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  • 13.07.2017 · IWW-Abrufnummer 195110

    Verwaltungsgerichtshof Bayern: Beschluss vom 10.06.2016 – 3 ZB 14.1307

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Tenor:

        I.

        Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
        II.

        Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
        III.

        Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 37.170,34 € festgesetzt.

    Gründe
    1

    Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils), des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) sowie des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
    2

    1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i. S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
    3

    Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid des Bayer. Landesamts für Steuern vom 2. August 2013 sowie auf Feststellung, dass das Beamtenverhältnis des Klägers, der als Steuerhauptsekretär (BesGr A 8) beim Finanzamt M. im Dienst des Beklagten stand, aufgrund der seit dem 1. Juli 2013 rechtskräftigen Verurteilung des Klägers zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Monaten auf Bewährung wegen Steuerhinterziehung durch Urteil des Amtsgerichts M. vom 20. Februar 2013 (Az. 1114 Ds 298 Js 132326/12) nicht mit Ablauf des 1. Juli 2013 geendet habe, sondern fortbestehe, zu Recht abgewiesen. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger wegen einer vorsätzlichen Tat rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist und infolgedessen nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG seine Rechte aus dem Beamtenverhältnis verloren hat.
    4

    Die hiergegen vom Kläger innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgebrachten Einwände begründen keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils.
    5

    Soweit der Kläger meint, ein Strafausspruch von 12 Monaten Freiheitsstrafe könne nicht in eine Freiheitsstrafe von einem Jahr umgedeutet werden, da 12 Monate ggf. kürzer als ein volles Jahr seien, trifft dies nicht zu. Eine Verurteilung zu 12 Monaten Freiheitsstrafe entspricht einem vollen Jahr (BVerwG, B. v. 30.4.1980 - 2 B 35.80 - [...] Rn. 4; U. v. 1.7.2003 - 1 WD 34.02 - BVerwGE 188, 262 [...] Rn. 1) und erlaubt eine eindeutige Anknüpfung. Zwar ist nach § 39 StGB Freiheitsstrafe unter einem Jahr nach vollen Wochen und Monaten, Freiheitsstrafe von längerer Dauer nach vollen Monaten und Jahren zu bemessen. Dadurch soll die schuldangemessene Strafe eindeutig festgelegt werden. Dies schließt jedoch nicht aus, auf 12 Monate statt auf ein Jahr Freiheitsstrafe zu erkennen (BayObLG, U. v. 10.6.1976 - RReg 2 St 73/76 - NJW 1976, 1951), i. Ü. kann eine unrichtige Bezeichnung auch in die richtige umgedeutet werden (BGH, U. v. 18.5.1955 - 3 StR 102/55 - BGHSt 7, 322).
    6

    Dem steht nicht entgegen, dass bei einer nach Monaten bemessenen Freiheitsstrafe die tatsächlich zu verbüßende Strafzeit aufgrund der unterschiedlichen Länge der Kalendermonate verschieden ausfallen kann (was im Einzelfall hinzunehmen ist, vgl. RG, U. v. 28.9.1896 - 2455/96 - RGSt 29, 75; OLG Saarbrücken, B. v. 18.2.1994 - 1 Ws 126/93 - NStZ 1994, 408), da § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG nicht an die tatsächliche Haftdauer, sondern an den Strafausspruch anknüpft. Die nach § 39 StGB festzusetzende Strafdauer ist unabhängig davon, wann die Strafe vollstreckt wird (BGH, U. v. 18.5.1955 a. a. O.). Auch die Strafzeitberechnung wird hiervon nicht beeinflusst (§ 37 Abs. 4 StVollStrO, BayObLG, U. v. 10.6.1976 a. a. O.).
    7

    Dem kann der Kläger auch nicht entgegenhalten, im Zweifel sei davon auszugehen, dass das Strafgericht aufgrund des nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG kraft Gesetzes eintretenden Verlustes der Beamtenrechte gerade keine Verurteilung von einem Jahr Freiheitsstrafe aussprechen habe wollen. Zwar ist diese Folge bei der Strafrahmenwahl zu berücksichtigen (BGH, U. v. 16.12.1987 - 2 StR 527/87 - BGHSt 35, 148), was das Strafgericht auch getan hat. Dies ändert aber nichts daran, dass es den Kläger im Rahmen seiner Abwägung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Monaten = einem Jahr verurteilt hat, was zum Verlust der Beamtenrechte führt.
    8

    Der Beendigung des Beamtenverhältnisses des Klägers nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG steht auch nicht entgegen, dass in die Gesamtstrafenbildung nach §§ 53, 54 StGB neben 39 Einzelstrafen zwischen einem Monat und sieben Monaten Freiheitsstrafe auch fünf Geldstrafen zwischen 10 und 20 Tagessätzen eingeflossen sind, ohne dass eine der Freiheitsstrafen die Höhe von einem Jahr erreicht hätte.
    9

    Eine zur Beendigung des Beamtenverhältnisses führende Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr i. S. d. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG liegt auch vor, wenn wegen mehrerer vorsätzlicher Rechtsverletzungen eine Gesamtfreiheitsstrafe in dieser Höhe ausgesprochen wird (BVerwG, B. v. 21.12.1976 - II WD 9.76 - BVerwGE 53, 236 -[...] Rn. 25; B. v. 10.6.1992 - 2 B 88.92, 2 C 13.92 - [...] Rn. 1; U. v. 1.7.2003 a. a. O. Rn. 5). Dabei ist unerheblich, ob die Gesamtfreiheitsstrafe allein aus Freiheitsstrafen oder - wie hier - entsprechend § 53 Abs. 2 Satz 1, § 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 StGB aus Geld- und Freiheitsstrafen gebildet worden ist (BVerwG, B. v. 21.12.1976 a. a. O.).
    10

    Die vom Kläger hiergegen vorgetragenen Bedenken, eine automatische Beendigung des Beamtenverhältnisses dürfe nicht erfolgen, wenn in die Verurteilung Geldstrafen eingeflossen seien und offen sei, ob auch ohne diese eine Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verhängt worden wäre, teilt der Senat nicht. Es ist irrelevant, welches Strafmaß auf die einzelnen durch den Kläger vorsätzlich begangenen Taten entfällt, da es insoweit nur auf die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe wegen mehrerer vorsätzlicher Rechtsverletzungen ankommt (BVerwG, U. v. 15.5.1997 - 2 C 39.96 - [...] Rn. 29). Die vorliegende Fallkonstellation ist auch schon von vornherein nicht mit der vergleichbar, dass aus dem Strafurteil nicht eindeutig hervorgeht, ob bei einer Verurteilung wegen vorsätzlicher in Tateinheit mit fahrlässiger Tat die Verhängung von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe allein wegen der Vorsatztat erfolgt ist (vgl. BVerwG, U. v. 12.10.1989 - 2 C 51.88 - BVerwGE 84, 1 - [...] Rn. 15), da aufgrund des Strafurteils rechtskräftig feststeht, dass der Kläger wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt worden ist. Der Hinweis darauf, dass die Vorschriften über die Gesamtstrafenbildung eine Addition der an sich verwirkten Einzelstrafen ausschließen (§ 54 Abs. 2 Satz 1 StGB), trifft zwar zu; hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass bei Einzelstrafen unter einem Jahr keine höhere Gesamtstrafe gebildet werden könnte. Die konkret vorgenommene Gesamtstrafenbildung bleibt auch unter der Summe der Einzelstrafen.
    11

    2. Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu. Die vom Kläger formulierten Fragen, ob die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten mit einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr gleichzusetzen ist und ob die Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr unter Einbeziehung von Geldstrafen bei der Gesamtstrafenbildung die Beendigung des Beamtenverhältnisses gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG zur Folge hat, lassen sich nach dem unter 1. Ausgeführten bejahen, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
    12

    3. Auch ein der Beurteilung des Senats unterliegender Verfahrensfehler, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), liegt nicht vor. Entgegen der Behauptung des Klägers liegt in dem Umstand, dass das Verwaltungsgericht dem Vorbringen des Klägers, bei der Gesamtstrafenbildung eingeflossene Geldstrafen müssten bei Anwendung von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG außer Betracht bleiben und die Tatbestandsvoraussetzungen "vorsätzliche" Tat und "Freiheitsstrafe" seien getrennt voneinander zu prüfen und müssten kumulativ vorliegen, nicht gefolgt ist, sondern diese Frage unter Hinweis auf die von ihm zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für unerheblich angesehen hat, keine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO). Das Erstgericht hat dieses Vorbringen zur Kenntnis genommen und bei seinem Urteil berücksichtigt, wenn es ihm auch nicht gefolgt ist. Im Übrigen könnte die Entscheidung nach dem unter 1. Ausgeführten auch nicht hierauf beruhen (§ 144 Abs. 4 VwGO analog).
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    4. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG in der bis 15. Juli 2014 geltenden Fassung, § 71 Abs. 1 GKG (Summe der Bruttobezüge für das laufende Kalenderjahr, wie Vorinstanz).
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    Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

    Vorschriften§ 39 StGB § 53 Abs. 2 S. 1 StGB § 54 Abs. 1 S. 2 StGB § 54 Abs. 2 S. 1 StGB § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BeamtStG § 108 Abs. 2 VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, 3, 5 VwGO Art. 103 Abs. 1 GG