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  • 12.02.2016 · IWW-Abrufnummer 146358

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 04.12.2015 – 4 K 2616/14 E, G, U

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster

    4 K 2616/14 E,G,U

    Tenor:

    Die Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für 2009 bis 2011 vom 24.10.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.7.2014 werden dahingehend geändert, dass die Umsatz- und Gewinnhinzuschätzungen (netto) auf 5.000 EUR für 2009, 33.000 EUR für 2010 und 40.500 EUR für 2011 begrenzt werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 70% und der Beklagte zu 30%.

    1

    Tatbestand:

    2

    Die Beteiligten streiten über Umsatz- und Gewinnhinzuschätzungen.

    3

    Der Kläger betrieb ab dem 20.4.2009 das Restaurant „D“ in der Stadtmitte von L-Stadt mit chinesisch-mongolischem Speisenangebot. Das Restaurant hatte täglich mittags und abends, an Sonn- und Feiertagen durchgehend geöffnet. Neben À-la-carte-Gerichten wurden die Speisen auch in Buffetform und vom mongolischen Grillangeboten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Speisekarten (Bl. 173-187 der Prüferhandakte) Bezug genommen. Es standen etwa 100 Sitzplätze zur Verfügung. Daneben fand auch ein Außerhausverkauf statt. Zum 31.12.2013 meldete der Kläger das Restaurantgewerbe wieder ab.

    4

    Der Kläger ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Hieraus ergaben sich für die Streitjahre folgende Erlöse (ohne Sachbezüge) und Gewinne:

    5


    2009 (EUR) 2010 (EUR) 2011 (EUR)
    Erlöse 7% USt (netto) 18.574,91 34.640,61
    47.632,30
    Erlöse 19% USt (netto) 63.464,19 93.820,67
    113.905,63
    Erlöse gesamt (netto) 82.039,10 128.461,28
    161.537,93
    Gewinn xxx xxx xxx

    6

    Der Beklagte erließ zunächst gegenüber dem Kläger und seiner mit ihm zusammen veranlagten Ehefrau Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, in denen die erklärten Gewinne zu Grunde gelegt wurden. Ferner erließ er gegenüber dem Kläger Gewerbesteuermessbescheide, die jeweils auf 0,- EUR lauteten. Die eingereichten Umsatzsteuererklärungen führten für alle Streitjahre - für 2010 und 2011 nach Zustimmung des Beklagten - zu Steuerfestsetzungen. Sämtliche Steuerfestsetzungen standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

    7

    Im Rahmen einer vom Beklagten beim Kläger für die Streitjahre durchgeführten Betriebsprüfung gelangte der Prüfer zu der Ansicht, dass die Registrierkasse und das Kassenbuch nicht ordnungsgemäß geführt worden seien. Es sei bereits unklar, ob es sich bei den vorgelegten „Finanzberichten“ um Tagesendsummenbons handele, die Nummerierung dieser Berichte sei nicht fortlaufend, die Kasseneinnahmen seien häufig in den Kassenberichten dem falschen Datum zugeordnet, der Kassenbestand werde nicht täglich, sondern nur monatlich ermittelt, die Eintragungen in den Kassenberichten seien teilweise nicht chronologisch, Stornierungen würden vom Kassensystem zugelassen, aber nicht aufgezeichnet, sondern täglich gelöscht, ohne dass die Stornierungen dokumentiert worden seien, Privatentnahmen aus der Kasse seien nicht aufgezeichnet worden, Kartenzahlungen seien als bare Kasseneinnahme aufgezeichnet worden, der Kassensturz habe aber keine nennenswerte Differenz ergeben und Getränke seien teilweise mit 7% Umsatzsteuer abgerechnet worden. Aufgrund dieser schwerwiegenden Mängel sei der Kassenführung die Ordnungsmäßigkeit zu versagen.

    8

    Der Prüfer nahm für das Streitjahr 2010 eine Getränkekalkulation vor. Hierzu legte er die gebuchten Getränkeeinkäufe (10.235 EUR netto) zugrunde, von denen er 2.507 EUR für den Eigenverbrauch des Klägers und seiner Ehefrau, weitere 507 EUR für die Personalverpflegung und weitere 2.565 EUR für Gratisgetränke an Kunden, für Geschenke an Freunde, Bekannte, Schüler und Studenten sowie für Gratisgetränke bei Essensabholungen ab 20 Portionen abzog. Unter Zugrundelegung des verbleibenden Betrags und der Getränkeverkaufspreise errechnete der Prüfer einen Getränke-Sollumsatz in Höhe von 32.461 EUR (netto) bzw. 38.629 EUR (brutto).

    9

    Aus diesem Getränkeumsatz schloss der Prüfer auf den Gesamtumsatz des Restaurants, indem er das in der Kasse gebuchte monatliche Verhältnis zwischen Speisen- und Getränkeumsätzen zugrunde legte. Hieraus ergab sich im Jahresdurchschnitt der Prüfungsjahre ein Getränkeanteil von 18,51% am Gesamtumsatz. Dementsprechend betrug der kalkulierte Speisenumsatz 146.404 EUR (netto) und der kalkulierte Gesamtumsatz 178.865 EUR (netto), was einem Rohgewinnaufschlagsatz in Höhe von 389,36% entspricht. Von der sich daraus ergebenden Kalkulationsdifferenz zum erklärten Umsatz (128.461 EUR) in Höhe von 50.404 EUR nahm der Prüfer einen Sicherheitsabschlag in Höhe von 10% vor, was zu einer Hinzuschätzung für das Streitjahr 2010 in Höhe von gerundet 45.000 EUR (netto) führte.

    10

    Dieses Ergebnis übertrug der Prüfer auf die beiden anderen Streitjahre in der Weise, dass er jeweils einen Rohgewinnaufschlagsatz von 389% auf den Wareneinsatz vornahm. Den Wareneinsatz errechnete er, indem er vom gebuchten Wareneinkauf die gebuchten Warenentnahmen sowie einen weiteren Betrag für Personalverpflegung und sonstige Entnahmen in Höhe von jährlich 3.072 EUR (für 2009 9/12 hiervon) und für 2009 einen weiteren Betrag wegen möglicherweise gelagerter Waren in Höhe von 1.500 EUR abzog. Von den sich hieraus ergebenden Kalkulationsdifferenzen nahm der Prüfer jeweils einen Sicherheitsabschlag in Höhe von 10% vor, was zu Netto-Hinzuschätzungen in Höhe von 14.000 EUR für 2009 und 56.000 EUR für 2011 führte.

    11

    Da die Anteile der Außerhausverkäufe laut Gewinnermittlungen in den Prüfungsjahren zwischen 22% und 30% lagen, unterwarf der Prüfer einheitlich 30% der Hinzuschätzungsbeträge dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7%.

    12

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom 11.10.2013 Bezug genommen.

    13

    Der Beklagte folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechend geänderte Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbeträge für die Streitjahre.

    14

    Zur Begründung seiner hiergegen eingelegten Einsprüche trug der Kläger vor, dass das vom Prüfer ermittelte Ergebnis wirtschaftlich nicht erzielbar sei. Auch bei den Speisen seien im Wareneinsatz Anteile enthalten, denen keine Erlöse zugerechnet werden. Daher seien auch in diesem Bereich Abschläge vorzunehmen. Vom Getränkeeinkauf seien insgesamt 4.819,60 EUR (2.254,60 EUR als Eigenverbrauch und 2.565 EUR sonstige unentgeltliche Getränkeabgaben lt. Erklärung) abzuziehen, so dass nur ein Wareneinsatz in Höhe von 5.415,40 EUR verbleibe. Daraus errechne sich lediglich ein Rohgewinnaufschlagsatz in Höhe von 243,25%. Für 2010 ergebe sich danach nur noch eine Hinzuschätzung in Höhe von 14.900 EUR (netto) und für 2011 eine solche in Höhe von 18.500 EUR (netto). Dies sei bei einem Buffetangebot glaubhaft, da häufig Waren entsorgt werden müssten und ein Komplettpreis für Vor-, Haupt- und Nachspeisen bestehe. Im Regelfall liege der Rohgewinnaufschlagsatz bei Buffetangeboten zwischen 275% und 300%. Berücksichtigt werden müsse auch die individuelle günstige Preiskalkulation für den Mittagstisch.

    15

    Darüber hinaus sei die Kassenführung ordnungsgemäß. Auf die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG seien die für den Bestandsvergleich geltenden Aufzeichnungsvorschriften nicht übertragbar. Vielmehr genüge eine Ablage von Einnahmen und Ausgaben in gesonderten Ablagesystemen. Eine Auszählung der Kasse sei nicht erforderlich. Die vorgelegten Tagesabschlussberichte erfassten die Tagesumsätze.

    16

    Der Beklagte wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG Kassenaufzeichnungen anzufertigen seien. Die Aufzeichnungspflichten nach § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) seien auch für Zwecke der Einkommensteuer anwendbar. Grundsätzlich seien Einzelaufzeichnungen für Bareinnahmen erforderlich. Bei der Führung einer Registrierkasse stelle die Möglichkeit der Stornierungen einen erheblichen Mangel dar.

    17

    Die Schätzungen seien auch der Höhe nach gerechtfertigt. Der Eigenverbrauch und die Personalbeköstigung für Getränke seien mit 507 EUR pro Person eher überhöht angesetzt worden, zumal diese Getränke nach Angaben des Klägers gegenüber dem Prüfer im Discounter erworben worden seien. Insgesamt seien etwa 40% des Getränkeeinkaufs bei der Kalkulation unberücksichtigt geblieben. Darüber hinaus seien weitere Abschläge nicht gerechtfertigt. Die fehlende Buffetauslastung und der Verderb von Speisen seien bei der vom Prüfer gewählten Kalkulationsmethode unerheblich. Weitere Unwägbarkeiten seien mit dem Sicherheitsabschlag abgegolten. Der vom Prüfer ermittelte Rohgewinnaufschlagsatz von 389,36% liege zwar im oberen Richtsatzbereich für Speisegaststätten. Dabei sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Aufschlagsätze nach den Prüfungsfeststellungen bei mehr als 50 geprüften Betrieben mit asiatischem Speisenangebot im Durchschnitt um 120 Prozentpunkte nach oben von der Richtsatzsammlung abwichen.

    18

    Mit seiner hiergegen erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er führt ergänzend zur Einspruchsbegründung aus, dass bei der Kalkulation die Inventurbestände abzusetzen seien, weil diese sich noch nicht auf die Umsatzerlöse ausgewirkt haben könnten. Unklar sei, warum der Beklagte bei der sog. 30/70-Kalkulation von einem Getränkeanteil von 18,51% und nicht von 30% ausgehe.

    19

    Der Kläger beantragt sinngemäß,

    20

    die geänderten Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für 2009 bis 2011 vom 24.10.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.7.2014 aufzuheben.

    21

    Der Beklagte beantragt,

    22

    die Klage abzuweisen.

    23

    Er verweist auf die Einspruchsentscheidung.

    24

    In der Sache hat am 3.9.2015 ein Erörterungstermin stattgefunden, in dem der Berichterstatter darauf hingewiesen hat, dass nach seiner vorläufigen Einschätzung die vom Prüfer durchgeführte Kalkulationsmethode nicht geeignet sei, auch die Außerhausverkäufe für Speisen zu kalkulieren, da diesbezüglich typischerweise keine Getränke verzehrt würden. Hiergegen wendet der Beklagte ein, dass zwar insoweit keine logische Verknüpfung zwischen Getränke- und Speiseumsätzen bestehe, aber davon auszugehen sei, dass Einnahmen in der nicht ordnungsgemäß geführten Kasse für die Außerhausumsätze in gleichem Umfang nicht erfasst worden seien wie für die übrigen Umsätze, so dass eine Hinzuschätzung in gleichem Umfang vorzunehmen sei. Ferner sei der Sicherheitsabschlag erst von der Kalkulationsdifferenz und nicht vom Kalkulationsergebnis vorzunehmen, weil ansonsten auch anteilig ein Sicherheitsabschlag auf den selbst erklärten Umsatz vorgenommen würde.

    25

    Die Beteiligten haben im Erörterungstermin am 3.9.2015 übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

    26

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die Steuerakten des Beklagten sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 3.9.2015 nebst Anlagen Bezug genommen.

    27

    Entscheidungsgründe:

    28

    Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

    29

    Die geänderten Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für 2009 bis 2011 vom 24.10.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.7.2014 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung, FGO), soweit der Beklagte Umsatz- und Gewinnhinzuschätzungen (netto) vorgenommen hat, die über 5.000 EUR für 2009, 33.000 EUR für 2010 und 40.500 EUR für 2011 hinausgehen. Im Übrigen sind die Bescheide rechtmäßig.

    30

    Dem Grunde nach besteht eine Schätzungsbefugnis nach § 96 FGO i.V.m. § 162 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). Danach sind Besteuerungsgrundlagen durch das Gericht zu schätzen, soweit es sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Die tatsächlichen Einnahmen, die der Kläger in den Streitjahren im Rahmen seines Restaurants erzielt hat, können nicht ermittelt werden, weil seine Kassenführung nicht ordnungsgemäß ist.

    31

    Für Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, ergibt sich nicht nur für die Umsatzsteuer, sondern auch für Zwecke der Einkommensteuer eine Aufzeichnungspflicht aus § 22 UStG und der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV). Zwar sind umsatzsteuerrechtliche Aufzeichnungen keine Aufzeichnungen „nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen" im Sinne von § 140 AO. Die Aufzeichnungsverpflichtung aus einem Steuergesetz wirkt aber, sofern dieses Gesetz keine Beschränkung auf seinen Geltungsbereich enthält oder sich eine solche Beschränkung aus der Natur der Sache ergibt, unmittelbar auch für andere Steuergesetze, also auch für das EStG (BFH-Beschluss vom 16.2.2006 X B 57/05, BFH/NV 2006, 940 m. w. N.). Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 UStG sind u.a. die vereinnahmten Entgelte aufzuzeichnen. Die Aufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmens und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten (§ 63 Abs. 1 UStDV, vgl. auch § 145 Abs. 1 AO). Es ist zwar - anders als im Rahmen einer Buchführung - nicht erforderlich, vereinnahmte Barentgelte gesondert in einem Kassenbuch aufzuzeichnen. Allerdings müssen auch im Rahmen einer Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG die der Gewinnermittlung zugrunde liegenden Belege, insbesondere die Tagesendsummenbons einer Registrierkasse, geordnet und vollständig aufbewahrt werden (BFH-Beschluss vom 7.2.2008, X B 189/07, Juris). Die §§ 145 und 146 AO sind ebenfalls zu beachten (BFH-Beschluss vom 16.2.2006 X B 57/05, BFH/NV 2006, 940). Wer überwiegend Bargeschäfte tätigt, muss neben der geordneten Belegsammlung Bareinnahmen täglich aufzeichnen (BFH-Beschluss vom 2.9.2008, V B 4/08, Juris). Wer sich einer elektronischen Registrierkasse bedient, muss neben den Tagesendsummenbons auch die Programmierprotokolle der Kasse aufbewahren. Sowohl das Fehlen dieser Protokolle als auch die Unvollständigkeit der Tagesendsummenbons stellen jeweils für sich genommen bereits so gravierende Mängel dar, dass bei bargeldintensiven Betrieben eine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach besteht (BFH-Urteil vom 25.3.2015 X R 20/13, BStBl II 2015, 743).

    32

    Die Kassenführung des Klägers genügte in den Streitjahren den genannten Anforderungen nicht. Der Kläger hat weder die Tageseinnahmen täglich aufgezeichnet noch alle erforderlichen Unterlagen aufbewahrt. Die in den Prüferhandakten befindlichen Kassenabrechnungen wurden offenbar nicht zeitnah geführt, da nicht alle Datumseinträge mit den Kasseneinnahmen übereinstimmen. Darüber hinaus enthalten die Abrechnungen nicht nur Bareinnahmen, sondern auch Einnahmen aus Kartenzahlungen und die Bestände wurden nicht täglich, sondern jeweils nur zum Monatsende ermittelt. Ob die aufbewahrten Bons vollständig sind, kann dahinstehen, da jedenfalls keine Programmierunterlagen für die Kasse aufbewahrt wurden. Aus diesem Grund kann nicht festgestellt werden, ob die Bons tatsächlich alle Umsätze enthalten. Dies stellt bereits einen gravierenden formellen Mangel der Kassenführung dar, der für den bargeldintensiven Gastronomiebetrieb des Klägers zu Hinzuschätzungen berechtigt.

    33

    Der Senat begrenzt die Hinzuschätzungen für die Streitjahre allerdings auf die o. g. Beträge. Die Auswahl zwischen verschiedenen Schätzungsmethoden steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (vgl. BFH-Beschluss vom 3.9.1998 XI B 209/95, BFH/NV 1999, 290). Im Rahmen dieses Ermessens muss es die Schätzungsmethode so wählen, dass die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen der Wirklichkeit möglichst nahe kommen. Schätzungen müssen insgesamt in sich schlüssig sein. Ihre Ergebnisse müssen darüber hinaus wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (BFH-Urteil vom 18.12.1984 VIII R 195/82, BStBl II 1986, 226 m. w. N.). In Fällen wie dem Streitfall, in denen zwar formelle Kassenführungsmängel vorliegen, die zu einer Hinzuschätzung berechtigen, aber keine materiellen Unrichtigkeiten der Einnahmeerfassung nachgewiesen sind, sind Schätzungsmethoden, die auf betriebsinternen Daten aufbauen oder in anderer Weise die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigen (z. B. eine Aufschlagkalkulation) grundsätzlich vorrangig heranzuziehen (BFH-Urteil vom 25.3.2015 X R 20/13, BStBl II 2015, 743). Bei der Schätzung kommt auch die Beachtung der amtlichen Richtsätze in Betracht, wobei die Höchstsätze der Richtsatzsammlung nicht ohne Weiteres überschritten werden dürfen (BFH-Beschluss vom 28.3.2001 VII B 213/00, BFH/NV 2001, 1217 m. w. N.).

    34

    Die im Streitfall vom Beklagten vorgenommene Schätzung auf Grundlage einer Getränkekalkulation ist grundsätzlich eine geeignete Schätzungsmethode, die auf betriebsinternen Daten aufbaut. Diese sog. „30/70-Methode“ basiert auf dem Gedanken, dass in einem Speiserestaurant das Verhältnis zwischen verzehrten Speisen und Getränken nur geringen Schwankungen unterliegt, da die Gäste typischerweise im Durchschnitt zu jeder Speise eine bestimmte Menge an Getränken zu sich nehmen. Dieser Gedanke rechtfertigt es, aus der Höhe der kalkulierten Getränkeumsätze auf die Höhe der Speiseumsätze zu schließen, ohne dass diese gesondert anhand des Wareneinkaufs kalkuliert werden müssten. Eine solche Speisenkalkulation wäre in einem Restaurant wie demjenigen des Klägers kaum durchführbar, da aufgrund des umfangreichen Buffetangebots die Preise unabhängig von der Menge der von dem einzelnen Kunden verzehrten Speisen festgelegt sind. Vor diesem Hintergrund haben auch die Einwendungen des Klägers in Bezug auf die Berücksichtigung eines Eigenverbrauchs bzw. eines Verderbs von Speisen keine Bedeutung, weil die Höhe des Wareneinsatzes der Speisen gerade keine Kalkulationsgrundlage darstellt.

    35

    Ein höherer Abzug von den eingesetzten Getränken für Eigenverbrauch, Personalverköstigung, Freirunden und Gratiszugaben als sie der Beklagte vorgenommen hat, kommt nicht in Betracht. Soweit Freirunden und Gratiszugaben betroffen sind, ist der Beklagte dabei bereits den Angaben des Klägers gefolgt. Vor diesem Hintergrund muss nicht geprüft werden, ob ein (geringfügig) höherer Eigenverbrauch als 507 EUR pro Person und Jahr anzusetzen ist. Im Ergebnis hat der Beklagte fast 40% des Wareneinkaufs von vornherein unberücksichtigt gelassen, was als großzügiger Abschlag angesehen werden kann.

    36

    Eine logische Verknüpfung zwischen Getränkeumsätzen und Speiseumsätzen, die außer Haus geliefert werden, besteht demgegenüber nicht. Denn nach der allgemeinen Lebenserfahrung verzehrt ein Gast, der Speisen im Restaurant abholt, keine oder allenfalls in Ausnahmefällen dort auch Getränke. Dementsprechend können aus dem Getränkeumsatz im Restaurant nicht unmittelbar Schlussfolgerungen auf die Außerhausverkäufe an Speisen gezogen werden. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund dass der Anteil der Außerhausverkäufe im Streitfall erheblich ist. Nach den Erklärungen des Klägers bewegte sich dieser Anteil in den Streitjahren zwischen 22% und 30%.

    37

    Eine Schlussfolgerung kann jedoch insoweit mittelbar gezogen werden, als sowohl die Einnahmen für die Verkäufe im Haus als auch diejenigen für die Außerhausumsätze in derselben Barkasse gelandet sind und damit dieselben Kassenmängel bestehen, die den Ausgangspunkt für die Hinzuschätzungen darstellen. Vor diesem Hintergrund müssen grundsätzlich für beide Bereiche in der gleichen Weise Umsatz- und Gewinnhinzuschätzungen vorgenommen werden. Allerdings besteht für die Außerhausumsätze eine doppelte Hebelwirkung, weil die Schätzung dieser Umsätze in einem ersten Schritt abgeleitet aus der Getränkekalkulation und der daraus aufbauenden Speisenkalkulation für Umsätze im Haus vorgenommen wird. In einem zweiten Schritt wird daraus auf die Außerhausumsätze geschlossen. Zur Abmilderung der hieraus folgenden noch größeren Unsicherheiten der Schätzung hält es der Senat für geboten, für die Außerhausumsätze einen höheren Sicherheitsabschlag vorzunehmen als für die übrige Kalkulation.

    38

    Der Sicherheitsabschlag ist nach Auffassung des Senats nicht erst von der Kalkulationsdifferenz, sondern bereits vom Kalkulationsergebnis vorzunehmen. Dies führt entgegen der Auffassung des Beklagten nicht dazu, dass ein Abschlag vom erklärten Umsatz gemacht wird. Vielmehr sollen durch den Sicherheitsabschlag die Unwägbarkeiten und Unsicherheiten der gesamten Kalkulation abgegolten werden. Der Abschlag würde sich nur auf einen Teil des Kalkulationsergebnisses beziehen, wenn er erst von der Differenz zu den erklärten Umsätzen vorgenommen werden würde.

    39

    Angesichts der Unwägbarkeiten der Getränkekalkulation hält der Senat - ebenso wie der Beklagte - einen Sicherheitsabschlag von 10% für gerechtfertigt. Wegen der bereits ausgeführten doppelten Hebelwirkung wird für die Außerhausumsätze ein Sicherheitsabschlag in Höhe von weiteren 10% vorgenommen.

    40

    Für die Berechnung wird zunächst für 2010 von einem Getränkeanteil für die im Haus getätigten Umsätze von 24,09% ausgegangen. Die Berechnung ergibt sich aus den eigenen Kassenunterlagen des Klägers und befindet sich in der Anlage zum Protokoll des Erörterungstermins, das den Beteiligten bekannt ist. Hieraus folgt für das Streitjahr 2010 folgende Berechnung:

    41

    Wareneinsatz Getränke 6.149,00 EUR
    Bruttoumsatz Getränke 38.628,46 EUR
    entspricht Kalkulation des Bekl.
    Getränkeanteil 24,09%
    Speiseanteil im Haus 75,91%
    Speiseumsatz brutto 121.722,13 EUR
    Umsatz im Haus brutto 160.350,59 EUR
    darin enthaltene USt 19% 25.602,19 EUR
    Umsatz im Haus netto 134.748,39 EUR
    Sicherheitsabschlag 10% -13.474,84 EUR
    verbleiben 121.273,55 EUR
    erklärter Umsatz außer Haus netto 34.640,61 EUR
    Zuschlag außer Haus 10.136,20 EUR
    gleiches Verhältnis wie im Haus
    Summe außer Haus 44.776,81 EUR
    Abschlag 10% -4.477,68 EUR
    verbleiben 40.299,13 EUR
    BMG für USt 7%
    Summe aller Umsätze (netto) 161.572,68 EUR
    Wareneinsatz 36.551,00 EUR
    Rohgewinn 125.021,68 EUR
    Rohgewinnaufschlagsatz 342,05%
    Umsatz lt. Erklärung 128.461,28 EUR
    Differenz 33.111,40 EUR
    abgerundet 33.000,00 EUR

    42

    Für die Umsatzsteuer ergibt sich daraus ein Hinzuschätzungsbetrag in Höhe von 5.612,15 EUR, der sich wie folgt berechnet:

    43

    19% 7%
    Umsätze netto 121.273,55 EUR 40.299,13 EUR
    bisher lt. Erklärung 93.820,67 EUR 34.640,61 EUR
    Differenz 27.452,88 EUR 5.658,52 EUR
    USt 5.216,05 EUR 396,10 EUR

    44

    Dieses Ergebnis ist wirtschaftlich vernünftig und schlüssig. Für ein Restaurant mit dem Speisenangebot des Klägers in der Stadtmitte von L-Stadt und 100 Sitzplätzen nebst nicht unerheblichem Außerhausverkauf erscheint ein sich daraus ergebender Jahresgewinn in Höhe von knapp 53.000 EUR erzielbar. Der errechnete Rohgewinnaufschlagsatz von 342,05% liegt zudem innerhalb der amtlichen Richtwerte für das Jahr 2010. Diese liegen für Gast- und Speisewirtschaften zwischen 186% und 400%, wobei bei Restaurants mit asiatischem Speisenangebot die obere Rahmenhälfte (also 293% bis 400%) anzuwenden ist. Der errechnete Wert liegt etwa in der Mitte dieser oberen Rahmenhälfte.

    45

    Da für das Streitjahr 2011 dieselben Werte in der Richtssatzsammlung gelten, kann dieser Wert übertragen werden.

    46

    Für das Streitjahr 2009 kann eine solche Übertragung jedoch nicht ohne Weiteres erfolgen, weil die Richtssatzsammlung für dieses Jahr einen Rahmen von 170% bis 335% vorsieht. Der errechnete Wert von 342,05% läge oberhalb dieses Rahmens. Allein aufgrund der nicht näher belegten Behauptung des Beklagten, bei 50 geprüften asiatischen Gastronomiebetrieben habe der Aufschlagsatz um 120% über den amtlichen Richtsätzen gelegen, kann die Obergrenze der Richtsatzsammlung nicht überschritten werden. Allerdings hält es der Senat für angezeigt, auch für das Jahr 2009 eine Zuschätzung im oberen Rahmen mit einem Rohgewinnaufschlagsatz von 330% vorzunehmen, zumal sich die selbst erklärten Werte des Klägers für dieses Jahr im oberen Bereich bewegt haben.

    47

    Danach ergibt sich für die Streitjahre 2009 und 2011 folgende Berechnung, wobei der Senat für Zwecke der Umsatzsteuer - wie der Beklagte - von einem Verhältnis der 7%igen Umsätze zu den 19%igen Umsätzen von 30:70 ausgeht:

    48


    2009 2011
    Wareneinsatz 20.249,00 EUR 45.723,56 EUR
    Rohgewinn (RAS 330%) 66.821,70 EUR
    Rohgewinn (RAS 342,05%) 156.396,16 EUR
    Umsatz 87.070,70 EUR 202.119,72 EUR
    bisher gebucht 82.039,10 EUR 161.537,00 EUR
    Differenz 5.031,60 EUR 40.582,72 EUR
    abgerundet 5.000,00 EUR 40.500,00 EUR
    BMG USt 19% 3.500,00 EUR 28.350,00 EUR
    USt 665,00 EUR 5.386,50 EUR
    BMG USt 7% 1.500,00 EUR 12.150,00 EUR
    USt 105,00 EUR 850,50 EUR
    Zuschätzung USt 770,00 EUR 6.237,00 EUR

    49

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

    RechtsgebieteEStG, UStGVorschriften§ 4 Abs. 3 EStG; § 22 UStG