09.08.2018 · IWW-Abrufnummer 202862
Oberlandesgericht Bamberg: Urteil vom 22.06.2018 – 3 OLG 110 Ss 38/18
1. Die Wirksamkeit der Beschränkung einer Berufung auf das Strafmaß wird nicht dadurch infrage gestellt, dass der Angeklagte sich darauf beruft, bei einem Teil der Taten seien die Voraussetzungen für ein Regelfallbeispiel gemäß § 370 III 2 Nr. 1 AO aus rechtlichen Gründen nicht erfüllt. Dies gilt selbst dann, wenn das Rechtsmittel insoweit das Ziel einer Verfahrenseinstellung wegen Verjährung der Taten verfolgt.
2. Im Falle besonderer Verschleierungshandlungen durch Vereinnahmung von Geldern über ein ausländisches Konto war bereits nach früherer Rechtsprechung ein großes Ausmaß der verkürzten Steuern i.S.v. § 370 III 2 Nr. 1 AO schon ab einem Betrag von 50.000 EUR anzunehmen, so dass sich die Frage, ob und inwieweit eine Änderung der Rechtsprechung sich als eine unzulässige Rückwirkung erweist, schon deshalb nicht stellt.
Der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat in dem Strafverfahren gegen
wegen Steuerhinterziehung
aufgrund der Hauptverhandlung in der öffentlichen Sitzung vom 22. Juni 2018
für Recht erkannt:
I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts vom 23. Februar 2018 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
I.
Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 26.10.2017 wegen Steuerhinterziehung in 6 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Daneben hat es gegen den Angeklagten eine Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 190 Euro verhängt und die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 238.000 Euro angeordnet. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte am 02.11.2017 Berufung ein, welche er mit Verteidigerschriftsatz vom 02.02.2018 „auf das Strafmaß und die Rechtsfrage“ beschränkte, „ob für die Veranlagungszeiträume 2007, 2008 und 2009 ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung gemäß § 370 III 2 Nr. 1 AO“ vorliege. Mit Urteil vom 23.02.2018 hat das Landgericht, das von einer wirksamen Beschränkung des Rechtsmittels auf den „Rechtsfolgenausspruch“ ausging, die Berufung des Angeklagten mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Höhe der angeordneten Einziehung von Wertersatz 228.000 Euro beträgt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt.
II.
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der statthaften und auch im Übrigen zulässigen Revision deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
1. Eine den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügende Verfahrensrüge ist mangels Ausführung nicht erhoben.
2. Die Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß ist wirksam, was der Senat aufgrund der zulässigen Revision von Amts wegen zu prüfen hat (st.Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. v. 30.11.1976 - 1 StR 319/76 = BGHSt 27, 70 = NJW 1977, 442 = JZ 1977, 142 = MDR 1977, 326 = DAR 1977, 136 = JR 1978, 70; BayObLG, Beschl. vom 02.02.2001 - 5St RR 20/01 = VRS 100 [2001], 354 = NZV 2001, 353 = BA 38, 290; OLG Bamberg, Beschl. v. 03.04.2018 – 3 Ss OWi 330/18; 30.10.2017 - 3 Ss OWi 1206/17 = VM 2018, Nr. 7 = ZfS 2018, 114; 09.10.2017 - 3 OLG 6 Ss 94/17; Urt. vom 14.03.2017 - 3 OLG 6 Ss 22/17 [jeweils bei juris]; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 61. Aufl. § 318 Rn. 33, § 327 Rn. 9, § 352 Rn. 4).
a) Die Bestimmung des § 302 Abs. 2 StPO steht der Wirksamkeit der vom Verteidiger erklärten Berufungsbeschränkung auf das Strafmaß nicht entgegen. Der Verteidiger war nach dem Inhalt seiner gegenüber dem Senat auf Anfrage hin mit Schreiben vom 22.05.2018 abgegebenen Stellungnahme ausdrücklich vom Angeklagten dazu ermächtigt, die als Teilrücknahme des zunächst unbeschränkt eingelegten Rechtsmittels zu wertende nachträgliche Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß (vgl. für den Fall der Einspruchsbeschränkung nach § 67 Abs. 2 OWiG zuletzt OLG Bamberg, Beschl. v. 03.04.2018 – 3 Ss OWi 330/18 [bei juris] m.w.N.) zu erklären.
b) Auch sonst begegnet die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung keinen Bedenken.
aa) Die tatsächlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils entsprechen zwar nicht den Anforderungen an eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung, weil die Darstellung der Steuerberechnung im Einzelnen (st.Rspr., vgl. zuletzt nur BGH, Beschl. v. 24.5.2017 − 1 StR 176/17 = NStZ 2018, 341 = NZWiSt 2018, 38 = StV 2018, 39 = wistra 2017, 445; Urt. v. 19.12.2017 – 1 StR 56/17 [bei juris]; 28.10.2015 – 1 StR 465/14 = NStZ 2016, 292) unterbleibt, sich stattdessen auf die Mitteilung der erklärten zu versteuernden Einkommen, der tatsächlichen Einkommen und der Bezifferung der verkürzten Steuerbeträge beschränkt. Dieser Darstellungsmangel berührt indes nicht die Wirksamkeit der Beschränkung des Rechtsmittels auf das Strafmaß, weil die Angaben zur Höhe der hinterzogenen Steuern für die jeweiligen Veranlagungszeiträume im amtsgerichtlichen Urteil eine hinreichende Grundlage für die Strafzumessung bieten.
(1) Durch diesen Zusatz wurde das Rechtsmittel nicht auf die Rechtsfrage des Vorliegens eines besonders schweren Falls beschränkt. Vielmehr ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Erklärung klargestellt, dass sich die Berufung gegen den Strafausspruch insgesamt wendet und dabei auch die Prüfung durch das Rechtsmittelgericht erstrebt wird, ob die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils eine Subsumtion unter die Vorschrift des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO rechtfertigen. Zu einer derartigen Prüfung wäre das Berufungsgericht aber auch ohne einen entsprechenden Zusatz verpflichtet gewesen, sodass der Rekurs auf die Rechtsfrage des Vorliegens eines besonders schweren Falles lediglich als Hinweis auf die Rechtslage anzusehen ist. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Rechtsmittelführer gleichzeitig zum Ausdruck gebracht hätte, dass er sich auch gegen die insoweit maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen zur Höhe der hinterzogenen Steuerbeträge wenden wollte. Dies war aber zweifelsfrei nicht der Fall, was sich schon daraus ergibt, dass es ihm allein um die Klärung der „Rechtsfrage“ ging.
(2) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass es dem Angeklagten vor allem darum ging, dass im Falle der Verneinung besonders schwerer Fälle bei einem Teil der Taten das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Zwar kann dann nicht von einer wirksamen Beschränkung einer Berufung auf das Strafmaß ausgegangen werden, wenn der Beschwerdeführer sich auch gegen die Richtigkeit des Schuldspruchs oder der ihm zugrunde liegenden Feststellungen wendet (vgl. hierzu etwa OLG Bamberg, Beschl. v. 30.10.2017 – 3 Ss OWi 1206/17 = VM 2018, Nr 7 = ZfS 2018, 114 m.w.N.), weil bei einer derartigen Konstellation die Beschränkung dem erklärten Ziel des Rechtsmittels widerspräche. Etwas anderes gilt aber dann, wenn der Beschwerdeführer - wie hier - der Auffassung ist, es sei Verjährung eingetreten. In einem solchen Falle besteht gerade kein Widerspruch im Willen des Rechtsmittelführers. Denn auch im Falle der horizontalen Teilrechtskraft, die durch die Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß eintritt, wäre das Verfahrenshindernis der Verjährung von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. speziell zur Verjährung nur BGH, Beschl. v. 11.04.2013 – 2 StR 401/12 [bei juris]).
3. Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Insbesondere hat die Berufungskammer zu Recht für die Veranlagungszeiträume 2007 bis 2010 den Strafrahmen des besonders schweren Falles nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO wegen Steuerverkürzungen „in großem Ausmaß“ zugrunde gelegt, sodass auch keine Verjährung eintrat, weil die Verjährungsfrist gemäß § 376 Abs. 1 AO jeweils 10 Jahre beträgt.
a) Für die genannten Veranlagungszeiträume liegt die Höhe der hinterzogenen Beträge jeweils über 50.000 Euro, was nach nunmehr gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung für die Erfüllung des Regelfallbeispiels der Steuerverkürzung in großem Ausmaß gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO ausreichend ist (BGH, Urt. v. 27.10.2015 – 1 StR 373/15 = BGHSt 61, 28 = NJW 2016, 965 = NZWiSt 2016, 102 = wistra 2016, 157 = NStZ 2016, 288 = StV 2016, 565). Der Umstand, dass nach früherer, insbesondere zu den jeweiligen Tatzeitpunkten maßgeblicher Rechtsprechung ein besonders schwerer Fall im Sinne dieser Vorschrift erst ab einem Hinterziehungsbetrag von 100.000 Euro angenommen wurde, wenn sich das Verhalten des Täters darauf beschränkt hat, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und hierdurch lediglich eine Gefährdung des Steueranspruchs bewirkt wurde (vgl. BGH, Urt. v. 02.12.2008 – 1 StR 416/08 = BGHSt 53, 71 = NJW 2009, 528 = wistra 2009, 107 = StV 2009, 188 = NStZ 2009, 271 = BGHR AO § 370 Abs 1 Strafzumessung 19), führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis. Denn nach den tatrichterlichen Feststellungen hat der Angeklagte besondere Verschleierungshandlungen dadurch vorgenommen, dass er die Einnahmen auf ein Konto einer Schweizer Bank gutschreiben ließ. Bei dieser Sachlage war schon bei Zugrundelegung der früheren Rechtsprechung die Grenze zum besonders schweren Fall bei 50.000 Euro anzusetzen, weil sich das Verhalten des Angeklagten gerade nicht auf ein bloßes Verschweigen steuerpflichtiger Einkünfte beschränkt hatte (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 26.10.2016 – 1 StR 172/16 = NZWiSt 2017, 68 = wistra 2017, 196). Darauf, dass bei einer Änderung der Rechtsprechung das in Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB normierte Rückwirkungsverbot nicht tangiert wird (vgl. nur BVerfG, Kammerbeschl. vom 27.06.1994 – 2 BvR 1269/94 = NJW 1995, 125 = VRS 88, 1 [1995] = NZV 1995, 76 = BA 32 [1995], 127 = DAR 1995, 103; BGH, Urt. v. 20.03.1995 – 5 StR 111/94 = BGHSt 41, 101 = NStZ 1995, 401 = MDR 1995, 945 = NJW 1995, 2728 = NJ 1995, 539 = BGHR GG Art. 103 Abs. 2 Rückwirkung 4; Beschl. v. 08.04.2010 – 5 StR 491/09 = wistra 2010, 263; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 16.05.2011 – 2 BvR 1230/10 = BVerfGK 18, 430 [offen gelassen für den Fall, dass die frühere Rechtsprechung durch ein Mindestmaß an Kontinuität einen Vertrauenstatbestand begründen konnte]), kommt es deshalb nicht an.
b) Auch die Strafzumessung im engeren Sinne weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insbesondere verfängt die Beanstandung, die Berufungskammer habe rechtsfehlerhaft strafschärfend berücksichtigt, dass eine „Verschleierung“ durch die Verwendung eines Schweizer Kontos erfolgt sei, obwohl es selbst festgestellt habe, dass das Konto nicht zu diesem Zweck eingerichtet worden sei, schon deshalb nicht, weil das Landgericht diesen Umstand lediglich als flankierendes Argument zur Bejahung besonders schwerer Fälle für die Veranlagungszeiträume 2007 bis 2010 heranzog, nicht aber bei der Strafzumessung im engeren Sinn berücksichtigt hat. Ungeachtet dessen wäre die gezielte Umleitung der Einnahmen zum Zwecke der Steuerhinterziehung auf ein ausländisches Konto, was das Landgericht explizit festgestellt hat, Ausdruck besonderer krimineller Intensität und hätte deshalb bei der Straffindung durchaus Berücksichtigung finden können. Der Umstand, dass das Konto ursprünglich zu einem anderen Zweck „eingerichtet“ worden war, worauf die Revision abstellt, ist demgegenüber ohne Bedeutung.
4. Dass das Landgericht trotz wirksamer Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß rechtsfehlerhaft die Höhe des einzuziehenden Geldbetrags herabgesetzt hat, nachdem es sich bei der Einziehung nicht um eine Strafe, sondern eine Maßnahme eigener Art nach § 11 Nr. 8 Alt. 2 StGB handelt (vgl. nur Fischer StGB 65. Aufl. § 73 Rn. 4 m.w.N.), so dass dies seiner Entscheidungskompetenz entzogen war (vgl. zuletzt OLG Bamberg, Beschl. v. 06.11.2017 – 3 OLG 7 Ss 108/17 [bei juris]), beschwert den Angeklagten nicht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.