08.09.2017 · IWW-Abrufnummer 196393
Sozialgericht Reutlingen: Urteil vom 24.11.2016 – S 8 AL 1678/15
Zur Frage der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit nach einem früheren Insolvenzereignis.
Sozialgericht Reutlingen
v. 24.11.2016
Az.: S 8 AL 1678/15
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert des Verfahrens wird auf 3136,33 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erfüllung der Voraussetzungen zur Entrichtung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen seitens der Beklagten nach einem Insolvenzereignis.
Die Klägerin ist eine gesetzliche Kranken- und Pflegekasse und unterhielt im Zeitraum vom 01.07.2010 bis zum 31.08.2014 für eine Versicherte, welche als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte für die Firma D...... (im Weiteren: Arbeitgeberin), ein Versicherungskonto.
Bereits am 01.08.2009 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin ein Insolvenzverfahren eröffnet (AG Charlottenburg, Beschluss v. 01.08.2009, Az.: 36d IN 1977/09). Mit weiterem Beschluss vom 17.09.2010 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben, nachdem die Bestätigung eines Insolvenzplans rechtskräftig wurde. Die Überwachung der Insolvenzplanerfüllung für 36 Monate ab Oktober 2010 wurde angeordnet.
Mit Beschluss vom 13.11.2014 ordnete das Amtsgericht Charlottenburg wiederum die vorläufige Insolvenzverwaltung an (Az.:36d IN 3977/14).
Der Insolvenzverwalter teilte der Beklagten dazu mit Schreiben vom 18.11.2014 mit, die Ansprüche der Gläubiger aus dem früheren Insolvenzplan seien noch nicht vollständig erfüllt (vgl. dazu auch das Insolvenzgutachten vom 04.02.2015).
Der Insolvenzverwalter konkretisierte dies im weiteren Verlauf insoweit, dass nach dem Insolvenzplan wären noch mindestens Beträge in Höhe von 139.475,17 € zu verteilen gewesen, darüber hinaus bestanden aufgrund der Nichteinhaltung der Regelungen des Insolvenzplanes Rückstände bei Maschinenlieferanten in Höhe von mindestens 300.000,00 € (vgl. Mitteilung des Insolvenzverwalters vom 28.09.2016 im Gerichtsverfahren).
Mit Beschluss vom 04.02.2015 eröffnete des Amtsgericht Charlottenburg schließlich erneut ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.
Die Klägerin meldete gegenüber dem Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 26.05.2015 eine Gesamtforderung von 12.704,51 € zur Insolvenztabelle an. Darin waren ausgebliebene Sozialversicherungsbeiträge für ihre Versicherte in Höhe von 11.098,71 € für die Zeit vom 01.10.2013 bis zum 31.08.2014 enthalten.
Mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Zahlung rückständiger Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01.06.2014 bis zum 31.08.2014 in Höhe von 3.136,33 €.
Mit Bescheid vom 15.06.2015 lehnte die Beklagte die Zahlung ab, da die Zahlungsfähigkeit der Arbeitgeberin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.08.2009 nicht wieder eingetreten sei.
Hierauf hat die Klägerin am 13.07.2015 Klage beim hiesigen Gericht erhoben. Sit trägt vor, es spreche nichts für eine fortdauernde Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin vom 01.08.2009 bis zum 04.02.2015. So hätte diese die fälligen Sozialversicherungsbeiträge bis zum 30.09.2013 ohne Weiteres bezahlt. Diesbezüglich legt die Klägerin eine Beitragskontoübersicht vor.
Die Klägerin beantragt:
1.
Der Bescheid der Beklagten vom 15.06.2015 wird aufgehoben.
2.
Die Beklagte wird zur Zahlung von Insolvenzgeld i.H.v. 3.136,33 € verurteilt.
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Zur Begründung trägt sie vor, da die Verpflichtungen aus dem Insolvenzplan nicht vollständig erfüllt worden seien, dürfe nicht von einer zwischenzeitlich wiederhergestellten Zahlungsfähigkeit ausgegangen werden.
Das Gericht hat die Beteiligten zur Möglichkeit der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid angehört.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts auf die vorliegende Verfahrensakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über welche das Gericht nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gem. § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden konnte, da der Sachverhalt geklärt ist und die Sache keine Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist, ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 SGG zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht beim sachlich und örtlich zuständigen Gericht erhoben. Vor Klageerhebung war die Durchführung eines Vorverfahrens nicht erforderlich, da ein Versicherungsträger einen eigenen Anspruch im Klageweg verfolgt, vgl. § 78 Abs. 1 Nr. 3 SGG.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entrichtung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für ihre bei der Firma D...... bis zum 31.08.2014 beschäftigte Versicherte.
Gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 SGB III zahlt die Beklagte auf Antrag der zuständigen Einzugsstelle - hier der Klägerin, vgl. § 28i Satz 1 SGB IV - mit Ausnahme bestimmter Säumniszuschläge und Stundungszinsen den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28d SGB IV, der auf die Arbeitsentgelte für die letzten 3 dem Insolvenzereignis vorausgegangenen Monate des Arbeitsverhältnisses entfällt und bei Eintritt des Insolvenzereignisses noch nicht gezahlt worden ist.
Im vorliegenden Fall begehrt die Klägerin die seitens der früheren Arbeitgeberin ihrer Versicherten noch nicht bezahlten Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die letzten 3 Monate des Arbeitsverhältnisses der Versicherten - hier mithin vom 01.06.2014 bis zum 31.08.2014 - von der Beklagten.
Auch ein Insolvenzereignis liegt vor.
Gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB III gilt als Insolvenzereignis die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.
Dem Anspruch der Klägerin steht jedoch entgegen, dass die Arbeitgeberin seit dem Insolvenzverfahren aufgrund des Eröffnungsbeschlusses ihre Zahlungsfähigkeit nicht wiedererlangt hat.
Bei Aufeinanderfolge mehrerer Insolvenzereignisse ist im Grundsatz das zeitlich erste für den Insolvenzgeldanspruch und damit auch für die nachfolgenden Ansprüche der Einzugsstellen auf Entrichtung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge maßgeblich (vgl. zu dieser Sperrwirkung des ersten Insolvenzereignisses BSG 1. 12. 1978 - 12 RAr 55/77 = SozR 4100 § 141b Nr. 6; BSG 19. 3. 1986 - 10 RAr 8/85 = SozR 4100 § 141b Nr. 37; BSG 11. 1. 1989 - 10 RAr 7/87 = SozR 4100 § 141b Nr. 43; NSG 22. 2. 1989 - 10 RAr 7/88 = SozR 4100 § 141b Nr. 45; BSG 17. 5. 1989 - 10 RAr 10/88 = SozR 4100 § 141b Nr. 46; BSG 30. 10. 1991 - 10 RAr 3/91 = BSGE 70, 9 ff. = SozR 3-4100 § 141b Nr. 3; BSG 6. 12. 2012 - B 11 AL 11/11 R = BSGE 112, 235 = SozR 4-4300 § 183 Nr. 14, jeweils Rz 16).
Die Sperrwirkung des zunächst eingetretenen Insolvenzereignisses besteht nicht, wenn das zunächst eingetretene Insolvenzereignis vollständig beseitigt wurde. Die Voraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit als allgemeiner Eröffnungsgrund nach § 17 Abs. 2 Satz 1Insolvenzordnung (InsO) liegen vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit ist nach der widerlegbaren Vermutung des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Ob der Arbeitgeber die Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat, ist eine Frage des Einzelfalls. Nicht ausreichend ist es, wenn der Arbeitgeber einzelne Zahlungspflichten erfüllt, denn er bleibt zahlungsunfähig, solange er wegen eines Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen (BSG 22. 2. 1989 - 10 RAr 7/88 = SozR 4100 § 141b Nr. 45; BSG 21. 11. 2002 - B 11 AL 35/02 R = SozR 3-4300 § 183 Nr. 3). Kein ausreichender Anhaltspunkt für die zwischenzeitliche Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit ist der Umstand, dass Lohn und Gehalt weitergezahlt wurden (LSG Schleswig-Holstein 21. 2. 2003 - L 3 AL 66/02, veröffentlicht in [...]). Entsprechend den zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit entwickelten Grundsätzen (vgl. Schmerbach in Frankfurter Kommentar zur InsO, 7. Aufl. 2013, § 17 Rz 19 ff.) wird man zudem fordern müssen, dass der Schuldner die Zahlungsfähigkeit für einen nicht unerheblichen Zeitraum wiedererlangt hat (Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB, 02/16, § 165 SGB III, Rn. 62).
Die Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit kann dabei nicht aus der Aufhebung des Insolvenzverfahrens wegen der Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens gefolgert werden (vgl. BSG 21. 11. 2002 - B 11 AL 35/02 R = BSGE 90, 157 = SozR 3-4300 § 183 Nr. 3; BSG 17. 3. 2015 - B 11 AL 9/14 R = NZS 2015, 591).
So ist von einer Fortdauer des aus Anlass des früheren Insolvenzereignisses eingetreten Zahlungsunfähigkeit jedenfalls dann auszugehen, wenn die im Insolvenzplan angeordnete Überwachung der Planerfüllung andauert. Wie das Bundessozialgericht klargestellt hat (Urteil vom 6. 12. 2012 - B 11 AL 11/11 R = BSGE 112, 235 = SozR 4-4300 § 183 Nr. 14), ist auch dann nicht immer von der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit auszugehen, wenn der Insolvenzplan nicht überwacht wird. Ein einheitlicher Insolvenztatbestand mit Sperrwirkung liegt danach auch bei fehlender Planüberwachung vor, wenn der Schuldner die ihm nach dem Insolvenzplan aufgegebenen Zahlungen überhaupt nicht leisten kann und auch sonst nach der Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens zu keinem Zeitpunkt die Fähigkeit wieder eingetreten ist, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen (Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB, 02/16, § 165 SGB III, Rn. 63). Hierbei reicht die Zahlung von Löhnen und Gehältern für die Annahme dieser Fähigkeit nicht aus (s.o.).
Wird noch vor vollständiger Erfüllung des Insolvenzplanes ein neues Insolvenzverfahren eröffnet, ist in der Regel nicht von wiederhergestellter Zahlungsfähigkeit auszugehen (vgl. BSG, Urteil v. 21.11.2002 - B 11 AL 35/02 R).
Ausgehend von diesen Maßstäben hat die Arbeitgeberin nach dem Insolvenzereignis vom 01.08.2009, der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das Amtsgericht Charlottenburg, ihre Zahlungsfähigkeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 04.02.2015 nicht wiedererlangt.
Denn, wie sich aus den hier im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Erklärungen des Insolvenzverwalters vom 18.11.204 und vom 28.09.2016 ergibt, erfolgte die Beendigung des sich anschließenden Insolvenzplanverfahrens wegen Nichterfüllung der Planvorgaben, mithin insbesondere der dortigen Zahlungspflichten. Zum Zeitpunkt der Beendigung waren aus dem Insolvenzplan noch mindestens 139.475,17 € zu verteilen und es bestanden darüber hinaus weitere Rückstände in Höhe von mindestens 300.000,00 €.
Eine Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit ergibt sich demgegenüber, wie bereits ausgeführt, nicht aus der (vorübergehenden) Zahlung von Löhnen und Gehältern, einschließlich der damit verbundenen Sozialversicherungsbeiträge. Tatsächlich ergibt sich aus der seitens der Klägerin vorgelegten Versicherungskontoübersicht, dass bereits im Januar 2011, ein halbes Jahr nach Aufnahme der Beschäftigung der Versicherten bei der Arbeitgeberin, Säumniszuschläge wegen nichtrechtzeitiger Entrichtung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge erhoben werden mussten. Bereits ab Mitte des Jahres 2011 - während des Überwachungszeitraums des Insolvenzplans - stellt sich die Erhebung von Säumniszuschlägen und Mahngebühren wegen ausbleibender, rechtzeitiger Beitragszahlungen als weitgehender Normalzustand dar, bis schließlich ab dem 01.10.2013 und damit unmittelbar nach Ende der angeordneten Planüberwachung am 30.09.2013 ein vollständiger Beitragszahlungsausfall eintrat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und orientiert sich am Verfahrensausgang.
Der Streitwert ist auf 3.136,33 € festzusetzen, da die Klägerin eine Forderung in dieser Höhe erhebt. Nach § 197a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben, wenn - wie vorliegend - weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen (Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger) gehören.
Gemäß § 3 Abs. 1 GKG richten sich die Gebühren nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert). Nach § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, so ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG).
v. 24.11.2016
Az.: S 8 AL 1678/15
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert des Verfahrens wird auf 3136,33 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erfüllung der Voraussetzungen zur Entrichtung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen seitens der Beklagten nach einem Insolvenzereignis.
Die Klägerin ist eine gesetzliche Kranken- und Pflegekasse und unterhielt im Zeitraum vom 01.07.2010 bis zum 31.08.2014 für eine Versicherte, welche als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte für die Firma D...... (im Weiteren: Arbeitgeberin), ein Versicherungskonto.
Bereits am 01.08.2009 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin ein Insolvenzverfahren eröffnet (AG Charlottenburg, Beschluss v. 01.08.2009, Az.: 36d IN 1977/09). Mit weiterem Beschluss vom 17.09.2010 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben, nachdem die Bestätigung eines Insolvenzplans rechtskräftig wurde. Die Überwachung der Insolvenzplanerfüllung für 36 Monate ab Oktober 2010 wurde angeordnet.
Mit Beschluss vom 13.11.2014 ordnete das Amtsgericht Charlottenburg wiederum die vorläufige Insolvenzverwaltung an (Az.:36d IN 3977/14).
Der Insolvenzverwalter teilte der Beklagten dazu mit Schreiben vom 18.11.2014 mit, die Ansprüche der Gläubiger aus dem früheren Insolvenzplan seien noch nicht vollständig erfüllt (vgl. dazu auch das Insolvenzgutachten vom 04.02.2015).
Der Insolvenzverwalter konkretisierte dies im weiteren Verlauf insoweit, dass nach dem Insolvenzplan wären noch mindestens Beträge in Höhe von 139.475,17 € zu verteilen gewesen, darüber hinaus bestanden aufgrund der Nichteinhaltung der Regelungen des Insolvenzplanes Rückstände bei Maschinenlieferanten in Höhe von mindestens 300.000,00 € (vgl. Mitteilung des Insolvenzverwalters vom 28.09.2016 im Gerichtsverfahren).
Mit Beschluss vom 04.02.2015 eröffnete des Amtsgericht Charlottenburg schließlich erneut ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.
Die Klägerin meldete gegenüber dem Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 26.05.2015 eine Gesamtforderung von 12.704,51 € zur Insolvenztabelle an. Darin waren ausgebliebene Sozialversicherungsbeiträge für ihre Versicherte in Höhe von 11.098,71 € für die Zeit vom 01.10.2013 bis zum 31.08.2014 enthalten.
Mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Zahlung rückständiger Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01.06.2014 bis zum 31.08.2014 in Höhe von 3.136,33 €.
Mit Bescheid vom 15.06.2015 lehnte die Beklagte die Zahlung ab, da die Zahlungsfähigkeit der Arbeitgeberin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.08.2009 nicht wieder eingetreten sei.
Hierauf hat die Klägerin am 13.07.2015 Klage beim hiesigen Gericht erhoben. Sit trägt vor, es spreche nichts für eine fortdauernde Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin vom 01.08.2009 bis zum 04.02.2015. So hätte diese die fälligen Sozialversicherungsbeiträge bis zum 30.09.2013 ohne Weiteres bezahlt. Diesbezüglich legt die Klägerin eine Beitragskontoübersicht vor.
Die Klägerin beantragt:
1.
Der Bescheid der Beklagten vom 15.06.2015 wird aufgehoben.
2.
Die Beklagte wird zur Zahlung von Insolvenzgeld i.H.v. 3.136,33 € verurteilt.
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Zur Begründung trägt sie vor, da die Verpflichtungen aus dem Insolvenzplan nicht vollständig erfüllt worden seien, dürfe nicht von einer zwischenzeitlich wiederhergestellten Zahlungsfähigkeit ausgegangen werden.
Das Gericht hat die Beteiligten zur Möglichkeit der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid angehört.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts auf die vorliegende Verfahrensakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über welche das Gericht nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gem. § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden konnte, da der Sachverhalt geklärt ist und die Sache keine Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist, ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 SGG zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht beim sachlich und örtlich zuständigen Gericht erhoben. Vor Klageerhebung war die Durchführung eines Vorverfahrens nicht erforderlich, da ein Versicherungsträger einen eigenen Anspruch im Klageweg verfolgt, vgl. § 78 Abs. 1 Nr. 3 SGG.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entrichtung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für ihre bei der Firma D...... bis zum 31.08.2014 beschäftigte Versicherte.
Gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 SGB III zahlt die Beklagte auf Antrag der zuständigen Einzugsstelle - hier der Klägerin, vgl. § 28i Satz 1 SGB IV - mit Ausnahme bestimmter Säumniszuschläge und Stundungszinsen den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28d SGB IV, der auf die Arbeitsentgelte für die letzten 3 dem Insolvenzereignis vorausgegangenen Monate des Arbeitsverhältnisses entfällt und bei Eintritt des Insolvenzereignisses noch nicht gezahlt worden ist.
Im vorliegenden Fall begehrt die Klägerin die seitens der früheren Arbeitgeberin ihrer Versicherten noch nicht bezahlten Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die letzten 3 Monate des Arbeitsverhältnisses der Versicherten - hier mithin vom 01.06.2014 bis zum 31.08.2014 - von der Beklagten.
Auch ein Insolvenzereignis liegt vor.
Gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB III gilt als Insolvenzereignis die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.
Dem Anspruch der Klägerin steht jedoch entgegen, dass die Arbeitgeberin seit dem Insolvenzverfahren aufgrund des Eröffnungsbeschlusses ihre Zahlungsfähigkeit nicht wiedererlangt hat.
Bei Aufeinanderfolge mehrerer Insolvenzereignisse ist im Grundsatz das zeitlich erste für den Insolvenzgeldanspruch und damit auch für die nachfolgenden Ansprüche der Einzugsstellen auf Entrichtung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge maßgeblich (vgl. zu dieser Sperrwirkung des ersten Insolvenzereignisses BSG 1. 12. 1978 - 12 RAr 55/77 = SozR 4100 § 141b Nr. 6; BSG 19. 3. 1986 - 10 RAr 8/85 = SozR 4100 § 141b Nr. 37; BSG 11. 1. 1989 - 10 RAr 7/87 = SozR 4100 § 141b Nr. 43; NSG 22. 2. 1989 - 10 RAr 7/88 = SozR 4100 § 141b Nr. 45; BSG 17. 5. 1989 - 10 RAr 10/88 = SozR 4100 § 141b Nr. 46; BSG 30. 10. 1991 - 10 RAr 3/91 = BSGE 70, 9 ff. = SozR 3-4100 § 141b Nr. 3; BSG 6. 12. 2012 - B 11 AL 11/11 R = BSGE 112, 235 = SozR 4-4300 § 183 Nr. 14, jeweils Rz 16).
Die Sperrwirkung des zunächst eingetretenen Insolvenzereignisses besteht nicht, wenn das zunächst eingetretene Insolvenzereignis vollständig beseitigt wurde. Die Voraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit als allgemeiner Eröffnungsgrund nach § 17 Abs. 2 Satz 1Insolvenzordnung (InsO) liegen vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit ist nach der widerlegbaren Vermutung des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Ob der Arbeitgeber die Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat, ist eine Frage des Einzelfalls. Nicht ausreichend ist es, wenn der Arbeitgeber einzelne Zahlungspflichten erfüllt, denn er bleibt zahlungsunfähig, solange er wegen eines Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen (BSG 22. 2. 1989 - 10 RAr 7/88 = SozR 4100 § 141b Nr. 45; BSG 21. 11. 2002 - B 11 AL 35/02 R = SozR 3-4300 § 183 Nr. 3). Kein ausreichender Anhaltspunkt für die zwischenzeitliche Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit ist der Umstand, dass Lohn und Gehalt weitergezahlt wurden (LSG Schleswig-Holstein 21. 2. 2003 - L 3 AL 66/02, veröffentlicht in [...]). Entsprechend den zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit entwickelten Grundsätzen (vgl. Schmerbach in Frankfurter Kommentar zur InsO, 7. Aufl. 2013, § 17 Rz 19 ff.) wird man zudem fordern müssen, dass der Schuldner die Zahlungsfähigkeit für einen nicht unerheblichen Zeitraum wiedererlangt hat (Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB, 02/16, § 165 SGB III, Rn. 62).
Die Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit kann dabei nicht aus der Aufhebung des Insolvenzverfahrens wegen der Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens gefolgert werden (vgl. BSG 21. 11. 2002 - B 11 AL 35/02 R = BSGE 90, 157 = SozR 3-4300 § 183 Nr. 3; BSG 17. 3. 2015 - B 11 AL 9/14 R = NZS 2015, 591).
So ist von einer Fortdauer des aus Anlass des früheren Insolvenzereignisses eingetreten Zahlungsunfähigkeit jedenfalls dann auszugehen, wenn die im Insolvenzplan angeordnete Überwachung der Planerfüllung andauert. Wie das Bundessozialgericht klargestellt hat (Urteil vom 6. 12. 2012 - B 11 AL 11/11 R = BSGE 112, 235 = SozR 4-4300 § 183 Nr. 14), ist auch dann nicht immer von der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit auszugehen, wenn der Insolvenzplan nicht überwacht wird. Ein einheitlicher Insolvenztatbestand mit Sperrwirkung liegt danach auch bei fehlender Planüberwachung vor, wenn der Schuldner die ihm nach dem Insolvenzplan aufgegebenen Zahlungen überhaupt nicht leisten kann und auch sonst nach der Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens zu keinem Zeitpunkt die Fähigkeit wieder eingetreten ist, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen (Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB, 02/16, § 165 SGB III, Rn. 63). Hierbei reicht die Zahlung von Löhnen und Gehältern für die Annahme dieser Fähigkeit nicht aus (s.o.).
Wird noch vor vollständiger Erfüllung des Insolvenzplanes ein neues Insolvenzverfahren eröffnet, ist in der Regel nicht von wiederhergestellter Zahlungsfähigkeit auszugehen (vgl. BSG, Urteil v. 21.11.2002 - B 11 AL 35/02 R).
Ausgehend von diesen Maßstäben hat die Arbeitgeberin nach dem Insolvenzereignis vom 01.08.2009, der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das Amtsgericht Charlottenburg, ihre Zahlungsfähigkeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 04.02.2015 nicht wiedererlangt.
Denn, wie sich aus den hier im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Erklärungen des Insolvenzverwalters vom 18.11.204 und vom 28.09.2016 ergibt, erfolgte die Beendigung des sich anschließenden Insolvenzplanverfahrens wegen Nichterfüllung der Planvorgaben, mithin insbesondere der dortigen Zahlungspflichten. Zum Zeitpunkt der Beendigung waren aus dem Insolvenzplan noch mindestens 139.475,17 € zu verteilen und es bestanden darüber hinaus weitere Rückstände in Höhe von mindestens 300.000,00 €.
Eine Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit ergibt sich demgegenüber, wie bereits ausgeführt, nicht aus der (vorübergehenden) Zahlung von Löhnen und Gehältern, einschließlich der damit verbundenen Sozialversicherungsbeiträge. Tatsächlich ergibt sich aus der seitens der Klägerin vorgelegten Versicherungskontoübersicht, dass bereits im Januar 2011, ein halbes Jahr nach Aufnahme der Beschäftigung der Versicherten bei der Arbeitgeberin, Säumniszuschläge wegen nichtrechtzeitiger Entrichtung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge erhoben werden mussten. Bereits ab Mitte des Jahres 2011 - während des Überwachungszeitraums des Insolvenzplans - stellt sich die Erhebung von Säumniszuschlägen und Mahngebühren wegen ausbleibender, rechtzeitiger Beitragszahlungen als weitgehender Normalzustand dar, bis schließlich ab dem 01.10.2013 und damit unmittelbar nach Ende der angeordneten Planüberwachung am 30.09.2013 ein vollständiger Beitragszahlungsausfall eintrat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und orientiert sich am Verfahrensausgang.
Der Streitwert ist auf 3.136,33 € festzusetzen, da die Klägerin eine Forderung in dieser Höhe erhebt. Nach § 197a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben, wenn - wie vorliegend - weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen (Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger) gehören.
Gemäß § 3 Abs. 1 GKG richten sich die Gebühren nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert). Nach § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, so ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG).
RechtsgebietSGB IIIVorschriften§ 165 Abs. 1 S. 2 SGB III; § 175 Abs. 1 S. 1 SGB III