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  • 12.03.2015 · IWW-Abrufnummer 144011

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 15.07.2014 – 4 K 183/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    FINANZGERICHT HAMBURG
    4 K 183/13
    15.07.2014
    Urteil - Einzelrichter
    Rechtskraft: -
    Tatbestand
    Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Tabaksteuer.
    Am 15.07.2011 wurden anlässlich einer Durchsuchung der Wohnung des Klägers wegen des Verdachts des illegalen Handelns mit Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen gemäß § 29a BtMG Zigaretten mit ukrainischen Steuerbanderolen gefunden. Dabei handelte es sich ausweislich des Sicherstellungsprotokolls (Sachakte Bl. 14) um 311 Schachteln der Marke A (6.220 Stück Zigaretten), 53 Schachteln der Marke B (1.060 Stück Zigaretten), 20 Schachteln der Marke C (400 Stück Zigaretten), 8 Schachteln der Marke D (160 Stück Zigaretten) und 1 Schachtel der Marke E (20 Stück Zigaretten). In einer Schachtel waren jeweils 20 Zigaretten. Insgesamt ergibt sich aus dem Sicherstellungsprotokoll die Sicherstellung von 7.860 Zigaretten.
    Mit Bescheid vom 19.01.2012 erhob der Beklagte Tabaksteuer i. H. v. 1.171,92 € und Zinsen i. H. v. 34 €, mithin insgesamt 1.205,92 €. Dabei ging er von insgesamt 8.060 Stück Zigaretten aus, davon 6.420 Stück Zigaretten der Marke A. Diese Zahl findet sich auch auf dem Übergabeprotokoll vom 26.10.2011 (Sachakte Bl. 15).
    Am 20.02.2012 erhob der Kläger Einspruch gegen den Bescheid vom 19.01.2012, ohne diesen zu begründen.
    Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 14.11.2013 zurück. Zur Begründung führte er aus, die Tabaksteuer sei gemäß § 23 TabStG entstanden. Die Zigaretten seien ohne gültige deutsche Steuerzeichen durch den Kläger selbst oder mit Hilfe von Dritten in das deutsche Steuergebiet verbracht worden. Der Kläger sei Besitzer der Zigaretten gewesen und damit Steuerschuldner nach § 23 Abs. 1 S. 2 TabStG. Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 235 Abs. 1 AO. Weitere Steuerschuldner, die in Anspruch hätten genommen werden könnten, seien nicht bekannt.
    Mit seiner am 16.12.2013 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung trägt er vor, er habe die Zigaretten weder ins Zollgebiet der Union verbracht, noch Besitz an ihnen gehabt. Von der Existenz der Zigaretten habe er keinerlei Kenntnis gehabt.
    Der Kläger beantragt,
    den Tabaksteuer- und Zinsbescheid vom 19.01.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.11.2013 aufzuheben.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Zur Begründung trägt er vor, der Kläger habe die Zigaretten zum Zeitpunkt der Durchsuchung seiner Wohnung in Besitz gehabt. Die Herkunft der Zigaretten habe er nicht nachgewiesen. Die Tabaksteuer sei durch das Verbringen ohne die Verwendung gültiger deutscher Steuerzeichen in das Steuergebiet nach §§ 1 S. 2, 17 und 23 TabStG entstanden. Als Besitzer sei der Kläger Steuerschuldner nach § 23 Abs. 1 S. 2 TabStG. Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 235 AO.
    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Sachakte des Beklagten und die Strafakte verwiesen.
    Entscheidungsgründe
    Die Entscheidung kann ergehen, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 15.07.2014 nicht vertreten war. Die Ladung erfolgte fristgerecht unter Hinweis darauf, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, § 91 Abs. 2 FGO.
    Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.
    I.
    Der Tabaksteuer- und Zinsbescheid vom 19.01.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.11.2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.
    Im Streitfall kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Tabaksteuer für die in der Wohnung des Klägers aufgefundenen Zigaretten entstanden ist. Auf welchem Weg die Zigaretten in das Steuergebiet gelangt sind, ist unklar. Den Nachweis für einen bestimmten Transportweg hat der Beklagte nicht erbracht. Für die Frage des Entstehens der Tabaksteuer kann der Transportweg offen bleiben, da die Tabaksteuer in jedem Fall entstanden ist.
    Sofern die Zigaretten - wofür eine gewisse Lebenswahrscheinlichkeit spricht - ursprünglich aus dem freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaates stammten, wäre die Tabaksteuer gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 TabStG entstanden. Danach entsteht die Tabaksteuer, wenn Tabakwaren in anderen als den in § 22 Abs. 1 TabStG genannten Fällen - also zu gewerblichen Zwecken - entgegen § 17 Abs. 1 TabStG aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaats in das Zollgebiet verbracht werden, wenn die Tabakwaren erstmals zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten werden. Die Zigaretten wurden - dies ergibt sich bereits aus der Menge von ca. 8.000 Stück, vgl. Art. 32 Abs. 3 lit. a) Beistrich 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16.12.2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (RL 2008/118/EG) und § 39 TabStV - zu gewerblichen Zwecken außerhalb eines Steueraussetzungsverfahrens in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland verbracht. Die Tabaksteuer wurde entgegen der Vorgabe gemäß § 17 Abs. 1 TabStG nicht durch Verwendung der vorgeschriebenen Steuerzeichen entrichtet.
    Sofern die Zigaretten nicht aus einem anderen Mitgliedstaat, sondern - was weniger wahrscheinlich aber nicht auszuschließen ist - unmittelbar aus einem Drittland in das Steuergebiet verbracht wurden, wäre die Steuer gemäß § 21 Abs. 1 TabStG entstanden, wonach die Steuer im Zeitpunkt der Überführung der Tabakwaren in den steuerrechtlich freien Verkehr durch die Einfuhr, an die sich keine Steuerbefreiung und kein Verfahren der Steueraussetzung angeschlossen hätte, entsteht.
    Der Beklagte hat indes nicht nachgewiesen, dass der Kläger Steuerschuldner geworden ist. Für die Steuerschuldnerschaft stellen § 23 Abs. 1 S. 2 TabStG und § 21 Abs. 2 TabStG unterschiedliche Voraussetzungen auf, so dass nur dann von einer Steuerschuldnerschaft des Klägers ausgegangen werden kann, wenn er nach beiden Vorschriften Steuerschuldner wäre. Dies ist indes nicht der Fall. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Kläger Besitzer der Zigaretten im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 2 2. Alt. TabSt gewesen ist, steht eine Steuerschuldnerschaft jedenfalls nach § 21 Abs. 2 TabStG nicht fest. Dafür, dass der Kläger im Sinne von § 21 Abs. 2 Nr. 2 TabStG an der Einfuhr beteiligt gewesen ist, gibt es keinerlei Hinweise. Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass der Kläger, der möglicherweise nur ein weiteres Glied in einer Lieferkette im Steuergebiet gewesen ist, im Sinne von § 21 Abs. 2 Nr. 1 TabStG nach den Zollvorschriften verpflichtet gewesen wäre, die Tabakwaren anzumelden.
    Inwieweit der Kläger möglicherweise als Haftender gemäß §§ 71, 191 Abs. 1 AO in Anspruch genommen werden kann, muss nicht weiter erörtert werden. Weder hat der Beklagte einen Haftungsbescheid erlassen, noch kann der Bescheid vom 19.01.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.11.2013 in einen Haftungsbescheid umgedeutet werden. Steuerbescheide und Haftungsbescheide stellen völlig unterschiedliche Maßnahmen dar, die gänzlich unterschiedlichen Voraussetzungen unterliegen. Selbst wenn man eine solche Umdeutung annehmen wollte, wäre der Bescheid wegen Ermessensausfalls rechtswidrig, weil der Beklagte das ihm gemäß § 191 Abs. 1 AO eröffnete Ermessen nicht ausgeübt hätte.
    II.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

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