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  • 27.02.2019 · IWW-Abrufnummer 207463

    Bundesgerichtshof: Beschluss vom 25.10.2018 – 1 StR 7/18


    Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 1. b) und c) und 2. auf dessen Antrag - am 25. Oktober 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

    Tenor:
    1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 21. März 2017 aufgehoben,


    a) soweit es ihn betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen im Schuldspruch im Fall 1 der Urteilsgründe,


    b) unter Erstreckung auf den Mitangeklagten C. gemäß § 357 StPO im Schuldspruch in den Fällen 2 bis 13 und 18 bis 32 der Urteilsgründe und


    c) im Ausspruch über die jeweiligen Gesamtfreiheitsstrafen.


    2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.


    3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels – an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.



    Gründe

    1


    Das Landgericht hat den Angeklagten und den nicht revidierenden Mitangeklagten C. jeweils wegen Steuerhinterziehung in 50 Fällen verurteilt. Den Angeklagten hat es deswegen mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten belegt. Gegen den Mitangeklagten hat es eine solche von drei Jahren verhängt.


    2


    Die vom Angeklagten auf eine Verfahrens- und auf die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).


    3


    Die Verfahrensrüge ist aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Die Sachrüge hat teilweise Erfolg.


    4


    1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen der Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung 2011 für die Z. GmbH (Fall 1 der Urteilsgründe) wird von der Beweiswürdigung nicht getragen.


    5


    Das Landgericht ist hinsichtlich der Z. GmbH zu der Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte bereits Ende des Jahres 2010 begonnen hat, den Firmenmantel des Unternehmens zu nutzen, um Schein- und Abdeckrechnungen zu schreiben. In seiner Eigenschaft als Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 AO habe er dafür sorgen müssen, dass die umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten der Firma für das Jahr 2011 erfüllt wurden.


    6


    Eine Tätigkeit des Angeklagten schon im Jahr 2011 ist indes nicht belegt. Soweit diese Annahme aus den Bekundungen der Zeugin P. in der Hauptverhandlung resultiert, der Zeuge J. habe im Ermittlungsverfahren ausgesagt, beide – mithin der Angeklagte und der Nichtrevident – hätten sich der Firma zum Schreiben von Scheinrechnungen bedient, fehlt insoweit die gebotene Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass der Zeuge J. diese Aussage hinsichtlich des Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht wiederholt hat. Es bleibt dabei offen, ob und gegebenenfalls warum die Kammer insoweit allein dessen Angaben im Ermittlungsverfahren gefolgt ist. Zudem ist hinsichtlich des Angeklagten keine klare zeitliche Zuordnung erkennbar, wann die Rechnungen erstellt worden sein sollen. Soweit die Kammer weiter darauf abstellt, dass der Ende des Jahres 2010 eingesetzte Strohmann E. ein Bekannter des Angeklagten war, vermag diese Beziehung weder für sich genommen noch im Gesamtzusammenhang das für das Jahr 2011 festgestellte Handeln des Angeklagten tragfähig zu belegen.


    7


    2. Auch die Schuldsprüche in den Fällen 2 bis 13 sowie 18 bis 32 der Urteilsgründe haben keinen Bestand.


    8


    a) Die Verurteilungen wegen der pflichtwidrig nicht abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen für die Z. GmbH für die Monate Januar 2012 bis Dezember 2012 (Fälle 2 bis 13 der Urteilsgründe) sind schon deshalb aufzuheben, weil das darin liegende Unrecht mit der Verurteilung wegen der unterlassenen Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung für 2012 abgegolten ist. Das Verhältnis zwischen Umsatzsteuervoranmeldung und Umsatzsteuerjahreserklärung ist eines der Gesetzeskonkurrenz in Form der mitbestraften Vortat (BGH, Urteil vom 13. Juli 2017 – 1 StR 536/16, BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 25). Der Senat hat dieses Konkurrenzverhältnis in der Entscheidung vom 13. Juli 2017 für die Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuerjahreserklärung des nämlichen Jahres durch positives Tun im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO angenommen. Nichts anderes gilt auch für die Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuerjahreserklärung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Die Einzelstrafen in den Fällen 2-13 entfallen deshalb.


    9


    b) Die Feststellungen des Landgerichts hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Mai 2012 bis Oktober 2012 und Dezember 2012 für die G. GmbH (Fälle 18 bis 24 der Urteilsgründe) tragen nicht die Verurteilungen jeweils wegen vollendeter Steuerhinterziehung. Bei diesen Anmeldungen hat das Landgericht lediglich geltend gemachte Vorsteuerbeträge festgestellt, sodass es sich um Fälle der Steuervergütung im Sinne von § 168 Satz 2 AO handelt. In den Konstellationen des § 168 Satz 2 AO tritt der Taterfolg der Steuerverkürzung erst dann ein, wenn die Finanzbehörde der Steueranmeldung zustimmt bzw. den Erstattungsbetrag auszahlt (BGH, Urteil vom 7. Oktober 2014 – 1 StR 182/14, wistra 2015, 188 Rn. 29; Beschlüsse vom 19. August 2015 – 1 StR 178/15, NStZ-RR 2015, 339, 340 mwN und vom 6. April 2016 – 1 StR 431/15, NStZ-RR 2016, 172). Ausdrückliche Feststellungen dazu hat das Landgericht nicht getroffen. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe vermag der Senat keine entsprechenden Anhaltspunkte zu entnehmen. Die Frage der Vollendung der Taten kann vorliegend auch nicht dahinstehen, da das Landgericht keine Feststellungen zur Umsatzsteuerjahreserklärung für 2012 getroffen hat.


    10


    c) Das Landgericht hat den Angeklagten in acht Fällen wegen unrichtiger bzw. unterlassener (Dezember 2013) Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen für die G. GmbH für das (gesamte) Jahr 2013 verurteilt (Fälle 25 bis 32 der Urteilsgründe). Der Senat vermag im vorliegenden Verfahren nicht auszuschließen, dass das Tatgericht bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Betrachtung sämtlicher Umsatzsteuererklärungen für 2013 zu einer geringeren Strafe für den Angeklagten gelangt wäre (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2017 – 1 StR 536/16, BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 25). Den Feststellungen kann nämlich nicht entnommen werden, ob der Angeklagte auch in der Umsatzsteuerjahreserklärung unrichtige Angaben gemacht bzw. eine solche nicht abgegeben hat, obwohl eine Pflicht dazu (noch) bestand. Dabei bilden die Umsatzsteuervoranmeldungen eines Jahres und die anschließende Umsatzsteuerjahreserklärung des nämlichen Jahres eine einheitliche Tat im Sinne des § 264 StPO (BGH, Beschlüsse vom 12. Juni 2013 – 1 StR 6/13, wistra 2013, 430 Rn. 22 f. und vom 24. November 2004 – 5 StR 206/04, BGHSt 49, 359, 361 ff.). Hinzu kommt, dass die Verurteilungen jeweils wegen vollendeter Steuerhinterziehung in den Fällen 25, 28 und 31 der Urteilsgründe rechtsfehlerhaft sind, weil die Feststellungen aus den vorstehend unter Ziffer 2. b) genannten Rechtsgründen unvollständig sind. Für die Steueranmeldungen 1. Quartal 2013, August 2013 und November 2013 fehlen Ausführungen dazu, ob das Finanzamt angesichts der festgestellten Überschüsse der Vorsteuerbeträge über die Umsatzsteuerbeträge seine Zustimmung nach § 168 Satz 2 AO erteilt hat. Damit ist unklar, ob diese Taten überhaupt vollendet sind.


    11


    3. Das Urteil bedarf hinsichtlich der Taten 18-32 der Aufhebung im Schuld- und Strafausspruch. Die getroffenen Feststellungen bleiben dagegen aufrechterhalten; sie sind von den zur Aufhebung führenden Gesetzesverletzungen nicht betroffen (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie bedürfen der Ergänzungen hinsichtlich einer etwaigen Zustimmung der Finanzbehörde soweit Steuervergütungen im Sinne des § 168 Satz 2 AO festgestellt sind, sowie hinsichtlich einer etwaigen Umsatzsteuerjahreserklärung für 2013.


    12


    4. Da die in den Fällen 2 bis 13 sowie 18 bis 32 der Urteilsgründe bei dem Angeklagten zur Aufhebung des Urteils führenden Rechtsfehler in gleicher Weise bei dem nicht revidierenden, als Mittäter verurteilten Mitangeklagten C. vorliegen, ist die Aufhebung auf ihn zu erstrecken (§ 357 Satz 1 StPO). Dass in Bezug auf diesen die Gründe des angefochtenen Urteils gemäß § 267 Abs. 4 StPO abgekürzt worden sind, steht dem nicht entgegen (BGH, Beschluss vom 22. August 2013 – 1 StR 378/13, NStZ-RR 2013, 387, 389). Dies führt auch bei dem nicht revidierenden Mitangeklagten C. zur Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs.


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