20.01.2016 · IWW-Abrufnummer 146180
Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 27.10.2015 – 5 RVs 119/15
Für die Darstellung einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO, bei der die Strafvorschrift des § 370 AO durch die im Einzelnen anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften materiell-rechtlich ausgefüllt wird, ist es grundsätzlich erforderlich, dass das Urteil erkennen lässt, welches steuerlich erhebliche Verhalten des Angeklagten im Rahmen welcher Abgabenart und in welchem Besteuerungszeitraum zu einer Steuerverkürzung geführt hat und welche innere Einstellung der Angeklagte dazu hatte.
Eine Berechnungsdarstellung kann ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn ein sachkundiger Angeklagter, der zur Berechnung der hinterzogenen Steuern in der Lage ist, ein Geständnis ablegt.
Ob eine den Anforderungen des § 371 Abs. AO entsprechende Selbstanzeige vorliegt, kann offen bleiben, wenn der Strafbefreiung jedenfalls einer der Sperrgründe des § 371 Abs. 2 AO entgegensteht.
Der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO wird heute maßgeblich durch die objektive Voraussetzung der Tatentdeckung und weniger durch die subjektive Komponente bestimmt. Der Steuerhinterzieher muss demnach im Einzelfall mit der Tatentdeckung auch dann rechnen, wenn er noch nicht sicher auf die erfolgte Tatentdeckung schließen kann; eine Restunsicherheit kann durchaus verbleiben.
Oberlandesgericht Hamm
5 RVs 119/15
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf-gehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts – Schöffengericht – Essen zurückverwiesen.
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Gründe:
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I.
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Das Amtsgericht – Schöffengericht – Essen hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwölf Fällen, wobei es in zwei Fällen beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
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Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte (Sprung-)Revision eingelegt, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Zur Begründung führt er insbesondere aus, er habe eine wirksame strafbefreiende Selbstanzeige vorgenommen. Außerdem habe das Amtsgericht die Einlassung des Angeklagten nicht hinreichend gewürdigt und damit § 261 StPO verletzt.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen.
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II.
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Die Revision ist zulässig und hat mit der Sachrüge – zumindest vorläufig – Erfolg.
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1.
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Die Urteilsfeststellungen des Amtsgerichts bieten vorliegend keine tragfähige Grundlage für die dem Revisionsgericht obliegende Prüfung, ob das Recht auf den festgestellten Sachverhalt richtig angewendet worden ist.
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Nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen, also das Tatgeschehen mitteilen, in dem die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Dies muss in einer geschlossenen Darstellung aller äußeren und jeweils im Zusammenhang damit auch der dazugehörigen inneren Tatsachen in so vollständiger Weise geschehen, dass in den konkret angeführten Tatsachen der gesetzliche Tatbestand erkannt werden kann. Nur dann kann das Revisionsgericht auf die Sachrüge hin gemäß § 337 StPO prüfen, ob bei der rechtlichen Würdigung eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist (vgl. BGH, NJW 2009, 2546).
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a)
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Für die Darstellung einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO, bei der die Strafvorschrift des § 370 AO durch die im Einzelnen anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften materiell-rechtlich ausgefüllt wird, ist es grundsätzlich erforderlich, dass das Urteil erkennen lässt, welches steuerlich erhebliche Verhalten des Angeklagten im Rahmen welcher Abgabenart und in welchem Besteuerungszeitraum zu einer Steuerverkürzung geführt hat und welche innere Einstellung der Angeklagte dazu hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2011 – 1 StR 154/11 –; BGH, wistra 2001, 22; Senatsbeschluss vom 28. August 2015 – 5 RVs 73/12 –). Dazu gehören insbesondere auch diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (vgl. BGH, NJW 2009, 2546).
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Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Urteil teilt zwar ausgehend von den Gewinnen aus Gewerbebetrieb für die Jahre 2009 bis 2012 mit, in welcher Höhe Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer hinterzogen worden sein sollen, verzichtet aber auf weitergehende Feststellungen zu den Besteuerungsgrundlagen sowie auf eine Darstellung der Berechnung der hinterzogenen Steuern. Dadurch ermöglicht es das Urteil dem Senat nicht, die Berechnung der vom Angeklagten hinterzogenen Steuern nachzuvollziehen. Dies begründet einen durchgreifenden Rechtsfehler (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2011 – 1 StR 154/11 –), zumal es dem Senat als Revisionsgericht verwehrt ist, auf die der Anklageschrift vom 13. Januar 2015 als Anlagen 1-3 beigefügten Berechnungsgrundlagen zurückzugreifen. Denn diese sind gerade nicht Bestandteil der Urteilsgründe geworden.
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Eine Berechnungsdarstellung kann zwar dann ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn ein sachkundiger Angeklagter, der zur Berechnung der hinterzogenen Steuern in der Lage ist, ein Geständnis ablegt (vgl. BGH, wistra 2001, 22 m.w.N.). Dass der Angeklagte über eine derartige Qualifikation verfügt, lässt sich den Urteilsgründen indes nicht entnehmen.
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b)
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Das Urteil verzichtet weiter auf notwendige Feststellungen zu der Selbstanzeige des Angeklagten.
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Voraussetzung einer wirksamen Selbstanzeige ist gemäß § 371 Abs. 1 AO, dass gegenüber der Finanzbehörde zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt und die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachgeholt werden. Ist dem Steuerpflichtigen auf Grund unzureichender Buchhaltung oder fehlender Belege eine genau bezifferte Selbstanzeige nicht möglich, so ist er gehalten, von Anfang an, also bereits auf der ersten Stufe einer so genannten „gestuften“ Selbstanzeige, alle erforderlichen Angaben über die steuerlich erheblichen Tatsachen, notfalls auf der Basis einer Schätzung anhand der ihm bekannten Informationen, zu berichtigen, zu ergänzen oder nachzuholen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09 –, NStZ 2010, 642; LG München II, Urteil vom 13. März 2014 – W 5 KLs 68 Js 3284/13 –, zitiert nach juris). Diese Angaben müssen in jedem Fall so geartet sein, dass die Finanzbehörde auf ihrer Grundlage in der Lage ist, ohne langwierige Nachforschungen den Sachverhalt vollends aufzuklären und die Steuer richtig festzusetzen (vgl. BGH, a.a.O.).
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In den Urteilsgründen wird nur festgestellt, dass der Angeklagte mit Schreiben vom 01.03.2014 eine Selbstanzeige vorgenommen hat. Der genaue Inhalt des Schreibens wird nicht mitgeteilt. Dies stellt einen sachlich-rechtlichen Mangel dar, da der Senat nicht prüfen kann, ob die Selbstanzeige den Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 AO genügt.
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c)
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Außerdem sind in dem angefochtenen Urteil nicht die notwendigen Feststellungen getroffen worden, um dem Senat eine Nachprüfung der Voraussetzungen des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO zu ermöglichen.
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Ob überhaupt eine den Anforderungen des § 371 Abs. 1 AO entsprechende Selbstanzeige vorliegt, kann offen bleiben, wenn der Strafbefreiung jedenfalls einer der Sperrgründe des § 371 Abs. 2 AO entgegensteht.
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Nach § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO tritt Straffreiheit nicht ein, wenn eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste. Nach den Feststellungen des Urteils war die Tat – wenigstens zum Teil – bereits entdeckt, da vor der Selbstanzeige bereits ein förmliches Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuerhinterziehung für die Jahre 2009 bis 2011 eingeleitet worden war.
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Mit dem "Rechnenmüssen" stellt das Gesetz eine widerlegbare Beweisregel zuungunsten des Täters auf, mit der der Nachweis des vom Täter bestrittenen Wissens in den Fällen ersetzt werden soll, in denen der Strafrichter dem Täter einzelne, bestimmte und zwingende Begleitumstände nachzuweisen vermag, aus denen sich dem Täter die Überzeugung von der Entdeckung seiner Steuerverfehlung aufdrängen musste. Die Frage, ob der Täter "bei verständiger Würdigung der Sachlage" mit der Entdeckung rechnen musste, ist allein aus der Lage des Täters heraus und abgestellt auf seine individuellen Erkenntnismöglichkeiten zu beurteilen (vgl. BayObLG, MDR 1972, 802).
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Das angefochtene Urteil stellt zwar fest, dass die zuständige Prüferin des Finanzamts C in einem Telefonat mit dem Steuerbüro des Angeklagten den Termin einer Betriebsprüfung abgestimmt hat. Das Urteil lässt allerdings offen, von wem, auf welchem Weg, wann und mit welchem Inhalt der Angeklagte von dem Telefonat erfahren haben soll. Da es für die Beurteilung der subjektiven Komponente des „Rechnenmüssens“ aber entscheidend auf die Lage des Täters und seine individuellen Erkenntnismöglichkeiten ankommt, sind die getroffenen Feststellungen nicht ausreichend, um dem Senat eine Nachprüfung zu ermöglichen.
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Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass angesichts der verbesserten Ermittlungsmöglichkeiten im Hinblick auf Steuerstraftaten und auch der stärkeren Kooperation bei der internationalen Zusammenarbeit heute keine hohen Anforderungen an die Annahme des „Rechnenmüssens“ der Tatentdeckung mehr gestellt werden können. Der Sperrgrund des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO wird heute maßgeblich durch die objektive Voraussetzung der Tatentdeckung im vorstehend verstandenen Sinne und weniger durch die subjektive Komponente bestimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09 –). Der Steuerhinterzieher muss demnach im Einzelfall mit der Tatentdeckung auch dann rechnen, wenn er noch nicht sicher auf die erfolgte Tatentdeckung schließen kann; eine Restunsicherheit kann durchaus verbleiben. Es genügt nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO, wenn der Steuerhinterzieher aufgrund der ihm bekannten Tatsachen konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass seine Steuerhinterziehung entdeckt sein könnte. Diese am Wortlaut orientierte Auslegung wird durch die Systematik des § 371 Abs. 2 AO gestützt: In § 371 Abs. 2 Nr. 1a) AO hat der Gesetzgeber festgelegt, dass schon die Bekanntgabe einer (verdachtsunabhängigen) Prüfungsanordnung die Straffreiheit durch eine Selbstanzeige ausschließt. Genügt aber im Fall der Steuerprüfung schon die bloße Ankündigung, ohne dass die Finanzbehörden überhaupt einen Tatverdacht haben müssen, liegt es nahe, bei einer tatsächlich gegebenen Tatentdeckung durch die Steuerbehörden für die Versagung der strafbefreienden Wirkung der Selbstanzeige ausreichen zu lassen, wenn der Täter die Entdeckung der Steuerhinterziehung nach seinem Kenntnisstand nur befürchten musste (vgl. AG Kiel, Urteil vom 27. November 2014 – 48 Ls 1/14, 48 Ls 545 Js 46477/13 (1/14) –, zitiert nach juris). Hinzu kommt, dass § 371 AO im Hinblick auf den Verzicht auf den staatlichen Strafanspruch ohnehin restriktiv auszulegen ist (vgl. BGH, a.a.O.).
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2.
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Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils hält sachlich-rechtlicher Prüfung ebenfalls nicht stand.
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Gemäß § 261 StPO hat das Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung zu entscheiden. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob ihm Rechtsfehler unterlaufen sind, weil die Beweiswürdigung lückenhaft, in sich widersprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit übertriebene Anforderungen gestellt worden sind (vgl. BGH, NStZ-RR 2015, 255; Senatsurteil vom 27. Oktober 2015 – 5 RVs 88/15 –). Grundlage dieser revisionsgerichtlichen Beweiswürdigungsprüfung ist das schriftliche Urteil, mit dem der Tatrichter darüber Rechenschaft gibt, auf welchem Wege er von den Beweismittelergebnissen zum festgestellten Sachverhalt gelangt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 21. November 2002 – 5 Ss 1016/02 – m.w.N.). Aus der Verfahrensvorschrift des § 267 StPO, die den Inhalt der Urteilsgründe festlegt, ergibt sich zwar nicht unmittelbar, dass das Gericht verpflichtet ist, eine Beweiswürdigung im Urteil wiederzugeben, in der die Einlassung des Angeklagten mitgeteilt und diese Einlassung unter Bewertung der sonstigen Beweismittel gewürdigt wird. Doch ist unter sachlich-rechtlichem Blickwinkel regelmäßig eine Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten erforderlich, damit das Revisionsgericht nachprüfen kann, ob sich der Tatrichter unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise eine tragfähige Grundlage für seine Überzeugungsbildung verschafft und das materielle Recht richtig angewendet hat (vgl. BGH, NStZ 2015, 299 m.w.N.). Nur bei sachlich und rechtlich einfach gelagerten Fällen kann das Gericht auf die Wiedergabe der Einlassung und auf eine Auseinandersetzung mit den Angaben des Angeklagten ohne Verstoß gegen seine materiell-rechtliche Begründungspflicht verzichten (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 13. November 2014 – 5 RVs 102/14 – m.w.N.).
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Das angefochtene Urteil genügt diesen Anforderungen nicht, weil es an der notwendigen Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten fehlt. In den Urteilsgründen wird zur Einlassung des Angeklagten lediglich ausgeführt, dass der Sachverhalt „aufgrund des glaubhaften Geständnisses des Angeklagten“ feststehe. Einzelheiten hierzu werden nicht mitgeteilt, obwohl die Sache bereits angesichts der Problematik um eine strafbefreiende Selbstanzeige rechtlich nicht einfach gelagert ist. Der Senat kann demnach nicht prüfen, ob und inwieweit das vom Amtsgericht angenommene Geständnis vorliegt und die tatsächlichen Feststellungen zur äußeren und inneren Tatseite trägt.
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3.
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Auch die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils sind nicht frei von Rechtsfehlern.
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a)
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Aus den Urteilsgründen ergibt sich nicht, ob sich das Amtsgericht der durch §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB eröffneten (fakultativen) Strafmilderungsmöglichkeit bewusst war und diese geprüft hat.
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Der Tatrichter hat aufgrund einer Gesamtschau der Tatumstände im weitesten Sinne sowie der Persönlichkeit des Täters zu entscheiden, ob er von der Verschiebung des Strafrahmens gem. §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch macht. Dabei ist gerade den versuchsbezogenen Umständen großes Gewicht beizumessen, namentlich der Nähe zur Tatvollendung, der Gefährlichkeit des Versuchs und der aufgewandten kriminellen Energie, weil sie die wichtigsten Kriterien für die Einstufung von Handlungs- und Erfolgsunwert einer nur versuchten Tat liefern (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1991 – 1 StR 426/91 –).
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Das Amtsgericht hat im Rahmen der Strafzumessungserwägungen zwar strafmildernd berücksichtigt, dass zwei Taten im Versuchsstadium geblieben sind. Mit der damit einhergehenden Frage nach einer Strafrahmenverschiebung hat sich das Amtsgericht allerdings nicht auseinandergesetzt. Aufgrund des Schweigens des Urteils kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Amtsgericht diese Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung und die sich daraus ergebenden Folgen übersehen hat.
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b)
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Außerdem lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, ob sich das Amtsgericht der besonderen Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB für die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe bewusst gewesen ist.
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Gemäß § 47 Abs. 1 Alt. 1 StGB verhängt das Gericht eine kurze Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur, wenn es deren Verhängung aufgrund besonderer Umstände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Täters für unerlässlich erachtet, wenn also unter dem Gesichtspunkt der Spezialprävention der Strafzweck „zur Einwirkung auf den Täter“ durch eine Geldstrafe nicht oder kaum zu erreichen ist und aus diesem Grund eine Freiheitsstrafe unverzichtbar erscheint, um den Täter dazu zu bringen, in Zukunft nicht mehr straffällig zu werden (vgl. BGHSt 24, 164, 165; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 47 Rdnr. 7 m.w.N.). Nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung des § 47 StGB soll die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen weitestgehend zurückgedrängt werden und nur ausnahmsweise unter ganz besonderen Umständen in Betracht kommen. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten kann danach regelmäßig nur dann Bestand haben, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist (vgl. hierzu BGH, StV 1994, 370; Senatsbeschluss vom 29. September 2015 – 5 RVs 121/15 –). Zwar müssen im Rahmen der Strafzumessung nicht sämtliche Gesichtspunkte, sondern nur die wesentlichen dargestellt werden, um den in §§ 46, 47 StGB insoweit gestellten Anforderungen gerecht zu werden, und es ist auch nicht geboten, dass in den Urteilsgründen das Wort „unerlässlich“ genannt wird. Jedoch muss sich jedenfalls aus dem Zusammenhang der Strafzumessungserwägungen im Übrigen ergeben, dass sich das Tatgericht der engen Voraussetzungen des Gesetzesbegriffs der Sache nach bewusst war und diese seiner Entscheidung auch zutreffend zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsbeschluss, a.a.O.). Zudem muss die Begründung erkennen lassen, dass sich das Gericht der Bedeutung des Übermaßverbotes bewusst war (vgl. KG, StV 2007, 35; Fischer, a.a.O., § 47 Rdnr. 10).
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Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Urteil geht auf die Vorschrift des § 47 StGB nicht ein. Stattdessen hat das Amtsgericht Einzelfreiheitsstrafen von vier und fünf Monaten (für die Taten „Nr. 1, 2, 5, 6, 9, 10, und 12“) für „tat- und schuldangemessen“ erachtet, was gerade nicht dem Begriff der Unerlässlichkeit entspricht. Dazu hat es lediglich festgestellt, dass unter Berücksichtigung der Strafzumessungserwägungen „bezüglich der Einzeltaten auch kurze Freiheitsstrafen im Sinne des Strafgesetzbuchs“ zu verhängen seien. Dies stellt keine auf den Einzelfall bezogene, die Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit umfassende Begründung dar. Auch den allgemeinen Strafzumessungserwägungen kann nicht hinreichend entnommen werden, dass besondere Umstände in der Person oder in der Tat des Angeklagten die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe unerlässlich machen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte bislang nicht vorbestraft ist.
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Dass besondere Umstände die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen (§ 47 Abs. 1 Alt. 2 StGB), ist ebenfalls nicht dargetan.
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III.
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Das angefochtene Urteil war daher aufgrund der aufgezeigten Mängel mit den zugrunde liegenden Feststellungen gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben und die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts – Schöffengericht – Essen zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – gem. § 354 Abs. 2 StPO zurückzuverweisen.