10.12.2019 · IWW-Abrufnummer 212709
Verwaltungsgericht Magdeburg: Urteil vom 18.07.2019 – 3 A 155/19
Vom Finanzamt zur Gewerbesteuer veranlagte Prostituierte unterliegt der IHK-Beitragspflicht.
Verwaltungsgericht Magdeburg
vom 18.07.2019
Az.: 3 A 155/19
[Tatbestand]
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Veranlagung zum IHK-Beitrag.
Mit Bescheid vom 13.3.2019 zog die Beklagte die Klägerin zur Zahlung eines Beitrages zur C. von 1.119,36 € heran. Hierbei ging sie vom Grundbeitrag und Umlagen aus, legte einen Gewerbeertrag im Jahr 2014 in Höhe von 55.700,- €, im Jahr 2015 von 66.700,- €, im Jahr 2016 in Höhe von 72.000,- € zugrunde und setzte im Wege der Abrechnung für diese Jahre Beiträge in Höhe von 262,47 € (2014, Hebesatz 0,130 % der Bemessungsgrundlage), 307,58 € (2015, Hebesatz 0,190 %) und 231,66 € (2016, Hebesatz 0,100 %) fest. Für das Jahr 2019 erhob sie im Wege der vorläufigen Veranlagung einen Beitrag in Höhe von 317,65 € (Bemessungsgrundlage Gewerbeertrag 2016, Hebesatz 0,190 %).
Am 16.4.2019 hat die Klägerin Klage erhoben.
Die Klägerin trägt vor: Sie sei nicht gewerblich tätig. Sie habe kein Gewerbe angemeldet. Die Grundlagen des Bescheides seien nicht nachvollziehbar. Es habe 2017 eine Durchsuchung auf der Grundlage eines Durchsuchungsbeschlusses des AG C-Stadt gegeben. Welche Beweismittel aufgefunden worden seien, sei bis heute nicht bekannt. Die Steuerfahndung habe einen Bericht erstellt, der Schätzungen enthalte, die der tatsächlichen Grundlage entbehrten. Akteneinsicht in die Unterlagen der Steuerfahndung sei ihrem Prozessbevollmächtigten nicht gewährt worden. Gegen die ergangenen Steuerbescheide sei Einspruch erhoben worden. Die Schätzung sei unzulässig. Die Schätzungsgrundlagen entsprächen nicht den Vorgaben der Rechtsprechung. Die angeblich ermittelten Tagesumsätze seien nicht nachvollziehbar. Die geschätzten Werbungskosten, Kosten für Hygieneartikel, Kondome etc. sowie Raumkosten seien nicht nachvollziehbar. Nicht erklärt werde die Ausklammerung der Jahre 2017 und 2018. Sie könne allenfalls als Klein-Gewerbetreibende behandelt werden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 13.3.2019 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte erwidert: Die Mitgliedschaft und Beitragspflicht der Klägerin ergäben sich aus den §§ 2, 3 IHKG. Die Klägerin werde vom zuständigen Finanzamt C-Stadt zur Gewerbesteuer veranlagt. Sie befasse sich mit der Erbringung gewerblicher Dienstleistungen an ihrem Wohnsitz in A-Stadt. Die Höhe der erzielten Gewerbeerträge sei vom Finanzamt übermittelt worden. Die Höhe der festgelegten Beiträge entspreche der Wirtschaftssatzung für das jeweilige Beitragsjahr. Der Vortrag der Klägerin, sie sei nicht gewerblich tätig, könne angesichts ihrer Veranlagung durch das Finanzamt nicht bestätigt werden. Die Veranlagung zur Gewerbesteuer sei ferner nicht davon abhängig, ob die Klägerin ihrer Verpflichtung zur Anmeldung ihres Gewerbes bei der örtlichen Gemeinde nachgekommen sei.
Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Das Gericht entscheidet nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 13.3.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die darin verfügte Beitragsfestsetzung ist § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern - IHKG - vom 18.12.1956 (BGBl. I S. 920), zuletzt geändert durch Gesetz v. 29.3.2017 (BGBl. I S. 626), in Verbindung mit § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Industrie- und Handelskammern in Sachsen-Anhalt - AG-IHKG - vom 10.6.1991 (GVBl. LSA S 103), zuletzt geändert durch Gesetz v. 18.11.2005 (GVBl. LSA S. 698, 709), und der Beitragsordnung der Beklagten sowie deren Wirtschaftssatzungen. Danach werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe der Wirtschaftssatzung durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Kammerzugehörige sind natürliche Personen, Handelsgesellschaften, andere Personenmehrheiten und juristische Personen des privaten und öffentlichen Rechts, welche im Bezirk der Industrie- und Handelskammer eine Betriebsstätte unterhalten, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind (§ 2 Abs. 1 IHKG).
Die Klägerin ist gewerblich tätig. In ihrem in der Klagebegründung zitierten Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid 2016, den Bescheid für den Gewerbesteuermessbetrag 2016 und den Einkommensteuerbescheid 2016 nimmt sie Bezug auf "die Anzahl der Tage, an denen die angebotenen Leistungen im Internet beworben wurden", die "durchschnittlichen Tagesumsätze" sowie Werbungskosten, zu denen sie neben Reisekosten und Telekommunikationskosten "Kosten für Hygieneartikel, Kondome usw. sowie die Raumkosten" zählt. Damit wird hinreichend deutlich, dass sie an ihrem Wohnsitz in A-Stadt der Eigenprostitution nachgeht, wovon nach den insoweit eindeutigen Einlassungen im Schriftsatz vom 16.7.2019 auszugehen ist. Dies stellt die Ausübung eines Gewerbes dar (vgl. Jahn, Zur Entwicklung des Beitrags- und Kammerrechts der Industrie- und Handelskammern - Ein Rechtsprechungsreport 2011 bis 2014, GewArch, Beilage WiVerw S. 92-132, 111, 117 m.w.N.; BFH, Beschl. v. 20.2.2013 - GrS 1/12 -, zit. nach juris). Die von der Klägerin ausgeübte gewerbliche Tätigkeit wird vom zuständigen Finanzamt C-Stadt ausweislich der zuletzt gegebenen Auskunft an die Beklagte (Anlage zum Schriftsatz v. 2.5.2019, Bl. 12 der Akte) als "sonstiges Einzelgewerbe" betrachtet, mit dem gewerbliche Einkünfte erzielt werden. Folglich gehört die Klägerin aufgrund ihrer Veranlagung zur Gewerbesteuer gem. § 2 Abs. 1 IHKG der Industrie- und Handelskammer an.
Die vom zuständigen Finanzamt vorgenommene und der Beklagten (Anlage zum Schriftsatz v. 2.5.2019) angezeigte Veranlagung zur Gewerbesteuer beinhaltet in diesen Fällen zugleich die Feststellung, dass ein Gewerbebetrieb i.S.v. § 14 Abs. 1 S. 1 GewO vorhanden ist. Dies entfaltet für die Beklagte Tatbestandswirkung; eine erneute Prüfung dieser Frage im Rahmen des § 2 Abs. 1 IHKG ist ausgeschlossen (vgl. Jahn, Zur Entwicklung des Beitragsrechts der Industrie- und Handelskammern - Ein Rechtsprechungsreport 2008 bis 2011 -, in: GewArch 2011, 464, 467).
Die Auffassung der Klägerin, sie betreibe "kein Gewerbe" und habe insbesondere bei der Gewerbebehörde keine der gesetzlichen Verpflichtung aus § 14 Abs. 1 GewO folgende Gewerbeanmeldung abgegeben, steht der Beitragserhebung bei dieser Sach- und Rechtslage nicht entgegen.
Hinsichtlich der vom Finanzamt mitgeteilten Höhe der Gewerbeerträge, welche die Beklagte in Einklang mit den Bestimmungen ihrer Beitragsordnung und Wirtschaftssatzung zur zutreffenden Grundlage ihrer Beitragserhebung gemacht hat, ist unerheblich, dass die Klägerin vorträgt, sie habe gegen die Besteuerung durch das Finanzamt Einspruch erhoben, über den noch nicht entschieden worden sei. Sofern eine Prostituierte keine nachvollziehbaren Aufzeichnungen über ihre Einnahmen und Ausgaben vorlegt, ist die Finanzverwaltung zur Schätzung des Umsatzes und des Gewinns aufgrund eigener Befugnis gem. § 162 AO berechtigt. Ein Schätzung auf dieser Grundlage ist nicht von minderer Qualität (vgl. BVerwG, Beschl. v. 26.9.1991 - 1 B 115/91 -, zit. nach juris, Rn. 8).
Die vom Finanzamt vorgenommene Steuerveranlagung ist für die Beklagte bindend. Die Beklagte hat weder das Recht noch die Möglichkeit, die vom Finanzamt durchgeführte Veranlagung zu überprüfen. Sollte die Veranlagung zur Gewerbesteuer aufgrund der Einsprüche der Klägerin aufgehoben oder geändert werden, müsste die Beklagte sich dem anschließen und den angefochtenen Beitragsbescheid von Amts wegen ändern. Dazu bedarf es nicht dieses Klageverfahrens vor dem Verwaltungsgericht.
Der Einwand der Klägerin, die Jahre 2017 und 2018 würden ausgeklammert, verfängt nicht, denn es ist nicht zu beanstanden, wenn sich die IHK bei der Beitragsveranlagung zu Beginn des Haushaltsjahres 2019 auf die letzte ihr bekannte Gewerbesteuerveranlagung bezieht, gleichgültig aus welchem Jahr diese stammt. Dies ist nach der Durchsuchung im Jahr 2017 das Jahr 2016, wie die Klägerin (Schriftsatz v. 16.7.2019, S. 2) selbst vorträgt.
Nach alldem ist die Klage abzuweisen, zumal eine Unvereinbarkeit des festgesetzten Beitrags mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der beitragsrechtlichen Ausprägung des Äquivalenzgrundsatzes nicht im Streit steht und andere Bedenken gegen den ergangenen Bescheid weder geltend gemacht wurden noch ersichtlich sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 84 Abs. 1 S. 3, 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3 GKG in Höhe des streitigen IHK-Beitrags.
RechtsgebieteIHKG, GewO, AOVorschriften§§ 2, 3 IHKG; 14 GewO; § 162 AO