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  • 19.02.2016 · IWW-Abrufnummer 146379

    Verwaltungsgericht Düsseldorf: Urteil vom 19.10.2015 – 18 K 7793/14



    Tenor:

    Der Bescheid des Landrates des Kreises L. als Kreispolizeibehörde vom 20. Oktober 2014 wird aufgehoben.

    Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Land.

    Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.


    Tatbestand:

    Der 0000 in U. (Iran) geborene Kläger ist niederländischer Staatsangehöriger und betreibt in den Niederlanden ein Ein-Mann-Unternehmen im Bereich sanitäre Installation. Am 7. April 2013 trafen Polizeibeamte des beklagten Landes den Kläger auf dem Parkplatz eines Gymnasiums in F. auf dem Beifahrersitz eines schwarzen Pkw E. -D. an. Auf dem Fahrersitz saß der Zeuge P., Eigentümer des Fahrzeugs und 0000 in U1. (Iran) geborener, in I. wohnhafter deutscher Staatsangehöriger. Im Fußraum hinter dem Beifahrersitz des Fahrzeugs fanden die Beamten eine Plastiktüte mit 150.000,- Euro Bargeld, größtenteils in 50-Euro-Scheinen. Die Beamten stellten die Plastiktüte mitsamt dem Bargeld sicher. Der Zeuge B., der die Polizei benachrichtigt hatte, gab an, ihm sei der schwarze Pkw aus I. auf dem Parkplatz aufgefallen. Dann sei ein weiterer Pkw mit niederländischem Kennzeichen auf dem Parkplatz eingetroffen. Aus diesem sei eine Person ausgestiegen, zu dem Pkw aus I. gegangen, auf der Beifahrerseite eingestiegen und habe eine Tasche an den Fahrer übergeben. Letzterer habe die Tasche entgegengenommen, hineingeschaut, ein Bündel Geldscheine entnommen, dieses dann wieder zurück in die Tasche gelegt und die Tasche hinter den Beifahrersitz in den Fußraum gestellt.

    Vor Ort befragt gab der Zeuge P. an, dass ihm der Kläger das Geld übergeben habe und es sich hierbei um eine Anzahlung für einen von ihm verkauften Generator handele. Er habe jedoch vor der Annahme des Geldes noch zu einer Bank fahren wollen, um dieses dort zwecks Überprüfung vorzulegen. Während der im Fahrzeug geführten Diskussion über die beabsichtigte Vorgehensweise sei die Polizei eingetroffen. Der Kläger gab zunächst an, das Geld von dem Zeugen P. erhalten zu haben. Bei einer späteren Befragung auf der Polizeiwache erklärte er, dass das Geld zum Teil von ihm selbst und zum Teil von seinem Bruder stamme und zur Bezahlung eines Generators diene.

    Die Staatsanwaltschaft L. leitete gegen den Kläger und gegen den Zeugen P. ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Geldwäsche ein. Mit Beschluss vom 10. April 2013 (10 Gs-204 Js 519/13-474/13) ordnete das Amtsgericht L. die strafrechtliche Beschlagnahme des Bargeldbetrages von 150.000,- Euro auf der Grundlage von § 111b StPO an. Es bestehe der Verdacht, dass die wahre Herkunft des Geldes verschleiert werden solle. Die Stückelung, die widersprüchlichen Angaben zur Herkunft des Geldes, sowie die dubiose Auffindungssituation deuteten darauf hin, dass es sich bei dem sichergestellten Geldbetrag um Geld aus Drogen- oder anderen illegalen Geschäften handele.

    Mit Verfügung vom 2. Juli 2014 stellte die Staatsanwaltschaft L. das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein, weil sich der Verdacht einer Geldwäsche trotz fortbestehender Verdachtsmomente mangels einer zeitlich und örtlich konkretisierbaren Vortat im Sinne des § 261 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 – 5 StGB nicht gerichtsfest habe erhärten lassen. In der Einstellungsnachricht an den Zeugen P. wird ausgeführt, dass eine Herausgabe der sichergestellten Bargeldes an diesen nicht in Betracht komme, da dieser das Geld nach eigenen Angaben noch nicht als Kaufpreiszahlung akzeptiert hatte und daher eine wirksame Einigung über den Eigentumsübergang im Sinne des §§ 929 S. 1 BGB nicht erfolgt sei. In der Einstellungsnachricht an den Kläger wird ausgeführt, dass eine Herausgabe des sichergestellten Bargeldes an diesen derzeit nicht in Betracht komme. Insoweit würden derzeit die Möglichkeiten einer präventiven polizeilichen Sicherstellung nach § 43 PolG geprüft.

    Mit Bescheid vom 20. Oktober 2014 ordnete die Kreispolizeibehörde L. die Sicherstellung der 150.000,- Euro auf der Grundlage des § 43 Nr. 2 PolG NRW gegenüber dem Kläger an. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Sicherstellung zum Schutz des wahren Eigentümers bzw. des berechtigten Gewahrsamsinhabers erforderlich sei. Das Bargeld könne bisher zwar nicht konkreten Straftaten zugeordnet werden, der Kläger sei aber auf Grund von Indiztatsachen und Erfahrungsgrundsätzen erwiesenermaßen nicht Eigentümer oder rechtmäßiger Gewahrsamsinhaber. Hierfür spreche, dass zur Herkunft des Geldes widersprüchliche Angaben vorlägen und die Stückelung des Geldes sehr ungewöhnlich für einen Kauf in einer solchen Größenordnung sei. Darüber hinaus habe der Kläger mehr als ein Jahr verstreichen lassen, um die nicht unerhebliche Summe einzufordern. Wörtlich wird ausgeführt: „Der Sicherstellung steht nicht entgegen, dass der/die Berechtigte/n nicht mehr ermittelt werden kann/können.“ Die Vermutung des § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB, dass der Kläger als Besitzer auch Eigentümer der Sache sei, sei auf Grund von Indizien, die für einen nicht rechtmäßigen Besitzerwerb sprechen, widerlegt. Dies habe zur Folge, dass sich die an sich bei der Behörde liegende materielle Beweislast umkehre und somit der von der Sicherstellung Betroffene den Nachweis des von ihm behaupteten Eigentums zu erbringen habe. Diesen Nachweis habe der Kläger nicht erbracht.

    Am 24. November 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, Eigentümer des Geldes zu sein.

    Der Kläger beantragt,

    den Sicherstellungsbescheid des Landrates des Kreises L. als Kreispolizeibehörde vom 20. Oktober 2014 aufzuheben.

    Das beklagte Land beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung wiederholt und vertieft es die Ausführungen aus dem angefochtenen Bescheid.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des beklagten Landes verwiesen. Ferner wird auf den Inhalt der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft L. mit dem Aktenzeichen 204 Js 519/13 verwiesen.

    Entscheidungsgründe:

    Die Anfechtungsklage gegen den Sicherstellungsbescheid ist begründet. Der auf § 43 Nr. 2 PolG NRW gestützte Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.

    Der Landrat des Kreises L. als Kreispolizeibehörde hat die Sicherstellung auf § 43 Nr. 2 PolG NRW gestützt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift lagen am 20. Oktober 2014 nicht vor. Gemäß § 43 Nr. 2 PolG NRW kann die Polizei eine Sache sicherstellen, um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen. Das beklagte Land hat keine hinreichenden Anhaltspunkte beigebracht, aus denen sich ergeben könnte, es gebe einen besseren Berechtigten an dem Bargeld außer dem Kläger und/oder dem Zeugen P.. Im vorliegenden Zusammenhang ist der Kläger entgegen der Rechtsauffassung des beklagten Landes, wie sie in dem angefochtenen Bescheid zum Ausdruck kommt, nicht verpflichtet, sein Eigentum an dem Bargeld zu beweisen oder auch nur glaubhaft zu machen. Denn um das Eigentum geht es vorliegend nicht, sondern nur um den unmittelbaren Besitz bzw. Gewahrsam. Die vormalige strafprozessuale Sicherstellung des Bargeldes auf der Grundlage von § 111 Buchst. b Abs. 1 StPO richtete sich nicht gegen das Eigentum, sondern gegen den Gewahrsam.

    Vgl. BGH, Urteil vom 14. November 2014, - V ZR 90/13 -, juris.

    Auch die polizeiliche Sicherstellung auf der Grundlage von § 43 Nr. 2 PolG NRW zielt nicht auf das Eigentum als Zugriffsobjekt, sondern nur auf den unmittelbaren Besitz bzw. den Gewahrsam. Dem gegenwärtigen unmittelbaren Besitzer wird die Sache weggenommen, weil im Fall des § 43 Nr. 2 PolG NRW der Verdacht besteht, dass es einen noch zu ermittelnden besser Berechtigten an der Sache gibt. Hier ging die Polizei ausweislich der Begründung des angefochtenen Bescheides aber bereits im Zeitpunkt der späteren polizeilichen Sicherstellung aufgrund einer zutreffenden, vom Gericht geteilten Würdigung des wesentlichen Ermittlungsergebnisses des Verfahrens der Staatsanwaltschaft L. mit dem Aktenzeichen 204 Js 519/13 davon aus, dass ein besser Berechtigter als der Kläger und/oder der Zeuge P. nicht ermittelt werden konnte. Die Voraussetzungen einer Sicherstellung lagen somit von Anfang an nicht vor.

    Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Februar 2010, - 5 A 1198/08 -, NRWE, ebenda Rz. 18.

    Ausreichende Anhaltspunkte für eine konkrete Zuordnung des Bargelds zu einer bestimmten Straftat bzw. zu einem konkret Geschädigten bestanden bereits im Zeitpunkt der polizeilichen Sicherstellung nicht.

    Auf andere Ermächtigungsgrundlagen hat das beklagte Land die Sicherstellung nicht gestützt. Deren Voraussetzungen liegen auch nicht sich aufdrängend sonst vor.

    Aus gegebenem Anlass weist das Gericht darauf hin, dass der Kläger die Herausgabe des sichergestellten Bargeldes (beziehungsweise einer Summe Bargeld in Euro im Nennwert von 150.000 EUR; das ursprünglich sichergestellte Bargeld existiert nach seiner zwischenzeitlichen Einzahlung auf ein Konto des beklagten Landes nicht mehr) an sich allein nicht verlangen kann, weil er nicht letzter alleiniger Besitzer des Bargeldes unmittelbar vor dem Zugriff der Polizei war. Er hatte es vielmehr dem Zeugen P. übergeben, der es an sich genommen und hinter den Beifahrersitz seines Fahrzeuges gestellt hatte. Der Zeuge P. war deshalb Mitbesitzer des Bargeldes geworden. Zugleich hatte der Kläger seinen vormaligen Alleinbesitz an dem Bargeld im Zeitpunkt der Sicherstellung noch nicht endgültig aufgegeben. Auch insoweit ergibt sich aus den Angaben des Zeugen P., dass bis zur endgültigen Annahme des Bargeldes durch diesen als Kaufpreiszahlung der Kläger ebenfalls noch von einem Herrschaftswillen getragene Sachherrschaft über das Bargeld hatte. Mit befreiender Wirkung für das beklagte Land kann eine Erfüllung daher nur gemeinschaftlich an den Kläger und den Zeugen P. erfolgen,

    Vgl. Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 7. November 2014, - 18 K 3377/14 -, NRWE, Rz.34

    wobei es ausreicht, dass einer der Berechtigten den Anderen zum Empfang des Geldes ermächtigt.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 167 Abs. 2 und 1 VwGO, 709 ZPO.