02.04.2019 · IWW-Abrufnummer 208030
Bundesgerichtshof: Urteil vom 23.10.2018 – 1 StR 454/17
Die steuerrechtliche Erklärungspflicht ist ein besonderes persönliches Merkmal bei einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. Oktober 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger
und die Richterinnen am Bundesgerichtshof Cirener, Dr. Fischer, Dr. Hohoff,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
der Angeklagte persönlich - in der Verhandlung -,
Rechtsanwältin - in der Verhandlung
als Verteidigerin,
Herr - in der Verhandlung
als Dolmetscher für die türkische Sprache,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hof vom 2. Mai 2017 - unter Erstreckung auf den Mitangeklagten E. gemäß § 357 StPO - im Strafausspruch aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zu 2.220 Fällen der Steuerhinterziehung und den nicht revidierenden Mitangeklagten E. wegen Beihilfe zu 861 Fällen der Steuerhinterziehung verurteilt. Den Angeklagten hat es deswegen mit einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten belegt. Gegen den Mitangeklagten hat es eine solche von zwei Jahren und sieben Monaten verhängt.
2
Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.
I.
3
Nach den Feststellungen des Landgerichts unterstützten der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte E. in dem Zeitraum von Oktober 2014 bis November 2015 eine international agierende Tätergruppe, die spätestens ab dem Jahr 2012 unter Hinterziehung der Biersteuer Bier nach Großbritannien lieferte, um es auf dem dortigen Markt gewinnbringend in den freien Verkehr zu bringen.
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Sämtliche Bierlieferungen waren von der S B.V. (im Folgenden: S) mit Sitz in den Niederlanden veranlasst. Der gesondert Verfolgte H. als Verantwortlicher der S bezog das Bier aus Restposten und Überschussware von Großhändlern oder direkt von den Verkaufsstellen großer Brauereien. Um seine Verbringung nach Großbritannien zu verschleiern, wurde den Steuerbehörden vorgetäuscht, das Bier werde von der in C. in Frankreich ansässigen Firma O. T. (im Folgenden: O. ) zur M. AG (im Folgenden: M. ) nach Deutschland geliefert. Tatsächlich wurde es von einem Steuerlager in Frankreich nach Großbritannien transportiert, um es dort auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Für die angeblichen Bierlieferungen nach Deutschland eröffnete der Verantwortliche der O. , P. , im Verfahren der Steueraussetzung über das EDV-gestützte EMCS-Verfahren (Excercise and Movement Control System) elektronische Verwaltungsdokumente (im Folgenden: e-VD), die - wie allen Beteiligten am Bierschmuggel bewusst war - inhaltlich falsch waren, da es nie zur Abfahrt eines Lkw nach Deutschland kam.
5
Die M. mit Sitz in F. war als registrierter Empfänger gemäß § 6 BierStG berechtigt, Bier unter Steueraussetzung aus Steuerlagern im Bereich der EU zu empfangen. Dabei war die behördliche Erlaubnis auf Bier beschränkt, welches tatsächlich körperlich in die Betriebsstätte in F. aufgenommen wurde.
6
Um den behördlichen Vorgaben zu genügen, wurde als unselbständige Zweigstelle der S ein Getränkelager im Ortsteil Mi. in A. eröffnet. Wurde im Steuerlager in Frankreich ein e-VD für eine Bierlieferung an die M. eröffnet, wurde dies dem Getränkelager per E-Mail mitgeteilt. Gemäß der vorgeblichen Lieferung beladen, fuhr anschließend ein Lkw von Mi. zur M. und kehrte nach seiner Kontrolle und steuerlichen Abwicklung, insbesondere der Schließung des e-VD und der Entrichtung der angefallenen deutschen Biersteuer, in das Getränkelager zurück, wo er für weitere Fahrten zur Verfügung stand.
7
Für den fiktiven Verbleib des Bieres in Deutschland wurde eine "Papierspur" ausgelegt. Danach wurde das Bier angeblich an verschiedene ausländische Abnehmer veräußert und an deren deutsche Lieferadressen verbracht. Bei diesen Firmen handelte es sich um Briefkasten- und Strohfirmen, die dem H. zuzurechnen waren.
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Die französischen Steuerbehörden wurden nicht darüber unterrichtet, dass kein Warenabgang Richtung Deutschland stattgefunden hatte und das Bier tatsächlich nach Großbritannien versandt worden war. Die in dieser Vorgehensweise liegende Unregelmäßigkeit im Verfahren der Lieferung unter Steueraussetzung führte (auch) in Frankreich zur Entstehung eines Biersteueranspruchs. Dieser betrug im Tatzeitraum 21.471.849,85 €.
9
Die Tatbeiträge des Angeklagten stellten sich wie folgt dar:
10
Der Angeklagte arbeitete in dem Getränkelager in Mi. als Verantwortlicher der Lagerhalle und Vorgesetzter der Lagerarbeiter. Sein Vorgesetzter war der anderweitig Verurteilte Ak. , für den er gelegentlich dolmetschte und den er in dessen Abwesenheit vertrat. Anhand der in die Lagerhalle gereichten Lieferscheine entschied er, welcher Fahrer mit welchem Lkw die "Bierfahrt" antreten sollte. Er half, die Lkw mit der "Klonware" zu be- und entladen, versah die Rückseite der abfahrenden Auflieger mit Magnettafeln, auf denen die Containernummern zur Zuordnung der Lieferung zu einem geöffneten e-VD aufgebracht waren und händigte den Fahrern die Lieferpapiere aus, die er zuvor von Ak. erhalten hatte. Der Angeklagte nahm außerdem Problemmeldungen der Fahrer entgegen, leitete diese an H. weiter und gab Reparaturen für das Lager bzw. die im Kreiselverkehr eingesetzten Lkw in Auftrag.
II.
11
Die Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuldspruch aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
12
Der Strafausspruch hält materiell-rechtlicher Nachprüfung indes nicht stand. Zwar greift die Beanstandung der Revision nicht durch, das Landgericht habe verkannt, dass das Strafmaß bei der Aburteilung mehrerer Beteiligter an derselben Tat - unter Berücksichtigung der individuellen Zumessungstatsachen - in einem sachgerechten nachprüfbaren Verhältnis zur Strafe der anderen Beteiligten stehen müsse. Die Strafkammer hat allerdings die Strafe für den Angeklagten dem nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 Satz 1 AO entnommen, ohne die weitere in § 28 Abs. 1 StGB zwingend vorgesehene Strafrahmenverschiebung in Betracht zu ziehen. Dies erweist sich hier als rechtsfehlerhaft.
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1. Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung sieht in § 370 Abs. 3 Satz 1 AO für besonders schwere Fälle einen erhöhten Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vor. Die Strafkammer hat wegen des Vorliegens einer Beihilfe zu 2.220 Fällen der Steuerhinterziehung, die bandenmäßig im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO begangen wurden und die zu einer Steuerverkürzung großen Ausmaßes führten (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 1. Var. AO), der Strafzumessung den Strafrahmen für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 Satz 1 AO) zugrunde gelegt. Sie hat dies damit begründet, dass ihrer Auffassung nach bei einer Gesamtwürdigung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und auch unter Berücksichtigung des Charakters seiner Tat als Beihilfetat diese in ihrem Unrechts- und Schuldgehalt nicht derart vom Normalfall der Regelbeispiele abweiche, dass die Anwendung des erhöhten Strafrahmens unangemessen wäre. Dabei hat die Strafkammer für die Bewertung der Tat des Angeklagten und den zugrunde zu legenden Strafrahmen im Rahmen einer umfassenden, auch die Position des Angeklagten in der Hierarchie des "Systems Bierschmuggel" berücksichtigenden Gesamtwürdigung der Strafzumessungsgesichtspunkte entscheidend berücksichtigt, ob sich die Beihilfe selbst - bei Berücksichtigung des Gewichts der Haupttat - als besonders schwerer Fall darstellt. Dies ist im Ansatz aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 6. September 2016 - 1 StR 575/15, NStZ 2017, 356, 358 mwN; Beschluss vom 31. Juli 2012 - 5 StR 188/12, NStZ-RR 2012, 342, 343).
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2. Gemäß § 28 Abs. 1 StGB ist indes die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern, wenn bei dem Teilnehmer besondere persönliche Merkmale fehlen, welche die Strafbarkeit des Täters begründen. Die Pflichtwidrigkeit im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist - insoweit ändert der Senat seine Rechtsprechung - ein strafbarkeitsbegründendes besonderes persönliches Merkmal nach § 28 Abs. 1 StGB.
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird zwischen täterbezogenen persönlichen Merkmalen, die als besondere persönliche Merkmale im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB behandelt werden, und tatbezogenen persönlichen Merkmalen, auf welche die Vorschrift keine Anwendung findet, unterschieden (vgl. BGH, Urteile vom 29. September 1993 - 2 StR 336/93, BGHSt 39, 326, 327 f. und vom 25. Januar 1995 - 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1 f. mwN).
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Die Abgrenzung hängt davon ab, ob das betreffende Merkmal im Schwergewicht die Tat oder die Persönlichkeit des Täters kennzeichnet (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 29. September 1993 - 2 StR 336/93, BGHSt 39, 326, 328 und vom 25. Januar 1995 - 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1 f. mwN; Beschluss vom 22. Januar 2013 - 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115, 117 f.). Umstände, die eine besondere Gefährlichkeit des Täterverhaltens anzeigen oder die Ausführungsart des Delikts beschreiben, sind in der Regel tatbezogen (BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 - 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 2 mwN). Subjektive Umstände, wie die Absicht bei § 242 StGB, können tatbezogen sein, wenn sie das Bild der Tat prägen (BGH, Urteil vom 20. Mai 1969 - 5 StR 658/68, BGHSt 22, 375, 380; Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 StR 104/10, BGHSt 55, 229, 232). Objektive Umstände, wie die Vermögensbetreuungspflicht in § 266 StGB (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Januar 2015 - 4 StR 476/14, wistra 2015, 146 mwN; vom 25. Oktober 2011 - 3 StR 206/11, NStZ 2012, 316, 317 und vom 26. November 2008 - 5 StR 440/08, NStZ-RR 2009, 102), die Arbeitgebereigenschaft bei § 266a StGB (BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2017 - 1 StR 310/16, NStZ 2018, 221, 222; vom 14. Juni 2011 - 1 StR 90/11, wistra 2011, 344, 346 und vom 8. Februar 2011 - 1 StR 651/10, BGHSt 56, 153, 155) sowie die für die täterschaftliche Begehung des § 283 StGB erforderliche Pflichtenstellung als Schuldner (BGH, Beschlüsse vom 21. März 2018 - 1 StR 423/17, wistra 2018, 437, 438 und vom 22. Januar 2013 - 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115, 118), können täterbezogen sein, wenn sie eine besondere Pflichtenstellung höchstpersönlicher Art umschreiben. Die Einordnung erfolgt unter Beachtung der Schutzrichtung des jeweiligen Straftatbestandes (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 - 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 5 mwN).
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Im Bereich der durch Pflichten gekennzeichneten Merkmale ist für die Abgrenzung letztlich maßgeblich, welche Art von Pflicht das Merkmal umschreibt (BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 - 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 4 f.). Umschreibt es eine vorstrafrechtliche Sonderpflicht, wird eher die Persönlichkeit des Täters gekennzeichnet, ist das Merkmal täterbezogen. Handelt es sich dagegen um ein strafrechtliches, an Jedermann gerichtetes Gebot, wird eher die Tat gekennzeichnet, ist das Merkmal tatbezogen (BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 - 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 4 f. mwN; Beschluss vom 22. Januar 2013 - 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115, 117 f.).
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b) An diesen Grundsätzen hält der Senat fest. Für die von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO in Bezug genommene Pflichtenlage legt der Senat diese allerdings - entgegen seiner bisherigen und von dem Landgericht aus dessen Sicht zutreffend angewendeten Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 25. Januar 1995 - 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1; bestätigt durch Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 StR 651/10, BGHSt 56, 153, 155; vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218, 231; Beschluss vom 25. Oktober 2017 - 1 StR 310/16, NStZ 2018, 221, 223) - dahingehend aus, dass für das auf eine außerstrafrechtliche Pflicht rekurrierende Straftatmerkmal der "Pflichtwidrigkeit" maßgeblich ist, dass es im Einzelfall eine besondere Pflichtenstellung des Täters beschreibt und damit ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 1 StGB darstellt.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann Täter - auch Mittäter - einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218, 227 mwN; Beschlüsse vom 23. August 2017 - 1 StR 33/17, NStZ-RR 2018, 16, 18 und vom 14. April 2010 - 1 StR 105/10). Dabei können sich Offenbarungspflichten sowohl aus den gesetzlich besonders festgelegten steuerlichen Erklärungspflichten wie auch aus allgemeinen Garantenpflichten ergeben, die allerdings nur eine untergeordnete Rolle spielen (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218, 227; Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 370 Rn. 236 ff.). Den Verpflichteten trifft damit - ungeachtet dessen, dass die steuerrechtlichen Erklärungsvorschriften potentiell viele treffen können - im konkreten Fall jedenfalls eine Sonderpflicht, die - ebenso wie die Pflichtenstellung eines Schuldners in § 283 StGB - höchstpersönlicher Art ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 - 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115, 117 f.). Denn das tatbestandliche Unrecht der verwirklichten Tat ergibt sich im Vergleich zu anderen Straftatbeteiligten aus der im Rahmen von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO erforderlichen Erklärungspflicht, die die besondere soziale Rolle des Täters in Bezug auf die von der Vorschrift geschützten Rechtsgüter kennzeichnet (vgl. entsprechende Ansätze zur Manifestation der höchstpersönlichen Pflichtenbindung bei Vogler, Lange-FS 1976, S. 265 ff.: als Kehrseite aus der Verletzung von Vertrauen, das in die Erfüllung einer besonderen sozialen Rolle gesetzt wird; bei Hake, JR 1996, 162: aus einer erhöhten Verantwortung des Täters und bei Schönke/Schröder/Heine/Weißer, StGB, 30. Aufl., § 28 Rn. 17: aus einer persönlichen Inpflichtnahme im Einzelfall).
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Für den Teilnehmer, der betreffend den jeweiligen Steuervorgang kein Adressat der besonderen Pflichten ist und der sich damit in keiner Vertrauensposition mit Bezug zu strafrechtlich geschützten Rechtsgütern befindet, legt dies die Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB nahe (vgl. Jäger in Klein, AO, 14. Aufl., § 370 Rn. 61d; Radtke, JuS 2018, 641, 646 mit Verweis auf die von Roxin entwickelten Leitlinien der Interpretation von § 28 StGB; ebenso NK-StGB-Puppe, 5. Aufl., § 28 Rn. 69; MüKoStGB/Schmitz/Wulf, 2. Aufl., § 370 AO Rn. 417; Hellmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 250. Lieferung, § 370 Rn. 109; Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 369 Rn. 84; Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 62. Lieferung, § 370 AO Rn. 125; Grunst, NStZ 1998, 548; Reichling/Lange, NStZ 2014, 311; Wulf, Handeln und Unterlassen im Steuerstrafrecht, 2001, S. 233 ff.; a.A. Ranft, JZ 1995, 1186; Hake, JR 1996, 162; Cramer, WiB 1995, 525; LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 28 Rn. 5 ff.; Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, 154. Lieferung, § 370 AO Rn. 181; Rolletschke in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 370 AO Rn. 54; Tipke/Lang/Seer, Steuerrecht, 23. Aufl., § 23 Rn. 26).
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c) Bei einem Gehilfen, der im Zeitpunkt der Gehilfenhandlung nicht selbst zur Aufklärung der Finanzbehörde verpflichtet ist - wovon das Landgericht hier offensichtlich ausgegangen ist -, ist schon bei der Prüfung, ob ein besonders schwerer Fall i.S.v. § 370 Abs. 3 Satz 1 AO gegeben ist, der vertypte Milderungsgrund des § 28 Abs. 1 StGB alleine oder im Zusammenhang mit dem des § 27 StGB in den Blick zu nehmen. Verbraucht der Tatrichter den oder die Milderungsgründe der §§ 27, 28 StGB nicht durch das Absehen vom Strafrahmen des § 370 Abs. 3 Satz 2 StPO, ist eine Strafmilderung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB neben der Milderung nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB zu gewähren, es sei denn, das Tatgericht hätte allein wegen Fehlens der Erklärungspflicht Beihilfe statt Täterschaft angenommen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2017 - 1 StR 310/16, NStZ 2018, 221, 222 mwN; vom 27. Januar 2015 - 4 StR 476/14, wistra 2015, 146 mwN; vom 22. Januar 2013 - 1 StR 234/12, BGHSt 58, 115, 118 mwN und vom 25. Oktober 2011 - 3 StR 309/11, NStZ 2012, 630). Dies ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall. Die Urteilsausführungen belegen, dass das Landgericht die Art und Weise des Tatbeitrags zum Anlass genommen hat, den Angeklagten lediglich wegen Beihilfe zu verurteilen. Dann aber hätte es eine weitere Strafmilderung nach § 28 Abs. 1 StGB beachten müssen. Auf diesem Rechtsfehler beruht der Strafausspruch.
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3. Nach § 357 Satz 1 StPO ist die Aufhebung auf den nicht revidierenden Mitangeklagten zu erstrecken, denn die Zumessung der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten beruht auf demselben sachlich-rechtlichen Mangel.
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4. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es im Hinblick auf den bloßen Rechtsanwendungsfehler nicht. Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird jedoch Gelegenheit haben, ergänzende Feststellungen zu treffen, insbesondere dazu, ob der Angeklagte, der, wie die Kammer festgestellt hat, gemäß Art. 8 Abs. 1 lit. a Ziffer ii der Richtlinie 2008/118/EG vom 16. Dezember 2008 für die von der O. hinterzogene Biersteuer vom französischen Fiskus in Anspruch genommen werden kann, im Rahmen der Erhebung bzw. Einziehung der (ursprünglich) entstandenen Biersteuer selbst verpflichtet war, eine Steuererklärung abzugeben. Auch dabei wird die neue Kammer das französische Recht in den Blick zu nehmen haben.
Raum
Jäger
Cirener
Fischer
Hohoff
Von Rechts wegen