13.02.2024 · IWW-Abrufnummer 239713
Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 11.09.2023 – 3 Ws 34/23
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln
3 Ws 34/23
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Köln wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der der Vollstreckungsschuldnerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
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Gründe:
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I.
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Mit Urteil vom 18.03.2020 ordnete das Landgericht Bonn im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens gegen die Vollstreckungsschuldnerin als Einziehungsbeteiligte die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 176.574.603 € an. In Höhe von 166.574.603 € handelte es sich nach den Feststellungen des Landgerichts um aufgrund falscher Steueranrechnungen durch das Finanzamt für Großunternehmen in Hamburg für die Veranlagungsjahre 2007 bis 2011 zu Unrecht erlangte Steuervorteile. Der restliche Betrag in Höhe von 10.000.000 € setzte sich aus gemäß § 73 Abs. 2 StGB eingezogenen Nutzungen zusammen, hinsichtlich derer das Landgericht davon ausgegangen war, dass die Einziehungsbeteiligte aufgrund der zuvor erlangten Taterträge und den hiermit einhergegangenen Liquiditätsvorteilen entsprechende (Zins)Erträge erzielt hatte. Die Ermittlungen geführt hatte aufgrund einer Zuweisung durch die Generalstaatsanwaltschaft Köln vom 29.07.2013 in Verbindung mit der Rundverfügung des Justizministerium Nordrhein-Westfalen vom 30.03.1968 über die Bearbeitung von Wirtschaftsstrafsachen (4100 - III A. 172) die Staatsanwaltschaft Köln als Schwerpunktstaatsanwaltschaft, die auch im Zwischen- und Hauptverfahren inklusive des Revisionsverfahren aufgetreten war. Nachdem das Urteil des Landgerichts in Rechtskraft erwachsen war, gab diese das Verfahren im Januar 2022 an die Staatsanwaltschaft Bonn zur Übernahme der Vollstreckung ab (Bl. 9523, 9544 HA).
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Zwischenzeitlich hatte das Finanzamt für Großunternehmen in Hamburg hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Veranlagungsjahre die nach den Feststellungen des Landgerichts im Urteil vom 18.03.2020 zunächst zu Unrecht bewilligten Steueranrechnungen zurückgenommen und Zahlung rückständiger Steuerbeträge nebst - auf steuerrechtlicher Grundlage berechneter - Zinsen verlangt (Bl. 3741 ff. VH). Neben den Steuerforderungen hat die Vollstreckungsschuldnerin in diesem Rahmen bislang Zinsen in Höhe von 85.097.662 € gezahlt, die entsprechenden Rückforderungsbescheide allerdings angefochten; die hierzu laufenden Steuer- und Gerichtsverfahren sind noch nicht abgeschlossen. Aufgrund der zwischenzeitlich durch die Vollstreckungsschuldnerin geleisteten Beträge hat das Landgericht mit Beschluss vom 02.03.2023 die weitere Vollstreckung aus dem Urteil vom 18.03.2020 gegen die Vollstreckungsschuldnerin gemäß § 459g Abs. 4 Satz 1 StPO ausgeschlossen. Beteiligt hatte das Landgericht in diesem Zusammenhang die Staatsanwaltschaft Bonn, der auch die Entscheidung vom 02.03.2023 zugestellt worden ist; die Staatsanwaltschaft Köln ist hingegen nicht angehört worden. Mit Verfügung vom 08.03.2023 hat die bei der Staatsanwaltschaft Bonn mit der Bearbeitung befasste Dezernentin auf Rechtsmittel gegen die Entscheidung vom 02.03.2023 verzichtet. Die seitens des Finanzamtes für Großunternehmen in Hamburg gegen die landgerichtliche Entscheidung gerichtete sofortige Beschwerde hat der Senat mit bereits Beschluss vom 11.05.2023 (3 Ws 15/23) verworfen.
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Nunmehr hat die Staatsanwaltschaft Köln mit Verfügung vom 14.06.2023 die landgerichtliche Entscheidung vom 02.03.2023 angefochten, soweit das Landgericht die Vollstreckung gegen die Vollstreckungsschuldnerin auch in Bezug auf die mit dem Urteil vom 18.03.2020 eingezogenen Nutzungen in Höhe von 10.000.000 € ausgeschlossen hat. Die Staatsanwaltschaft Köln hält das Rechtsmittel für zulässig und insbesondere fristgerecht eingelegt, weil ihr die angefochtene Entscheidung bislang noch nicht zugestellt worden sei. Dies sei aber erforderlich gewesen, weil das Landgericht vor seiner Entscheidung gemäß § 462 Abs. 2 StPO die Verfolgungsbehörde habe anhören und dieser die Entscheidung zustellen müssen. Die insoweit ausschließlich beteiligte Staatsanwaltschaft Bonn sei hingegen lediglich Vollstreckungsbehörde und als solches auch nicht rechtsmittelberechtigt. Die sofortige Beschwerde sei auch begründet, weil die durch das Landgericht eingezogenen Nutzungen in keinem Zusammenhang mit den von dem Finanzamt für Großunternehmen in Hamburg geltend gemachten Verspätungs- und Hinterziehungszinsen stünden. Bei den durch die Vollstreckungsschuldnerin gezogenen Nutzungen handele es sich auch nicht um das durch die Tat Erlangte, sodass das Finanzamt für Großunternehmen in Hamburg insoweit nicht als Geschädigter anzusehen sei. Die Nutzungen stellten einen eigenständigen mittelbaren Vermögensvorteil dar, der aus dem Taterlangten gezogen worden sei und dem Justizfiskus zufiele.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 02.03.2023 in dem angefochtenen Umfang aufzuheben.
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II.
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Der sofortigen Beschwerde bleibt der Erfolg versagt.
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1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Köln ist unzulässig, weil seitens der Staatsanwaltschaft bereits wirksam auf Rechtsmittel gegen die angefochtene Entscheidung verzichtet (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO) worden ist.
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a) Zutreffend ist in diesem Zusammenhang allerdings die Auffassung der Staatsanwaltschaft Köln, dass im Rahmen der durch das Landgericht getroffenen Entscheidung die Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde zu beteiligen war. Die Strafprozessordnung unterscheidet im ersten Abschnitt des siebten Buches über die Strafvollstreckung zwischen der Vollstreckungsbehörde (§ 451 StPO) und der Staatsanwaltschaft. Soweit im Rahmen der Strafvollstreckung von Letzterer bzw. den staatsanwaltschaftlichen Aufgaben die Rede ist, bringt die Terminologie zum Ausdruck, dass hiermit die Staatsanwaltschaft in ihrer Eigenschaft als Strafverfolgungsbehörde gemeint ist (vgl. BT-Drucks. VI/3250 S. 459 [zu § 451 Abs. 3 StPO]; Katholnigg, NStZ 1982, 195). Auch wenn Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsbehörde regelmäßig in derselben örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft zusammenfallen, hat die Unterscheidung auch in diesen Fällen praktische Bedeutung, da die der Vollstreckungsbehörde obliegenden Geschäfte nach § 31 Abs. 2 Satz 1, 3 RPflegerG weitgehend dem Rechtspfleger übertragen sind. Hat demgegenüber im Rahmen der Strafvollstreckung nicht die Vollstreckungsbehörde, sondern die Staatsanwaltschaft eine Erklärung abzugeben, ist der Staatsanwalt zuständig, wodurch dessen persönliches Wissen aus dem Ermittlungsverfahren und der Hauptverhandlung übermittelt werden kann (Katholnigg, NStZ 1982, 195). Demzufolge entspricht es der - soweit ersichtlich mittlerweile einhelligen - Auffassung, dass im Verfahren nach § 462 StPO, das gemäß § 462 Abs. 1 Satz 1 StPO auch für Entscheidungen nach § 459g StPO gilt, die Staatsanwaltschaft in ihrer Eigenschaft als Strafverfolgungsbehörde anzuhören ist (BeckOK StPO/Coen, 47. Ed., § 462 Rn. 2; BeckOK Strafvollzug Bund/Slawik, 24. Ed., StPO § 462 Rn. 2; HK-GS/Meier, 5. Aufl., StPO § 462 Rn. 2; Katholnigg, NStZ 1982, 195; KK-StPO/Appl, 9. Aufl., § 462 Rn. 3; LR/Graalmann-Scheerer, StPO, 27. Aufl., § 462 Rn. 4; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 462 Rn. 2; MüKoStPO/Nestler § 462 Rn. 4; SK-StPO/Paeffgen/Greco, 5. Aufl., § 462 Rn. 4). Inwieweit im Einzelfall auch die Anhörung der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde geboten sein kann (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 29.07.2003 - 2 BvR 1720/01, NStZ-RR 2003, 379; BeckOK StPO/Coen, 47. Ed., § 462 Rn. 2), bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
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b) Soweit im Verfahren nach § 462 StPO die Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde zu beteiligen ist, steht auch nur dieser das Beschwerderecht nach § 462 Abs. 3 Satz 1 StPO zu (vgl. etwa HK-StPO-Pollähne, 6. Aufl., § 462 Rn. 4; KK-StPO/Appl, 9. Aufl., § 462 Rn. 4; LR/Graalmann-Scheerer, StPO, 27. Aufl., § 462 Rn. 9; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 462 Rn. 5) und hiermit korrespondierend auch das Recht zum Rechtsmittelverzicht nach § 302 Satz 1 StPO. Auch gemessen hieran erweist sich die Erklärung der mit der Bearbeitung befassten Dezernentin der Staatsanwaltschaft Bonn vom 08.03.2023, auf Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Landgerichts vom 02.03.2023 zu verzichten, aber als wirksam.
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aa) Gemäß § 143 Abs. 1 GVG war die Staatsanwaltschaft Bonn als bei dem Gericht des ersten Rechtszuges bestehende Staatsanwaltschaft auch für die Strafverfolgung örtlich zuständig. Dass die Staatsanwaltschaft Köln aufgrund der Zuweisung durch die Generalstaatsanwaltschaft Köln mit Verfügung vom 29.07.2013 in Verbindung mit der Rundverfügung des Justizministerium Nordrhein-Westfalen vom 30.03.1968 über die Bearbeitung von Wirtschaftsstrafsachen das Ermittlungsverfahren geführt (und die Staatsanwaltschaft auch in den folgenden Verfahrensabschnitten repräsentiert hat), hat die Eigenschaft der Staatsanwaltschaft Bonn als (zusätzlich) örtlich zuständige Strafverfolgungsbehörde nicht entfallen lassen. Durch die Zuweisung einer Sache zu einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft gemäß § 143 Abs. 4 StPO wird zwar deren örtliche Zuständigkeit begründet, soweit eine solche nicht bereits aus Abs. 1 der Regelung folgt. Die örtliche Zuständigkeit der nach § 143 Abs. 1 Satz 1 StPO allgemein zuständigen Staatsanwaltschaft wird dadurch aber nicht ausgeschlossen; es besteht in diesem Fall eine Doppelzuständigkeit (OLG Zweibrücken, Urteil vom 13.07.1983 - 1 Ss 133/83, NStZ 1984, 233; BeckOK GVG/Huber, 19. Ed., GVG § 143 Rn. 5; Kissel/Mayer/Mayer, GVG, 10. Aufl., § 143 Rn. 8 [vgl. aber auch Rn. 9]; KK-StPO/Mayer, 9. Aufl., GVG § 143 Rn. 7; LR/Krauß, StPO, 27. Aufl., GVG § 143 Rn. 19; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 143 Rn. 6; MüKoStPO/Brocke GVG § 143 Rn. 11; kritisch und eine Gesetzesänderung anregend Schoreit, NStZ 1984, 234).
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bb) War die Staatsanwaltschaft Bonn damit im Zeitpunkt ihrer Erklärung über den Rechtsmittelverzicht (auch) als Strafverfolgungsbehörde weiterhin örtlich wie sachlich zuständig, konnte sie diese auch in dieser Eigenschaft abgeben; die Frage, welche Wirkung einem Verstoß gegen die örtliche Zuständigkeit zukäme (vgl. hierzu etwa Kissel/Mayer/Mayer, 10. Aufl., GVG, § 143 Rn. 6), bedarf daher keiner Entscheidung. Der Erklärung vom 08.03.2023 war auch keine Beschränkung dahin zu entnehmen, dass der Verzicht ausschließlich für die Staatsanwaltschaft in ihrer Eigenschaft als Vollstreckungsbehörde abgegeben werden sollte. Eine solche Einschränkung ergibt sich auch nicht schon daraus, dass die Staatsanwaltschaft Bonn das Verfahren seinerzeit erst im Rahmen der Vollstreckung des Urteils des Landgerichts Bonn vom 18.03.2020 übernommen hatte, zumal sich auch aus der Abgabeverfügung der Staatsanwaltschaft Köln vom 06.01.2022 Bl. 9523 HA) nicht hinreichend deutlich ergab, dass sich die Staatsanwaltschaft Köln weiterhin als (allein zuständige) Staatsanwaltschaft für die im Rahmen der Vollstreckung anfallenden staatsanwaltlichen Aufgaben ansah. Ob die Staatsanwaltschaft Bonn bzw. die dort mit der Sache befasste Dezernentin zu dem Rechtsmittelverzicht intern befugt war, ist für die Wirksamkeit der Erklärung unerheblich (vgl. BGH, Urteil vom 03.07.1964 - 2 StR 208/64).
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2. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Köln auch in der Sache insoweit unbegründet wäre, als sich die weitere Vollstreckung des Urteils des Landgerichts Bonn vom 18.03.2020 in Bezug auf die gemäß § 73 Abs. 2 StGB im Wege des Wertersatzes eingezogenen Nutzungen in Höhe von 10.000.000 € jedenfalls als unverhältnismäßig im Sinne von § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO darstellen würde. Ungeachtet der Frage, ob es sich bei den durch das Finanzamt für Großunternehmen in Hamburg gegen die Einziehungsbeteiligte geltend gemachten (steuerrechtlichen) Zinsansprüchen um Ansprüche im Sinne von § 459g Abs. 4 Satz 1 StPO handelt (vgl. etwa BT-Drucks. 18/9525, S. 51), widerspräche die weitere strafrechtliche Vollstreckung insoweit jedenfalls den Zwecken des Abschöpfungsrechts. Hierzu gilt:
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a) Die Abschöpfung von Taterträgen nach den §§ 73 ff. StGB hat - auch gegenüber dem Einziehungsbeteiligten (vgl. BT-Drucks. 18/9525, S. 89) und anders als etwa die Einziehung nach § 74 f. StGB - quasi-kondiktionellen Charakter und stellt keine dem Schuldgrundsatz unterliegende Strafsanktion dar (BVerfG, Beschluss vom 10.02.2021 - 2 BvL 8/19, juris Rn. 110, 117). Sie verfolgt eine vermögensordnende Funktion, indem sowohl dem Straftäter als auch der Rechtsgemeinschaft vor Augen geführt wird, dass eine strafrechtswidrige Vermögensmehrung von der Rechtsordnung nicht anerkannt wird und deshalb keinen Bestand haben kann (BVerfG, Beschluss vom 10.02.2021 - 2 BvL 8/19, juris Rn. 151). Mangels Strafcharakters der Einziehung von Taterträgen besteht eine Rechtfertigung für strafrechtliche Abschöpfungsmaßnahmen daher nur dann, wenn es hierdurch nicht zu einer doppelten Inanspruchnahme des Einziehungsadressaten durch den Staat einerseits und den Geschädigten andererseits kommt. Diesem das Abschöpfungsrecht beherrschenden Grundsatz (vgl. BT-Drucks. 18-9525, S. 54) tragen insbesondere die Regelungen in § 73e Abs. 1 StGB, § 459g Abs. 4 und § 459l Abs. 2 StPO Rechnung (vgl. etwa BT-Drucks. 18/9525, S. 69, 94, 97).
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b) Ausgehend davon, dass der Steuerpflichtige auf eine Steuerschuld auch dann wirksam leisten kann, wenn er den zugrunde liegenden Verwaltungsakt angefochten hat, und auch die Zahlung unter Vorbehalt bewirkt, dass der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis gemäß § 47 AO erlischt (BGH, Beschluss vom 06.04.2022 - 1 StR 466/21, juris; Senat, Beschluss vom 11.05.2023 - 3 Ws 15/23), würde die seitens der Staatsanwaltschaft Köln verfolgte weitere Vollstreckung des Wertersatzes der durch die Einziehungsbeteiligten gezogenen Nutzungen jedenfalls der Sache nach zu einer doppelten Belastung der Einziehungsbeteiligten in Bezug auf den wirtschaftlich selben Vermögenswert führen.
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aa) Die Möglichkeit der Einziehung von Nutzungen nach § 73 Abs. 2 StGB dient der Abschöpfung mittelbarer Tatvorteile (BGH, Urteil vom 21.03.2002 - 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 268 f.; S/S-Eser-Schuster, StGB, 30. Aufl., § 73 Rn. 25). Nutzungen in diesem Sinne sind solche des bürgerlichen Rechts nach §§ 99, 100 BGB (Fischer, StGB, 70. Aufl., § 73 Rn. 31; LK/Lohse, StGB, 13. Aufl., § 73 Rn. 45; MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 73 Rn. 41). Erfasst werden neben Früchten auch die (tatsächlich gezogenen) Gebrauchsvorteile. Hierzu zählt unter anderem der erzielte Zinsertrag (LK/Lohse, StGB, 13. Aufl., § 73 Rn. 45; MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 73 Rn. 41; S/S-Eser-Schuster, StGB, 30. Aufl., § 73 Rn. 25). Hieran hat auch das Landgericht im Urteil vom 18.03.2020 seine Einziehungsentscheidung ausgerichtet und die durch die Einziehungsbeteiligte tatsächlich gezogenen Nutzungen in Gestalt der erwirtschafteten (Zins)Erträge im Wege der Schätzung nach § 73d Abs. 2 StGB ermittelt (vgl. Urteil vom 18.03.2020, UA S. 500 ff.).
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bb) Auf den Ausgleich der aufgrund der von der Einziehungsbeteiligten zu Unrecht erlangten Steuervorteile vereinnahmten Zinsvorteile zielen auch die von dem Finanzamt für Großunternehmen in Hamburg mit den jeweiligen Steuernachforderungen verbundenen Zinsfestsetzungen gemäß § 233a AO (Bl. 3741 ff. VH). Der Verzinsung von Steuernachforderungen liegt die Annahme zugrunde, dass Steuerschuldner, deren Steuer erst spät festgesetzt wird, einen fiktiven Zinsvorteil haben, der umso größer ist, je später die Steuerfestsetzung erfolgt. Zur Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist es geboten, Steuerpflichtigen, die eine Nachzahlung zu leisten haben, Nachzahlungszinsen aufzuerlegen und den erlangten Zinsvorteil nachträglich zu nehmen (vgl. den Bericht der Bundesregierung über die Möglichkeit der Einführung einer Vollverzinsung vom 06.01.1978, BT-Drucks 8/1410, S. 4). Zweck der Vollverzinsung im Nachzahlungsfall ist damit die Abschöpfung des Zinsvorteils der Steuerpflichtigen, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit festgesetzt und erhoben wird (BVerfG, Beschluss vom 08.07.2021 - 1 BvR 2237/14, 2422/17, NJW 2021, 3309 Rn. 125; vgl. auch Klein/Rüsken, AO, 16. Aufl., § 233a Rn. 2 [Ausgleich des Zins- und Liquiditätsvorteils]).
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cc) Auch wenn der Nutzungsbegriff in § 73 Abs. 2 StGB - wie dargelegt - über erlangte Zinsvorteile hinausgeht und auch andere erlangte mittelbaren Tatvorteile erfasst, beziehen sich damit die vorliegend durch das Landgericht mit Urteil vom 18.03.2020 im Wege des Wertersatzes abgeschöpften Nutzungen und die durch das Finanzamt für Großunternehmen in Hamburg festgesetzten Zinsen auf dieselben durch die Einziehungsbeteiligte erlangten Vermögenspositionen, mögen diese auch aufgrund unterschiedlicher gesetzlicher Vorgaben - typisierende Berechnung im Rahmen des Steuerverfahrens einerseits, Ermittlung der tatsächlich gezogenen Nutzungen unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes im Strafverfahren andererseits - unterschiedlich berechnet worden sein. Insbesondere knüpfen die landgerichtliche Entscheidung wie auch die steuerrechtlich berechneten Zinsen jeweils an denselben Zinsbeginn an. Der von dem Landgericht im Rahmen seiner Einziehungsentscheidung berücksichtigte Zeitraum ist durch die Zinsfestsetzungen durch das Finanzamt für Großunternehmen in Hamburg vollständig erfasst. Da die seitens der Einziehungsbeteiligten für die einzelnen Veranlagungsjahre bislang an das Finanzamt für Großunternehmen in Hamburg gezahlten Zinsen die durch das Landgericht insoweit festgesetzten Nutzungen jeweils (deutlich) übersteigen, sind die abgeschöpften, unrechtmäßig erlangten Zins- bzw. Liquiditätsvorteile im Vermögen der Einziehungsbeteiligten damit - aufgrund der Anfechtung der Steuerbescheide derzeit - wirtschaftlich nicht mehr vorhanden. Der weiteren Vollstreckung der Einziehungsentscheidung würde damit ein die Vermögensabschöpfung legitimierender Grund fehlen. Sie hätte die Wirkung der doppelten Inanspruchnahme der Einziehungsbeteiligten, sodass der Einziehung anstelle einer Kompensationsfunktion Strafcharakter zukäme (vgl. insoweit auch zum zivilrechtlichen Kondiktionsrecht BGH, Urteil vom 12.04.2019 - V ZR 341/17, juris Rn. 8 [keine Kumulation von Nutzungsersatz und Prozesszinsen]).