einen Existenzgründungszuschuss beantragen, widerlegbar vermutet wurde, dass sie in dieser Zeit als Selbstständige tätig sind und Personen für die Dauer des Bezugs dieses Zuschusses als selbständig Tätige galten. Allerdings handelte es sich insoweit bei der Entscheidung über den Existenzgründerzuschuss um eine Prognoseentscheidung für die Zukunft. Für die in Absatz 4 geregelte Vermutung ist kein dann kein Raum mehr, wenn die Würdigung der gesamten Umstände in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht gegen das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung sprechen (BSG USK 2006–8 = ZIP 2006, 678 = GmbHR 2006, 645 m Hinw auf BSG SozR 3–2400 § 7 Nr. 17 = NZS 2001, 644).
Die Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls spricht zur Überzeugung der Kammer für das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Die Annahme einer Beschäftigung ist dabei nicht abhängig von der individuellen Schutzbedürftigkeit der betroffenen Person. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts schließen es aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien, ihren Vereinbarungen oder ihren Vorstellungen zu entscheiden (BSG, Urteil v. 25.01.2001 - B 12 KR 18/00 R - juris).
2. Auch die Höhe der eingeforderten Beiträge ist nach der Neuberechnung vom 04.03.2016, die die von der Klägerin mitgeteilten Rechnungsbeträge zugrunde legt, nicht zu beanstanden. Fehler bei der Berechnung sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen.
Gemäß § 28e Absatz 1 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Arbeitgeber ist danach diejenige natürliche oder juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts zu der Arbeitnehmer in einem Verhältnis der persönlichen Abhängigkeit steht. In aller Regel wird es sich um denjenigen handeln, mit dem der Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat oder bei einem anderen Vertragsverhältnis, welches als abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu qualifizieren ist, der daraus Berechtigte. Im Zweifel ist daher als Arbeitgeber derjenige anzusehen, der dem Arbeitnehmer den Lohn bzw. die Gegenleistung für die Arbeit schuldet (Werner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 28e SGB IV, Rn. 36). Nach den obigen Ausführungen handelt es sich vorliegend bei der Klägerin um den Arbeitgeber des Beigeladenen. Sie ist somit zur Abführung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags verpflichtet.
3. Die Ansprüche sind vorliegend auch nicht verjährt. Gemäß § 25 Absatz 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 25 Absatz 1 Satz 2 SGB IV wird auch dann angenommen, wenn der Beitragsschuldner noch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist bösgläubig wird. Für das Vorliegen von Vorsatz trifft grundsätzlich den Versicherungsträger die objektive Beweislast (BSG, Urteil v. 21.03.2007 - B 11a AL 15/06 R; BSG, Urteil v. 30.03.2000 - B 12 KR 14/99 R). Vorsatz umfasst nach allgemeiner Definition drei Formen: den bedingten Vorsatz, den direkten Vorsatz sowie die Absicht. Vorsätzlich in Form des bedingten Vorsatzes handelt, wer einen Erfolg für möglich hält und ihn billigend in Kauf nimmt; die lange Verjährung muss damit auch gegen sich gelten lassen, wer als Beitragspflichtiger seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 25 SGB IV, Rn. 28; BSG v. 21.06.1990 - 12 RK 13/89 - Die Beiträge 1991, 112-115). Die Kammer ist vorliegend davon überzeugt, dass die Klägerin (durch ihren Geschäftsführer) seit der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht bzw. seit dem Vorliegen der schriftlichen Gründe des Urteils des Arbeitsgerichts vom 18.10.2007 die Möglichkeit einer Beitragspflicht erkannt und die Vorenthaltung der Beiträge wenigstens billigend in Kauf genommen hat. Ergibt ein arbeitsgerichtliches Verfahren, dass ein Beschäftigungsverhältnis besteht bzw. fortbesteht und werden nach dessen Abschluss vom Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge nicht entrichtet, so liegt eine absichtliche Beitragshinterziehung vor (BSG, Urteil v. 26.05.1977 - 12/3 RK 68/75 - SozR 2200 § 29 Nr. 9.).
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass dem Beigeladenen Existenzgründungszuschuss gewährt wurde und im streitigen Zeitraum die Vermutungsregel des § 7 Absatz 4 Satz 1 und Satz 2 SGB IV a.F. gegolten hat, da für den bedingten Vorsatz gerade keine gesicherte Kenntnis erforderlich ist. Bei Zweifeln hätte die sich Klägerin zudem mit Hilfe des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV über die versicherungsrechtliche Einordnung der Tätigkeit des Beigeladenen Klarheit verschaffen können.
Auch die vom Rentenversicherungsträger durchgeführten Betriebsprüfungen ändern an dieser Beurteilung nichts. Eine Betriebsprüfung soll die Beitragsentrichtung sicherstellen, hat aber nicht die Funktion, einem Arbeitgeber für die Prüfzeiträume eine „Entlastung“ zu erteilen (zuletzt BSG, Urteil v. 18.12.2013 – B 12 R 2/11 R – juris Rn. 36). Vertrauensschutz auf der Grundlage von unterbliebenen Nachforderungen kann sich nur ergeben, wenn eine bestimmte Frage ausdrücklicher Gegenstand einer Betriebsprüfung war oder von dem zu prüfenden Betrieb zum Gegenstand der Prüfung gemacht werden sollte. Daraus folgt, dass die Einzugsstelle nicht gehindert ist, trotz durchgeführter Betriebsprüfung einen Beitragsbescheid zu erlassen, wenn die Betriebsprüfung ohne Beanstandung geblieben ist (LSG Baden-Württemberg v. 28.04.2009 - L 11 KR 2495/05 - juris Rn. 53 - UV-Recht Aktuell 2009, 699-708.).
4. Die Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 24 SGB IV ist nicht zu beanstanden. Die Erhebung von Säumniszuschlägen scheidet nicht wegen § 24 Absatz 2 SGB IV aus. Danach ist ein auf eine durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellte Beitragsforderung entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Für die Frage, ob unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht vorgelegen hat, ist nicht auf diejenigen Maßstäbe zurückzugreifen, die das BSG für die Beurteilung des Vorsatzes im Sinne des § 25 Absatz 1 Satz 2 SGB IV entwickelt hat (so aber BSG, Urteil v. 26.01.2005, B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 7). Vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass die Person mit „Wissen“ und „Wollen“ gehandelt hat, wobei das „Wollen“ darauf beschränkt sein kann, dass der (rechtswidrige) Erfolg eines Tuns oder Unterlassens (hier: Nichtabführung von Beiträgen) billigend in Kauf genommen wird. Das Gesetz stellt in § 24 Absatz 2 SGB IV nur auf die fehlende Kenntnis einer Rechtspflicht (Zahlungspflicht) ab. Dies betrifft einen den Vorsatz ohnedies nicht berührenden Subsumtionsirrtum, der in strafrechtlicher Hinsicht allenfalls geeignet wäre, einen durch Einleitung eines Statusverfahrens nach § 7a SGB IV vermeidbaren Verbotsirrtum zu begründen (BGH, Urteil v. 07.10.2009, 1 StR 478/09, NStZ 2010, 337). Dieser Gesichtspunkt lässt sich auch auf die Regelung in § 24 Absatz 2 SGB IV übertragen. Die Vorschrift dient lediglich der Vermeidung unbilliger Härten (BSG, Urteil v. 12.02.2004, B 13 RJ 28/03 R, BSGE 92,150). Maßgebend ist deshalb auch im Fall des § 24 Absatz 2 SGB IV nur, ob die Unkenntnis des Beitragsschuldners von der Zahlungspflicht vermeidbar war. Davon ist hier auszugehen. Die Klägerin hätte die Möglichkeit gehabt, sich über ein Verfahren nach § 7a SGB IV oder eine Anfrage bei der Einzugsstelle (§ 28 h SGB IV) die erforderliche Kenntnis zu verschaffen (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 20.10.2015 – L 11 R 3898/14 –, juris; zur Annahme des Verschuldens, wenn aufgrund eines Arbeitsgerichtsurteils Gehalt oder Lohn nachbezahlt wurde vgl. Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 24 SGB IV Rn. 41).
5. Die Klage war daher in vollem Umfang abzuweisen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Absatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 154 Absatz 1, 155 Absatz 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Landessozialgericht Baden-Württemberg, Hauffstr. 5, 70190 Stuttgart - Postfach 10 29 44, 70025 Stuttgart -, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Stuttgart, Theodor-Heuss-Str. 2, 70174 Stuttgart, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.