15.05.2014 · IWW-Abrufnummer 141476
Verwaltungsgericht Münster: Urteil vom 08.04.2014 – 13 K 2731/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Verwaltungsgericht Münster
13 K 2731/12.O
Tenor:
Der Beklagte wird wegen Dienstvergehens aus dem Beamtenverhältnis entfernt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der am 00. K. 0000 geborene Beklagte ist geschieden und Vater einer im Jahr 0000 geborenen Tochter.
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Zum 0000 wurde der Beklagte zum Justizvollzugsangestellten, zum 0000 zum Justizvollzugsobersekretäranwärter, zum 0000 zum Justizvollzugsobersekretär z. A. und zum 0000 zum Justizvollzugsobersekretär ernannt.
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Die dienstlichen Leistungen des Beamten wurden zuletzt am 0000mit der Note „vollbefriedigend“ bewertet.
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Der Beklagte kam schwerpunktmäßig im Pforten- und Fahrdienst der Berufsförderungsstätte der Justizvollzugsanstalt C. -M. zum Einsatz. Aufgrund von Auffälligkeiten im Rahmen von Dienstfahrten (mehrfache Geschwindigkeitsüberschreitungen, unterlassene Meldungen über Besonderheiten während des Fahrdiensteinsatzes, fehlende Nachvollziehbarkeit für zurückgelegte Fahrtstrecken) wurde der Beklagte in der Zeit von März 2009 bis K. 2010 und sodann erneut ab März 2010 nicht mehr im Fahrdienst eingesetzt.
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Der Beklagte lebt aktuell nach eigenen Angaben in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen.
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Mit Ausnahme des hier zu beurteilenden Sachverhaltes ist der Beklagte bisher weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten.
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Durch Schreiben des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung C. vom 1. Juni 2010 erhielt der Kläger Kenntnis von einem gegen den Beklagten anhängigen steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Einkommensteuerverkürzung für die Jahre 2005 bis 2009. Aufgrund der vom Finanzamt übersandten Unterlagen ergaben sich darüber hinaus Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beklagte durch die Verwendung gefälschter Bescheinigungen seiner Dienststelle und die missbräuchliche Verwendung von Dienstsiegeln strafbar gemacht haben könnte.
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Mit Schreiben vom 17. Juni 2010 erstattete der Kläger gegen den Beklagten Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft C. .
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Mit Verfügung vom 15. Juli 2010 wurde gegen den Beklagten das Disziplinarverfahren eingeleitet und die vorläufige Dienstenthebung angeordnet. Dem Beklagten wurde untersagt, die Diensträume der JVA C. -M. zu betreten. Von einer Einbehaltung eines Teils der monatlichen Dienstbezüge wurde abgesehen. Im Hinblick auf das wegen desselben Sachverhaltes anhängige Strafverfahren wurde das Disziplinarverfahren gemäß § 22 Abs. 1 LDG NRW ausgesetzt.
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Durch seit dem 16. August 2011 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts C. vom 0000 – 0000 – wurde der Beklagte wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen, in einem Fall versucht, in drei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung im besonders schweren Fall (§§ 370 Abs. 1 AO, 267 Abs. 1 und 3 Nr. 4, 22, 23, 52, 53 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegenüber der anderweitig verfolgten F. N. wurde das Strafverfahren zunächst hinsichtlich ihrer Mitwirkung an der Erstellung einer Bescheinigung vom 19. K. 2010 wegen Urkundenfälschung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung gemäß §§ 154, 154a StPO durch Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 17. März 2011 beschränkt und schließlich mit Beschluss des Amtsgerichts vom 12. Juni 2013 gemäß § 153a StPO gegen Zahlung eines Geldbetrags in Höhe von 750,00 Euro eingestellt.
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Mit Verfügung vom 15. September 2011 wurde das Disziplinarverfahren wieder aufgenommen. Der Beklagte wurde zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen angehört. Er ließ sich über seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 19. Oktober 2011 zur Sache ein und äußerte sich nach Übersendung des Ermittlungsberichts vom 26. K. 2012 mit Schreiben vom 12. März 2012 abschließend. Dem Beklagten wurde im Hinblick auf die beabsichtigte Erhebung der Disziplinarklage mit Schreiben vom 21. März 2012 Gelegenheit gegeben, die Beteiligung des örtlichen Personalrats zu beantragen. Der örtliche Personalrat gab auf entsprechenden Antrag des Beklagten unter dem 4. Juni 2012 eine Stellungnahme ab.
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Der um die Erkenntnisse aus einer erneuten Beweisaufnahme erweiterte Ermittlungsbericht vom 26. Juni 2012 wurde dem Bevollmächtigten des Beklagten am 26. Juli 2012 sowie dem Beamten selbst am 30. Juli 2012 zugestellt. Mit Schreiben vom 27. August 2012 äußerte sich der Beklagte über seinen Bevollmächtigten und beantragte die nochmalige Beteiligung des örtlichen Personalrates. Dieser erklärte mit Schreiben vom 17. September 2012, dass er an der Stellungnahme vom 4. Juni 2012 festhalte.
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Mit Beschluss des Landesarbeitsgerichts I. vom 26. November 2012 – 0000 - wurde festgestellt, dass, nachdem das Land O. -X. mit Schreiben vom 11. August 2010 zunächst die fristlose Kündigung gegenüber Frau N. ausgesprochen hatte, das zwischen dem Land und F. N. bestehende Arbeitsverhältnis einvernehmlich mit dem 31. Juli 2011 geendet hat.
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Der Kläger hat bereits am 28. September 2012 Disziplinarklage erhoben. Er wirft dem Beklagten Folgendes vor:
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Der Beklagte habe bei der Abgabe seiner Steuererklärungen für die Jahre 2005 bis 2009 gegenüber dem Finanzamt C. im Rahmen seiner Werbungskosten wahrheitswidrig angegeben, zur Durchführung von Seminaren außerhalb seiner Stammdienststelle in X1. (überbetriebliche Ausbildung von Inhaftierten), C1. (Antigewalttraining für Strafgefangene) und N1. (Ausbildung im Bereich des sozialen Trainings) tätig gewesen zu sein. Darüber hinaus habe er wahrheitswidrig angegeben, diese Orte mit seinem privaten Pkw angefahren zu haben.
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Die Deutsche Schule für B. in X1. sowie das Gartenbauzentrum in N1. -X2. seien überbetriebliche Ausbildungsstätten, an deren Lehrgängen auch Inhaftierte der JVA C. -M. , die im Bereich Garten- und Landschaftsbau beruflich qualifiziert werden, teilnähmen. Ein dienstlicher Bezug zu einer Einrichtung in C1. bestehe nicht. Zu den Aufgaben des Beklagten gehörte es, die Inhaftierten mit einem Dienstfahrzeug während der Dienstzeit nach X1. bzw. N1. -X2. zu bringen und nach Ausbildungsende wieder abzuholen. Dienstfahrten zu den überbetrieblichen Ausbildungsstätten unter Nutzung eines privaten Fahrzeuges seien nicht angeordnet worden. Eine inhaltliche Mitarbeit bei der Ausbildung der Inhaftierten habe dem Beklagten nicht oblegen. Insbesondere sei er nicht zur Durchführung von Seminaren, Unterrichtseinheiten oder Unterweisungen eingesetzt gewesen.
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Im Einzelnen habe der Beklagte folgende falsche Angaben in seinen Steuererklärungen gemacht:
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In seiner Einkommensteuererklärung vom 24. K. 2006 für das Jahr 2005 habe er angegeben, unter Nutzung seines eigenen Pkw ohne Aufwendungsersatz durch seinen Dienstherrn Arbeitsstätten in C1. und X1. aufgesucht zu haben. An 36 Tagen habe er 130 km und an 82 Tagen 116 km zurückgelegt. Außerdem seien ihm Mehraufwendungen für Verpflegung in Höhe von 708 € (118 Tage à 6 €) entstanden. Tatsächlich seien entsprechende Fahrten mit dem eigenen Pkw nicht durchgeführt worden und der Verpflegungsmehraufwand sei nicht angefallen. Mit Bescheid vom 2. Februar 2006 sei die Einkommensteuer auf 2.238 € - und damit um 1.221 € zu niedrig – festgesetzt worden.
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In seiner Einkommensteuererklärung vom 10. April 2007 für das Jahr 2006 habe der Beklagte wahrheitswidrig angegeben, unter Nutzung seines eigenen Pkw ohne Aufwendungsersatz durch seinen Dienstherrn Arbeitsstätten in C1. und X1. aufgesucht zu haben. An 38 Tagen habe er 130 km und an 80 Tagen 116 km zurückgelegt. Tatsächlich seien entsprechende Fahrten mit dem eigenen Pkw nicht durchgeführt worden. Auf Nachfrage seitens des Finanzamtes habe der Beklagte dort am 19. April 2007 ein auf den 16. April 2007 datiertes Bestätigungsschreiben vorgelegt, in dem es u. a. heiße:
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„Die bereits erwähnten Seminare finden parallel zur überbetrieblichen Ausbildung der Strafgefangenen in C1. und X1. statt (teilweise auch in N1. -X2. ). Die dortigen Einrichtungen (Psychologiezentrum C1. und Schule für soziales Training) stellen uns die Räumlichkeiten zur Verfügung. Die Unterrichtseinheiten werden von mir zu Hause vor- und nachbereitet. Die Vor- und Nachbereitung beinhaltet u.a. auch Arbeitsmittel, Uniformteile sowie 20 € für einen genutzten Raum meiner Wohnung. Die Fahrten dorthin verrichte ich mit meinem eigenen Pkw.“
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Diese unter dem Kopfbogen der JVA C. -M. ausgestellte Bescheinigung habe der Beklagte selbst angefertigt. Zuständig für das Ausstellen derartiger Bescheinigungen wäre die Personalabteilung der JVA gewesen. Zur Verwendung eines Briefkopfes der Anstalt für private Zwecke sei der Beklagte nicht befugt gewesen. Dass es sich um ein nicht autorisiertes Schreiben der Anstalt handele, ergebe sich auch daraus, dass die im Kopfbogen angegebene Funktion „Fahrdienstleitung“ in der JVA nicht existiere. Das Schreiben sei darüber hinaus mit dem Dienstsiegel Nr. 2 der JVA versehen gewesen. Dieses Dienstsiegel komme ausschließlich in der Vollzugsgeschäftsstelle der JVA C. -M. zum Einsatz. Zur Verwendung des Dienstsiegels sei der Beklagte zu keinem Zeitpunkt berechtigt gewesen. Mit Bescheid vom 7. Mai 2007 sei die Einkommensteuer letztlich auf 1.746 € - und damit um 1.499 € zu niedrig - festgesetzt worden.
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In seiner Einkommensteuererklärung vom 7. Mai 2008 für das Jahr 2007 habe der Beklagte unzutreffende Angaben zu den mit seinem eigenen Pkw zurückgelegten Wegen zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gemacht. So habe er angegeben, an 38 Tagen 22 km, an 36 Tagen 130 km und an 80 Tagen 116 km zurückgelegt zu haben. Tatsächlich seien entsprechende Fahrten mit dem eigenen Pkw nicht durchgeführt worden. Nachdem das Finanzamt die Vorlage einer Arbeitgeberbescheinigung über die Anzahl der Arbeitstage und der Einsätze in X1. und C1. angefordert habe, habe der Beklagte zwei auf den 16. Juni 2008 und 30. Juni 2008 datierte, durch ihn selbst - ohne Vertretungsbefugnis auf dem Briefkopf der hiesigen Behörde - ausgestellte und mit dem Namen „0000“ unterzeichnete Bestätigungsschreiben vorgelegt. Das Schreiben vom 16. Juni 2008 sei darüber hinaus mit dem Dienstsiegel Nr. 2 versehen gewesen. Frau X3. sei zum damaligen Zeitpunkt zwar Mitarbeiterin der JVA, jedoch in der Zweiganstalt S. eingesetzt und auch nicht mit der Personalsachbearbeitung betraut gewesen, so dass das Ausstellen entsprechender Bescheinigungen auch nicht in ihren Zuständigkeitsbereich gefallen sei. Mit Bescheid vom 15. Juli 2008 sei die Einkommensteuer auf 1.642 € - und damit um 1.862 € zu niedrig – festgesetzt worden.
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In der Einkommensteuererklärung vom 17. Februar 2009 für das Jahr 2008 habe der Beklagte wahrheitswidrig angegeben, unter Nutzung seines eigenen Pkw ohne Aufwendungsersatz durch seinen Dienstherrn Arbeitsstätten in C1. und X1. aufgesucht zu haben. An 11 Tagen habe er 110 km und an 65 Tagen 96 km zurückgelegt. Tatsächlich seien entsprechende Fahrten mit dem eigenen Pkw nicht durchgeführt worden. Aufgrund dieser Angaben sei mit Bescheid vom 30. April 2009 die Einkommensteuer auf 3.506 € - und damit um 556 € zu niedrig – festgesetzt worden.
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In der Einkommensteuererklärung vom 9. Februar 2010 für das Jahr 2009 habe der Beklagte seine Reisekosten für beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit auf 3.435 € beziffert. Zu berücksichtigen seien Fahrtkosten für Fahrten nach X1. (35 Tage à 112 km), C1. (30 Tage à 139 km) und N1. (25 Tage à 85 km) sowie Verpflegungskostenmehraufwand von 540 € (90 Tage à 6 €). Tatsächlich seien entsprechende Fahrten mit dem eigenen Pkw nicht durchgeführt worden, und der Verpflegungskostenmehraufwand sei nicht angefallen. Zum Nachweis der Kosten habe der Beklagte beim Finanzamt ein auf den 19. K. 2010 datiertes, von ihm selbst – ohne Vertretungsbefugnis auf einem Briefkopf der hiesigen Einrichtung – ausgestelltes, mit dem Namen „X3. “ unterzeichnetes und mit dem Dienstsiegel Nr. 2 der JVA C. versehenes Bestätigungsschreiben vorgelegt. Nach der Darstellung der Organisationsabläufe in der Vollzugsgeschäftsstelle der JVA C. vom 20. Juni 2012 durch den dortigen Verwaltungsleiter werde das Dienstsiegel dort vom Leiter der Vollzugsgeschäftsstelle verwahrt und außerhalb der Geschäftszeiten in einem in die Wand eingelassenen Stahlschrank unter Verschluss gebracht. Das Büro des Leiters der Vollzugsgeschäftsstelle sei nur über ein Großraumbüro zu erreichen, in dem sich zu dem fraglichen Zeitpunkt vier Arbeitsplätze befunden hätten. Dieses Großraumbüro sei nie vollständig unbesetzt, sodass es nach Einschätzung des Verwaltungsleiters der JVA C. nicht möglich gewesen sein könne, dass der Beklagte als anstaltsfremde Person zweimal in das Büro des Leiters der Vollzugsgeschäftsstelle habe gelangen können, um sich dort des Dienstsiegels zu bemächtigen. Es sei daher davon auszugehen, dass der Beklagte nur unter Mithilfe eines/r in dem Großraumbüro tätigen Bediensteten der Vollzugsgeschäftsstelle an das Dienstsiegel habe gelangen können. Konkret handele es sich bei der involvierten Mitarbeiterin um die Verwaltungsbeschäftigte F. N. (geschiedene X3. ). Auffällig an dem Bestätigungsschreiben vom 19. K. 2010 sei, dass der verwendete Briefkopf nicht den offiziellen Vorgaben entspreche, da seit April 2009 ein Briefkopf im NRW-Design zum Einsatz komme. Die Unterschrift von Frau X3. sei insofern bemerkenswert, als Frau X3. mit Schließung der Zweiganstalt S. zum 1. Juli 2009 an die JVA C. versetzt worden sei. Au ßerdem habe sie zwischenzeitlich geheiratet und heiße mit neuem Familienname nunmehr N. . Auch ein Unterschriftenvergleich lege nahe, dass die Bescheinigung nicht von Frau N. unterzeichnet worden sei. Auffallend an der Bescheinigung sei ferner, dass zwar Kopfbogen und Anschrift auf die JVA C. -M. hindeuteten, das Siegel jedoch zur JVA C. gehöre und im Absenderfeld die dienstliche Rufnummer von Frau N. in der JVA C. angegeben sei.
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Auf Nachfrage seitens des Finanzamtes habe der Beklagte ein weiteres Bestätigungsschreiben beim Finanzamt eingereicht, das auf den 6. April 2010 datiert sei. Dieses Schreiben habe auszugsweise folgenden Inhalt:
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„….Auf diesen Fahrten nahm Herr B1. den (abgeordneten) Kollegen E. L. …, Stammdienststelle JVA J. mit … (Herr B1. ) stellt sich für diese Seminar freiwillig zur Verfügung und trägt mit der selbständigen Unterrichtsdurchführung erheblich zum Betriebsfrieden bei. Selbstverständlich stehen wir, auch im Rahmen unserer Mitwirkungspflicht, für weitere Informationen jederzeit zur Verfügung.“
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Der in dieser Bescheinigung angegebene Mitfahrer E. L. sei am 22. Juli 2004 an die JVA J. versetzt worden. Er sei im Jahr 2009 nicht an die JVA C. abgeordnet gewesen. Dienstliche Berührungspunkte zwischen dem Beklagten und Herrn L. im Jahr 2009 seien daher mehr als unwahrscheinlich, zumal Herr L. seit dem 2. K. 2009 ununterbrochen dienstunfähig erkrankt gewesen und mit Ablauf des Monats Mai 2010 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden sei. Das Schreiben vom 6. April 2010 weise formale Besonderheiten auf, die es als Fälschung auswiesen. So werde die unzutreffende Behördenbezeichnung „Justizvollzugsanstalt C. mit Zweiganstalt C. -M. “ verwandt. Die als Sachbearbeiterin angeführte Frau N. werde fälschlicherweise ohne „h“ geschrieben. Die Unterschrift weise allerdings die richtige Schreibweise auf. Auch dieses Schreiben sei mit dem Dienstsiegel Nr. 2 der JVA C. versehen.
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Mit Bescheid des Finanzamts C. vom 14. Juni 2010 sei für das Jahr 2009 eine Berücksichtigung der Dienstreisekosten abgelehnt worden. Durch die unzutreffenden Angaben wäre die Einkommensteuer für das Jahr 2009 in Höhe von 1.214 € verkürzt worden.
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Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte habe durch sein Verhalten, das die Straftatbestände der Steuerhinterziehung und der Urkundenfälschung im besonders schweren Fall erfülle, sowie durch die unrechtmäßige Verwendung von Dienstsiegeln und die Manipulation von Behördenkopfbögen schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt. Gemäß § 34 Satz 3 BeamtStG müsse das Verhalten eines Beamten der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordere. Gegen diese Integritätspflicht verstoße ein Beamter, wenn er in persönlicher Bereicherungsabsicht Steuer- und Straftatbestände verwirkliche und zur Realisierung unrechtmäßiger finanzieller Vorteile seine beamtenrechtliche Stellung und seine dienstlichen Zugriffsmöglichkeiten auf behördliche Schriftstücke und Dienstsiegel missbrauche. Ebenso liege ein Verstoß gegen Nr. 1 Abs. 2 der Dienst- und Sicherheitsvorschriften für den Strafvollzug (DSVollz) vor. Bedienstete von Justizvollzugsanstalten sollten durch gewissenhafte Pflichterfüllung und durch ihre Lebensführung vorbildlich wirken und so nicht nur durch Anordnungen, sondern auch durch eigenes Beispiel die Gefangenen zur Mitarbeit im Vollzug und zu einer geordneten Lebensführung hinführen. Gerade im Hinblick auf ihre Vorbildfunktion gegenüber den Inhaftierten hätten Justizvollzugsbedienstete eine besondere Verpflichtung zur Einhaltung von Normen und Gesetzen. Die Verwirklichung von Straftatbeständen stelle daher eine massive Verletzung der aufgezeigten Berufspflichten eines Beamten des allgemeinen Vollzugsdienstes dar. Soweit es sich hinsichtlich der unwahren Angaben in den Steuererklärungen um ein außerdienstliches Fehlverhalten handele, sei es auch in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Der Verstoß gegen Steuer- und Straftatbestände wiege bei einem Beamten im Justizdienst besonders schwer, da gerade von ihm in besonderem Maße Normentreue erwartet werde. Auch der Umstand, dass es sich nicht nur um ein einmaliges Fehlverhalten handele, der Beklagte vielmehr über mehrere Jahre fortgesetzt gehandelt habe und für den Fiskus ein nicht unbeträchtlicher, wenn auch inzwischen wieder ausgeglichener Schaden entstanden sei, falle ansehensmindernd und erschwerend ins Gewicht. In höchstem Maße vertrauensschädigend wirke sich auch aus, dass der Beklagte zur Realisierung von Steuervorteilen nicht nur falsche Angaben in seinen Steuererklärungen gemacht habe, sondern zur Untermauerung seiner falschen Angaben seine Stellung und seine Zugriffmöglichkeiten auf behördliche Schriftstücke und Dienstsiegel ausgenutzt und mit Beharrlichkeit durch Vorlage gefälschter Bestätigungsscheiben sein Ziel weiter verfolgt habe. Das Verhalten des Beklagten stelle somit ein inner- und außerdienstliches Dienstvergehen i. S. d. § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 BeamtStG i. V. m. § 34 Satz 3 BeamtStG und Nr. 1 Abs. 2 DSVollz dar. Soweit die in Rede stehenden Pflichtverletzungen vor dem Inkrafttreten des Beamtenstatusgesetz zum 1. April 2009 begangen worden seien, fänden §§ 83 Abs. 1 i. V. m. 57 Satz 3 LBF NRW a. F. Anwendung. Das Fehlverhalten besitze neben der strafrechtlichen Relevanz auch ein erhebliches disziplinarisches Eigengewicht, da der Beklagte nicht nur falsche Angaben in den Steuererklärungen gemacht und zur Vorteilserlangung Bescheinigungen seiner Dienststelle gefälscht habe, sondern zum Beweis ihrer Echtheit sich unter Ausnutzung der Arglosigkeit von Kollegen auch Zugriffsmöglichkeiten auf behördliche Insignien verschafft und eine Kollegin unter Ausnutzung ihrer Hilfsbereitschaft in sein kriminelles Vorgehen involviert habe.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen, hilfsweise auf eine unterhalb der Entfernung liegende Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
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Er ist der Ansicht, der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt insbesondere unrichtig informiert worden. In der Sache habe er sich regelmäßig geständig eingelassen und nicht bestritten, dass er die Einkommensteuererklärung nicht ordnungsgemäß eingereicht habe. Er halte weiter an seinem Geständnis fest. Es verbleibe auch dabei, was er bislang zu den Bescheinigungen vom 19. K. und 6. April 2010 geäußert habe. Es sei davon auszugehen, dass die Unterzeichnung des Schreibens vom 6. April 2010 wie auch die Siegelung auf den beiden Schreiben jeweils durch Frau N. erfolgt seien. Ihm sei bewusst, dass er ein derartiges Verhalten nicht hätte an den Tag legen dürfen. Es sei aber nicht richtig, dass er die Arglosigkeit von Kollegen ausgenutzt habe, um sich so Zugriffsmöglichkeiten auf behördliche Signien verschafft habe. Die Bekundungen der Zeugen betreffend die Aufbewahrung des Dienstsiegels wie auch der Umgang mit diesen seien nicht richtig dargestellt. Im Rahmen der Maßnahmenbemessung müsse beachtet werden, dass er sich von Anfang an geständig gezeigt habe, nicht mehr versucht habe, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu verschleiern und auch, dass er den angerichteten Steuerschaden zwischenzeitlich voll umfänglich beglichen habe. Er sei bislang disziplinar- und strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten und bereue die Tat sehr.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Personalakten (3 Hefte), der Disziplinarakte sowie der beigezogenen Akten des Arbeitsgerichts C. (0000) und der Staatsanwaltschaft C. (0000) Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Klage ist begründet. Der Beklagte ist wegen eines schwer wiegenden Dienstvergehens aus dem Dienst zu entfernen.
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I. Das behördliche Disziplinarverfahren weist keine wesentlichen Mängel auf (vgl. § 54 Abs. 1 LDG NRW). Insbesondere ist dem Personalrat unter Beifügung des Ermittlungsberichts vom 26. K. 2012 und des später verfassten ergänzten Ermittlungsberichts vom 26. Juni 2012 mit Schreiben vom 27. April 2012 und 5. September 2012 gemäß § 73 Nr. 6 LPVG NRW Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Ob sich die in dem Ermittlungsbericht aufgeführten Vorwürfe im Ergebnis als zutreffend erweisen, berührt die Ordnungsgemäßheit der Beteiligung des Personalrats nicht.
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II. In tatsächlicher Hinsicht geht das Gericht zunächst von den in dem seit dem 16. August 2011 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts C. vom 27. Juli 2011 – 0000 – in Verbindung mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft C. vom 17. März 2011 - 0000 – wiedergegebenen Feststellungen aus.
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Ein Strafbefehl entfaltet zwar nicht die einem Strafurteil innewohnende Bindungswirkung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW. Die dort getroffenen Feststellungen können aber gemäß § 56 Abs. 2 LDG NRW der Entscheidung des Gerichts ohne erneute Prüfung zugrunde gelegt werden, da es sich bei dem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren um ein gesetzlich geordnetes Verfahren handelt. Hiervon macht das Gericht Gebrauch, weil der Beklagte weder der Anklageschrift noch dem Strafbefehl entgegen getreten ist, sondern die ihm im Strafverfahren zur Last gelegten Taten uneingeschränkt eingestanden hat.
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Das Amtsgericht traf unter Zugrundelegung der Anklageschrift folgende Feststellungen:
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„Der Angeschuldigte B1. tätigte in seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2005 bis 2009 gegenüber dem Finanzamt C. -Süd bewusst unzutreffende Angaben zu den ihm entstandenen Kosten in Zusammenhang mit Dienstreisen nach X1. , C1. und N1. , verkürzte hierdurch Einkommensteuer in Höhe von insgesamt 5.138 Euro und versuchte weitere 1.214 Euro zu verkürzen.
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Zum Nachweis der Fahrtkosten verwendete er insgesamt fünf außerhalb seiner Zuständigkeit unter Verwendung eines Behördenbriefkopfes erstellte und teilweise mit Dienstsiegeln versehene Schreiben.
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Die Angeschuldigte N. unterstützte den Angeschuldigten B1. , indem sie in zumindest einem Fall außerhalb ihrer Zuständigkeit und unter Missbrauch ihrer Zugriffsmöglichkeiten auf Behördenbriefköpfe und Dienstsiegel eine unzutreffende Bestätigung erstellte und deren Einsatz zur Verkürzung von Steuern zumindest billigend in Kauf nahm.
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Im Einzelnen kam es zu folgenden Taten:
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1. In der unter dem 24.01.2006 angegebenen Einkommensteuererklärung für das Jahr 2005 gab der Angeschuldigte B1. an, unter Nutzung seines eigenen Pkw ohne Aufwendungsersatz durch den Arbeitgeber Arbeitsstätten in C1. und X1. aufgesucht zu haben. An 36 Tagen habe er 130 km und an 82 Tagen 116 km zurückgelegt. Außerdem seien ihm Mehraufwendungen für Verpflegung in Höhe von 708 Euro (118 Tage a 6 Euro) entstanden. Tatsächlich waren entsprechende Fahrten mit den eigenen Pkw nicht durchgeführt worden und der Verpflegungsmehraufwand nicht angefallen.Mit Bescheid vom 02.02.2006 wurde die Einkommensteuer auf 2.238 Euro – und damit um 1.221 Euro zu niedrig – festgesetzt.
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2. In der unter dem 10.04.2007 abgegebenen Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 gab der Angeschuldigte B1. wiederum wahrheitswidrig an, unter Nutzung seines eigenen Pkw ohne Aufwendungsersatz durch den Arbeitgeber Arbeitsstätten in C1. und X1. aufgesucht zu haben. An 38 Tagen habe er 130 km, an 80 Tagen 116 km zurückgelegt. Auf Nachfrage des Finanzamtes legte er dort am 19.04.2007 ein auf den 16.04.2007 datiertes durch ihn ohne Vertretungsbefugnis auf dem Briefkopf der JVA C. -M. ausgestelltes und gesiegeltes Bestätigungsschreiben vor.Mit Bescheid vom 07.05.2007 wurde die Einkommensteuer auf 1.746 Euro – und damit um 1.499 Euro zu niedrig – festgesetzt.
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3. In der unter dem 07.05.2008 abgegebenen Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 tätigte der Angeschuldigte B1. wiederum unzutreffende Angaben zu den mit dem eigenen Pkw zurückgelegten Wegen zwischen Wohnung und Arbeitsstätte: An 38 Tagen habe er insofern 22 km, an 36 Tagen 130 km und an 80 Tagen 116 km zurückgelegt. Am 03.06.2008 forderte das Finanzamt daraufhin die Vorlage einer Arbeitgeberbescheinigung über die Anzahl der Arbeitstage und der Einsätze in X1. und C1. . Daraufhin legte der Angeschuldigte B1. zwei auf den 16.06.2008 und 30.06.2008 datierte durch ihn ohne Vertretungsbefugnis auf dem Briefkopf der JVA C. -M. ausgestellte und mit dem Namen X3. unterzeichnetes Bestätigungsschreiben und eine geänderte Anlage N vor. Nunmehr wurden die Fahrkosten auf 7.764 Euro und der Verpflegungsmehraufwand auf 708 Euro beziffert. Mit Bescheid vom 15.07.2008 wurde die Einkommensteuer schließlich auf 1.642 Euro – und damit um 1.862 Euro zu niedrig – festgesetzt.
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4. In der unter dem 17.02.2009 abgegebenen Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 gab der Angeschuldigte B1. wiederum wahrheitswidrig an, unter Nutzung seines eigenen Pkw ohne Aufwendungsersatz durch den Arbeitgeber Arbeitsstätten in C1. und X1. aufgesucht zu haben. An 11 Tagen habe er 110 km, an 65 Tagen 96 km zurückgelegt. Bei der Steuerberechnung wieder daher eine Entfernungspauschale von 3.450 Euro statt zutreffend von 1.518 Euro (230 Tage a 22 km x 0,3 Euro) berücksichtigt und mit Bescheid vom 30.04.2009 die Einkommensteuer auf 3.506 Euro – und somit um 556 Euro zu niedrig – festgesetzt.
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5. In der unter dem 09.02.2010 abgegebenen Einkommensteuererklärung für das Jahr 2009 bezifferte der Angeschuldigte B1. seine Reisekosten bei beruflich veranlasster Auswärtstätigkeit auf 3.435 Euro. Zu berücksichtigen seien Fahrtkosten für Fahrten nach X1. (35 Tage a 112 km), C1. (30 Tage a 139 km) und N1. (25 Tage a 85 km) sowie Verpflegungsmehraufwand von 540 Euro (90 Tage a 6 Euro).Zum Nachweis der Kosten legte er beim Finanzamt zunächst ein auf den 19.01.2010 datiertes und durch ihn ohne Vertretungsbefugnis auf dem Briefkopf der JVA C. -M. ausgestelltes und mit dem Namen X3. unterzeichnetes Bestätigungsschreiben vor. Aufgrund einer Nachfrage des Finanzamtes vom 30.03.2010 bat der Angeschuldigte B1. die angeschuldigte N. um Erstellung eines weiteren Bestätigungsschreibens. Diese erstellte außerhalb ihrer Vertretungsbefugnis und unter unberechtigter Verwendung des Dienstsiegels eine auf den 06.04.2010 datierte Bescheinigung, welche der Angeschuldigte – möglicherweise nach weiterer Abänderung – am 12.04.2010 beim Finanzamt C. -Süd einreichte.Im Bescheid vom 14.06.2010 wurde eine Berücksichtigung der Dienstreisekosten mangels beruflicher Veranlassung durch das Finanzamt abgelehnt. Durch die unzutreffende Erklärung wäre Einkommensteuer in Höhe von 1.214 Euro verkürzt worden.“
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Anlass zu einem Lösungsbeschluss im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW hat das Gericht nicht.
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Im Übrigen unterstellt das Gericht – und insoweit der Einlassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung zu seinen Gunsten folgend –, dass der Beklagte zwar sämtliche dem Finanzamt vorgelegten Bestätigungsschreiben unter Verwendung des dienstlichen Briefpapiers, auf das er Zugriff hatte, selbst gefertigt hat, die Bestätigungsschreiben vom 19. April 2007, 16. Juni 2008 und 30. Juni 2008 allerdings nicht selbst mit dem Dienstsiegel versehen hat, sondern die von ihm vorgefertigten Schreiben der Kollegin F1. C2. , die Zugriff auf das Dienstsiegel hatte, anlässlich des Abgebens von Post in der JVA in der Vollzugsgeschäftsstelle aufgesucht und diese darum gebeten hat, ihm die jeweiligen Schreiben zu siegeln, was diese – ohne weiter nachzufragen – getan hat. Das Gericht weist ausdrücklich darauf hin, dass hiermit nicht die Feststellung verbunden ist, dass sich die Kollegin C2. tatsächlich in der vom Beklagten geschilderten Weise verhalten hat. Auf diesen Umstand kam es für die Überzeugungsbildung des Gerichts weder bei der Sachverhaltsfeststellung noch bei der Maßnahmebemessung an.
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III. Mit dem vom Gericht festgestellten Sachverhalt hat sich der Beklagte eines sehr schwerwiegenden – einheitlichen – Dienstvergehens nach Maßgabe der §§ 83 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 57 LBG NRW a. F. bzw. jetzt § 47 Abs. 1 BeamtStG schuldig gemacht.
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Auszugehen ist insofern von der Sach- und Rechtslage bei Begehung des Dienstvergehens, weil das nunmehr geltende Recht gegenüber der früheren Rechtslage keine materiell-rechtliche Veränderung zum Vorteil des Beklagten gebracht hat.
58
Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 – 2 C 5.10 -, NVwZ 2011, 303 = juris, Rn. 8; OVG NRW, Urteil vom 17. Juli 2013 – 3d A 2996/11.0 -, Seite 28 des Urteilsabdrucks.
59
Das strafrechtlich als Steuerhinterziehung in fünf Fällen, in einem Fall versucht und in drei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung im besonders schweren Fall (§§ 370 Abs. 1 AO, 267 Abs. 1 und 3 Nr. 4, 22, 23 StGB) geahndete Verhalten des Beklagten ist als außerdienstliche Pflichtverletzung i. S. v. § 83 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW a. F./§ 47 Abs. 1 BeamtStG zu bewerten; er hat schuldhaft, und zwar jeweils vorsätzlich, die ihm obliegende Dienstpflicht verletzt, durch sein Verhalten außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert (1.). Zudem hat der Beklagte in schwerwiegender Weise gegen die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen, indem er mindestens eine zum Führen des Dienstsiegels befugte Kollegin dazu veranlasst hat, Dienstsiegel auf den von ihm vorgelegten, inhaltlich gefälschten Bestätigungen anzubringen (2.).
60
1. Die Unterscheidung zwischen inner- und außerdienstlicher Pflichtverletzung i. S. d. genannten Vorschrift beruht nicht auf der Zufälligkeit räumlicher oder zeitlicher Beziehung eines Verhaltens zur Dienstausübung. Das wesentliche Unterscheidungselement ist vielmehr funktionaler Natur. Entscheidend für die rechtliche Einordnung eines Verhaltens als innerdienstliche Pflichtverletzung ist dessen kausale und logische Einbindung in ein Amt und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit. Ist eine solche Einordnung nicht möglich – insbesondere wenn sich das Handeln als das Verhalten einer Privatperson darstellt -, ist es als außerdienstliches (Fehl)Verhalten zu qualifizieren.
61
Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 2009 – 1 D 1.08 -, NVwZ 2010, 713 = juris, Rn. 54.
62
Ein solcher Fall ist hier mit Blick auf die Urkundenfälschungen, Steuerhinterziehungen und versuchte Steuerhinterziehung gegeben. Die vom Beklagten begangenen Straftaten waren nicht in sein Amt als Justizvollzugsbeamter eingebunden, sondern erfolgten anlässlich der Erstellung seiner jeweiligen Einkommensteuererklärungen. Dies gilt auch für die in diesem Zusammenhang vorgenommenen Urkundenfälschungen. Zwar hat der Beklagte hierfür dienstliches Briefpapier verwendet, einen dienstlichen Anschein erweckende Bestätigungen gefertigt und diese mit dem Dienstsiegel versehen lassen; jedoch ist dieses Verhalten kausal und logisch nicht in sein Amt als Justizvollzugsbeamter eingebunden.
63
Der Beklagte hat durch die vorbezeichneten Straftaten gegen seine Pflicht zu außerdienstlichem achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 57 Abs. 3 LBG NRW a. F./§ 47 Abs. 1 BeamtStG) verstoßen. Grundsätzlich wird für einen Beamten außerdienstlich kein wesentlich anderes Sozialverhalten erwartet als von jedem Bürger. Daher ist außerdienstliches Fehlverhalten nicht ohne Weiteres geeignet, das Vertrauen des Dienstherrn und das Ansehen des Beamtentums in disziplinarrechtlich relevanter Weise zu beeinträchtigen. Nach Maßgabe des § 57 Satz 3 LBG NRW a. F./§ 47 Abs. 1 BeamtStG verstößt ein außerdienstliches Verhalten des Beamten aber gegen die sogenannte Wohlverhaltenspflicht, wenn es bei fallbezogener Würdigung nachteilige Rückschlüsse auf die Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zulässt. Dieser dienstliche Bezug ist mit Blick auf die Vertrauensgrundlage zum Dienstherrn gegeben, wenn aufgrund des außerdienstlichen Verhaltens Zweifel bestehen, ob der Beamte seine innerdienstlichen Pflichten beachten wird. Die Dienstausübung ist auch betroffen, wenn zu befürchten ist, dass der Beamte wegen der gegen ihn bestehenden Vorbehalte nicht mehr die Autorität genießt, auf die er für die Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben zwingend angewiesen ist. Ein außerdienstliches Verhalten verstößt insbesondere auch gegen berufliche Erfordernisse i. S. d. § 57 Satz 3 LBG NRW a. F./§ 47 Abs. 1 BeamtStG, wenn dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in das Beamtentum als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beeinträchtigt werden kann.
64
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 – 2 C 16.10 -, BVerwGE 140, 185 = juris, Rn. 22.
65
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Bei fallbezogener Würdigung sind nachteilige Rückschlüsse auf die Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch den Beklagten unvermeidlich. Aufgrund seiner außerdienstlich begangenen Straftaten bestehen berechtigte Zweifel daran, dass der Beamte seine innerdienstlichen Pflichten beachten wird. Hierfür spricht zwar nicht maßgeblich der Umstand der begangenen bzw. versuchten Steuerhinterziehungen, sehr wohl aber derjenige der Begehung von Urkundsdelikten zur Ermöglichung bzw. Verschleierung der Steuerstraftaten. Diese Delikte hat er gegenüber dem Finanzamt unter Schilderung unwahrer dienstlicher Erfordernisse und frei erfundener Handlungen begangen. Er hat diese sogar, um den Anschein hoheitlicher Autorität zu erwecken, unter Vorlage gefälschter, dienstlich wirkender Bestätigungen mit aufgebrachten Dienstsiegeln zu untermauern versucht. Diese Inanspruchnahme dienstlichen Anscheins ist in besonderem Maße geeignet, den Schluss zu rechtfertigen, dass der Beklagte auch seine innerdienstlichen Pflichten nicht in verlässlichem Maße beachten wird.
66
Dieses außerdienstliche Fehlverhalten des Beklagten erfüllt auch die besonders qualifizierenden Voraussetzungen des § 83 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW a. F./§ 47 Abs. 1 BeamtStG Die danach erforderliche besondere Eignung des Fehlverhaltens zur Beeinträchtigung des Vertrauens in die Amtsführung des Beamten oder des Ansehens des öffentlichen Dienstes setzt voraus, dass die befürchteten nachteiligen Rückschlüsse oder Auswirkungen auf die Dienstausübung oder die Ansehensschädigung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Die Nachteile des Fehlverhaltens sind bedeutsam i. S. d. § 83 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW a. F./§ 47 Abs. 1 BeamtStG, wenn seine disziplinarrechtliche Relevanz das jeder außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß deutlich überschreitet. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese gesetzlichen Vorgaben dahingehend konkretisiert, dass ein außerdienstliches Fehlverhalten, selbst wenn es keinen Bezug zur Dienstausübung aufweist, regelmäßig ein disziplinarrechtliches Sanktionsbedürfnis auslöst, wenn es sich dabei um eine Straftat handelt, deren gesetzlicher Strafrahmen bis zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren reicht, und der daran gemessene Unrechtsgehalt der konkreten Tat nicht gering ist. Durch die Bewertung eines Fehlverhaltens als strafbar hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er dieses Verhalten als im besonderen Maße verwerflich ansieht. Dieses lässt ohne Weiteres darauf schließen, dass das Fehlverhalten das Ansehen des Berufsbeamtentums in einer Weise beschädigt, die im Interesse der Akzeptanz des öffentlichen Dienstes in der Bevölkerung und damit seiner Funktionsfähigkeit nicht hingenommen werden kann. An dem objektiven Maßstab des gesetzlichen Strafrahmens hat sich die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe in den §§ 57 Abs. 3, 83 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW a. F./§ 47 Abs. 1 BeamtStG zu orientieren. Eine derartige Straftat eines Beamten ist nur dann nicht disziplinarrechtlich relevant, wenn ihr Unrechtsgehalt nach den konkreten Umständen des Falls erkennbar an der unteren Stelle liegt.
67
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 – 2 C 16.10 -, BVerwGE 140, 185 = juris, Rn. 24.
68
In Anwendung dieser Grundsätze übersteigt im vorliegenden Fall das strafgerichtlich bewertete außerdienstliche Fehlverhalten des Beklagten das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarischer Relevanz deutlich und erfüllt damit die besonderen Anforderungen an ein Dienstvergehen i. S. v. § 83 Abs. 1 Satz 2, § 57 Satz 3 LBG NRW a. F./§ 47 Abs. 1 BeamtStG.
69
Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass das strafrechtlich geahndete außerdienstliche Dienstvergehen des Beklagten – wie bereits ausgeführt – mit Blick auf die Anfertigung gefälschter dienstlicher Bescheinigungen einen gewissen Bezug zu seinem Dienstposten aufweist.
70
Vgl. BDiG Frankfurt, Urteil vom 21. Oktober 1983 – VI VL 11/83 -, juris, Rn. 23 (zu mehrfachen und planmäßigen Urkundenfälschungen und Missbrauch des Dienstsiegels).
71
Der Dienstbezug ist gegeben, wenn das außerdienstliche Verhalten Rückschlüsse auf die Dienstausübung in dem Amt im konkret funktionellen Sinn zulässt oder die Beamten in der Dienstausübung beeinträchtigt.
72
Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 – 2 C 13.10 -, NVwZ 2011, 299 = juris, Rn. 15.
73
Dies ist hier schon deshalb der Fall, weil die vom Beklagten außerdienstlich begangenen Urkundenfälschungen und (versuchten) Steuerhinterziehungen einen gravierenden Persönlichkeitsmangel indiziert, der Anlass zu Zweifeln an seiner Eignung gibt, den einem Justizvollzugsbeamten obliegenden Dienstpflichten jederzeit gerecht zu werden. Die gesetzliche Strafandrohung beträgt in Fällen der vom Beklagten mehrfach und über einen Zeitraum mehrerer Jahre begangenen Steuerhinterziehungen (§ 370 Abs. 1 AO, § 267 Abs. 1 StGB) bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, in Fällen der Urkundenfälschung im besonders schweren Fall sechs Monate bis zu zehn Jahre (§ 267 Abs. 1 und 3 Nr. 4 StGB) und liegt damit deutlich oberhalb der Grenze von zwei Jahren als Strafandrohung im „mittleren Bereich“, was schon für sich genommen eine disziplinare Relevanz belegt.
74
Dass es sich bei dem vom Beklagten begangenen Delikten nicht um Taten mit geringem Unwertgehalt handelt, zeigt der Umstand, dass das Strafgericht wegen der vorsätzlich begangenen Straftaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten gebildet hat. Insgesamt ist das Fehlverhalten des Beklagten ohne Weiteres auch in besonderer Weise geeignet, das Ansehen des öffentlichen Dienstes in bedeutsamer Weise zu beeinträchtigen. Mit Blick auf die Dienstbezogenheit seines außerdienstlichen Fehlverhaltens einerseits und unter Berücksichtigung des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens der von ihm begangenen Delikte andererseits kommt diesen Handlungen auch disziplinares Gewicht zu und ist es erforderlich, schon diese Verfehlung mit Mitteln des Disziplinarrechts zu ahnden.
75
2. Zudem hat der Beklagte in schwerwiegender Weise gegen die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG) versto ßen, indem er mindestens eine zum Führen des Dienstsiegels befugte Kollegin dazu verleitet hat, Dienstsiegel auf den von ihm unter Benutzung dienstlicher Briefbögen vorgefertigten, inhaltlich gefälschten Bestätigungen anzubringen.
76
Für den hier zu beurteilenden Verstoß gegen die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte davon ausgegangen ist, die Kollegin N. wisse darum, dass die von ihr gesiegelten Bescheinigungen inhaltlich unwahr und zum Zweck der Steuerhinterziehung angefertigt worden sind. Verhielte es sich so, hätte der Beklagte – unabhängig von seiner eigenen täterschaftlichen Begehung – die Kollegin N. zur Urkundenfälschung und zur Beihilfe zur Steuerhinterziehung angestiftet. Zur innerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht zählt in ihrem Kern, Kollegen nicht ihrerseits zu innerdienstlichen bzw. arbeitsvertraglichen Vergehen im Kernbereich ihrer dienstlichen Aufgaben (missbräuchliche Verwendung des Dienstsiegels, Begehung von Straftaten im Amt) zu verleiten.
77
Als einen schwerwiegenden Verstoß gegen die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht und die Verpflichtung, die dienstlichen Anordnungen zu befolgen, stellt sich auch die andere Sachverhaltsvariante dar: Ist die Kollegin N. - ohne vom Inhalt der ihr vom Beklagten vorgelegten Bescheinigungen Kenntnis zu nehmen - davon ausgegangen, inhaltlich seien die von ihr gesiegelten Bescheinigungen zutreffend, hätte sich der Beklagte der Kollegin beim Aufbringen der Dienstsiegel als absichtslos handelndes Werkzeug bedient; strafrechtlich handelte es sich hierbei – wiederum abgesehen vom unmittelbaren Tatbeitrag des Beklagten – um mittelbare Täterschaft. Dann stellt sich die Vorgehensweise des Beklagten nicht anders dar, als hätte er selbst z. B. unter Ausnutzung eines unbeobachteten Moments oder auf andere Weise auf das Dienstsiegel Zugriff genommen. Wie es sich in diesem Zusammenhang mit der vom Beklagten erstmals in der mündlichen Verhandlung behaupteten Tatbeteiligung der Kollegin C2. verhalten hat, kann das Gericht mangels Entscheidungserheblichkeit für die auszusprechende Maßnahme offenlassen.
78
IV. Für das festgestellte Dienstvergehen hält die Kammer die Verhängung der Höchstmaßnahme, die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis, für geboten.
79
1. Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW ist ein Beamter, der durch ein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
80
Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass die sich aus § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW ergebenden Bemessungskriterien mit den ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW) und in die Entscheidung eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Danach muss die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen.
81
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 -, NJW 2005, 1344 = juris, Rn. 44.
82
Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z. B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z. B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (z. B. materieller Schaden). Das Dienstvergehen ist nach der festgestellten Schwere einer der im Katalog des § 5 LDG NRW aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen. Wenn es in § 13 Abs. 2 Satz 2 LDG NRW heißt, das Persönlichkeitsbild des Beamten sei angemessen zu berücksichtigen, so bedeutet dies, dass es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme auch auf die persönlichen Verhältnisse und das sonstige dienstliche Verhalten des Beamten vor, bei und nach dem Dienstvergehen ankommt, insbesondere darauf, ob es mit seinem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild übereinstimmt oder davon abweicht. In diesem Zusammenhang kommt es darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist.
83
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 -, BVerwGE 140, 185 = juris, Rn. 29.
84
Die prognostische Frage nach dem Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (§ 13 Abs. 2 Satz 3 LDG NRW) betrifft die Erwartung, dass sich der Beamte aus der Sicht des Dienstherrn und der Allgemeinheit so verhält, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserforderlich (§ 57 Satz 3, § 83 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW a. F./§ 47 Abs. 1 BeamtStG) erwartet wird. Das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die Person des Beamten bezieht sich in erster Linie auf dessen allgemeinen Status als Beamter, daneben aber auch auf dessen konkreten Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung. Ob und gegebenenfalls inwieweit eine Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Entscheidend ist nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen Dienstvorgesetzten, sondern die Frage, inwieweit der Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten belastenden und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird. Entscheidungsmaßstab ist ferner, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der belastenden und entlastenden Umstände bekannt würde. Dies unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Überprüfung. Ein Beurteilungsspielraum des Dienstherrn besteht nicht.
85
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Juli 2013 – 3d A 2996/11.O -, S. 34 f. des Urteilsabdrucks m. w. N.
86
Die Entscheidung des Gesetzgebers, die disziplinarrechtliche Relevanz außerdienstlichen Fehlverhaltens einzuschränken, wirkt sich auch auf die Bemessungsentscheidung nach § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW aus. Sie führt dazu, dass ein Dienstvergehen außerhalb des Dienstes jedenfalls dann regelmäßig nicht die Beendigung des Beamtenverhältnisses nach sich zieht, wenn es keine Rückschlüsse auf die Dienstausübung des Betroffenen zulässt, seine disziplinarrechtliche Relevanz sich vielmehr ausschließlich aus dem damit verbundenen Ansehensschaden ergibt. In diesen Fällen kommt eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur in Betracht, wenn das Dienstvergehen im Einzelfall durch vom Regelfall abweichende, besonders erschwerende Umstände gekennzeichnet ist.
87
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 -, BVerwGE 140, 185 = juris, Rn. 33.
88
2. Das festgestellte inner- und außerdienstliche Dienstvergehen des Beklagten wiegt so schwer, dass er aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist. Das Dienstvergehen besitzt nach den hier festzustellenden Erschwernisgründen ein derartiges Gewicht, dass als Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis in Betracht zu ziehen ist. Bei einer Gesamtabwägung liegen keine Entlastungsgründe von solchem Gewicht vor, dass eine mildere Maßnahme verhängt werden könnte.
89
a) Den Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit stellt der innerdienstliche Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht dar. Für ein solches Dienstvergehen hat sich in der Rechtsprechung keine Maßnahmeregel herausgebildet; es kommt allein auf das Gewicht der Verfehlung im konkreten Fall an. Angesichts der mehrfachen Verleitung mindestens einer Kollegin zu Verfehlungen im Kernbereich ihrer innerdienstlichen Verpflichtungen entweder durch Begehung von Straftaten oder durch grob fahrlässiges Außerachtlassen der beim Anbringen von Dienstsiegeln erforderlichen Sorgfalt kann der Dienstherr nicht mehr darauf vertrauen, dass der Beklagte in Zukunft seinen Dienstpflichten – egal auf welchem Dienstposten – ordnungsgemäß nachkommen wird. Auch die Allgemeinheit kann dem Beklagten in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung kein Vertrauen mehr entgegenbringen.
90
Die innerdienstliche Dienstpflichtverletzung wiegt auch in Anbetracht ihrer objektiven Folgen schwer. Die vom Beklagten zur Anbringung des Dienstsiegels verleitete Kollegin N. hat in Folge der fristlosen Kündigung ihren Arbeitsplatz bereits im Jahr 2011 verloren. Mit Blick auf die vom Beklagten erstmals in der mündlichen Verhandlung behauptete Tatbeteiligung der Kollegin C2. sind jedenfalls Ermittlungen des Klägers zu erwarten. Die Folgen der Tat stellen sich nicht dadurch in einem günstigeren Licht dar, dass der Beklagte sie – wie in der mündlichen Verhandlung behauptet – aus reiner Gedankenlosigkeit begangen haben will; sie bestehen objektiv und wären für den Beklagten bei Anstellung naheliegendster Überlegungen leicht erkennbar gewesen.
91
b) Hinzu kommen Urkundenfälschungen in drei jeweils besonders schweren Fällen (§ 267 Abs. 1 und 3 Nr. 4 StGB) dar. Auch diesbezüglich hat sich in der Rechtsprechung keine Maßnahmeregel herausgebildet. Die Urkundenfälschungen in jeweils besonders schweren Fällen weisen – wie bereits ausgeführt –, auch wenn sie als außerdienstliche Pflichtverletzung zu bewerten sind, einen starken Dienstbezug auf. Die Fälschung einer Urkunde ist besonders geeignet, das Vertrauen in die Redlichkeit und Integrität des Beamten allgemein, also auch im Dienst, zu beeinträchtigen. Mit diesen Straftaten versuchte der Beklagte über mehrere Jahre mit Hartnäckigkeit unrechtmäßige Steuervorteile zu erlangen. Diese Handlungen erfolgten berechnend, vorausschauend und mit erheblicher krimineller Energie. Ein Geständnis hat er erst abgelegt, als die Taten bereits entdeckt waren.
92
Hinzu kommen die Straftaten, die der Beklagte durch die Urkundenfälschungen verschleiern bzw. ermöglichen wollte. Diese Steuerhinterziehungen bzw. versuchten Steuerhinterziehungen sind ebenfalls von erheblichem disziplinaren Gewicht, auch wenn sie für sich allein eine Entfernung nicht zwingend gebieten würden.
93
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei einer Steuerhinterziehung i. S. d. § 370 Abs. 1 AO eine Zurückstufung angemessen, wenn der Umfang der hinterzogenen Steuern besonders hoch ist - sich im fünf- oder sechsstelligen (DM-)Betragsbereich bewegt - oder wenn mit dem Fehlverhalten zusätzliche schwerwiegende Straftatbestände oder andere nachteilige Umstände mit erheblichem Eigengewicht verbunden sind. Aus disziplinarischer Sicht handelt es sich nicht nur um ein „Kavaliersdelikt“, sondern um eine regelmäßig schwerwiegende Verfehlung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sich der Beamte persönlich durch strafbares Verhalten unter Schädigung seines Dienstherrn unberechtigt hohe Steuervorteile verschafft, obwohl er öffentliche Aufgaben wahrzunehmen hat und durch Steuermittel alimentiert wird.
94
Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 2004 – 1 D 18.03 -, ZBR 2005, 91 = juris, Rn. 47.
95
Davon ausgehend ist der „Regelfall“ einer Zurückstufung bei einem hier entstandenen Steuerschaden von 5.138 Euro und einer Versuchshandlung mit einem Schaden von 1.214 Euro zwar noch nicht erreicht, stellt aber einen zusätzlichen Erschwernisgrund bei der Maßnahmebemessung dar.
96
3. Durchgreifende Milderungsgründe sind nicht erkennbar. Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach Tatbegehung.
97
a) Es erfordert u. a. eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder ob es etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder psychischen Ausnahmesituation davon abweicht.
98
Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07-, Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3; Beschluss vom 28. Juni 2010 - 2 B 84.09 -, juris.
99
Dieser Milderungsgrund kommt in Betracht, wenn ein Beamter im Zuge einer plötzlich entstandenen Versuchungssituation einmalig und persönlichkeitsfremd gehandelt hat.
100
Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Mai 1998 - 1 D 12.97 -, Buchholz 232, § 54 Satz 2 BGB Nr. 16 = juris, Rn. 17.
101
Das Verhalten des Beklagten stellt sich jedoch nicht als persönlichkeitsfremde Augenblickstat dar; hiervon kann schon angesichts Zeitdauer und Häufigkeit des disziplinarrechtlich angeschuldigten Verhaltens nicht die Rede sein. Auch die vom Beklagten behauptete Gedankenlosigkeit lässt seine Persönlichkeit in keinem günstigeren Licht erscheinen. Er hat sich schlicht zur Verfolgung eigennütziger Interessen über Interessen Dritter hinweggesetzt.
102
Dem Vorbringen des Beklagten lässt sich nichts dafür entnehmen, dass er das Dienstvergehen in einer unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage begangen hat. Dieser – an sich für klassische Zugriffsdelikte entwickelte – Milderungsgrund greift im vorliegenden Fall schon deshalb nicht ein, weil es sich hier jedenfalls nicht um ein vorübergehendes, zeitlich und zahlenmäßig eng begrenztes Fehlverhalten gehandelt hat. Wiederholte Zugriffs- oder zugriffsähnliche Handlungen über einen längeren Zeitraum erfüllen diese Voraussetzungen nicht.
103
Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2002 - 1 D 5.02 -, juris, Rn. 17.
104
b) Zugunsten des Beklagten kann auch nicht berücksichtigt werden, dass dieser die hinterzogenen Steuern nachgezahlt hat; hierzu war er als Steuerschuldner rechtlich verpflichtet.
105
Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 2004 – 1 D 18.03 -, ZBR 2005, 91 = juris, Rn. 48.
106
Unabhängig hiervon ist eine Wiedergutmachung des angerichteten (Vertrauens)Schadens mit Blick auf die innerdienstlichen Dienstpflichtverletzungen und die Urkundenfälschungen ohnehin unmöglich.
107
c) Die Einlassungen des Beklagten wirken sich im Ergebnis nicht maßnahmemildernd aus.
108
Der Beklagte hat, nachdem seitens des Finanzamts kritische Fragen hinsichtlich der Absetzbarkeit der von ihm geltend gemachten Werbungskosten gestellt wurden, sein Vorhaben durch die Begehung weiterer innerdienstlicher Dienstpflichtverletzungen sowie die Vorlage weiterer gefälschter Bescheinigungen mit Hartnäckigkeit weiter verfolgt. Ein Geständnis im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren hat er zu einem Zeitpunkt abgelegt, als ihm die Taten ohnehin hätten nachgewiesen werden können.
109
Im Disziplinarverfahren verhält es sich im Grunde nicht anders. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte sogar einen teilweise neuen Geschehensablauf vorgetragen, indem er erstmals behauptet hat, die Kollegin F1. C2. habe die ersten Bescheinigungen für ihn gesiegelt. Noch im Steuerstrafverfahren hat er durch seine damaligen Verteidiger am 12. K. 2011 gegenüber dem Finanzamt für Steuerstrafsachen C. vortragen lassen, dass er zum Aufbringen der Siegel in den Räumen der Anstalt Momente genutzt habe, in denen die dort tätigen Mitarbeiter unaufmerksam gewesen seien; allein die Dienstsiegel „Justizvollzugsanstalt C. “, die in Krümmede geführt würden, habe Frau N. aus Gefälligkeit aufgebracht. Hierzu hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass dieser Vortrag unwahr gewesen sei. Ob die Kollegin C2. tatsächlich - wie vom Beklagten behauptet - in dessen Dienstpflichtverletzungen involviert gewesen ist, ist danach weiterhin offen.
110
Es ist nach dem Verhalten des Beklagten in der mündlichen Verhandlung und dem dokumentierten Geschehensablauf insgesamt nichts dafür erkennbar, dass seine Einlassungen von Reue getragen wären. Der Beklagte hat zu seiner damaligen Motivation zur Tat auf ausdrückliche Nachfrage seitens des Gerichts nichts für ihn Günstiges geschildert; er könne sich sein Verhalten lediglich nicht erklären, er wisse auch nicht, warum er das getan habe. Er halte sie aus heutiger Sicht für eine „Eselei“. Mit diesen ausweichenden und bagatellisierenden Einlassungen gibt der Beklagte zu erkennen, dass er sich der Tragweite seiner innerdienstlichen und außerdienstlichen - strafrechtlichen - Verfehlungen und den Folgen seiner Tat (Beendigung des Arbeitsverhältnisses N. , Ansehensschaden) nicht bewusst ist. Die in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Angriffe gegen die Ermittlungsführung des Klägers offenbaren angesichts des Umstands, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung einen seinen früheren Einlassungen teilweise widersprechenden neuen Sachverhalt vorgetragen hat, die weiterhin mangelnde Unrechtseinsicht.
111
4. Ist hiernach aufgrund des Fehlverhaltens des Beklagten das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinem Dienstherrn endgültig zerstört, ist die Dauer des Disziplinarverfahrens für die Maßnahmebemessung ohne Bedeutung. Liegen die Voraussetzungen für eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis vor, so kommt eine Milderung wegen der Dauer des Disziplinarverfahrens nicht in Betracht.
112
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. August 2012 – 2 B 21.12 -, juris Rn. 13.
113
5. Die Verhängung der Höchstmaßnahme verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht auch bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Geltung. Danach muss die dem Einzelnen staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Darüber hinaus darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den von dem Betroffenen hinzunehmenden Einbußen stehen. Die Entfernung eines Beamten aus dem Dienst als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung den Zweck der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels Milderungsgründen das Vertrauen zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, zukünftig Rechnung tragen, erweist sich die Entfernung aus dem Dienst als erforderliche und geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken des Disziplinarrechts Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis - wie hier - endgültig und von Grund auf zerstört, erweist sich die Entfernung aus dem Dienst als angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht hier auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem daher als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Rechtsfolge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen.
114
Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 D 2.03 -, ZBR 2004, 256 = juris, Rn. 49.
115
Die darin liegende Härte für den Beamten ist nicht unverhältnismäßig. Sie beruht auf dem ihm zurechenbaren vorangegangenen Fehlverhalten.
116
V. Der Unterhaltsbeitrag ist nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW zu leisten. Die Voraussetzungen für einen Ausschluss nach § 10 Abs. 3 Satz 2 LDG NRW liegen nicht vor. Umstände für eine Verlängerung sind nicht glaubhaft gemacht worden (§ 10 Abs. 3 Satz 3 LDG NRW).
117
Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NRW i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
118
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 3 Abs. 1 LDG NRW i. V. m. § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.