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  • 14.03.2023 · IWW-Abrufnummer 234226

    Finanzgericht Hamburg: Beschluss vom 04.11.2022 – 4 V 66/22

    1. Das Steuerstraf- und das Besteuerungsverfahren stehen unabhängig, eigenständig und gleichrangig nebeneinander.

    2. Das Finanzgericht darf sich beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch im Eilverfahren die Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafbefehl zu eigen machen.


    FINANZGERICHT HAMBURG

    4 V 66/22

    04.11.2022

    Beschluss - Einzelrichter

    Gründe

    I.

    Die Antragsteller begehren die Aussetzung der Vollziehung von Tabaksteuer- und Hinterziehungszinsbescheiden.

    Das Amtsgericht A erließ am ... April 2016 jeweils gleichlautende Strafbefehle gegen die Antragsteller und führte dabei im Fall des Antragstellers zu 1. zum Sachverhalt Folgendes aus:

    "Sie verschafften sich gemeinsam mit Ihrer Frau unter anderem von den anderweitig verfolgten B und C im Zeitraum von November 2013 bis März 2014 rund 30.000 Stück Zigaretten, zu denen die deutsche Tabaksteuer sowie Zoll und Einfuhrumsatzsteuer hinterzogen worden waren, um durch deren weiteren Absatz ohne Versteuerung für sich und Ihre Frau eine fortlaufende Einnahmequelle zu erzielen. Die Zigaretten erhielten sie an ihren Wohnort (...) geliefert oder holten diese bei dem anderweitig verfolgten B (...) jeweils nach Absprache ab. Dabei nahm Sie zumindest billigend in Kauf, dass auf den Zigaretten allein deutsche Tabaksteuer in Höhe von über ... € lastete, die dem Staat durch ihr Handeln vorenthalten wurde."

    Im Einzelnen warf das Amtsgericht den Antragstellern am 9. November 2013 die Abnahme von 10.000 Stück Zigaretten, zwischen dem 9. und dem 12. Dezember 2013 die Abnahme von 7.000 Zigaretten und zwischen dem 30. Dezember 2013 bis zum 6. März 2014 von 12.400 Zigaretten vor. Es sei eine Strafbarkeit wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in drei tatmehrheitlichen Fällen gemäß § 374 Abs. 1 und 2 AO, §§ 17, 23 TabStG und § 53 StGB gegeben.

    Weiter heißt es in den Strafbefehlen:
    "Weil die zu erwartende Strafe angesichts der in diesem Verfahren verfolgten Taten nicht erheblich ins Gewicht fiele, wird gemäß §§ 154 Abs. 1, 154 a Abs. 1 StPO von der Verfolgung des Schadens wegen Hinterziehung von Zoll und Einfuhrumsatzsteuer insgesamt sowie wegen weiterer Abnahmen im Zeitraum September 2013 bis Mai 2014 abgesehen."

    Beide Strafbefehle wurden am 9. bzw. 10. April 2018 rechtskräftig. Die Gesamtgeldstrafe betrug jeweils ... Tagessätze bei einem Tagessatz von 30 €, mithin jeweils ... €.

    Am 22. Juni 2022 erließ der Antragsgegner gleichlautende Steuerbescheide über Tabaksteuer gegen die Antragsteller (XXX-1 und XXX-2) und stellte darin auf die rechtskräftigen Verurteilungen durch das Amtsgericht A ab. Die Antragsteller hätten am 9. November 2013 10.000 Stück und am 9. Dezember 2013 - insoweit abweichend vom Strafbefehl - 6.000 Stück unversteuerte Zigaretten unbekannter Marke von C erhalten. Das Amtsgericht A habe im Urteil gegen B festgestellt, dass die Zigaretten auf dem Landweg von ukrainischen Lieferanten in das deutsche Steuergebiet verbracht worden seien. Im Zusammenhang mit diesem Urteil und weiteren Feststellungen im Rahmen der Zigarettenlieferungen seien die gehandelten Zigaretten aus einem Drittland über Polen kommend zu gewerblichen Zwecken und unzulässigerweise ohne die Verwendung deutscher Steuerzeichen aus dem steuerrechtlich freien Verkehr Polens in das deutsche Steuergebiet verbracht worden. Als Empfänger der Zigaretten seien die Antragsteller Schuldner der entstandenen Tabaksteuer i.H.v. ... €. Die Antragsteller seien Gesamtschuldner zusammen mit B und C. Wegen der Einzelheiten der Berechnung der Tabaksteuer wird auf die Bescheide verwiesen.

    Ebenfalls am 22. Juni 2022 erließ der Antragsgegner zwei Zinsbescheide über Hinterziehungszinsen in Höhe von jeweils ... € gemäß § 235 AO gegen die Antragsteller wegen der hinterzogenen Tabaksteuer (XXX-3 und XXX-4).

    Mit Schreiben vom 3. Juli 2022 legten die Antragsteller Einspruch gegen die Tabaksteuer- und Hinterziehungszinsbescheide ein und beantragten, deren Vollziehung auszusetzen. Aus der Passage über das Absehen von einer weiteren Verfolgung in den Strafbefehlen folge, dass die neuerlichen Forderungen aufzuheben seien. Sie, die Antragsteller, seien nicht rechtskräftig verurteilt worden, sondern hätten den Strafbefehl widerspruchslos akzeptiert nachdem ihr Rechtsanwalt mit der Staatsanwaltschaft A gesprochen habe. Dabei sei versichert worden, dass es keine weiteren Sanktionen in dieser Angelegenheit geben werde, wenn die Strafbefehle akzeptiert und die Strafe gezahlt würde. Dies ergebe sich auch aus dem Strafbefehl. Im Übrigen habe man nicht in die Machenschaften dieser mafiaähnlich organisierten Bande hineingezogen werden wollen. Diese zwei Gründe seien ausschlaggebend dafür gewesen, sich nicht zu wehren bzw. vor Gericht zu ziehen. Die Geldstrafen seien vollständig gezahlt worden, weshalb die angegriffenen Bescheide aufzuheben seien.

    Mit gleichlautenden Bescheiden vom 2. August 2022 (RL xxx-1/22 und RL xxx-2/22) lehnte der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung der Tabaksteuerbescheide ab. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidungen lägen nicht vor. Die Feststellungen zum Sachverhalt beruhten auf den Urteilen des Amtsgerichts A gegen B und den geständigen C. Die Feststellungen in diesen Urteilen mache sich der Antragsgegner zu Eigen. Im Übrigen ergebe sich der Sachverhalt auch aus den abgehörten Telefonaten zwischen den Antragstellern und C bzw. B. Entscheidungen im Strafverfahren über z.B. Einstellungen hätten für das Besteuerungsverfahren keine Bindungswirkung, da im Strafverfahren nicht über ein Rechtsverhältnis, das im Besteuerungsverfahren vorgreiflich sei, entschieden werde. Eine Aussetzung der Vollziehung aufgrund einer unbilligen Härte scheide mangels entsprechenden Vortrags ebenfalls aus. Persönliche oder sachliche Billigkeitsgründe seien nicht erkennbar.

    Mit weiteren zwei Bescheiden vom 2. August 2022 lehnte es der Antragsgegner ab, die Vollziehung der Zinsbescheide über Hinterziehungszinsen auszusetzen (RL xxx-3/22 und RL xxx-4/22).

    Mit am 9. August 2022 bei Gericht eingegangenem Schreiben haben die Antragsteller einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Tabaksteuer- und Zinsbescheide gestellt. Sie hätten die Gesamtgeldstrafe jeweils gezahlt, weil sie den zwischen ihrem Rechtsanwalt und der Staatsanwaltschaft ausgehandelten Deal vertraut hätten. Wenn weitere Forderungen entgegen der Absprachen absehbar gewesen wären, hätten sie sich im Prozess dagegen zur Wehr gesetzt. Ihre Aussagen zu diesen Vorgängen hätten zu ihrer Entlastung beigetragen. Da sie sich jedoch nicht mit der Russenmafia hätten anlegen wollen, hätten sie den "Widerspruch" zurückgezogen. Zu berücksichtigen sei zudem, dass sie, die Antragsteller, seit Januar 2022 von Hartz IV leben würden. Für den Antragsteller zu 1. laufe ein Antrag auf Gewährung einer Invalidenrente. Vollstreckungsversuche würden damit ins Leere laufen. Ihre Schuld, die im Übrigen nie erwiesen worden sei, da sie an dem Strafprozess nicht teilgenommen hätten und nie gehört worden seien bzw. Zeugen dazu ausgesagt hätten, sei abgetragen und sie seien nun absprachegemäß in Ruhe zu lassen.

    Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
    die Vollziehung der Steuerbescheide über Tabaksteuer vom 22. Juni 2022 (XXX-1 und XXX-2) und der Zinsbescheide über Hinterziehungszinsen vom 22. Juni 2022 (XXX-3 und XXX-4) auszusetzen.

    der Antragsgegner beantragt,
    den Antrag abzulehnen.

    Zur Begründung bezieht sich der Antragsgegner auf die Begründung der Ablehnungsbescheide vom 2. August 2022.

    Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 28. Oktober 2022 auf den Einzelrichter übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schreiben der Beteiligten und die Sachakten des Antragsgegners (vier Hefter) verwiesen.

    II.

    Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 FGO hat keinen Erfolg. Er ist zulässig aber unbegründet.

    Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Abs. 2 Satz 2 bis 6 gelten sinngemäß. Nach § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen nicht (1.). Dass mit ihrer Vollziehung eine unbillige Härte einhergehen könnte, ist ebenfalls nicht ersichtlich (2.).

    1. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Tabaksteuer- und Hinterziehungszinsbescheide liegen nicht vor.

    Ernstliche Zweifel sind gegeben, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen. Der Erfolg braucht nicht wahrscheinlicher zu sein als der Misserfolg, es brauchen insbesondere nicht erhebliche Zweifel in dem Sinne zu bestehen, dass eine Aufhebung des Verwaltungsaktes in der Hauptsache mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist; vielmehr genügt, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso wenig auszuschließen ist wie sein Misserfolg. Dabei entscheidet das Gericht auf Basis der vorliegenden Unterlagen, d. h. nur nach Aktenlage und aufgrund von präsenten Beweismitteln. Weitergehende Sachverhaltsermittlungen des Finanzgerichts sind nicht erforderlich. Die Beteiligten haben die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO, Rn. 89, 122 f., Stand Februar 2021 mit Nachweisen zur st. Rspr. des BFH).

    a) Nach summarischer Prüfung dürften die auf § 23 Tabaksteuergesetz (TabStG) gestützten Tabaksteuerbescheide rechtmäßig sein und die von den Antragstellern eingelegten Einsprüche daher erfolglos bleiben.

    Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 TabStG entsteht die Tabaksteuer, sofern Tabakwaren in anderen als den in § 22 Abs. 1 TabStG genannten Fällen entgegen § 17 Abs. 1 TabStG aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaats in das Steuergebiet verbracht oder dorthin versandt (gewerbliche Zwecke) werden, wenn die Tabakwaren erstmals zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten werden. Die Voraussetzungen dieser Norm dürften vorliegend erfüllt sein. Nach den Ermittlungen des Antragsgegners und der Strafverfolgungsbehörden, die nach Aktenlage strafgerichtlich bestätigt wurden und auch von den Antragstellern nicht in Zweifel gezogen werden, wurden die streitgegenständlichen Tabakwaren nicht zu privaten, sondern zu gewerblichen Zwecken aus dem steuerrechtlich freien Verkehr Polens in das Bundesgebiet verbracht, ohne die Tabaksteuer durch Verwendung von Steuerzeichen zu entrichten.

    Die Antragsteller sind auch Schuldner dieser Tabaksteuer. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG ist Steuerschuldner, wer die Lieferung vornimmt oder die Tabakwaren in Besitz hält und der Empfänger, sobald er Besitz an den Tabakwaren erlangt hat. Die Antragsteller haben die streitgegenständlichen Zigaretten vom jeweiligen Verkäufer übernommen und damit Besitz an ihnen erlangt. Insoweit macht sich das Gericht die Feststellungen des Amtsgerichts A in den rechtskräftigen Strafbefehlen vom ... 2016 zu eigen. Sind Vorgänge sowohl in strafrechtlicher als auch in abgabenrechtlicher Hinsicht zu ermitteln und zu würdigen, so ist das Finanzgericht zwar an die tatsächlichen Feststellungen einer vorangegangenen strafgerichtlichen Entscheidung nicht gebunden. Es ist jedoch nicht gehindert, sich die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts im Hauptsache- oder Eilverfahren zu eigen zu machen, wenn nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung diese Feststellungen zutreffend sind und wenn keine substantiierten Einwendungen gegen die Feststellungen des Strafgerichts erhoben werden. Zur Übernahme der vom Finanzgericht für zutreffend erachteten Feststellungen und Beweiswürdigungen des Strafgerichts besteht besonders dann Anlass, wenn die strafgerichtliche Entscheidung bereits rechtskräftig geworden ist. Dabei steht ein in Rechtskraft erwachsener Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil gleich (BFH, Urteil vom 2. Dezember 2003, VII R 17/03, juris, Rn. 18; BFH, Beschluss vom 6. November 2008, IV B 126/07, juris, Rn. 37). Es macht keinen Unterschied, ob sich das Finanzgericht auf Feststellungen aus einem in Rechtskraft erwachsenen Strafbefehl oder auf Feststellungen aus einem Strafurteil stützt. Das folgt bereits aus § 410 Abs. 3 StPO, wonach ein Strafbefehl, gegen den nicht rechtzeitig Einspruch erhoben worden ist, einem rechtskräftigen Urteil gleichsteht. Der unangefochtene Strafbefehl erlangt somit ebenso wie ein unangefochtenes Urteil formelle und materielle Rechtskraft. Diese Wirkung tritt in allen Fällen ein, in denen strafbares Verhalten zulässigerweise mit einem Strafbefehl geahndet wird, also auch im Steuerstrafrecht, da für dieses eine Ausnahme gesetzlich nicht vorgesehen ist. Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, das Strafbefehlsverfahren sei nur ein summarisches Verfahren, in dem ohne Hauptverhandlung entschieden werde und hinreichender Tatverdacht für den Erlass des Strafbefehls ausreiche. Das besondere Verfahren bei Strafbefehlen mit seinen verschiedenen Vereinfachungsmöglichkeiten ist gegenüber dem normalen Strafverfahren nur als Angebot an die Rechtspflegeorgane und an den Angeschuldigten zu verstehen, zügig, ohne größeren Aufwand und ohne Aufsehen in der Öffentlichkeit Fälle leichter Kriminalität aus der Welt zu schaffen. Dem von einem Strafbefehl Betroffenen steht es schließlich frei, durch Einlegung eines Einspruchs eine Hauptverhandlung und damit das normale Strafverfahren herbeizuführen (§§ 410 Abs. 1, 411 Abs. 1 Satz 2 StPO). Nimmt er hingegen den Strafbefehl an, kann auch der Einwand minderer Rechtsstaatlichkeit dieses Verfahrens nicht durchgreifen (BFH, Beschluss vom 1. Februar 2001, VII B 234/00, juris, Rn. 7). Einwendungen der am finanzgerichtlichen Verfahren Beteiligten gegen die Verwendung strafgerichtlicher Feststellungen und entsprechende Beweisanträge müssen substantiiert werden. Dazu genügt die bloße Angabe einer abweichenden rechtlichen Würdigung oder schlichtes Bestreiten nicht (BFH, Beschluss vom 24. September 2013, XI B 75/12, juris, Rn. 16 ff.).

    Substantiierte Einwendungen gegen die Feststellungen des Amtsgerichts in den Strafbefehlen haben die Antragsteller nicht vorgebracht, sondern lediglich angedeutet, dass ihre Aussagen zu diesen Vorgängen zu ihrer Entlastung beigetragen hätten. Für die Richtigkeit der Feststellungen sprechen im Übrigen die in der Sachakte vorhandenen Mitschnitte der Telefonüberwachung. Jedenfalls hinsichtlich der ersten Tat lassen sich die Anbahnung des Geschäfts, die anschließenden Verhandlungen sowie die Menge der verkauften Zigaretten und der Übergabeort konkret nachvollziehen. Weitere Einzelheiten zur zweiten Tat ergeben sich nach Aktenlage wohl aus der geständigen Einlassung des C und dem darauf ergangenen Urteil des Amtsgerichts A, deren Inhalt sich der Antragsgegner zwar zu eigen gemacht, das Urteil aber gleichwohl nicht zur Sachakte genommen hat.

    b) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der auf die §§ 235, 238, 239, 370 AO gestützten Zinsbescheide sind ebenfalls nicht gegeben und werden auch von den Antragstellern nicht vorgebracht.

    c) Die Rechtmäßigkeit der Tabaksteuer- und Zinsbescheide wird schließlich nicht durch den Vortrag der Antragsteller in Zweifel gezogen, dass es eine Absprache zwischen Ihnen und der Staatsanwaltschaft gegeben habe, dass es im Fall einer Rücknahme der ursprünglich gegen die Strafbefehle eingelegten Einsprüche zu keinen weiteren "Sanktionen" - so die Wortwahl im Einspruchsschreiben - wegen der streitgegenständlichen Zigaretten kommen werde.

    Inhalt dieser Absprache dürfte wohl lediglich die Selbstverständlichkeit sein, dass mit der Rechtskraft des Strafbefehls der sog. Strafklageverbrauch eintritt. D. h. wie bei einem rechtskräftigen Strafurteil gilt das Verbot der Doppelbestrafung. Die Festsetzung von Tabaksteuer und Hinterziehungszinsen stellt auch keine (erneute) Bestrafung bzw. Sanktion dar. Anders als das Steuerstrafverfahren zielt das Besteuerungsverfahren nicht auf die Sanktionierung eines Verhaltens ab, sondern auf die Verwirklichung von Steuergerechtigkeit durch Vollzugsgleichheit.

    Sofern die Antragsteller zum Ausdruck bringen wollten, dass Inhalt der Absprache auch gewesen sei, dass zukünftig keine Besteuerung erfolge, ist ihr Vortrag nicht hinreichend substantiiert und im Übrigen auch fernliegend, da der Staatsanwaltschaft die Kompetenz fehlen würde, zulasten der Steuerbehörden zuzusichern, dass zukünftig keine Steuern erhoben würden. Auch der im Strafbefehl von den Antragstellern hervorgehobene Passus zu §§ 154 Abs. 1 und 154a Abs. 1 StPO hilft insoweit nicht weiter. Die genannten Normen handeln von der Teileinstellung bei mehreren Taten bzw. von der Beschränkung der Strafverfolgung. Eben dies ist vorliegend im Strafverfahren auch geschehen. Von der Verfolgung des Schadens wegen Hinterziehung von Zoll und Einfuhrumsatzsteuer wurde insgesamt abgesehen. Weitere Zigarettenankäufe im Zeitraum September 2013 bis Mai 2014 wurden ebenfalls nicht verfolgt. Die Beschränkung der strafrechtlichen Verfolgung berührt die Besteuerung der entsprechenden Sachverhalte jedoch nicht. Das Straf- und das Besteuerungsverfahren stehen unabhängig, eigenständig und gleichrangig nebeneinander. Eine Bindung von Finanzbehörden und -gerichten an Feststellungen des Strafgerichts wegen derselben Tat ist gesetzlich nicht normiert. Ebenso besteht keine Bindung an eine strafgerichtliche Verurteilung. Umgekehrt ist das Finanzgericht an einen Freispruch im Steuerstrafverfahren nicht gebunden und kann davon abweichend eine Steuerstraftat bejahen (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 393 AO, Rn. 19, 22, Stand Juli 2022). Hierüber und über die Tatsache, dass dem Strafverfahren überhaupt ein Besteuerungsverfahren folgen könnte, dürften die Antragsteller wohl im Unklaren gewesen sein als sie sich entschieden haben, die Einsprüche gegen die Strafbefehle zurückzunehmen.

    2. Dass die Vollziehung der Bescheide für die Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, ist nicht ersichtlich. Eine solche Härte liegt vor, wenn durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheids wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und durch eine etwaige Rückzahlung der eingezogenen Beträge nicht ausgeglichen werden oder nur schwer wiedergutzumachen sind oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führen würde (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO, Rn. 104, Stand Februar 2021). Solche Folgen haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, sondern lediglich vorgetragen, nunmehr von Hartz IV zu leben, weshalb Vollstreckungsversuche ins Leere laufen würden.

    III.

    Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 135 Abs. 1 und 128 Abs. 3 i.V.m. 115 Abs. 2 FGO.

    RechtsgebieteFGO, TabStGVorschriftenFGO § 69 Abs. 3, TabStG § 23 Abs. 1