19.11.2015 · IWW-Abrufnummer 180946
Bundesfinanzhof: Urteil vom 25.03.2015 – X R 19/14
Tenor:
Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Finanzgerichts Köln vom 9. Oktober 2013 10 K 2165/12 , 10 K 2166/12, 10 K 2167/12 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Köln zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Gründe
1
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 2006 bis 2008 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als .... Zusätzlich eröffnete er zum 1. April 2006 einen Einzelhandel mit Lebensmittelspezialitäten und erzielte daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er hat vorgetragen, das Tagesgeschäft im Laden habe hauptsächlich der Klägerin oblegen. Er ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung und die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten. Im Ladengeschäft kam eine Registrierkasse mit Zuwiegefunktion zum Einsatz.
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Im Rahmen einer Außenprüfung für die Streitjahre 2006 bis 2008 vertrat der Prüfer die Auffassung, die Kassenführung sei formell mangelhaft.
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Der Prüfer nahm einen Zeitreihenvergleich vor. Dabei unterstellte er, der gesamte Wareneinkauf einer Woche sei noch in derselben Woche vollständig verkauft worden. Die Größen "Wareneinkauf" und "Wareneinsatz" unterschieden sich im Rechenwerk des Prüfers daher nur in Höhe des —geringfügigen— Eigenverbrauchs. Für Wochen, in denen der Kläger keine Waren eingekauft, aber gleichwohl Erlöse erzielt hatte, nahm der Prüfer einen Wareneinsatz von 0 € an. Warenanfangs- und -endbestände berücksichtigte er nicht. Der Prüfer bewertete die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs dahingehend, dass "die 10-wöchentlichen Rohgewinnaufschläge erheblichen Schwankungen (unterliegen), die unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht der tatsächlichen 10-wöchentlichen Leistungsfähigkeit des Betriebes entsprechen". Weitere Ausführungen zu den Ergebnissen des Zeitreihenvergleichs finden sich im Prüfungsbericht nicht.
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Ferner nahm der Prüfer eine sog. "Warenbestandsermittlung" vor, zu der er ausführte: "Hierbei wurde der rechnerische Warenverbrauch unter Berücksichtigung des erklärten Rohgewinnjahresaufschlages aus den Erlösen herausgerechnet. Für die Trendentwicklung wurden die Warenanfangs- und -endbestände mit jeweils 1000 € geschätzt, weil Sie für die Aufstellung einer Inventur nicht verpflichtet waren. Es ergeben sich hier nicht erklärbare Warenbestände." Anschließend teilte der Prüfer die Ergebnisse der "Trendentwicklung" mit, nicht aber die Rechenschritte und die Schätzungsannahmen, mit deren Hilfe er diese Ergebnisse erzielt hatte. Die "Trendentwicklung" wies für zahlreiche Wochen des Jahres 2006 und einige Wochen des Jahres 2007 negative Warenbestände aus.
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Anschließend teilte der Prüfer die sich aus den Aufzeichnungen des Klägers ergebenden Rohgewinnaufschlagsätze mit 22,57 % (2006), 44,35 % (2007) und 50,37 % (2008) mit. Diese verglich er mit den Richtsätzen für die Branche "Fleischerei, Metzgerei, Schlachterei", die für die Streitjahre eine Spanne von 85 bis 163 % bei einem Mittelwert von 117 % aufweisen (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen —BMF— vom 16. August 2007, BStBl I 2007, 574, 586). Er erhöhte die vom Kläger erklärten Erlöse um die folgenden Nettobeträge:
2006: 30.000 € (angegebener Rohgewinnaufschlagsatz 55 %),
2007: 20.000 € (angegebener Rohgewinnaufschlagsatz 56 %),
2008: 15.000 € (angegebener Rohgewinnaufschlagsatz 54 %).
6
Wie der Prüfer diese Hinzuschätzungsbeträge ermittelt hat und weshalb er bei seiner Schätzung weit unterhalb der Untergrenze der von ihm angenommenen Richtsatzspanne geblieben ist, geht aus dem Betriebsprüfungsbericht nicht hervor. Abweichend vom Betriebsprüfungsbericht hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) im Revisionsverfahren —ebenfalls ohne weitere Erläuterung— mitgeteilt, der Prüfer habe Rohgewinnaufschlagsätze von 68,28 % (2006), 70,03 % (2007) und 68,73 % (2008) zugrunde gelegt.
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Das FA folgte dem Prüfer und erließ entsprechend geänderte Bescheide über Einkommensteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2006 bis 2008 sowie den Gewerbesteuermessbetrag 2006.
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Die Einsprüche und Klagen blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ließ ausdrücklich offen, ob die Aufzeichnungen des Klägers formelle Mängel aufweisen. Jedenfalls sei die sachliche Richtigkeit der Aufzeichnungen zu beanstanden. Dies ergebe sich aus dem Zeitreihenvergleich, der erhebliche Schwankungen der Rohgewinnaufschlagsätze offenbart habe. Ferner habe der Prüfer in erheblichem Umfang negative Warenbestände ermittelt; solche seien aber denknotwendig ausgeschlossen. Der Höhe nach sei die Schätzung schon deshalb nicht zu beanstanden, weil sie noch unter dem untersten Wert der Richtsätze liege.
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Mit ihrer Revision rügen die Kläger, das FG habe die Ausführungen des Betriebsprüfers ungeprüft übernommen und die entscheidungserheblichen Tatsachen nicht vollständig festgestellt. Es werde weder begründet, weshalb die "erheblichen Schwankungen" der im Zeitreihenvergleich ausgewiesenen Rohgewinnaufschlagsätze bedenklich seien, noch würden Erläuterungen zu den negativen Warenbeständen gegeben. Für 2008 habe zudem noch nicht einmal der Prüfer negative Warenbestände festgestellt. Auch seien die vom Prüfer angesetzten und vom FG bestätigten Rohgewinnaufschlagsätze nicht nachvollziehbar. Formell ordnungsmäßige Aufzeichnungen könnten nicht durch einen Zeitreihenvergleich widerlegt werden.
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Die Kläger haben im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Es hält die "Buchführung" bereits für formell nicht ordnungsgemäß. Für den Nachweis der materiellen Unrichtigkeit genüge schon die Ermittlung negativer Warenbestände. Auf den Zeitreihenvergleich komme es danach nicht mehr an.
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II. Die Revision ist zulässig. Der fehlende Revisionsantrag ( § 120 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) steht dem nicht entgegen, weil das Begehren der Kläger aus ihren inhaltlichen Ausführungen eindeutig erkennbar wird (vgl. Senatsurteil vom 7. Juli 2004 X R 24/03 , BFHE 206, 292, BStBl II 2004, 975, [BFH 07.07.2004 - X R 24/03] unter II.A., m.w.N.). Mit ihrem Vorbringen, es sei "eine erneute Feststellung erforderlich", lassen sie erkennen, dass sie der Sache nach die Aufhebung der Vorentscheidungen und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG begehren.
III.
14
Die Revision ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Urteile und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung ( § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO ).
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Sowohl die Ausführungen des FG zur Schätzungsbefugnis dem Grunde nach (dazu unten 1.) als auch zur Höhe der Schätzung (unten 2.) erweisen sich als rechtsfehlerhaft. Weil die Sache nicht entscheidungsreif ist, muss sie an das FG zurückgehen (unten 3.).
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1. Mit der vom FG gegebenen Begründung kann eine Schätzungsbefugnis nicht bejaht werden.
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Nach der vom FG herangezogenen Vorschrift des § 162 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 der Abgabenordnung (AO) wäre das FA —und über § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO auch das FG— zur Schätzung befugt, wenn die Aufzeichnungen des Klägers der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, kann anhand der Feststellungen des FG nicht beurteilt werden. Das FG hat ausdrücklich offen gelassen, ob die Aufzeichnungen des Klägers formelle Mängel aufweisen. Die vom FG bejahten materiellen Mängel können im Streitfall jedoch weder durch den vom Prüfer durchgeführten Zeitreihenvergleich (dazu unten a) noch durch die "Warenbestands-Trendentwicklung" (unten b) nachgewiesen werden.
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a) Zu den Voraussetzungen und Grenzen der Verprobungs- und Schätzungsmethode des Zeitreihenvergleichs sowie zu den Anforderungen an dessen technisch korrekte Durchführung hat der Senat in seinem Urteil vom 25. März 2015 X R 20/13 BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, [BFH 25.03.2015 - X R 20/13] ausführlich Stellung genommen, auf das zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.
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aa) Danach kann bei Aufzeichnungen, die formell ordnungsgemäß oder nur mit geringfügigen formellen Mängeln behaftet sind, grundsätzlich nicht allein aufgrund der Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs der Nachweis der materiellen Unrichtigkeit der Aufzeichnungen geführt werden (Senatsurteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, [BFH 25.03.2015 - X R 20/13] unter II.3.b aa). Schon allein deshalb ist das angefochtene Urteil aufzuheben, weil im Streitfall für das Revisionsverfahren mangels entgegenstehender Feststellungen des FG nicht von formellen Mängeln in den Aufzeichnungen des Klägers auszugehen ist.
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Es fehlt auch an jeglicher Äußerung des FG dazu, ob der Zeitreihenvergleich angesichts der betrieblichen Verhältnisse des Klägers überhaupt als geeignete Schätzungsmethode angesehen werden kann. Daran könnten schon deshalb Zweifel bestehen —denen das FG von Amts wegen hätte nachgehen müssen—, weil im Warensortiment des Klägers ausweislich der in der Betriebsprüfungs-Handakte enthaltenen Einkaufsrechnungen auch Dosen- und Dauerware enthalten ist. Die jedem Zeitreihenvergleich zugrunde liegende Annahme, die Ware werde jeweils noch in der Woche des Einkaufs oder jedenfalls ohne nennenswerte Lagerhaltung kurz nach dem Einkauf vollständig verkauft, hätte daher überprüft werden müssen.
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bb) Hinsichtlich seiner technischen Durchführung setzt der Zeitreihenvergleich eine besonders sorgfältige Ermittlung der Tatsachengrundlagen voraus (Senatsurteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, [BFH 25.03.2015 - X R 20/13] unter II.3.c; vgl. auch § 162 Abs. 1 Satz 2 AO ). Auch hieran fehlt es im angefochtenen Urteil. Das FG hat —wie die Kl äger zu Recht rügen— die Ausführungen des Betriebsprüfers ungeprüft übernommen, obwohl diese ins Auge springende Mängel enthalten. Vor allem hat der Prüfer es unterlassen, die —für die Verwertbarkeit eines Zeitreihenvergleichs entscheidende — Größe des Wareneinsatzes zu ermitteln. Er hat vielmehr die —gerade in einem Wochenvergleich sehr unterschiedlichen-- Größen "Wareneinkauf" und "Wareneinsatz" in unzulässiger Weise gleichgesetzt. Da der Kläger für sein relativ kleines Ladengeschäft nicht in jeder Woche Waren bezogen, aber in jeder Woche Erlöse erzielt hat, kommt der Prüfer auf diese Weise in Wochen ohne Wareneinkauf zu rechnerisch unendlich hohen Rohgewinnaufschlagsätzen (Waren"einsatz" 0 €, Erlöse z.B. 2.000 €). Die Richtigkeit derartiger (Zwischen-)Ergebnisse ist aber bereits denklogisch ausgeschlossen und offenbart methodische Schwächen des durchgeführten Zeitreihenvergleichs, die so gravierend sind, dass sie seiner Verwertbarkeit entgegenstehen.
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Es fehlen auch jegliche Ausführungen des FG und des Betriebsprüfers zu den im Rahmen eines Zeitreihenvergleichs zu berücksichtigenden Warenanfangs- und -endbeständen. Dem Kläger ist dies nicht anzulasten, da er seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt und keine Inventuren vornehmen muss. Widersprüchlich ist zudem, dass der Prüfer bei seiner "Warenbestands-Trendentwicklung" von Warenbeständen im Wert von jeweils 1.000 € ausging, beim Zeitreihenvergleich aber keine entsprechenden Bestände angesetzt hat. Zumindest für das Jahr der Betriebseröffnung liegt in dieser Vorgehensweise ein Verstoß gegen die Denkgesetze, da ein Warenanfangsbestand in diesem Jahr nicht vorhanden gewesen sein kann.
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cc) Aus den angefochtenen Urteilen kann zudem nicht nachvollzogen werden, wie das FG die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs bewertet hat. Das FG führt lediglich aus, der Zeitreihenvergleich habe "erhebliche Schwankungen der Rohgewinnaufschlagsätze offenbart". In welchem Umfang die Rohgewinnaufschlagsätze schwanken, welche Schwankungsbreite unter den gegebenen Umständen noch als üblich anzusehen wäre, und welcher Maßstab vom FG angelegt wurde, um seine Wertung zu gewinnen, es handele sich um "erhebliche" Schwankungen, teilt das FG nicht mit. Aus dem Betriebsprüfungsbericht ergeben sich diese notwendigen Angaben ebenfalls nicht.
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b) Im Streitfall werden materielle Mängel der Aufzeichnungen des Klägers auch nicht durch die vom Prüfer vorgenommene "Warenbestands-Trendentwicklung" nachgewiesen. Indem das FG formuliert, "der Prüfer" habe in erheblichem Umfang negative Warenbestände ermittelt, lässt es erkennen, dass es diese Schätzung des Prüfers selbst nicht nachvollzogen und überprüft hat. Eine solche Überprüfung war dem FG auch nicht möglich, da der Prüfer lediglich dieErgebnisseder "Trendentwicklung" angegeben hat, nicht aber die hierfür erforderlichen Rechenschritte und Schätzungsannahmen. Einzige Ausnahme ist die Angabe, es seien konstante Warenbestände von 1.000 € zugrunde gelegt worden, wobei aber wiederum die Information fehlt, auf welchen Tatsachen diese Schätzung beruht.
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Da bereits der Prüfer nur von einer "Trendentwicklung" —also einer sehr groben Schätzung— spricht, hätte das FG das Vorliegen negativer Warenbestände nicht als feststehende Tatsache annehmen dürfen, sondern das Zustandekommen dieser Schätzung sowie ihre statistische Belastbarkeit überprüfen und hinterfragen müssen. Dies gilt umso mehr, als es sich —soweit ersichtlich— um eine neuartige und von der Rechtsprechung bisher nicht anerkannte Schätzungsmethode handelt und der Kläger seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, also nicht zur Aufzeichnung von Warenbeständen verpflichtet ist.
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Von der Pflicht zu einer eigenen —zumindest überschlägigen— Überprüfung der "Trendentwicklung" war das FG auch nicht deshalb befreit, weil es annahm, diese Ergebnisse seien vom Kläger nicht bestritten worden. Der Kläger hat sich zu keinem Zeitpunkt dahingehend geäußert, dass er die Ergebnisse der "Warenbestands-Trendentwicklung" anerkenne. Vielmehr hat er der Schätzung dem Grunde und der Höhe nach stets widersprochen. Ein substantiiertes Bestreiten war ihm schon deshalb nicht möglich, weil der Betriebsprüfer seine Schätzungsgrundlagen nicht offengelegt hatte. Unter derartigen Umständen ist nicht ersichtlich, weshalb das FG annehmen konnte, von der gesetzlichen Pflicht zur Amtsermittlung ( § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO ) entbunden zu sein.
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2. Die —ebenfalls äußerst knappen— Ausführungen des FG zur Höhe der Schätzung beschränken sich auf die Aussage, die vom FA angesetzten Aufschlagsätze seien geringer als die niedrigsten Aufschlagsätze nach der Richtsatzsammlung, so dass die Schätzung nicht zu beanstanden sei. Dies ist schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil das FG den Betrieb des Klägers in eine offensichtlich unzutreffende Gewerbeklasse eingeordnet hat.
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FG und FA haben —ohne jede Begründung— die Richtsätze für die Gewerbeklasse "Fleischerei, Metzgerei, Schlachterei" herangezogen (Spanne 85 bis 163 %, Mittelwert 117 %). Unstreitig ist der Kläger, der hauptberuflich als LKW-Fahrer tätig ist, jedoch weder Fleischer noch Metzger oder gar Schlachter, zumal der Betrieb dieser Handwerke dem Meisterzwang unterliegt (§ 1 Abs. 1, 2, § 7 Abs. 1, 1a i.V.m. Anlage A Nr. 32 der Handwerksordnung ), das FG aber nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür festgestellt hat, dass der Kläger in seinem kleinen Ladengeschäft einen Fleischermeister beschäftigt. Vielmehr kauft er u.a. Fleischwaren und Käse ein und verkauft diese Produkte an Endverbraucher, ohne sie einer —für das Fleischerhandwerk aber gerade kennzeichnenden— Verarbeitung zu unterziehen. Damit betreibt er einen Lebensmittel-Einzelhandel. Die Richtsätze in dieser Branche (Einzelhandel mit Nahrungs- und Genussmitteln verschiedener Art, BMF-Schreiben in BStBl I 2007, 574, 589: Spanne 20 bis 82 %, Mittelwert 39 %) sind jedoch erheblich geringer als für die Betriebe des Fleischer-, Metzger- und Schlachterhandwerks. Bereits die Rohgewinnaufschlagsätze, die sich nach den eigenen Aufzeichnungen des Klägers ergeben, liegen —mit Ausnahme des möglicherweise nicht in vollem Umfang repräsentativen Rumpfwirtschaftsjahres der Betriebseröffnung, in dem ein gewisser Warenbestand aufgebaut worden sein dürfte— über dem Mittelwert dieser Richtsatzspanne.
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3. Da der erkennende Senat nicht selbst feststellen kann, ob bzw. in welcher Höhe eine Schätzungsbefugnis besteht, geht die Sache zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das FG zurück.
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Dabei weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass der Umstand, wonach der Betriebsprüfer Privatentnahmen offenbar nur in einer Höhe hat feststellen können, die ihm als nicht ausreichend erschien, im Streitfall möglicherweise nicht so gewichtig ist wie in anderen Fällen. Denn der Kläger hat nach Aktenlage aus einem Vollzeit-Arbeitsverhältnis während sämtlicher Streitjahre einen Arbeitslohn erzielen können, der für den Lebensunterhalt der Kläger ausreichend gewesen sein dürfte. Vor diesem Hintergrund dürften die Kläger jedenfalls nicht zwingend auf regelmäßige zusätzliche Entnahmen aus dem —gerade erst eröffneten— Kleinbetrieb angewiesen gewesen sein.
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4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO .