15.12.2015 · IWW-Abrufnummer 146027
Landgericht Köln: Beschluss vom 16.07.2015 – 106 Qs 1/15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landgericht Köln
106 Qs 1/15
Tenor:
Die Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Köln wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.
1
Gründe:
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I.
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Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt gegen eine Vielzahl von Beschuldigten insbesondere wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen. Dabei geht es im Kern um den Vorwurf, dass die Beschuldigten – länderübergreifend organisiert und mit je unterschiedlicher Beteiligung – im Anschluss an „Cum-Ex“-Aktienkäufe nicht gerechtfertigte Steuervorteile in einer Gesamthöhe von über 462 Mio. Euro erstrebt haben sollen. In diesem Zusammenhang untersucht die Staatsanwaltschaft Köln auch den Vorwurf des Betruges in besonders schweren Fällen, soweit es um die Anwerbung der Investoren für die Finanzierung der Aktienkäufe gegangen sein soll, sowie der Erpressung.
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Zu den Beschuldigten, gegen die sich die Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung und Betrug richten, zählt auch der Beschwerdeführer.
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Mit Beschluss vom … ordnete das Amtsgericht Köln gemäß §§ 102, 105, 162 StPO die Durchsuchung seiner Wohnung … einschließlich aller Nebenräume, der dazugehörigen Sachen und Behältnisse, Nebengelasse, Garagen sowie seiner Person, der ihm gehörenden Sachen, einschließlich Kraftfahrzeugen, an. Am 14.10.2014 wurde die Durchsuchung durchgeführt.
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Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 24.10.2014 legte der Beschwerdeführer gegen den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Köln vom 22.05.2014 Beschwerde ein, im Wesentlichen mit der Begründung, die Anspruchsteller hätten einen Anspruch auf Erstattung von Kapitalertragsteuer gehabt, sodass kein nicht gerechtfertigter Steuervorteil erstrebt worden sei. Wegen der Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den vorgenannten Schriftsatz sowie die ergänzenden Schriftsätze vom 26.01.2015, vom 23.02.2015, vom 02.04.2015 und vom 09.06.2015 Bezug genommen.
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Der Beschwerde hat das Amtsgericht Köln nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Köln zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.
8
II.
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Die zulässige Beschwerde gegen die Anordnung der Durchsuchung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht Köln hat die Durchsuchungsanordnung vom 22.05.2014 zu Recht erlassen, denn die materiellen Voraussetzungen der §§ 102, 105 Abs. 1, 162 Abs. 1 StPO haben vorgelegen.
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Nach § 102 StPO kann bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat verdächtig ist, eine Durchsuchung vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln dienen werde. Für die Zulässigkeit einer oftmals bereits in einem frühen Stadium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung gemäß § 102 StPO reicht der auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass eine Straftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer in Betracht kommt, aus (BGH, B. v. 13.10.1999, StB 8/99 – juris). Eines dringenden Tatverdachtes bedarf es – unbeschadet der Frage der Verhältnismäßigkeit – nicht (BGH, a.a.O.).
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Gemessen daran bestanden im Zeitpunkt der richterlichen Durchsuchungsanordnung und bestehen auch weiterhin zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für den Anfangsverdacht der Steuerhinterziehung (im Folgenden 1.) und des Betruges (im Folgenden 2.). Auch bestanden und bestehen nach dieser Maßgabe tatsächliche Anhaltspunkte für den Anfangsverdacht einer Beteiligung des Beschwerdeführers an diesen Taten (im Folgenden 3.).
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1.
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Der im Zeitpunkt der richterlichen Durchsuchungsanordnung bestehende Anfangsverdacht der Steuerhinterziehung findet seinen tatsächlichen Anknüpfungspunkt in den Anträgen auf Erstattung von Kapitalertragsteuer in Höhe von insgesamt mehr als 462 Millionen Euro für den Veranlagungszeitraum 2011, die für die EFG-Fonds (zusammen die Antragsteller) beim Bundeszentralamt für Steuern gestellt wurden.
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Im Rahmen der Beantragung der Erstattung der Kapitalertragsteuer ist für die Antragsteller jeweils u.a. die folgende Erklärung abgegeben worden:
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„Ich beantrage, die für die Erträge des im einzelnen auf der Rückseite des Antragsvordruckes unter Ziffer VII. bezeichneten Kapitalvermögens abgeführten Steuern in der in Spalte g) angegebenen Höhe zu erstatten.“
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(Hervorhebung durch die Kammer).
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Die bisherigen Ermittlungen deuten auf die durch Tatsachen untermauerte Möglichkeit hin, dass die Kapitalertragsteuer, deren Erstattung beantragt wurde, nicht einbehalten und abgeführt wurde, mit der Folge, dass gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen zu Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile gemacht wurden.
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Die Erstattung von Kapitalertragsteuer kann im Zusammenhang mit dem hier in Rede stehenden Aktienkauf bei „Cum-Ex“-Geschäften unter den weiteren Voraussetzungen des § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG derjenige verlangen, der „Gläubiger der Kapitalerträge“ ist und für den bzw. für dessen Rechnung die Steuer „einbehalten und abgeführt“ worden ist. Das Vorliegen der Erstattungsvoraussetzungen ist hier nach den anfänglichen Ermittlungen im Sinne eines Anfangsverdachts zweifelhaft.
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Im rechtlichen Ausgangspunkt gilt dabei: Zu den Kapitalerträgen, für die Steuern „einbehalten und abgeführt“ werden, zählen gemäß §§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 4, 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG u.a. Dividenden aus Aktien sowie Einnahmen aus einem Ausgleichsanspruch, die der Erwerber einer Aktie im Rahmen eines ungedeckten Leeverkaufs bei Cum-Ex-Geschäften anstelle der Dividende vom Verkäufer bezieht. Dementsprechend erachtet § 44 Abs. 1 EStG den Gläubiger der Kapitalerträge, also auch den Leererwerber in Bezug auf den ihm zustehenden Ausgleichsanspruch, im Sinne des § 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG als den Schuldner der Kapitalertragsteuer. Ein inländisches Kreditinstitut als den Verkaufsauftrag ausführende Stelle hat die Kapitalertragsteuer gemäß § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge einzubehalten und abzuführen. An ausländische Kreditinstitute kann der bundesdeutsche Gesetzgeber naturgemäß diese Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer nicht adressieren. Dies ändert aber nichts an dem aus der Systematik des Gesetzes folgenden Grundprinzip des steuerlichen Erstattungsverfahrens, dass nur Kapitalertragsteuer erstattet werden kann, die zuvor auch abgeführt wurde. Der 1. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH, Urt. v. 24.08.2011 – I R 85/10, zitiert nach juris Rz. 12) hat zum Erstattungsanspruch nach § 50d Abs. 1 S. 2 EStG dementsprechend auch folgendes ausgeführt:
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„Der Gesetzeswortlaut belässt sonach keinen Zweifel daran, dass die Erstattung nicht nur erfordert, dass die Abzugssteuer einbehalten, sondern dass sie auch tatsächlich an das Finanzamt abgeführt worden sein muss. (…) Wortlaut, Regelungszweck und Sachzusammenhang der Vorschrift sind sonach eindeutig: ohne eine vorhergehende Abführung der Abzugssteuer kann eine Erstattung nicht erfolgen.“
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Diese Auffassung wird auch vom 7. Senat des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urt. v. 23.10.2012 c– VII R 18/11, zitiert nach juris Rz. 18) und der herrschenden Meinung in der Literatur geteilt (vgl. Gosch, in: Kirchhoff, EStG, 13. Aufl. 2014, § 50d Rz. 9; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 33. Aufl. 2014, § 50d Rz. 36; Wagner, in: Blümich, EStG, 16. Aufl. 2015, § 50d Rz. 37).
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Dass der Gesetzgeber die ihm zur Kenntnis gelangte Möglichkeit, dieses Grundprinzip zu unterlaufen und eine unberechtigte Kapitalertragsteuererstattung zu erlangen, erst mit dem OGAW-IV-Umsetzungsgesetz mit Wirkung ab dem 01.01.2012 unterbunden hat, zeugt allenfalls von der (vermeintlichen) Machtlosigkeit des Gesetzgebers angesichts der von einigen Marktteilnehmern im Zusammenhang mit Leerverkäufen rund um den Dividendenstichtag entwickelten Gestaltungsmodelle. Nichts anderes folgt aus dem vom Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 02.04.2015 vorgelegten Schriftverkehr zwischen dem Bundesministerium der Justiz, dem Bundesministerium der Finanzen und dem Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen. Der Schriftverkehr ist ersichtlich von dem Bemühen gekennzeichnet, der Geltendmachung „künstlich generierter Steuerabzugsbeträge“, wie es im Schreiben des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 14.05.2010 heißt, entgegenzuwirken. So heißt es im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 15.05.2009 im Hinblick darauf, dass bei Einschaltung einer ausländischen Depotbank des Leerverkäufers auf Einkünfte iSv § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG keine Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen war, auch ausdrücklich, dass sich Angehörige der Branche diese Lücke zu Nutzen hatten machen wollen, wobei der „Gewinn“ – die zu Unrecht erhaltenen Steuererstattungen – zwischen dem Leerverkäufer und dem Aktienkäufer aufgeteilt werden sollte. Dies zeigt deutlich, dass man im Bundesministerium der Finanzen zu diesem Zeitpunkt gerade nicht von der Rechtmäßigkeit, sondern von der Unrechtmäßigkeit der in diesen Konstellationen von Leererwerbern geltend gemachten Steuererstattungen ausging.
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Die vom Beschwerdeführer indirekt über einen Verweis auf die Kommentierung von Ettlich, in: Blümich, EStG, § 36 EStG, Rz. 121, angeführte Rechtsprechung zu § 36 Abs. 2 S. 2 EStG (u.a. BFH, Urt. v. 23.04.1996 – VIII R 30/93, zitiert nach juris), wonach die Kapitalertragsteuer – verkürzt gesagt – stets mit ihrem Einbehalt als erhoben anzusehen sei, ist auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar. Denn sie ist in einem anderen Regelungszusammenhang und zu einem abweichenden Tatbestandsmerkmal („erhoben“) ergangen (so auch BFH, Urt. v. 24.08.2011 – I R 85/10, zitiert nach juris, Rz. 14).
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Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann der – in diesem Zusammenhang ohnehin zweifelhafte – Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Aktien auf den Leererwerber bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts, also zu einem Zeitpunkt, in dem die Aktien noch einem unbekannten Dritten als Dividendenberechtigten gehörten, nicht dazu führen, dass dem Leererwerber die Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer für Rechnung des zivilrechtlichen Eigentümers durch die Emittentin der Aktien ebenfalls zugerechnet würde. Eine solche Zurechnung der Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer auf Grund der Annahme einer doppelten Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums widerspricht ersichtlich dem Gesetz: Die Existenz des § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG i.V.m. § 43 Abs. 1 Nr. 1, 44 Abs. 1 Nr. 1 EStG offenbart vielmehr, dass – losgelöst von jeglicher Frage der Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums – der Kapitalertrag des Leererwerbers in Form des Ausgleichsanspruchs einen gesonderten, von dem originären Dividendenanspruch abzugrenzenden steuerbaren Vorgang darstellt. Ist die Steuer bezogen auf diesen Vorgang entrichtet, dann ermöglicht dies – unter den weiteren gesetzlichen Voraussetzungen – eine Erstattung des „abgeführten“ Steuerbetrages. Ist sie demgegenüber nicht abgeführt worden, weil auf Seiten des Leerverkäufers ein ausländisches Kreditinstitut eingeschaltet wurde und dieses zur Einbehaltung der Kapitalertragsteuer nicht verpflichtet war, so hätte der Leererwerber vom Leerverkäufer in Erfüllung des ihm aufgrund der Lieferung „ex Dividende“ zustehenden Ausgleichsanspruchs einen Betrag in Höhe der Bruttodividende erhalten müssen. Daraus, dass der Leererwerber in dieser Konstellation vom Leerverkäufer tatsächlich nur eine Ausgleichszahlung in Höhe der Nettodividende erhalten hat, folgt nicht, dass ihm gleichsam als Kompensation für die nicht vollständige Erfüllung der Verpflichtung zur Zahlung eines Ausgleichsbetrages in Höhe der Bruttodividende durch den Leerverkäufer die Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer auf der Ebene der Emittentin zugerechnet wird. Die Vorstellung, dass sich die auf die Dividendenzahlung der Emittentin an den zivilrechtlichen Eigentümer der Aktien „erhobene“ Steuer gleichzeitig auch auf eine zwischen unbekannten Dritten geschuldete Dividendenkompensationszahlung beziehen könnte, ist fernliegend und entbehrt einer gesetzlichen Grundlage.
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Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers fehlt es in diesem Zusammenhang auch nicht an einem Anfangsverdacht hinsichtlich der Tathandlung in Form der unrichtigen oder unvollständigen Erklärung. Wie bereits dargelegt, haben die Antragsteller jeweils erklärt, dass die Kapitalertragsteuer, deren Erstattung beantragt wurde, abgeführt worden sei. Diese Erklärung lässt sich unter Berücksichtigung der zuvor aufgezeigten Rechtslage nur so verstehen, dass die Kapitalertragsteuer auf die von den Antragstellern erzielten Erträge auch faktisch an das Finanzamt gezahlt worden ist. Die Erklärung kann bei verständiger Würdigung nicht dahingehend verstanden werden, dass die Kapitalertragsteuer aufgrund einer bestimmten rechtlichen Bewertung auch ohne abgeführt worden zu sein, zu erstatten sei, oder aber als „einbehalten und abgeführt“ gelte.
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Die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Frage der Reichweite steuerlicher Erklärungspflichten sind in diesem Zusammenhang nicht zielführend. Nach der vom Beschwerdeführer zitierten Rechtsprechung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs macht der Steuerpflichtige nur dann keine unrichtigen Angaben im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn er offen oder verdeckt eine ihm günstige Rechtsansicht vertritt, aber die steuerlich erheblichen Tatsachen richtig und vollständig vorträgt und es dem Finanzamt dadurch ermöglicht, die Steuer unter abweichender rechtlicher Beurteilung zutreffend festzusetzen. Im vorliegenden Fall besteht indes der Verdacht, dass die Antragsteller nicht nur eine für sie günstige Rechtsansicht vertreten, sondern in erster Linie auch zu der steuerlich erheblichen Tatsache der Abführung der Kapitalertragsteuer falsch vorgetragen haben.
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Nach ihrer eigenen Logik hätten die Antragsteller – unterstellt, dass es sich um Leerverkäufe unter Einbeziehung einer ausländischen Depotbank des Leerverkäufers handelte und die Antragsteller dies auch wussten (was Gegenstand des Ermittlungsverfahrens ist) – kenntlich machen müssen, dass entgegen dem Wortlaut ihrer Erklärungen die Verwendung der Formulierung „abgeführten Steuern“ keine gesonderte, auf den Ausgleichsanspruch bezogene, tatsächliche Zahlung an die Finanzbehörden zum Ausdruck bringen sollte, sondern lediglich Ausdruck einer bestimmten Rechtsauffassung – wie sie auch hier im Beschwerdeverfahren vertreten wird – sein sollte. Denn dann und nur dann hätten sie das Bundeszentralamt für Steuern in die Lage versetzt, eine abweichende Entscheidung zu treffen.
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In Ansehung dieser rechtlichen Ausgangslage weisen folgende tatsächliche Umstände daraufhin, dass die Kapitalertragsteuer nicht abgeführt wurde:
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Ein Indiz für den Verdacht, dass Cum-Ex-Geschäfte in Verbindung mit Leerverkäufen getätigt wurden, ist ein Hinweis in einer Email, die eine Person, die sich „B.C.“ nannte, bereits am 26.04.2011 an D., von der, E-Bank schrieb:
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„Dem Fonds EFG … liegen sog. Cum/Ex-Trades durch Future-Transaktionen zugrunde. Bei diesen Trades kommt es zur mehrfachen Kapitalertragsteuererstattung durch arrangierte Leerverkäufe. … Seien Sie versichert, dass über alle Einzelheiten der Struktur und der Anlagestrategie des Fonds EFG detaillierte Kenntnis vorliegt, inkl. der Leerverkäufer etc.“
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Die E-Bank reagierte hierauf, indem sie dem Verfasser der Email am 28.04.2011 mitteilte, die Email an den Beschuldigten A weitergeleitet zu haben, welcher mit den Fondsinitiatoren eine Vereinbarung vorbereite. Im Mai 2011 wurde zwischen dem Fonds EFG und der für „B.C.“ handelnden H-Treuhand eine Vertraulichkeits- und Gütevereinbarung abgeschlossen. Die Fonds EFG verpflichtete sich zur Zahlung einer „Vermittlungsprovision“ in Höhe von EUR 750.000,00. Die H-Treuhand verpflichtete sich im Gegenzug u.a., die Konzeption, den gesellschaftsrechtlichen Aufbau sowie die konkrete Umsetzung und Durchführung der Investment-Struktur, die tatsächlichen Handelsaktivitäten sowie die Identität der im Zusammenhang mit der Investment-Struktur eingesetzten Mitarbeiter und deren Aktivitäten geheim zu halten. Die Reaktion der E-Bank und des Fonds EFG stellt einen deutlichen Hinweis auf den Wahrheitsgehalt des in der Email dargestellten Sachverhalts dar. Der in der Email enthaltene Hinweis auf arrangierte Leerverkäufe im Zusammenhang mit Cum/Ex-Geschäften stellt vor dem Hintergrund der gerade im Zusammenhang mit Leerverkäufen unter Einschaltung einer ausländischen Depotbank des Leerverkäufers für den Leerverkäufer und den Leererwerber zu erzielenden Gewinne (aus der Erstattung nicht abgeführter Kapitalertragsteuer) einen Anhaltspunkt für den Anfangsverdacht der Steuerhinterziehung dar.
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Der Verdacht, dass die in der Email erwähnten Cum/Ex-Geschäfte nicht unmittelbar vom Fonds EFG selbst, sondern unter Zwischenschaltung der Antragsteller getätigt wurden und es sich somit bei den Aktiengeschäften der genannten Antragsteller um die in der Email von „B.C.“ an D. erwähnten Cum/Ex-Geschäfte in Verbindung mit arrangierten Leerverkäufen gehandelt hat, ergab und ergibt sich u.a. aus einem Schreiben der Rechtsanwälte H,I & J an das Bundeszentralamt für Steuern vom 15.04.2013. Darin räumt Rechtsanwalt M. für den Antragsteller … auf wiederholte Nachfrage des Bundeszentralamtes für Steuern ein, dass „zur Absicherung gegen wirtschaftliche und operationelle Risiken“ mit Fonds EFG in Bezug auf einzelne Transaktionen Absicherungsgeschäfte in Form von Equity Performance Contracts geschlossen wurden. Entsprechende Aussagen finden sich auch in den Schreiben der Rechtsanwälte H,I&J an das Bundeszentralamt für Steuern vom 15.04.2013 für … [Anm.: namentlich aufgeführte Antragsteller].
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Dabei bestehen greifbare Hinweise darauf, dass es sich bei den Geschäften mit der Fonds EFG um mehr als nur um Geschäfte zur Absicherung gegen wirtschaftliche und operationelle Risiken gehandelt hat. Dies ergibt aus einer Äußerung des Beschuldigten K. im Rahmen einer Besprechung mit dem Zeugen L. sowie dem Zeugen O am 17.04.2012, die von dem Zeugen O wie folgt in einer Aktennotiz festgehalten wurde:
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„Zwischenzeitlich liegen die seitens des Bundesamtes angekündigten zusätzlichen Fragen vor, die EFG bis ca. Mitte nächster Woche beantworten würde, also bis zum 25. April.“
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Dass die Beantwortung der Fragen des Bundeszentralamtes für Steuern nicht von den Antragstellern erfolgen sollte, sondern von der Fonds EFG, legt es nahe, dass alle Entscheidungen auf Ebene des Fonds EFG getroffen wurden und die Antragsteller letztlich nur zum Schein eingeschaltet wurden.
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Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, dass Akteure der Fonds – entgegen der Faktenlage – versuchten, den Zusammenhang zwischen den antragstellenden Fonds und der Fonds EFG zu verschleiern. So hatte Rechtsanwalt M. noch mit Schreiben vom 14.09.2012 bzw. 18.09.2012 für die Antragsteller [Anm.: namentlich aufgeführte Antragsteller] die Beantwortung der vom Bundeszentralamt für Steuern gestellten Frage, ob der jeweilige Antragsteller unmittelbare oder mittelbare geschäftliche Kontakte zu dem Fonds EFG unterhalte, mit der Bemerkung verweigert, dass eine Geschäftsbeziehung zu dem Fonds EFG dahinstehen könne, da EFG vorliegend jedenfalls kein Nutzungsberechtigter der Dividenden sei. Dies deutet darauf hin, dass den Antragstellern daran gelegen war, die Geschäftsbeziehung zu der Fonds EFG zu verschweigen. Dass die Geschäftsbeziehungen zwischen der Fonds EFG und den Antragstellern gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern verheimlicht werden sollten, ergab sich auch aus einer Aktennotiz des Zeugen O, der als Beauftragter des Zeugen L. am 09.05.2012 ein Telefonat mit dem Beschuldigten K. führte und im Anschluss daran festhielt:
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„Ich habe gestern Abend absprachegemäß mit K. telefoniert: Er stellte klar, dass die Fragen des Bundesamtes nicht an EFG gerichtet wurden, sondern an die [Antragsteller]. K. sagte ausdrücklich, dass es fatal wäre, wenn die Fragen direkt an EFG gerichtet worden wären, weil dann die Existenz des Fonds bekannt wäre. Es wäre auch sehr contraproduktiv, wenn Anleger sich direkt an das Bundesamt wenden würden, um Anfragen hinsichtlich einer Rückerstattung zu stellen. ...“
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Zusammenfassend bestehen somit zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass von dem Fonds EFG über die Antragsteller … Cum-Ex-Geschäfte in Verbindung mit Leerverkäufen und der Einschaltung ausländischer Depotbanken getätigt wurden, um den Antragstellern und damit letztlich dem Fonds EFG die Erstattung nicht abgeführter Kapitalertragsteuer zuteilwerden zu lassen. Es bestehen darüber hinaus zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den vorgenannten Antragstellern um Scheingesellschaften handelte, die lediglich formal eingeschaltet wurden, um dem Fonds EFG sowie dessen Investoren Abkommensvorteile in Form vollständiger bzw. anteiliger Kapitalertragsteuererstattungen zu sichern, die ihnen nicht zugestanden hätten, wenn sie die „Cum/Ex-Geschäfte“ selbst durchgeführt hätten.
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Aufgrund der mittelbaren Beteiligung des EFG an der Antragstellerin T.L. in Höhe von durchgerechnet 99,92 % und der Tatsache, dass der Beschuldigte N. Vorsitzender des Verwaltungsrates beider luxemburgischer Fonds war, bestand und besteht auch insoweit der Anfangsverdacht, dass es sich bei den Aktienkäufen der T.L. um Cum-Ex-Geschäfte in Verbindung mit Leerverkäufen und der Einschaltung ausländischer Depotbanken gehandelt hat, bei der die T.L. allein zu Abkommenszwecken zwischengeschaltet wurde.
40
2.
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Zudem bestanden im Zeitpunkt des Erlasses der Durchsuchungsanordnung zureichende Anhaltspunkte dafür, dass die Investoren, u.a. der Zeuge L., bei den Beratungsgesprächen über die tatsächlichen Risiken eines Investments in die von der E-Bank sowie der … AG vertriebenen Fonds getäuscht wurden.
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Laut Aussage des Zeugen L. wurde ihm bei einem Beratungsgespräch am 01.12.2010 vom Beschuldigten K. versichert, dass das Investment in die von dem Zeugen L. später auch tatsächlich erworbenen Fondsanteile 100% sicher sei und keinerlei Risiko bestehe.
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Entgegen dieser Aussage des Beschuldigten K. bestehen Hinweise auf die Möglichkeit eines erheblichen Risikos bis hin zu einem Totalverlust, wenn man – neben der Illegalität der beantragten Kapitalertragsteuererstattung – den möglichen Umstand berücksichtigt, dass ein Großteil der von den Investoren zur Verfügung gestellten Gelder zur Zahlung von Provisionen an die am System beteiligten Personen verwendet und erst durch die erhoffte Kapitalertragsteuererstattung das Eigenkapital der Investoren wiederhergestellt und die versprochene Rendite von 12% erzielt werden sollte.
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Dieser mögliche Umstand basiert ebenfalls auf der bereits erwähnten Email, die „B.C.“ bereits am 26.04.2011 an D., E-Bank schrieb. Darin heißt es in diesem Zusammenhang:
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„Das Investorengeld wird für die Margin der Future-Kontrakte verwendet, bei jedem Trade werden Provisionen an alle Handlungsbeteiligten fällig. Die Trades werden solange durchgeführt, bis das Eigenkapital der Anleger vollständig aufgebraucht ist. Durch die spätere Kapitalertragsteuererstattung an die … wird überhaupt erst das Eigenkapital einschließlich der prognostizierten 12%-Rendite wieder hergestellt.“
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Dem Verdacht, dass dem Zeugen L. und möglicherweise auch weiteren Anlegern das mit dem Investment möglicherweise einhergehende Risiko eines Totalverlusts des von ihnen investierten Betrages bewusst verschwiegen wurde, steht – entgegen dem Vortrag des Beschwerdeführers – nicht entgegen, dass sich aus dem von dem Zeugen L. unterschriebenen Zeichnungsschein ergibt, dass er den das Investment betreffenden Private Placement Prospekt erhalten hat. Denn der Zeuge L. hat über seinen Prozessvertreter, Rechtsanwalt Dr. P., in einer gegen die E-Bank gerichteten Schadensersatzklage vortragen lassen, dass er diesen Prospekt erst später, d.h. nachdem er den Zeichnungsschein unterschrieben hätte, erhalten habe. Diese Behauptung wurde von der Kanzlei Q-R-S, die von der E-Bank bereits im Vorfeld der Klageerhebung mit der Prüfung der Erfolgsaussichten einer Schadensersatzklage des Zeugen L. beauftragt wurde, als plausibel eingestuft. Aus der Stellungnahme von Q-R-S vom 05.03.2013 ergibt sich ferner, dass ausgehend von den Gesprächen mit Vertretern der E-Bank, die mit dem Zeugen L. vor dem Beitritt zum EFG Fonds in Kontakt standen, eine Reihe wesentlicher Aspekte und spezifischer Risiken dem Zeugen gegenüber nicht erwähnt worden seien. Dazu zählt laut Q-R-S u.a. das Risiko, dass das Kapital ganz oder teilweise verloren gehen könnte.
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3.
48
Ferner bestand im Zeitpunkt der Anordnung der Durchsuchung der Anfangsverdacht der Beteiligung des Beschwerdeführers an den vorgenannten Straftaten:
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Dem Zeugen L. wurde seine Beteiligung an dem EFG XY Fund, einem Unterfond der Fonds EFG, von der E-Bank vermittelt. In einem internen Bericht der E-Bank vom 16.06.2011 heißt es im Zusammenhang mit steueroptimierten Strukturen und Produkten, dass in diesem Bereich eine Zusammenarbeit mit der A & Kollegen Rechtsanwaltsgesellschaft sowie der T&U Service AG bestehe. Aufgrund der Umstände sei anzunehmen, dass die T&U Service AG von den Beschuldigten A und B kontrolliert werde. Es sei davon auszugehen, dass die T&U Service AG, die der E-Bank gegen Entgelt Kunden für die von A und Kollegen empfohlenen steueroptimierten Strukturen und Produkte zuführe, als zwischengeschaltete Zweckgesellschaft für Zahlungen diene, welche letztendlich A und Kollegen zu Gute kämen. Dies legt nahe, dass der Beschuldigte A ein finanzielles Eigeninteresse an der Umsetzung der von ihm empfohlenen Struktur hatte.
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Zudem ist in einer von „B.C.“ am 14.04.2011 an den Beschwerdeführer versandten Email davon die Rede, dass ihm („B.C.“) auf der Grundlage einer fernmündlichen Zusicherung des Beschwerdeführers 5% des vermittelten Eigenkapitalvolumens als Vermittlungsprovision zustünden. Entscheidend für den Provisionsanspruch sei der Nachweis und die Investition des Kunden in vom Beschwerdeführer initiierte Cum-Ex-Strukturen. Aus der vorgenannten Stellungnahme von Q-R-S vom 05.03.2013 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer vermutlich am 14.02.2011 an einem Treffen mit dem Zeugen L. und dem Beschuldigten K. teilgenommen hat, in dessen Rahmen dem Zeugen L. der EFG Fund vorgestellt wurde. Dies deutet darauf hin, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Cum-Ex-Strukturen, welche Gegenstand des Ermittlungsverfahrens sind, zum einen geistiger Urheber war, zum anderen aber auch in den „Vertrieb e“ der Strukturen eingebunden war.
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Der Annahme des Anfangsverdachts der Steuerhinterziehung durch den Beschwerdeführer steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer nicht Erklärungspflichtiger war. Denn eine Begrenzung des Täterkreises erfolgt bei der Steuerhinterziehung lediglich bei den Unterlassungsvarianten des § 370 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO (vgl. BGH, Urt. v. 12.11.1986 – 3 StR 405/86, zitiert nach juris, Rz. 18). Hier besteht allerdings ein Anfangsverdacht bezüglich Steuerhinterziehung durch aktives Tun im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO. Soweit der Beschwerdeführer vortragen lässt, dass „der Tatbestand der Steuerhinterziehung als Sonderdelikt durch pflichtwidrig unrichtige oder unvollständige Angaben bezüglich steuerrelevanter Umstände nur von dem Erklärungspflichtigen erfüllt werden kann“, vermengt er dabei in Verkennung der gesetzlichen Systematik die Tatbestände des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO (Steuerhinterziehung durch aktives Tun) und des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO (Steuerhinterziehung durch Unterlassen). § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO setzt nach dem insoweit eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut gerade keine besondere Pflicht zur Aufklärung der Finanzbehörden voraus und normiert somit kein Sonderdelikt. Die Pflicht, Steuerverkürzungen durch Handeln zu unterlassen, folgt nicht nur für bestimmte Personen aus bestimmten einzelnen Vorschriften der Abgabenordnung und anderer Steuergesetze, sondern für jedermann unmittelbar aus § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO (vgl. Joecks, in: Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 370 Rz. 18 m.w.N.).
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4.
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Der Durchsuchungsbeschluss beschreibt den Durchsuchungszweck, nämlich das Auffinden von Beweismitteln im Zusammenhang mit dem Anfangsverdacht der Begehung von Steuerhinterziehung und Betrug durch die Abgabe unrichtiger Erklärungen gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern sowie durch die Verschleierung der wahren Verwendung der Investorengelder hinreichend konkret.
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Die Beschreibung der aufzuklärenden Straftaten wird durch die Angaben über die Beweismittel, denen die Durchsuchung gilt, ergänzt. Der Durchsuchungsbeschluss enthält eine ausreichende, beispielhafte Angabe derjenigen Beweismittel, zu deren Auffinden die Durchsuchung erforderlich ist.
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5.
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Die Durchsuchungsanordnung ist im Hinblick auf die Höhe der erstrebten ungerechtfertigten Steuervorteile auch verhältnismäßig.
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6.
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Der Vollstreckung des Durchsuchungsbeschlusses am 14.10.2014 stand auch nicht entgegen, dass dieser bereits am 22.05.2014 vom Amtsgericht Köln erlassen worden war. Die vom Bundesverfassungsgericht angenommene 6-Monats-Grenze, bei deren Überschreiten die richterliche Prüfung nicht mehr die rechtliche Grundlage einer beabsichtigten Durchsuchung gewährleisten könne (BVerfG, Beschl. v. 27.05.1997 – 2 BvR 1992/92, zitiert nach juris, Rz. 29), war hier noch nicht überschritten. Die Anordnung hatte ihre Wirksamkeit nach den Umständen des Einzelfalles auch nicht vor Ablauf dieser Frist verloren. Vor dem Hintergrund, dass es sich hier um einen komplexen Fall mit internationalen Verflechtungen handelt und zahlreiche, zeitgleich durchzuf ührende Durchsuchungsmaßnahmen nicht nur in Deutschland, sondern in einer Vielzahl weiterer europäischer Länder vorzubereiten waren, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Staatsanwaltschaft Köln sich einen Vorratsbeschluss verschafft haben k önnte.
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Einer Ausführung des Beschlusses stand auch das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 16.04.2014 – I R 2/12 nicht entgegen. Wie bereits ausgeführt, ergibt sich der Anfangsverdacht hier in erster Linie daraus, dass Indizien darauf hinweisen, dass die Kapitalertragsteuer, deren Erstattung beantragt wurde, nicht abgeführt wurde. Hierzu verhält sich das vorgenannte Urteil des Bundesfinanzhofs ebenso wenig wie zu den von dem Beschwerdeführer vertretenen Rechtsauffassungen, der Erstattungsanspruch bestehe unabhängig von einer Abführung der Kapitalertragsteuer bzw. die Kapitalertragsteuer gelte jedenfalls als „erhoben“.