09.08.2018 · IWW-Abrufnummer 202860
Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 07.05.2018 – 10 K 477/17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
FG Hessen
07.05.2018
10 K 477/17
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Schenkungsteuer gemäß § 235 der Abgabenordnung (AO).
Die Klägerin ist die Ehefrau in zweiter Ehe des A (Zuwendender). Dieser ist B und war bis zum Jahr 1998 C der D. Im Zusammenhang mit dem Transfer von Kundenvermögen auf ausländische Konten trat er von diesem Posten zurück. Anfang des Jahres 1999 erging ihm gegenüber ein Strafbefehl wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Die Klägerin war bis zu ihrer ersten Heirat und der Geburt ihrer Tochter E.
Mit Schreiben vom 23. November 2015 teilte die Steuerfahndung bei dem Finanzamt dem Beklagten (das Finanzamt FA -) mit, im Rahmen eines steuerlichen Ermittlungsverfahrens seien im Kalenderjahr 2014 Feststellungen getroffen worden, die vermuten ließen, dass die Klägerin vom Zuwendenden diverse Zuwendungen erhalten habe. Hierbei handelte es sich um die Zuwendung eines Miteigentumsanteils von 1/2 an dem Grundstück F, die im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks im Jahr 1995 erfolgte, die Zuwendung einer Bargeldsumme zum 1. Januar 2000 in Höhe von umgerechnet 1.800.000,-- € sowie die Übertragung des zweiten Miteigentumsanteils von 1/2 an dem Grundstück F im Jahr 2010.
Auf Anforderung des FA teilte die Klägerin mit Schreiben vom 21. Dezember 2015 mit, die fraglichen Zuwendungen seien Gegenstand eines im Jahr 2014 durchgeführten Zugewinnausgleichs gewesen. Am 11. Juli 2014 hätten die Ehegatten einen Ehevertrag geschlossen, durch den der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft zugunsten der Gütertrennung aufgehoben worden sei. Auf den daraufhin durchzuführenden Zugewinnausgleich zu ihren Gunsten seien die bereits erfolgten Zuwendungen - u. a. die Übertragung einer Bargeldsumme in Höhe von 1.800.000,-- € in 2000 zur Einzahlung auf ein Depot der G - angerechnet worden. Zum Nachweis wurde eine Kopie des notariellen Vertrages vom 11. Juli 2014 vorgelegt. Hinsichtlich der dort getroffenen Vereinbarungen wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 21. Dezember 2015 (Bl. 5 ff. der Schenkungsteuerakte) Bezug genommen.
Nach umfangreichem Schriftsatzwechsel vertrat das FA die Auffassung, hinsichtlich der Schenkungen sei zwar von einer (nachträglichen) Steuerfestsetzung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) abzusehen. Für den Zeitraum, in dem Schenkungsteuer zugunsten der Klägerin hinterzogen worden sei, seien aber Zinsen im Sinne des § 235 AO festzusetzen. Insoweit berief sich das FA auf das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 28. März 2012 (II R 39/10).
Mit Bescheid vom 18. August 2016 setzte das FA Zinsen für hinterzogene Schenkungsteuer in Höhe von 228.585,-- € fest. Dabei legte das FA einen zu verzinsenden (abgerundeten) Betrag von 311.000,-- € und einen Zinslauf von 147 Monaten zugrunde.
Hiergegen legte die Klägerin am 26. August 2016 Einspruch ein und begründete diesen wie folgt: Der Zinsbescheid sei rechtswidrig, da der verzinste Schenkungsteueranspruch nicht bestehe, sondern mit Durchführung des Zugewinnausgleichs "mit Wirkung für die Vergangenheit", also rückwirkend (ex tunc) erloschen sei. Der Wortlaut des § 29 Abs. 1 ErbStG sei insoweit eindeutig. Daher könne auf die Steuerschuld bzw. deren Festsetzung auch nicht - wie vom FA erklärt - verzichtet werden. Nach dem rückwirkenden Wegfall der Steuerschuld sei eine Festsetzung von Zinsen nicht (mehr) zulässig. Insoweit werde auf die Kommentierung von Jülicher (in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Loseblatt Stand November 2017, § 29, Rdnr. 76) Bezug genommen. Entgegen der Ansicht des FA folge aus § 235 Abs. 3 AO nichts anderes, da ein Schenkungsteuerbescheid zu keinem Zeitpunkt erlassen worden sei und auch nicht fälschlicherweise nicht erlassen worden sei.
Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das FA mit Verfügung vom 6. September 2016 ab. In den Gründen seiner Entscheidung führte das FA aus: Die Festsetzung der Hinterziehungszinsen sei zu Recht erfolgt. Schenkungen unter Ehegatten seien auch dann zunächst steuerpflichtig, wenn sie später auf die Ausgleichsforderung im Rahmen eines Zugewinnausgleichs anzurechnen seien. Erfolge ein solcher Zugewinnausgleich nicht, bleibe die Steuerpflicht solcher Zuwendungen bestehen. Der Bestimmung des § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG liege der Gedanke zugrunde, dass die durch den Zugewinnausgleich neutralisierten Vermögensverschiebungen vorab ordnungsgemäß versteuert worden seien. Die (zeitweise) erfolgte Steuerhinterziehung lasse die Vorschrift dagegen unberührt, insbesondere, weil die Verwirklichung der Steuerhinterziehung nicht von dem zufälligen Ergebnis einer späteren Anrechnung im Rahmen des Zugewinnausgleichs abhängen dürfe. Daher könne der Vorschrift auch nicht entnommen werden, dass im Falle einer (zeitweisen) Steuerhinterziehung eine Abschöpfung des hierdurch erlangten Zinsvorteils nach § 235 AO nicht möglich sei. Dem stehe auch nicht entgegen, dass keine Festsetzung der Schenkungsteuer erfolgt sei, da nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit der Zinsfestsetzung nicht die Festsetzung der Schenkungsteuer als Grundlagenbescheid erfordere (BFH-Urteil vom 28. März 2012 II R 39/10).
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens setzte der 1. Senat des Hessischen FG auf Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 2. November 2016 (1 V 1721/16) die Vollziehung des angefochtenen Zinsbescheides aus. In den Gründen der Entscheidung wurde ausgeführt, es bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids hinsichtlich der Frage, ob es die Akzessorietät des Zinsanspruchs ausschließe, Zinsen für einen Steueranspruch festzusetzen, der zum Zeitpunkt der Zinsfestsetzung nicht mehr bestehe. Die endgültige Klärung dieser - soweit ersichtlich - noch nicht gerichtlich entschiedenen Rechtsfrage müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 2. November 2016 (1 V 1721/16) Bezug genommen.
Mit seiner Entscheidung vom 7. Februar 2017 (zur Post am 8. Februar 2017) wies das FA den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Es war der Ansicht, auch ein rückwirkender Wegfall der der Verzinsung zugrunde liegenden Steuerschuld stehe der (nachträglichen) Festsetzung von Hinterziehungszinsen nicht entgegen. Dies folge bereits daraus, dass § 235 Abs. 3 Satz 3 AO, wonach die nachträgliche Änderung des der Zinsfestsetzung zugrunde liegenden Steuerbescheides die Zinsen unberührt lasse, vollumfänglich auf die Korrekturvorschriften und damit auch auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO Bezug nehme. Als rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gelte auch der Wegfall der Schenkungsteuerschuld infolge Anrechnung der Zuwendung im Rahmen des Zugewinns. Der Festsetzung der Hinterziehungszinsen stehe auch nicht die fehlende Festsetzung der Schenkungsteuer entgegen. Denn es wäre ohne weiteres möglich gewesen, die Schenkungsteuer festzusetzen und diesen Bescheid nach Mitteilung der Anrechnung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO wieder aufzuheben; lediglich aus verwaltungsökonomischen Gründen sei hiervon abgesehen worden. Mit Absehen von der Zinsfestsetzung würde der Normzweck des § 235 AO, nämlich den Zinsvorteil aus einer Steuerhinterziehung abzuschöpfen, unterlaufen. Denn andernfalls habe es der Steuerpflichtige in der Hand, durch die nachträgliche Anrechnung nach Maßgabe von § 5 ErbStG sich den ihm gegenüber festzusetzenden Hinterziehungszinsen zu entziehen und die Zinsvorteile aus der Steuerhinterziehung vollumfänglich für sich zu vereinnahmen (vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/ FGO, Loseblatt, Stand Dezember 2017, § 235 AO Rdnr. 40). Nicht zuletzt ergebe sich aus der Akzessorietät beim Entstehen des Zinslaufs nicht auch dessen Akzessorietät beim Erlöschen. Auf die Urteile des BFH vom 28. März 2012 (II R 39/10) und des FG Münster vom 20. April 2016 (7 K 2354/13 E) werde verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Aktenausfertigung der Einspruchsentscheidung (Bl. 193 ff. der Schenkungsteuerakte) Bezug genommen.
Am 10. März 2017 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie ihr Rechtsschutzbegehren weiter verfolgt. Zur Begründung trägt sie vor, sie (die Klägerin) habe nie Schenkungsteuer geschuldet. Insoweit handele es sich auch nicht um einen "Verzicht" auf die Festsetzung des Steueranspruchs, vielmehr fehle es aufgrund des Wegfalls des Steueranspruchs "ex tunc" (vgl. § 29 ErbStG) insgesamt an einem zu versteuernden Steueranspruch. Da es an einer zinsauslösenden Hauptschuld fehle, fehle es an einer Rechtsgrundlage für die Zinsfestsetzung. § 235 AO sei insoweit nicht einschlägig, da sich - nach dem Willen des Gesetzgebers - die Höhe der Hinterziehungszinsen alleine nach dem hinterzogenen Steuerbetrag richte. Dies entspreche auch der Auffassung der Literatur. So vertrete Jülicher (in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Loseblatt, Stand November 2017, § 29 Rdnr. 76) die Ansicht, dass eine erstmalige Festsetzung von Nebenleistungen nach rückwirkendem Entfallen der Steuerschuld nicht mehr zulässig sei. Meincke führe in seiner Kommentierung aus, dass unter den Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 ErbStG die Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit so zu ändern sei, als ob der zunächst besteuerte Vorgang nie steuerpflichtig gewesen sei.
Die Anforderung von Stundungszinsen oder Säumniszuschlägen entfalle (Meincke, ErbStG, 16. Auflage, § 29 Rdnr. 2). § 235 Abs. 3 Satz 3 AO betreffe nur die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung eines Steuerbescheides, eine Anwendung dieser Regelung über den Wortlaut hinaus scheide aus. Ungeachtet dessen habe das FA, dem insoweit die Beweislast obliege, auch das Vorliegen einer Steuerhinterziehung nicht nachgewiesen. So sei bereits die Annahme einer Zuwendung fraglich, da sie (die Klägerin) den überlassenen Geldbetrag nicht zu ihrer freien Verfügung erhalten habe, vielmehr habe die Einzahlung auf das G Depot lediglich ihrer Absicherung gedient. Zudem fehle es an dem für eine Steuerhinterziehung erforderlichen vorsätzlichen Handeln. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass zum damaligen Zeitpunkt die Behandlung so genannter unbenannter ehelicher Zuwendungen im Schenkungsteuerrecht umstritten gewesen sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 18. April 2017 und vom 2. August 2017 sowie die in der mündlichen Verhandlung verlesene persönliche Erklärung der Klägerin (Bl. 36 ff., 85 ff. und 147 f. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Auf Hinweis der Klägerseite, dass die vom FA zur Berechnung des zu verzinsenden Betrages einbezogenen Zuwendungen der Miteigentumsanteile an dem Grundstück der Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterfielen, erging am 18. September 2017 ein geänderter Bescheid, durch den die Zinsen für hinterzogene Steuern auf 213.333,-- € herabgesetzt wurden. Die Zinsen wurden nunmehr wie folgt berechnet:
Wert des Depots 3.587.970,-- DM
abzüglich Freibetrag 600.000,-- DM
= abgerundet 2.987.900,-- DM
Steuersatz 19 %
= Steuer 567.701,-- DM (entspricht 290.261,-- €)
zu verzinsender Betrag (abger.) 290.250,-- €
Beginn des Zinslaufs 01.04.2002
Ende des Zinslaufs 11.07.2014
Zinszeitraum volle Monate 147
Zinsbetrag 213.333,75 €
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über Zinsen zur Schenkungsteuer vom 18. August 2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 18. September 2017 und die Einspruchsentscheidung vom 7. Februar 2017 aufzuheben,
hilfsweise, für den Fall der Klageabweisung, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft es seine Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, der Beginn des Zinslaufes 15 Monate nach der Zuwendung sei entsprechend der vom FG Münster vertretenen Auffassung (Urteile vom 24. November 2016 3 K 1627/15 Erb und 3 K 1628/15 Erb, Revision anhängig unter II R 7/17 und II R 8/17) nicht zu beanstanden.
Die einschlägige Verwaltungsakte (ein Band Schenkungsteuerakte) sowie die Gerichtsakte 1 V 1721/16 wurden beigezogen und waren Gegenstand der Beratung und Entscheidung.
Gründe
I. Die Klage ist unbegründet.
Der Bescheid über Zinsen zur Schenkungsteuer vom 18. August 2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 18. September 2017 und die Einspruchsentscheidung vom 7. Februar 2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die Festsetzung der Hinterziehungszinsen erfolgte zu Recht, da nach Überzeugung des Senats innerhalb des zu verzinsenden Zeitraums die Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 1 AO zugunsten der Klägerin vorlagen.
a) Gemäß § 235 Abs. 1 Satz 1 AO sind hinterzogene Steuern zu verzinsen. Der Zinsbescheid hat sich an den Zinsschuldner im Sinne des § 235 Abs. 1 Satz 2 AO zu richten, d. h. an denjenigen, zu dessen Vorteil die Steuer hinterzogen worden ist. Voraussetzung ist hierfür die Verwirklichung des objektiven und subjektiven Tatbestands einer vollendeten Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO. Dabei hindert das Vorliegen von Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründen das Entstehen des Zinsanspruchs, nicht jedoch das Vorliegen von persönlichen Strafaufhebungs- oder Strafausschließungsgründen, wie etwa die Selbstanzeige nach § 371 AO. Die Feststellung der Straftat ist strafrechtliche Vorfrage für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zinsfestsetzung (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. März 1979 GrS 5/77, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1979, 570; BFH-Beschluss vom 18. Dezember 1986 I B 49/86, BStBl II 1988, 213). Ob ein Strafverfahren tatsächlich eingeleitet oder der Täter verurteilt worden ist, ist demgegenüber unerheblich (BFH-Urteil vom 24. Mai 2000 II R 25/99, BStBl II 2000, 378), da das Finanzgericht selbständig zu entscheiden hat, ob die Voraussetzungen für die Entstehung von Hinterziehungszinsen gegeben sind.
b) Unter Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist der Senat im Streitfall zu der Überzeugung gelangt, dass eine vollendete Steuerhinterziehung zugunsten der Klägerin verwirklicht worden ist.
aa) Nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AO begeht eine Steuerhinterziehung, wer den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder sie pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Dabei reicht es für eine vollendete Steuerhinterziehung aus, wenn die Verkürzung der Steuern nicht endgültig, sondern zeitlich beschränkt erfolgt (so genannte "Steuerhinterziehung auf Zeit"). Die Steuerhinterziehung muss vorsätzlich begangen worden sein. Zum Vorsatz der Steuerhinterziehung gehört, dass der Täter den bestehenden Steueranspruch kennt und dass er ihn trotz dieser Kenntnis gegenüber der Steuerbehörde verkürzen will. Dabei ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass der Täter aufgrund einer Parallelwertung in der Laiensphäre den Grund, die Höhe und die Fälligkeit des Steueranspruchs erfasst. Er muss die steuerliche Erheblichkeit der Tatsache zwar nicht steuerrechtlich präzise, aber doch in dem Sinne erkannt haben, dass er weiß, die Tatsache werde möglicherweise für seine Steuerschuld von Bedeutung sein (Leopold/Madle/Rader, AO, Loseblatt, Stand August 2017, § 370 Rdnr. 222, mit Rechtsprechungsnachweisen). Vorsätzlich handelt auch, wer es nur für möglich hält, dass er den Tatbestand verwirklicht, und dies billigend in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz; vgl. BFH-Urteil vom 31. Juli 1996 XI R 74/95, BStBl II 1997, 157 [BFH 31.07.1996 - XI R 74/95]). Abzugrenzen ist die vorsätzliche Steuerhinterziehung (§ 370 AO) von der leichtfertigen Steuerverkürzung im Sinne des § 378 AO. Leichtfertigkeit bedeutet nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2002 IV R 37/01, BStBl II 2003, 385, m. w. N.) einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit und entspricht damit in etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts.
Insoweit ist auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abzustellen. Ein derartiges Verschulden liegt danach vor, wenn der Täter nach den Gegebenheiten des konkreten Falls und seinen individuellen Fähigkeiten in der Lage gewesen wäre, den sich aus den konkret einschlägigen gesetzlichen Regelungen ergebenden Sorgfaltspflichten zu genügen. Dabei unterscheidet sich die (bewusste) Fahrlässigkeit dadurch vom bedingten Vorsatz, dass der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft - nicht nur vage - darauf vertraut, sie werde nicht eintreten.
Für die Erfüllung des objektiven und des subjektiven Tatbestandes einer Steuerhinterziehung ist nach der Rechtsprechung der strafprozessuale Grundsatz "in dubio pro reo" zwar auch in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit zu beachten. Dies bedeutet zunächst aber nur, dass die Finanzbehörde (wie generell für die Tatsachen, die den Steueranspruch begründen) die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale der Steuerhinterziehung trägt. Dies hat zur Folge, dass für die Feststellung einer Steuerhinterziehung im finanzgerichtlichen Verfahren kein höherer Grad an Gewissheit erforderlich ist, als für die Feststellung anderer Tatsachen, für die die Finanzbehörde die objektive Beweislast trägt (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. März 1979 GrS 5/77, BStBl II 1979, 570; seitdem ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 7. November 2006 VIII R 81/04, BStBl II 2007, 364 [BFH 07.11.2006 - VIII R 81/04]). Daher hat das Finanzgericht - wie auch sonst - nach seiner aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) zu entscheiden, ob eine Steuerhinterziehung mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet, vorliegt, wobei jedoch der Grundsatz "in dubio pro reo" insoweit einer z. B. bei Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den Steuerpflichtigen in Betracht kommenden Reduzierung des Beweismaßes entgegensteht (vgl. BFH-Urteil vom 7. November 2006 VIII R 81/04, BStBl II 2007, 364).
Die vorgenannten Grundsätze zur Feststellung einer Steuerhinterziehung gelten in gleichem Maße für die Beurteilung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 370 AO im Rahmen der Überprüfung des vorliegenden Bescheides wegen Festsetzung von Hinterziehungszinsen.
(bb) Im Streitfall ist das Gericht überzeugt, dass das FA zu Recht vom Vorliegen einer Steuerhinterziehung zugunsten der Klägerin ausgegangen ist.
(1) Der objektive Tatbestand der Verkürzung von Schenkungsteuer ist im Streitfall erfüllt. Die Zuwendung einer Bargeldsumme von 1.800.000,-- € durch den Zuwendenden an die Klägerin stellt eine schenkungsteuerpflichtige Zuwendung im Sinne der §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Eine Verkürzung von Schenkungsteuer im Sinne von § 370 Abs. 4 AO ist dadurch erfolgt, dass die Klägerin und der Zuwendende ihren Anzeigepflichten nach § 30 Abs. 1 und 2 ErbStG nicht nachgekommen sind, die Finanzbehörden somit pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen haben (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) und die Schenkungsteuer für diese Zuwendung an die Klägerin infolge Nichtanzeige gegenüber der Finanzbehörden nicht rechtzeitig festgesetzt wurde. Der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO ist somit erfüllt.
Dem nunmehr in der mündlichen Verhandlung erfolgten Vortrag der Klägerseite, bei der Überlassung des Geldbetrages in Höhe von 1.800.000,-- € im Jahr 2000 handele es sich nicht um eine freigebige Zuwendung, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Dieser Geldbetrag, der sich anfänglich in der Vermögenssphäre des Zuwendenden befand, wurde auf ein Depot eingezahlt, das allein auf den Namen der Klägerin lautete.
Zudem wurde im Zusammenhang mit der ertragsteuerlichen Behandlung des Depots gegenüber dem Finanzamt von der Klägerseite schriftsätzlich vorgetragen, die Klägerin sei alleinige wirtschaftliche Berechtigte des Depots gewesen, und auf ein Bestätigungsschreiben G verwiesen. Nicht zuletzt hat sich die Klägerin im Zusammenhang mit dem Abschluss der notariellen Güterstandsvereinbarung den Betrag von 1.800.000,-- € als ehebedingte Zuwendung anrechnen lassen. Demzufolge besteht im Streitfall keinerlei Anlass für Zweifel am Vorliegen des objektiven Tatbestandes.
(2) Nach Überzeugung des Senats haben die Klägerin und der Zuwendende die Hinterziehung von Schenkungsteuer auch vorsätzlich begangen.
Zum Vorliegen einer Steuerhinterziehung muss sich der Vorsatz auf sämtliche äußeren Tatbestandsmerkmale erstrecken, d. h. auf die jeweiligen Tathandlungen nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AO, den Hinterziehungserfolg und den Zurechnungszusammenhang. Der Täter muss den Sinngehalt des Tatbestandsmerkmals und des darunter zu subsumierenden Verhaltens zutreffend erfassen (Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, Loseblatt, Stand November 2017, § 370 AO Rdnr. 619 f.). Der Vorsatz wird durch Absicht (direkter Vorsatz ersten Grades), wissentliche Tatbestandsverwirklichung (direkter Vorsatz zweiten Grades) oder bedingten Vorsatz verwirklicht. Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn der Täter ernsthaft mit der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung rechnet und den Erfolg in Kauf nimmt. Fahrlässigkeit hingegen ist gegeben, wenn der Täter auf das Ausbleiben des Erfolges vertraut hat (vgl. Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, Loseblatt, Stand November 2017, § 370 AO Rdnr. 601, 612). Bei § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO muss der Täter als Voraussetzung des bedingten Vorsatzes zumindest ernsthaft für möglich halten und billigen, dass er die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und durch sein Verhalten Steuern verkürzt werden oder er oder ein anderer nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.
Die Unkenntnis der rechtlichen Verpflichtung zum Handeln, also der Irrtum über die Pflichtwidrigkeit des Unterlassens - hier die Anzeigepflicht nach § 30 Abs. 1 ErbStG - wird nach herrschender Meinung nicht als vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum im Sinne von § 16 Strafgesetzbuch - StGB -, sondern also Verbotsirrtum nach § 17 StGB behandelt (vgl. Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, Loseblatt, Stand November 2017, § 370 AO Rdnr. 667, 668). Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er nach § 17 StGB ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert werden.
Der Senat ist nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO vom Vorliegen eines bedingten Vorsatzes hinsichtlich der Hinterziehung von Schenkungsteuer - sowohl bei dem Zuwendenden als auch bei der Klägerin selbst - überzeugt.
Der Zuwendende war als B langjähriger C der D und besitzt ein nicht unerhebliches Vermögen. Die Übertragung des Bargeldes erfolgte zielgerichtet zu dem Zweck, dieses in der H anzulegen. Eine solche Geldanlage in der H diente in vielen Fällen zu dieser Zeit dazu, die hieraus erzielten Erträge nicht der inländischen Ertragsteuer zu unterwerfen. Auch im Streitfall wurden die aus dem Depot erzielten Kapitalerträge nicht im Rahmen der gemeinsamen Einkommensteuererklärung angegeben. Der Anzeige des Schenkungsvorgangs stand somit bereits entgegen, dass dies zu einer Aufdeckung der von der Klägerin erzielten, aber nicht erklärten Kapitalerträge geführt hätte. Das Vorbringen der Klägerseite, die Anlage bei der G sei erfolgt, weil man der D nicht mehr vertraut habe, vermag nicht nachvollziehbar zu begründen, warum die Geldanlage nicht bei einer (anderen) inländischen Bank erfolgte bzw. warum die in der H erzielten Einnahmen nicht der Ertragsteuer unterworfen wurden. Als B, gegen den bereits ein Strafbefehl wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit dem verschleierten Transfer von Kundenvermögen auf ausländische Konten ergangen war, musste der Zuwendende hinsichtlich seiner inländischen steuerlichen Pflichten sensibilisiert sein. Dies gilt unabhängig davon, ob dieser Strafbefehl zu Recht oder - wie die Klägerseite vorträgt - zu Unrecht ergangen war.
Dass sich eine solche Sensibilisierung allein auf das Ertragsteuerrecht beschränkte und aus diesem Grund der Zuwendende zum damaligen Zeitpunkt - unmittelbar nach Ergehen des Strafbefehls - im Hinblick auf seine persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten bei Parallelwertung in der Laiensphäre nicht in der Lage gewesen ist, den für jeden Staatsbürger geltenden Sorgfaltspflichten des § 30 ErbStG zu genügen, ist für den Senat völlig fernliegend, zumal die Zuwendung in einer Größenordnung erfolgte, die weit über den schenkungsteuerlichen Freibeträgen - auch für Ehegatten - lag.
Vergleichbares gilt im Streitfall auch für die Klägerin. Diese hatte vor der Geburt ihrer Tochter eine E absolviert und war daher im Umgang mit Geldangelegenheiten und Bankgeschäften durchaus versiert. Laut persönlicher Erklärung fuhr sie gemeinsam mit dem Zuwendenden regelmäßig nach H um sich dort vor Ort über ihre Geldangelegenheiten zu informieren. Über die Geschehnisse und Vorwürfe gegenüber ihrem Ehemann im Zusammenhang mit dem Kundengeldtransfer ins Ausland war sie informiert; ebenso darüber, dass der Zuwendende über eigene Gelder in der H verfügte. Daher musste auch ihr bewusst gewesen sein, dass sich aus der Übertragung eines Bargeldbetrages in Höhe von 1.800.000,-- € und der hieraus folgenden Geldanlage in der H schenkungsteuerliche Pflichten ergeben. Dem Vortrag, die Klägerin habe nicht vorsätzlich gehandelt, vermag der Senat daher keinen Glauben zu schenken.
Dies gilt umso mehr, als die Klägerin zu ihrer Entlastung nunmehr anführt, die schenkungsteuerliche Behandlung unbenannter ehebedingter Zuwendungen sei zum damaligen Zeitpunkt streitig gewesen. Denn ein diesbezüglicher Irrtum über die rechtliche Einordnung solcher Zuwendungen käme lediglich dann in Betracht, wenn die Klägerin und der Zuwendende überhaupt eine Schenkungsteuerpflicht der Zuwendung in Betracht gezogen hätten. Ob nach der früheren Rechtslage eine Zuwendung von Bargeld in Höhe von 1.800.000,-- € überhaupt von dem Begriff der ehebedingten Zuwendung erfasst wurde, erscheint dem Senat höchst zweifelhaft (zur damaligen Rechtslage, vgl. Troll, ErbStG, Loseblatt, Stand Juli 1993, § 7 Rdnr. 25a). Ungeachtet dessen wurde die schenkungsteuerrechtliche Beurteilung so genannter unbenannter oder ehebedingter Zuwendungen bereits durch die BFH-Urteile vom 2. März 1994 II R 59/92 (BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366) und vom 30. März 1994 II R 105/93 (BFH/NV 1995, 70) - also mehrere Jahre vor der streitgegenständlichen Zuwendung - höchstrichterlich geklärt (vgl. hierzu auch BFH-Beschluss vom 25. November 1996 II B 88/96, BFH/NV 1997, 444). Der Senat vermag daher im Streitfall auch nicht von einem schuldausschließenden Verbotsirrtum im Sinne des § 17 StGB auszugehen.
Vielmehr ist der Senat überzeugt, dass sowohl die Klägerin als auch der Zuwendende ernsthaft mit der Möglichkeit gerechnet haben, dass die Übertragung des hälftigen Guthabens einen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang darstellt und diesen gleichwohl - entgegen der Anzeigepflicht nach § 30 ErbStG - nicht angegeben haben, und somit der Tatbestand der vollendeten Steuerhinterziehung verwirklicht worden ist.
cc) Der rückwirkende Wegfall des Steueranspruchs "ex tunc" führt nicht zum Entfallen des Straftatbestandes der Steuerhinterziehung.
Die Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist bereits in dem Zeitpunkt vollendet und - nach herrschender Meinung - auch beendet, in dem das FA - bei rechtzeitiger Anzeige der Zuwendung - den Schenkungsteuerbescheid bekannt gegeben hätte (zur Tatvollendung und -beendigung, vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofes - BGH - vom 25. Juli 2011 - 1 StR 631/10 -, Entscheidungssammlung des BGH in Strafsachen - BGHSt - 56, 298, Rdnr. 41). Das Erlöschen des Schenkungsteueranspruchs mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 29 ErbStG lässt diese Steuerhinterziehung nicht entfallen (a. A. Götz, Deutsches Steuerrecht - DStR -- 2001, 417 [422]).
Zwar bemisst sich nach dem Inhalt eines Steuerbescheides, ob eine Steuer nicht in voller Höhe festgesetzt, d. h. auf Dauer verkürzt wurde. Bei der Steuerverkürzung auf Zeit aber spielt der Inhalt des Steuerbescheides grundsätzlich keine Rolle. Ob eine Steuer "nicht rechtzeitig festgesetzt" wurde, ist ausschließlich eine Zeitfrage. Es kommt nur darauf an, ob eine Steuer vor oder nach einem bestimmten Zeitpunkt festgesetzt worden ist. Wurde sie bis zu dem maßgebenden Zeitpunkt nicht festgesetzt, so ist dies der Verkürzungserfolg. Ob die Steuer dann später zu hoch oder zu niedrig festgesetzt wird, ist nur für die Frage von Bedeutung, ob zusätzlich zu der Verkürzung auf Zeit eine Verkürzung auf Dauer eintritt oder nicht. Der Eintritt des Erfolges der Steuerverkürzung auf Zeit und damit die Qualifikation als vollendete Tat kann nicht nachträglich dadurch ungeschehen gemacht werden (vgl. Oberlandesgericht - OLG - Düsseldorf, Beschluss vom 4. April 2005 III-2 Ss 139/04 - 6/05 III, 2 Ss 139/04 - 6/05 III, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 2005, 1960).
dd) Nach der Überzeugung des Senats schließt auch die Akzessorietät des Zinsanspruchs nicht aus, Zinsen für einen Steueranspruch festzusetzen, der zum Zeitpunkt der Zinsfestsetzung nicht mehr besteht.
§ 235 AO bezweckt, den Zinsvorteil des Nutznießers einer Steuerhinterziehung abzuschöpfen (Rüsken in Klein, AO, 13. Auflage, § 235, Rdnr. 1, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Die Verzinsung setzt daher den Taterfolg voraus (vgl. § 235 Abs. 1 Satz 1 AO). Zinsanspruch und Steueranspruch sind insoweit akzessorisch. Die Akzessorietät beider Ansprüche zeigt sich zudem daran, dass der Zinslauf endet, wenn die Steuerschulden gezahlt werden (§ 235 Abs. 3 Satz 1 AO). Dementsprechend wird im Schrifttum vertreten, dass eine Festsetzung von Zinsen, als steuerliche Nebenleistung im Sinne des § 3 Abs. 4 AO, nach rückwirkendem Entfallen der Steuerschuld nicht mehr zulässig ist (Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Loseblatt, Stand November 2017, § 29 Rdnr. 76; Blusz, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge - ZEV - 2016, 626 [629]).
In der Literatur ist jedoch auch anerkannt, dass Steuerschuld und Zinsschuld nicht in jeder Hinsicht akzessorisch sind. Eine solche Akzessorietät fehlt u. a. in Bezug auf die Festsetzung von Steuer- und Zinsschuld, da sich die Festsetzung von Hinterziehungszinsen nicht akzessorisch nach dem festgesetzten Steuerbetrag richtet (vgl. BFH-Urteil vom 28. März 2012 II R 39/10, BStBl II 2012, 712 [BFH 28.03.2012 - II R 39/10]). Zudem kann auch die Hinterziehung von Vorauszahlungen - auch nach deren Erlöschen durch Erlass des Jahressteuerbescheides - eine Festsetzung von Hinterziehungszinsen begründen. Darüber hinaus sieht § 235 Abs. 3 Satz 3 AO vor, dass eine Änderung der Steuerfestsetzung nach Ende des Zinslaufs - unabhängig von der Ursache der Korrektur - die Höhe der Hinterziehungszinsen unberührt lässt. Aus der Akzessorietät im Entstehen des Zinsanspruchs folgt daher nicht auch die Akzessorietät beim Erlöschen (vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Loseblatt, Stand September 2016, § 235 AO Rdnr. 38, 40). Auch der BFH hat in seinem Urteil vom 28. März 2012 (II R 39/10, BFHE 238, 208, BStBl II 2012, 712) entschieden, dass die Steuerfestsetzung keine Bindungswirkung für die Zinsfestsetzung entfaltet. Die Festsetzung der Hinterziehungszinsen richte sich nicht akzessorisch nach dem festgesetzten, sondern nach dem tatsächlich hinterzogenen Steuerbetrag.
Die hiervon abweichende Ansicht im Schrifttum ist nicht überzeugend. So differenziert Jülicher (in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Loseblatt, Stand November 2017, § 29 Rdnr. 76) zwischen bereits "festgesetzten" Säumniszuschlägen und Nebenleistungen und der erstmaligen Festsetzung von Nebenleistungen nach rückwirkendem Entfallen der Steuerschuld. Hinsichtlich der Säumniszuschläge ist eine solche Differenzierung bereits deswegen fraglich, da Säumniszuschläge regelmäßig nicht festgesetzt werden; ggf. ist hier auf den Zeitpunkt des "Entstehens" und nicht auf den Zeitpunkt der "Festsetzung" abzustellen (vgl. Kirnberger/Werz, ErbStB 2003, 86, 88). Schließlich zeigt auch der Gedanke des § 233a Abs. 2a AO, dass rückwirkende Ereignisse mit Einfluss auf die Steuerfestsetzung nicht zwingend auch rückwirkenden Einfluss auf die Zinsfestsetzung haben.
(4) Das FA hat zu Recht die Klägerin gemäß § 235 Abs. 1 Satz 2 AO als Zinsschuldnerin in Anspruch genommen. Da das FA gehalten war, gegenüber ihr, als Zuwendungsempfängerin, die Schenkungsteuer festzusetzen, ist sie - als Schuldnerin der hinterzogenen Steuern - auch diejenige, zu deren Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Loseblatt Stand November 2017, § 235 AO, Rdnr. 13).
(5) Der Zinslauf, wie er dem Änderungsbescheid vom 18. September 2017 zugrunde gelegt wurde, ist zutreffend und wurde von der Klägerseite auch nicht beanstandet. Insbesondere durfte das FA bei fristgerechter Anzeige gemäß § 30 ErbStG zuzüglich Monatsfrist und mutmaßlicher behördlicher Bearbeitungszeit von einem Zinslauf ab 1. April 2002 ausgehen (vgl. Urteil des FG Münster vom 24. November 2016 3 K 1627/15 Erb, EFG 2017, 628 [FG Münster 24.11.2016 - 3 K 1627/15 Erb]). Der Zinslauf endete mit Abschluss der notariellen Güterstandsvereinbarung. Zutreffend hat das FA den hinterzogenen Betrag gemäß § 238 Abs. 2 AO auf volle 50,-- € abgerundet.
II. Die Kostenentscheidung ergibt sich gemäß §§ 135 Abs. 1, 138 Abs. 2 i. V. m. 137 Abs. 2 FGO. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens auch insoweit zu tragen, als das FA ihrem Antrag durch Änderung des angefochtenen Bescheides stattgegeben hat. Denn sie hat, was im Streitfall hätte früher geschehen können und sollen, erst im finanzgerichtlichen Verfahren die Tatsachen offenbart, die zur Berücksichtigung der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b ErbStG geführt haben.
III. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen.
RechtsgebieteAO, ErbStGVorschriftenAO § 235; AO § 370 Abs. 1; ErbStG § 29 Abs. 1 Nr. 3;
ErbStG § 30