12.03.2015 · IWW-Abrufnummer 144015
Oberlandesgericht Bamberg: Beschluss vom 19.01.2015 – 3 Ss OWi 1500/14
1.
Die Einstellung eines Strafverfahrens gemäß § 153 a StPO und die Erfüllung der Auflage durch den Beschuldigten führt zu einem Verfahrenshindernis in Bezug auf die gesamte Tat im prozessualen Sinne, und zwar auch unter dem Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit.
2.
Bei der Hinterziehung von Eingangsabgaben durch Nichtanmeldung mitgeführter Waren bei der Zollbehörde und der gleichzeitig verwirklichten Ordnungswidrigkeit der Nichtanmeldung mitgeführter Barmittel entgegen § 12 a Abs. 1 ZollVG i.V.m. Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1889/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Überwachung von Barmitteln, die in die oder aus der Gemeinschaft verbracht werden [ABl. EU Nr. L 309 S. 9], handelt es sich um eine Tat i.S.v. § 264 StPO.
3.
Das Rechtsbeschwerdegericht hat ein Verfahrenshindernis auch dann von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt war.
Oberlandesgericht Bamberg
Beschl. v. 19.01.2015
Az.: 3 Ss OWi 1500/14
Tenor:
I.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts vom 10.09.2014 aufgehoben.
II.
Das Verfahren wird eingestellt.
III.
Die Kosten des Verfahrens und die dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe
I.
1
Der Betroffene reiste am 08.02.2014 per Flug aus der Türkei über das Zollamt München-Flughafen ein. Er führte dabei Barmittel in Höhe von 13.135 € sowie 3.020 Stück Zigaretten mit sich. Eine Zollanmeldung wegen der eingeführten Zigaretten gab er nicht ab; vielmehr durchschritt er den grünen Ausgang für "anmeldefreie Waren". Nachdem anlässlich einer anschließenden Überholung durch Zollbeamte die Zigaretten entdeckt und sichergestellt worden waren, leitete die Zollbehörde ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung ein, welches das zuständige Hauptzollamt am 21.03.2014 gemäß § 153 a Abs. 1 StPO mit Zustimmung des Betroffenen gegen Zahlung eines Geldbetrags in Höhe von 500 € einstellte. Die Geldauflage wurde am 31.03.2014 vollständig erfüllt. Mit Bußgeldbescheid des Hauptzollamts vom 09.04.2014 wurde gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 1.300 € festgesetzt, weil er anlässlich seiner Einreise am 08.02.2014 die mitgeführten Barmittel in Höhe von 13.135 € - entgegen seiner aus § 12 a Abs. 1 ZollVG i.V.m. Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1889/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.2005 über die Überwachung von Barmitteln, die in die oder aus der Gemeinschaft verbracht werden [ABl. EU Nr. L 309 S. 9], resultierenden Pflicht - nicht angemeldet habe.
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Auf den gegen den Bußgeldbescheid vom 09.04.2014 eingelegten Einspruch, der in der Hauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt wurde, verhängte das Amtsgericht mit Urteil vom 10.09.2014 gegen den Betroffenen ein Bußgeld in Höhe von 1.300 €. Mit seiner hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts.
II.
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Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Einstellung des Verfahrens gemäß § 206 a Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.
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1. Auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts hat der Senat von Amts wegen zu überprüfen, ob ein Verfahrenshindernis besteht. Dies ist hier der Fall. Der Verurteilung des Betroffenen steht das Verfahrenshindernis des § 153 a Abs. 1 Satz 5 StPO entgegen.
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a) Es entspricht nahezu einhelliger Ansicht in Judikatur und Schrifttum, dass die Einstellung eines Strafverfahrens gemäß § 153 a StPO und die Erfüllung der Auflage durch den Beschuldigten zu einem Verfahrenshindernis in Bezug auf die gesamte Tat auch unter dem Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit führt (vgl. nur OLG Jena wistra 2010, 39 [OLG Jena 27.08.2009 - 1 Ss 213/09]; OLG Oldenburg, Beschlüsse vom 09.04.2009 - 2 SsBs 48/09 und vom 22.06.2010 - 2 SsBs 27/10 [jeweils bei [...]]; Göhler-Gürtler OWiG 16. Aufl. § 21 Rn. 27; Graf-Beukelmann StPO 2. Aufl. § 153 a Rn. 55; KK/Diemer StPO 7. Aufl. § 153a Rn. 6; KK/Mitsch OWiG 4. Aufl. § 21 Rn. 32; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 57. Aufl. § 153 a Rn. 35, 45 und 52).
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b) Dem schließt sich der Senat an. Zwar bestimmt § 21 Abs. 2 OWiG, dass bei (tateinheitlichem) Zusammentreffen von Straftat und Ordnungswidrigkeit eine Ahndung der Handlung als Ordnungswidrigkeit erfolgen könne, wenn keine Strafe verhängt wird, was an sich bei einer Verfahrenseinstellung nach § 153 a StPO der Fall ist. Die Regelung des § 21 Abs. 2 OWiG wird jedoch durch die speziellere Bestimmung des § 153 a Abs. 1 Satz 5 StPO, die ein Verfolgungshindernis in Bezug auf die Tat unter dem Gesichtspunkt eines Vergehens statuiert, verdrängt. Das Verfahrenshindernis für Vergehen erfasst gleichermaßen die Verfolgung als Ordnungswidrigkeit. Denn wenn die Tat nur noch unter dem Gesichtspunkt eines Verbrechens, nicht aber eines Vergehens verfolgt werden kann, muss dies erst recht für die Ahndung wegen einer Ordnungswidrigkeit gelten.
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2. Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob zwischen der dem Betroffenen zur Last gelegten Steuerhinterziehung, begangen durch die unterlassene Zollanmeldung der Zigaretten, und der unterlassenen Anmeldung der mitgeführten Barmittel materiellrechtliche Tateinheit im Sinne des § 21 Abs. 1 OWiG anzunehmen ist. Denn das Verfolgungshindernis nach § 153 a Abs. 1 Satz 5 StPO bezieht sich auf die gesamte prozessuale Tat gemäß § 264 Abs. 1 StPO (vgl. BGH wistra 2012, 307 [BGH 15.03.2012 - 5 StR 288/11]; OLG Hamm BA 47, 39; OLG Oldenburg StV 2002, 240; OLG Jena StraFo 2006, 293 [OLG Jena 14.02.2006 - 1 Ss 211/04]; Graf- Beukelmann a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt § 153 a Rn. 45).
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a) Bei der Verletzung der Pflicht zur steuerlichen Anmeldung der eingeführten Zigaretten einerseits und der Verpflichtung zur Anmeldung der mitgeführten Barmittel andererseits handelt es sich in jedem Fall um eine Tat gemäß § 264 Abs. 1 StPO. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. nur BGH NStZ-RR 2012, 355 [BGH 07.02.2012 - 1 StR 542/11] m.w.N.) gehört zur Tat im prozessualen Sinne das gesamte Verhalten, soweit es mit dem durch die zur Aburteilung anstehenden geschichtlichen Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet. Auch sachlich-rechtlich selbständige Taten können prozessual eine Tat i.S.v. § 264 StPO sein. Entscheidend ist es dabei, ob die einzelnen Verhaltensweisen nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern auch innerlich derart unmittelbar miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung in verschiedenen Verfahren einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde (st.Rspr., vgl. nur BVerfG, Beschlüsse vom 16.03.2006 - 2 BvR 111/06 und vom 16.03.2001 - 2 BvR 65/01 [jeweils bei [...]]; BGH NStZ 2005, 514 [BGH 24.11.2004 - 5 StR 206/04]; NStZ 2006, 350 [BGH 23.11.2005 - 2 StR 327/05]; NStZ 2012, 461, [BGH 15.03.2012 - 5 StR 288/11] jeweils m.w.N.).
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b) Die erforderliche Konnexität des tatbestandsmäßigen Verhaltens des Betroffenen ist im vorliegenden Fall gegeben. Der Betroffene hatte am selben Ort (nämlich am Flughafen München), zur selben Zeit und auch anlässlich desselben Ereignisses (seiner Einreise) gegenüber ein und derselben Behörde seinen öffentlich-rechtlichen Handlungspflichten nachzukommen. Im Hinblick auf die zeitliche Koinzidenz, die Gleichartigkeit der Handlungspflichten und die Identität der Behörde, der gegenüber diese Pflichten zu erfüllen waren, ist von einem einheitlichen historischen Geschehen auszugehen, dessen getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines zusammengehörenden Lebensvorgangs empfunden würde. Dieses Ergebnis liegt auf der Linie der höchstrichterlichen Rechtsprechung. So hat der Bundesgerichtshof etwa die heimliche Einfuhr verschiedener Gegenstände (im konkreten Fall: Betäubungsmittel und Waffen) im einem Fahrzeug beim selben Grenzübertritt als eine verfahrensrechtliche Tat angesehen, ohne dass es auf die den einzelnen Gegenständen später zugedachte Bestimmung ankam (vgl. BGH NJW 1989, 726 [BGH 23.08.1988 - 1 StR 136/88]).
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3. Der Umstand, dass der Betroffene seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat, steht der Berücksichtigung des aus § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO resultierenden Verfahrenshindernisses nicht entgegen. Denn rechtstechnisch bedeutet ein Verfahrenshindernis das Fehlen einer Prozessvoraussetzung mit der Konsequenz, dass eine Befassung des Gerichts mit dem Vorwurf und deshalb auch eine Ahndung verboten sind (BGH NStZ 2007, 345 [BGH 10.01.2007 - 5 StR 305/06, 5 StR 299/03]; i.E. ebenso: BGH NStZ 1995, 351 [BGH 20.01.1995 - 3 StR 585/94]; BGHR StGB § 55 Abs. 2 Aufrechterhalten 7; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1999, 306; StV 2012, 291; OLG Köln VRS 107, 306; KK/Gericke StPO § 352 Rn. 3; KK/Senge OWiG § 79 Rn. 101; Meyer-Goßner/Schmitt § 337 Rn. 6 und § 352 Rn. 2, jeweils m.w.N.).
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.
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Gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.