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  • 28.10.2020 · IWW-Abrufnummer 218621

    Finanzgericht München: Urteil vom 01.07.2020 – 3 K 3072/18

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht München

    Urteil vom 01.07.2020

    Az.: 3 K 3072/18

    In der Streitsache
    Kläger
    prozessbevollmächtigt:
    Rechtsanwalt
    gegen
    Finanzamt Beklagter
    vertreten durch den Amtsleiter
    StNr.:

    wegen
    Haftung für Umsatzsteuer 2003 und 2004 des A.A

    hat der 3. Senat des Finanzgerichts München durch
    den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht,
    den Richter am Finanzgericht und
    den Richter am Finanzgericht
    sowie die ehrenamtlichen Richterin und den ehrenamtlichen Richter

    auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 1. Juli 2020 für Recht erkannt:

    Tenor:

    1. Unter Änderung des Haftungsbescheids vom 15. Dezember 2015 und der Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2018 wird die Haftungsschuld auf ... € herabgesetzt; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
    2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens zu 77 Prozent und der Beklagte zu 23 Prozent.
    3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    Gründe

    I.

    Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides gegenüber dem Kläger als Gehilfe einer Steuerhinterziehung durch A.A für hinterzogene Umsatzsteuern und Zinsen hierzu der Jahre 2003 und 2004.

    Der Kläger ist Außendienstmitarbeiter der Firma (im Folgenden: Firma B). In dieser Funktion verkaufte er in den Jahren 2003 und 2004 unter anderem an einen A.A für dessen Pizzeria "..." in ... Waren der Firma B. Dabei wurde für jeden Kunden bei der Firma B ein Debitorenkonto geführt, auf dem der Wareneinkauf des Kunden erfasst wurde; für A.A war dies das Debitorenkonto 22028. Daneben stellte der Kläger A.A ein sogenanntes Touren/Barverkaufskonto mit der Nummer 21493 (im Folgenden: Barverkaufskonto) zur Verfügung. In der Buchhaltung der Firma B lief dieses Konto auf den Namen des Klägers. In den einzelnen Buchungssätzen dieses Kontos bei der Firma B waren - neben Art und Menge der bezogen Waren - jeweils der Name und die Anschrift des Kunden erfasst. Neben den Wareneinkäufen über das Kundenkonto 22028 wurden auf Wunsch von A.A auch Waren der Firma B über das Barverkaufskonto 21493 bezogen; dies waren im Jahr 2003 Waren im Wert von ... € netto und im Jahr 2004 Waren im Wert von ... € netto.

    Aufgrund von Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts bei der Firma B und bei A.A (strafrechtlicher Ermittlungsbericht vom 18. Oktober 2012) stellte der Beklagte (im Folgenden: FA) fest, dass A.A Steuern hinterzogen hatte, u.a. indem er die bar gezahlten, bei der Firma B über das vom Kläger eingerichtete Barverkaufskonto abgerechneten Einkäufe ebenso wie die aus deren Verkauf entsprechenden Umsätze in seiner Buchhaltung nicht erfasst hatte und in seinen eingereichten Steuererklärungen jeweils zu niedrige Umsätze erklärt hatte. Mit geänderten Umsatzsteuerbescheiden vom 6. Oktober 2010 wurden die daraus resultierende höhere Umsatzsteuer gegenüber A.A festgesetzt. Unter anderem deswegen wurde Herr A.A mit Strafbefehl des Amtsgerichts vom 23. Februar 2011 (Az.: ) rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung für die Jahre 2001 bis 2004 verurteilt.

    Im Folgenden wurde der Kläger vom Amtsgericht mit Urteil vom 6. Mai 2014 wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 60 € verurteilt. Auf die Berufung des Klägers hin wurde er dann vom Landgericht mit rechtskräftigem Urteil vom 4. März 2015 (Az.: ) - auf das hier Bezug genommen wird (S. 83 ff. Haftungsakte Teil I) - wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 14 Fällen u.a. auch zugunsten seines Kunden A.A (für die Jahre 2003 und 2004) zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu 50 € verurteilt. Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts wurde vom Oberlandesgericht mit Beschluss vom 9. September 2015 als unbegründet verworfen (Az.: ).

    Mit Haftungsbescheid vom 15. Dezember 2015 nahm das FA den Kläger wegen Beihilfe an der Steuerhinterziehung des A.A gemäß § 71 der Abgabenordnung (AO) wegen dessen daraus resultierenden Umsatzsteuerschulden und Hinterziehungszinsen für 2003 und 2004 in Höhe von insgesamt € in Haftung. Im Einzelnen betrugen die Haftungsbeträge:

    - Umsatzsteuer 2003:    ... €
    - Umsatzsteuer 2004:    ... €
    = ... €
    - Zinsen zur Umsatzsteuer 2003:    ... €
    - Zinsen zur Umsatzsteuer 2004:    ... €
    = ... €

    Die im Haftungsbescheid gegen den Kläger angesetzten Umsatzsteuerbeträge decken sich mit den der strafrechtlichen Verurteilung des Klägers zugrundeliegenden hinterzogenen Umsatzsteuerbeträgen (vgl. S. 49 des Urteils des Landgerichts vom 4. März 2015; S. 131 Haftungsakte Teil I).

    Bei der Berechnung der der Haftungssumme zugrundeliegenden hinterzogenen Steuern legte das FA entsprechend den Feststellungen der Steuerfahndung den Wareneinkauf des A.A über das Barverkaufskonto zu Grunde und ermittelte seine nicht erklärten Umsätze hieraus durch Ansatz eines Aufschlagsatzes von 220 % hierauf unter Abzug der Vorsteuer von 7 % aus dem "Schwarzeinkauf" (vgl. zur Berechnung die Anlage zum Steuerfahndungsbericht vom 18. Oktober 2012; S. 55 Haftungsakte Teil I). In der Anlage zum Haftungsbescheid führt das FA zum Auswahlermessen aus, dass hierbei der direkte Beihilfevorsatz des Klägers berücksichtigt worden sei und weitere Haftungsschuldner nicht vorhanden seien.

    Gegen den Haftungsbescheid vom 15. Dezember 2015 war der Einspruch vom 15. Januar 2016 gerichtet.

    Im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens erläuterte das FA die Ermessensentscheidung dahingehend ergänzend, dass eine Inanspruchnahme des Bruders von A.A - B.A - nicht erfolgt sei, da seine Beteiligung an der Steuerhinterziehung in den Streitjahren nicht zweifelsfrei feststehe, insbesondere habe die Staatsanwaltschaft trotz Kenntnis des Sachverhalts kein Strafverfahren gegen diesen eingeleitet. Zudem sei die Haftungsschuld bei dem Bruder aller Wahrscheinlichkeit nicht zu realisieren, da dieser nicht eintreibbare Steuerrückstände in erheblicher Höhe habe.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2018 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

    In der Begründung seiner Einspruchsentscheidung trägt das FA im Wesentlichen vor, dass der Kläger zu der Steuerhinterziehung des A.A Beihilfe geleistet und damit i.S.v. § 71 AO an dieser Tat teilgenommen habe. Dies ergebe sich aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts . Auch wenn diese strafgerichtliche Verurteilung keine Bindungswirkung für das Haftungsverfahren habe, liege es nahe, den vom Strafgericht festgestellten Sachverhalt zu übernehmen und sich zu eigen zu machen. Vorliegend sei A.A wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden; er sei daher auch der Bezieher der Einkünfte aus der Pizzeria. Selbst wenn sein Bruder B.A für einzelne Tätigkeiten in der Gaststätte hauptsächlich zuständig gewesen sei, mache ihn das nicht sogleich zum wirtschaftlichen Eigentümer der Pizzeria. Den Kläger treffe hier die vollständige organisatorische Verantwortung für das Barverkaufskonto und er habe auch die Provision auf diese Erlöse erhalten. Der Tatbeitrag des Klägers habe hier dazu beigetragen, dass der Steuerschuldner A.A davon ausgehen konnte, dass eine Außenprüfung seine Taten nicht entdecken konnte. Vorliegend seien auch die Grundsätze der anteiligen Haftung bei mangelnder Liquidität nicht missachtet worden, bei einer Haftung nach § 71 AO komme es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) nicht auf die Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners an. Auch der Ansatz eines Rohgewinnaufschlagsatzes von 220 % sei nicht überhöht, sondern bei Pizzerien eher am unteren Bereich angesiedelt. Hier sei ausreichend berücksichtigt worden, dass der Wareneinkauf nur Speisen und keine Getränke betreffe, denn die Richtsatzsammlung für 2004 weise für Pizzerien hinsichtlich des Rohgewinnaufschlages eine Spanne von 194 % bis zu 400 % aus.

    Gegen die Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2018 ist die Klage vom 26. November 2018 gerichtet.

    Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 71 AO nicht vorliegen würden. Der rein formale Bezug auf das Urteil des Landgerichts trage in mehrfacher Hinsicht eine Haftungsinanspruchnahme nicht. Es bedürfe hier einer eigenständigen Neubewertung, ob eine Beihilfe gegeben sei, woran aber ganz erhebliche Zweifel bestehen würden. So fehle es schon an einer rechtswidrigen Haupttat, denn die Einkünfte aus der Pizzeria hätten nicht A.A, sondern seinem Bruder B.A zugerechnet werden müssen, denn dieser sei nach den Feststellungen der Steuerfahndung der Betreiber des Lokals gewesen. Bei A.A habe es sich lediglich um einen Strohmann gehandelt, der für seien älteren Bruder agiert habe. Der Kläger habe somit schon aus formalen Gründen keine Beihilfe zu einer Steuerhinterziehung des A.A leisten können. Darüber hinaus werde auch materiell-rechtlich jegliche Beihilfehandlung des Klägers zugunsten des Primärschuldners oder seines Bruders bestritten. So habe schon der Fahndungsprüfer C viele grobe Sachverhaltsverfälschungen und Unwahrheiten vorgetragen. So sei der Kläger weder regelmäßig über die Umsätze seiner Kunden auf dem Barverkaufskonto informiert worden, noch habe er die Gelder der Einkäufe bar kassiert, zudem hätte keine Nutzung des Barverkaufskontos durch eine Vielzahl von Kunden stattgefunden. Der Fahnder C hätte die von ihm vernommenen Zeugen auch durch Suggestivfragen zu Lasten des Klägers beeinflusst. Des Weiteren fehle es an der Kausalität der angebliche Beihilfehandlung, denn das FA könne nicht nachweisen, dass genau die Waren, die mit Rechnung im Barzahlungsverkauf durch den Steuerpflichtigen erworben wurden, später auch zum Weiterverkauf und zum Verschleiern der Einnahmen genutzt worden seien. Zudem seien die Grundsätze der anteiligen Tilgung bei mangelnder Liquidität missachtet worden, die hier zu § 69 AO entwickelten Grundsätze seien nach der Rechtsprechung auch im Rahmen des § 71 AO beachtlich. Beide Brüder A seien zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld bereits nicht mehr leistungsfähig gewesen, dies schlage auch zugunsten des Klägers als Haftungsschuldner durch. Des Weiteren fehle es an der schlüssigen Darlegung der Tatbestandsvoraussetzungen im Haftungsbescheid, ein bloßer Hinweis darauf - so wie es hier erfolgt sei -, dass nach den Feststellungen der Steuerfahndung eine Steuerhinterziehung vorliege, reiche nicht aus. Zudem sei das Auswahlermessen durch die fehlende Inanspruchnahme weiterer Haftungsschuldner - wie die Mitarbeiter der Firma B im Telefonverkauf oder Urlaubsvertretungen - fehlerhaft ausgeübt worden. Auch die Höhe der ermittelten Haftungsschuld sei nicht zutreffend. So habe das FA auf den festgestellten Wareneinsatz einen pauschalen Rohgewinnaufschlag von 220 % angesetzt. Dabei habe das FA aber übersehen, dass die Firma B nur Zutaten zur Bereitung von Speisen liefere, keine Getränke. Der Rohgewinnaufschlag bei Speisen sei aber erheblich niedriger als bei Getränken. Die Haftungsschuld sei deshalb überhöht berechnet worden. Zudem sei eine fehlerhafte Aufteilung zwischen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz und dem Regelsteuersatz erfolgt. Im Übrigen sei der Kläger im Haftungsbescheid auch zu Unrecht für Zinsen zur Umsatzsteuer 2003 und 2004 in Haftung genommen worden, denn diese seien erst nach Erlass des Haftungsbescheides festgesetzt worden. Die Zinsen hätten aber wegen der Akzessorietät der Haftung gegenüber dem Primärschuldner bereits vor Erlass des Haftungsbescheides festgesetzt werden müssen.

    Zu dem weiteren Vorbringen des Klägers wird auf die eingereichten Stellungnahmen und zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts auf die Akten verwiesen.

    Der Kläger beantragt,

    den Haftungsbescheid vom 15. Dezember 2015 für Steuerschulden des A.A in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2018 aufzuheben,

    hilfsweise, die Haftungssumme im Haftungsbescheid vom 15. Dezember 2015 in noch zu konkretisierender Höhe herabzusetzen,

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Begründung verweist das FA im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung, auf die hier verwiesen wird.

    Mit Schriftsatz vom 27. April 2020 teilte das FA mit, dass die Haftung nach § 71 AO auch die Hinterziehungszinsen nach § 235 AO für die verkürzten Steuern erfasse. Vorliegend seien diese nach Erlass des Haftungsbescheides vom 15. Dezember 2015 unter der Steuernummer am gleichen Tag festgesetzt worden. Die genaue Berechnung der Hinterziehungszinsen sei dem Kläger in der Anlage zum Haftungsbescheid dargelegt worden.

    Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.

    II.

    Die Klage ist nur zu einem Teil begründet.

    Der Kläger ist durch den Haftungsbescheid vom 15. Dezember 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2018 zu einem Teil in seinen Rechten verletzt und der Haftungsbescheid ist insoweit aufzuheben (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung-FGO). Das FA hat ihn zwar zu Recht in Höhe von ... € wegen Beihilfe zur Hinterziehung von Umsatzsteuer durch A.A in den Jahren 2003 und 2004 in Haftung genommen. Die Haftungsinanspruchnahme des Klägers für Hinterziehungszinsen in Höhe von ... € erfolgte allerdings zu Unrecht.

    1. Gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann derjenige, der kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Gemäß § 71 AO haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 AO, wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt.

    a) Die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners ist dabei zweigliedrig (BFH-Urteil vom 12. Dezember 1996 VII R 53/96, BFH/NV 1997, 386, Rz. 14 m.w.N.). Das FA hat zunächst zu prüfen, ob in der Person oder den Personen, die es heranziehen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsvorschrift erfüllt sind. Dabei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung (BFH-Urteil vom 12. Dezember 1996, a.a.O.). Daran schließt sich die nach § 191 Abs.1 AO zu treffende Ermessensentscheidung des FA an, ob und wen es als Haftenden in Anspruch nehmen will. Hier ist also nochmals zweistufig in einem Entschließungs- und einem Auswahlermessen zu entscheiden.

    Diese auf der zweiten Stufe zu treffenden Entscheidungen des FA nach § 102 FGO sind vom Finanzgericht nur darauf zu überprüfen, ob der Haftungsbescheid deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (BFH-Beschluss vom 23. Oktober 1990 VII S 22/90, BFH/NV 1991, 500, Rz. 9 und BFH-Urteil vom 29. Mai 1990 VII R 85/89, BStBl II, 1008, Rz. 9 jeweils m.w.N.).

    Wegen der Befugnis und Verpflichtung des Gerichts zur Überprüfung behördlicher Ermessensentscheidungen, die dem Gericht keinen Raum für eigene Ermessenserwägungen lassen, muss die Ermessensentscheidung der Verwaltung im Haftungsbescheid, spätestens aber in der Einspruchsentscheidung begründet werden (§§ 121 Abs. 1, 126 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO), anderenfalls ist sie im Regelfall fehlerhaft. Dabei müssen die bei der Ausübung des Verwaltungsermessens angestellten Erwägungen - die der Abwägung des Für und Wider der Inanspruchnahme des Haftungsschuldners - aus der Entscheidung erkennbar sein (BFH-Urteile vom 30. April 1987 VII R 48/84, BStBl II 1988, 170, Rz. 8 und vom 3. Februar 1981 VII R 86/78, BStBl II 1981, 493, Rz. 8).

    b) Ausgehend von diesen Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat das FA zunächst zu Recht das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Haftungsinanspruchnahme des Klägers als Gehilfe einer Steuerhinterziehung des A.A nach § 71 AO angenommen.

    aa) Im Streitfall erfüllte der Primärschuldner A.A den Tatbestand einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 AO bezüglich der geschuldeten, aber zu niedrig erklärten Umsatzsteuer der Jahre 2003 und 2004 aus dem Betrieb seiner Pizzeria. Diese Tat steht hier zur Überzeugung des Gerichts wegen der strafrechtlichen Verurteilung des A.A unter anderem für die Jahre 2003 und 2004 durch den rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts vom 23. Februar 2011 (Az.: ) fest.

    Dabei ist das Gericht - entgegen der Auffassung des Klägers - davon überzeugt, dass der Primärschuldner der hier streitigen Umsatzsteuerschulden A.A und nicht dessen Bruder B.A war. Es mag sich zwar aus dem strafrechtlichen Ermittlungsbericht der Steuerfahndung vom 18. Oktober 2012 des Fahndungsprüfers C ergeben, dass B.A faktischer Inhaber der Pizzeria gewesen sein soll. Dieser Auffassung des Fahndungsprüfers sind aber weder das FA noch das Landgericht gefolgt. Ein Bericht der Steuerfahndungsstelle entfaltet für sich allein keine Bindungswirkung für das Festsetzungsfinanzamt, rechtliche Wirkungen erhalten die Feststellungen der Steuerfahndung erst durch entspreche Steuerfestsetzungen - mithin der Übernahme der Prüfungsfeststellungen - des zuständigen Festsetzungsfinanzamts. Vorliegend sind diese Prüfungsfeststellungen aber nicht vom FA übernommen worden und die Änderungsbescheide aufgrund der weiteren Feststellungen der Steuerfahndungsprüfung sind gegenüber A.A ergangen. Das war auch insoweit konsequent, weil nur er in den Jahren 2003 und 2004 beim FA als Unternehmer steuerlich erfasst war. Zudem wurde nur A.A (als Primärschuldner) wegen Steuerhinterziehung aus dem Betrieb der Pizzeria verurteilt. Nur die rechtskräftige Verurteilung des A.A liegt dann auch dem hier nur relevanten Strafurteil des Landgerichts (Az.: , vgl. S. 83 ff. Haftungsakte Teil I) gegenüber dem Kläger zugrunde. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass der Primärschuldner der Umsatzsteuern für 2003 und 2004 A.A war, dieser ist im vorgenannten Zeitraum als Unternehmer nach außen hin aufgetreten. Die Umsätze einer Gaststätte sind grundsätzlich demjenigen zuzurechnen, der Inhaber der Gaststättenerlaubnis ist und gegenüber dem FA als Inhaber auftritt (BFH-Beschluss vom 2. Januar 2018 XI B 81/17, MwStR 2018, 402).

    Dass der Bruder B.A unter Umständen auch Einkäufe über das vom Kläger zur Verfügung gestellte Barverkaufskonto für die Pizzeria getätigt hatte, ändert daran nichts, denn dazu kann er auch intern bevollmächtigt gewesen sein.

    bb) Zu dieser Steuerhinterziehung durch A.A hat der Kläger mit seiner Handlungsweise gleichfalls zur Überzeugung des Gerichts Beihilfe nach § 27 des Strafgesetzbuches (StGB) geleistet und damit i.S.v. § 71 AO an dieser Tat teilgenommen. Gemäß § 27 Abs. 1 StGB wird als Gehilfe bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

    Das Vorliegen der vorsätzlichen Beihilfetätigkeit des Klägers zugunsten des A.A ergibt sich im Streitfall aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts vom 4. März 2015 (Az.:, vgl. S. 83 ff. Haftungsakte Teil I) - auf das hier Bezug genommen wird -, welches das vorangegangene Amtsgerichtsurteil bestätigt und in dessen Entscheidungsgründen umfangreiche Feststellungen auch zu den Einzelheiten der Beihilfehandlungen des Klägers getroffen werden. Das Gericht macht sich diese Feststellungen des Landgerichts Landshut auch unter Berücksichtigung der Einwendungen des Klägers im hiesigen Verfahren zu eigen. Zur Übernahme der Feststellungen besteht insbesondere auch deswegen Anlass, weil die strafgerichtliche Entscheidung gegenüber dem Kläger rechtskräftig geworden ist (BFH-Urteile vom 2. Dezember 2003 VII R 17/03, ZfZ 2004, 162, Rz. 18 und vom 13. Juni 1973 VII R 58/71, BStBl II 1973, 666, Rz. 9).

    Überzeugend stellt das Landgericht dar, dass es unter anderem bei A.A keinen sachlichen buchhalterischen oder betriebswirtschaftlichen Grund gab, die Einkäufe über das auf den Namen des Klägers laufende Barverkaufskonto buchen zu lassen, obwohl A.A über ein eigenes Debitorenkonto bei der Firma B zum Zweck des Wareneinkaufs verfügte. Durch die Verbuchung auf dem Barverkaufskonto wurde es dem Kunden erleichtert, den Überblick über die nicht in seiner eigenen Buchhaltung verbuchten Einkäufe zu behalten. Dabei war die Auffindbarkeit dieser Umsätze und deren Zuordnung zum einzelnen Kunden erschwert, da das Konto nicht auf den einzelnen Kunden, sondern auf den Verkaufsfahrer lautete. Wer bei der Suche nach Kundenumsätzen diese Zusammenhänge nicht kennt, wird dort auch nicht suchen. Diese selbstverständlichen buchhalterischen Zusammenhänge waren auch dem Kläger als langjährigen Mitarbeiter der Firma B im Außendienst geläufig.

    cc) Der Kläger haftet hier als Gehilfe der von A.A für die Streitjahre hinterzogenen Umsatzsteuern, da diese Steuerverkürzungen auf Nichtverbuchung der Einkäufe bei der Firma B über das den Namen des Klägers geführte Barverkaufskonto mit der Nummer 21493 durch A.A beruhen und die Begehung der Steuerhinterziehung durch A.A dem Kläger durch die Umstände des Sachverhalts dem Grunde nach bekannt war.

    aaa) Allgemein braucht die Hilfeleistung des Gehilfen für den Taterfolg nicht ursächlich sein; sie muss die Tathandlung des Haupttäters oder den Erfolgseintritt aber mindestens erleichtern oder fördern (Fischer, Kommentar zum StGB, 67. Auflage 2020, § 27 Rz. 14 m.w.N. auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs-BGH). Die Inanspruchnahme des Gehilfen einer Steuerhinterziehung setzt demnach auch die Feststellung voraus, dass dessen Beihilfehandlung zu dem eingetretenen Erfolg einer Steuerverkürzung beigetragen hat, für ihn also (zumindest) mitursächlich gewesen ist (BFH-Urteil vom 26. August 1992 VII R 50/91, BStBl II 1993, 8, Rz 23 und Beschluss vom 11. Februar 2002 VII B 323/00, BFH/NV 2002, 891, Rz. 18).

    Vorliegend wurde die Steuerhinterziehung des A.A durch den Kläger dadurch tatsächlich gefördert, dass dieser auf seinen Namen ein Barverkaufskonto eröffnete und unterhielt, über das unter anderem der Unternehmer A.A - neben den Einkäufen über sein reguläres Debitorenkonto - bar oder unbar Waren bei der Firma B einkaufen konnte (vgl. auch Finanzgericht Rheinland-Pfalz-Urteil vom 24. November 2003 5 K 1985/02, juris, Rz. 26). Mit den Warenbestellungen über dieses (zweite) Kundenkonto und der folgenden Bezahlung bei der Firma B erreichte A.A, dass die Bestellungen und Zahlungen nicht auf ihn hinwiesen und ihm nicht zuzuordnen waren, denn sein "offizieller" Wareneinkauf lief über ein zweites Kundenkonto bei der Firma B. Durch die Zurverfügungstellung dieses Barverkaufskontos hat der Kläger somit den Tatplan des A.A, Umsätze aus seiner Gaststätte nicht zu erklären und wegen des dadurch zu hohen Wareneinsatzes über die Möglichkeit eines schwarzen Wareneinkaufs zu verfügen, nachhaltig unterstützt (vgl. auch Sächsisches Finanzgericht-Urteil vom 5. März 2014 1 K 677/13, juris, Rz. 27).

    bbb) Der Kläger hat hier auch den subjektiven Tatbestand der Beihilfe zur Steuerhinterziehung des A.A verwirklicht, er hat die Beihilfehandlung vorsätzlich begangen. Hinsichtlich der Haupttat genügt bedingter Vorsatz (Fischer, Kommentar zum StGB, 67. Auflage 2020, § 27 Rz. 20). Es reicht aus, dass der Gehilfe den Erfolg der Haupttat als möglich in Kauf nimmt (Fischer, a.a.O., § 27 StGB Rz. 22 m.w.N. und § 15 StGB Rz. 11 ff.). Einzelheiten der Tat braucht der Gehilfe nicht zu kennen, es genügt, wenn er die wesentlichen Merkmale der Haupttat erkennt (Fischer, a.a.O., § 27 StGB Rz. 22; Finanzgericht Rheinland-Pfalz-Urteil vom 24. November 2003 5 K 1985/02, juris, Rz. 27). Der Täter muss die Haupttat zumindest in groben Zügen kennen und er muss sie durch seine Mitwirkung fördern wollen.

    Bezogen auf den Streitfall ist maßgeblich, dass der Kläger davon ausgehen musste, dass die Wareneinkäufe auf das von ihm auf seinen Namen unterhaltene und dem Kunden zur Verfügung gestellte Barverkaufskonto aus Sicht eines Dritten dem A.A für steuerliche Zwecke nicht mehr zugerechnet werden konnten. Damit war dem Kläger auch - in der Laiensphäre - bewusst, dass die vollständige Versteuerung der Umsätze des A.A nicht gewährleistet war (vgl. auch Finanzgericht Rheinland-Pfalz-Urteil vom 24. November 2003, a.a.O. Rz. 28). Zur Überzeugung des Gerichts hat der Kläger hier billigend in Kauf genommen, dass die Bestellung von Waren durch den Unternehmer A.A auf ein auf seinen Namen lautendes Barverkaufskonto der Einnahme- und Umsatzverschleierung gegenüber den Finanzbehörden dienen sollte.

    Wie das Landgericht in seinen Entscheidungsgründen darlegt, rechnete der Kläger damit, dass unter anderem sein Kunde A.A unvollständige Steuererklärungen abgeben würde. Er förderte dies dadurch, indem er die von seinem Kunden gewünschte Verbuchung auf zwei Konten zuließ und diesen damit die Sicherheit gab, die Finanzbehörden würden die über das Barverkaufskonto getätigten Wareneinkäufe nicht auffinden können. Dem Kläger kam es dabei zwar nicht vorrangig auf die Durchführung der Steuerhinterziehung an, er wollte A.A und andere gleichgesinnte Gastwirte aber nicht als Kunden verlieren. Bei dem möglichen Wareneinkauf über das Barverkaufskonto handelt es sich auch nicht um eine neutrale (übliche) Handlung, denn die ihr innewohnende abstrakte Eignung zur Förderung einer Steuerhinterziehung durch tatgeneigte Kunden hat sich nach Überzeugung des Gerichts auch für den Kläger zu dem unübersehbaren Verdacht konkretisiert, dass der Wareneinkauf des A.A über das Barverkaufskonto, neben dem daneben getätigten Einkauf über sein Debitorenkonto, der Steuerhinterziehung dieses Unternehmers diente.

    Im Streitfall ist das insbesondere auch aus Menge und Art der von A.A über das Barverkaufskonto getätigten Wareneinkäufe bei der Firma B ersichtlich, es handelt sich hierbei regelmäßig um typischen Bedarf für den Betrieb einer Pizzeria. So werden zum Beispiel folgende Waren über das Barverkaufskonto eingekauft:

    - "Rechnung" 906194 vom 24. Juli 2003:

    Eier weiß 360 Stück,

    Milr. H-Sahne 1 kg 36 Stück,

    Grdl. Edamer 40 % 44,85 kg und

    Salami im Netzdarm 6,67 kg.

    - "Rechnung" 952952 vom 12. Dezember 2003:

    drei 10-Liter-Eimer Champignons,

    15 kg Reichenhaller Marken-Salz im Eimer,

    4,5 kg Grana Padano Parmesan,

    sechs 1705-Gramm Dosen Thunfisch und

    63,86 kg Edamerkäse.

    - "Rechnung" 995765 vom 30. April 2004:

    40 Flaschen Pflanzenöl,

    Dev. Senf mittelscharf 5 kg und

    ein 5 Kilogramm-Eimer Mayonnaise.

    Vielfältige weitere vergleichbare Beispiele aus den Jahren 2003 und 2004 lassen sich den Aufstellungen des Barverkaufskontos bezogen auf A.A auf den Seiten 183 ff. der Haftungsakte Teil I entnehmen. Hier sind keine sachlichen Gründe dafür ersichtlich, warum A.A diese Waren nicht über sein reguläres Debitorenkonto bei der Firma B bezogen hatte. Er hat seine Wareneinkäufe offensichtlich gesplittet, um geringere Einnahmen der Besteuerung zu unterwerfen. Dies war dem Kläger zur Überzeugung des Gerichts auch bekannt, selbst wenn A.A die Waren über das Barverkaufskonto im Einzelfall nicht direkt beim Kläger, sondern über den Telefonverkauf der Firma B geordert haben sollte. Die Regelmäßigkeit sowie Art und Menge der Bestellungen wiesen offensichtlich auf die Absichten des A.A hin.

    Durch die Zurverfügungstellung dieser (zweiten) Bestellmöglichkeit über das Barverkaufskonto gegen Barzahlung nahm der Kläger daher eine Steuerhinterziehung des A.A zumindest billigend in Kauf. Er hat sich hier den sich offensichtlich aufdrängenden Bedenken gänzlich verschlossen, obwohl er um die durch ihren Tatbeitrag geschaffene Möglichkeit der Verschleierung von Umsätzen wusste (Sächsisches Finanzgericht-Urteil vom 5. März 2014 1 K 677/13, juris, Rz. 28).

    ccc) Die Einwendungen des Klägers gegen die Feststellungen des Landgerichts überzeugen das Gericht nicht. So hat sich das Landgericht zunächst ausdrücklich von der Aussage des Fahndungsprüfers Fuchs distanziert, dass die Firmenleitung der Firma B die Verwendung des Barverkaufskontos zum Zwecke der Steuerhinterziehung gefördert oder gebilligt habe (S. 59 des Urteils vom 4. März 2015). Nach Überzeugung des Gerichts kommt es für die Beihilfetätigkeit des Klägers auch nicht darauf an, ob dieser regelmäßige Informationen über die Umsätze des Barverkaufskontos erhielt, ob er regelmäßig Bargeld aus den Verkäufen über das Barverkaufskonto vereinnahmt hatte, ob das Tourenverkaufskonto zu Schwarzumsätzen bei einer großen Anzahl von Kunden genutzt wurde oder ob der Fahndungsprüfer C den Inhalt einer Hausmitteilung der Firma B verzerrt wiedergegeben hatte.

    Es kommt weiter nicht darauf an, dass das Barverkaufskonto in bestimmten Fällen - etwa bei Neukunden - die einzige Möglichkeit zur Abwicklung von Umsätzen durch den Kläger war. Das Gericht ist im Streitfall von der Richtigkeit der Schlussfolgerung des Landgerichts überzeugt (S. 65 des Urteils vom 4. März 2015), dass der dort gegenständliche Kundenkreis mit Gaststätten (Pizzerien) durchaus dazu geneigt war, Schwarzeinkäufe zum Zwecke der Steuerhinterziehung zu tätigen und dass diese Zusammenhänge auch dem Kläger bekannt waren. Das Gericht hält es mit dem Landgericht für lebensfremd, dass der Kläger als langjähriger Mitarbeiter der Firma B als Verkäufer im Außendienst nicht bemerkt haben will, dass diese Einkäufe über sein Barverkaufskonto mit anschließender Barzahlung in erster Linie der Ermöglichung der Steuerhinterziehung durch bestimmte Unternehmer dienten. Genauso war es vorliegend im Zusammenhang mit A.A, bei dem schon aus Menge und Art der über das Barverkaufskonto eingekauften Waren auch für den Kläger unschwer erkennbar war (vgl. oben in Tz. II.1. b) bb) bbb)), dass dieser Einkauf dem Betrieb der Pizzeria diente und nicht etwa der Versorgung der Familienmitglieder, um so etwa in den Genuss der günstigen Großhandelspreise zu kommen oder um Familienfeste durchzuführen.

    Das Gericht ist weiter nicht davon überzeugt, dass es für die Beihilfetätigkeit des Klägers entscheidungserheblich ist, dass die verschiedenen Zeugenaussagen im Strafprozess voneinander abweichen und dass der Fahndungsprüfer C bei seinen Vernehmungen eine suggestive Befragung der Zeugen vorgenommen hat. Zunächst kommt es hier nicht darauf an, was die anderen Zeugen im Strafverfahren gegen den Kläger ausgesagt hatten, denn das Gericht stützt sich nicht darauf, dass bei der Firma B ein "System" zur Ermöglichung der Steuerhinterziehung bestanden hat. Entscheidungserheblich für das vorliegende Verfahren ist vielmehr, dass der Kläger einem bestimmten Kunden wie A.A das auf seinen Namen lautende Barverkaufskonto als "zweite Einkaufsmöglichkeit" für den Bedarf der von A.A betriebenen Pizzeria zur Verfügung gestellt hatte. Der Kläger hat diesem damit sozusagen "sehendes Auges" die nachhaltige Steuerhinterziehung durch die Vornahme eines schwarzen Wareneinkaufs ermöglicht.

    Es kommt entgegen der Auffassung des Klägers weiter nicht darauf an, wie "aktiv" der Kläger die Möglichkeit der Begehung von Steuerhinterziehung mithilfe des Barverkaufskontos gegenüber A.A "beworben" haben soll. Dass den Brüdern A die entsprechenden Möglichkeiten der Nutzung einer solchen zweiten Einkaufsquelle für "Schwarzeinkäufe" hinreichend bekannt war, ergibt sich gleichfalls aus den vom Landgericht ausführlich bewerteten Zeugenaussagen der Brüder (S. 63 f. des Urteils vom 4. März 2015). So gibt zum Beispiel B.A in aller Offenheit gegenüber dem Landgericht an, dass "es für den Kunden ein bisschen billiger werde, wenn man Steuern spare" und A.A gibt an, dass "bar bezahlt worden sei und dass die Rechnungen weggeworfen worden seien und dass das zweite Konto in der Buchhaltung nicht verbucht worden sei". Das Landgericht spricht insoweit zu Recht von einer "entwaffnenden Ehrlichkeit" mit der der Zeuge B.A die Begehung von Steuerhinterziehung einräumte (S. 64 des Urteils vom 4. März 2015). Insoweit geht auch das erkennende Gericht davon aus, dass hier allen Beteiligten und insbesondere dem Kläger und den Brüdern A hinreichend bekannt war, welche Möglichkeiten der Steuerhinterziehung der (zweite) Wareneinkauf über das auf den Namen des Klägers geführte Barverkaufskonto eröffnete; der Kläger musste zur Steuerhinterziehung geneigte Unternehmer wie A.A darauf weder hinweisen noch über das konkrete Vorgehen belehren.

    c) Der Haftungsumfang ist nicht nach den Grundsätzen der anteiligen Tilgung einzuschränken. Die von der Rechtsprechung des BFH entwickelten Grundsätze der nur anteiligen Haftung für Umsatzsteuer bei mangelnder Liquidität im Zeitpunkt der Fälligkeit der von der Haftung betroffenen Steuern sind grundsätzlich auch im Rahmen des § 71 AO beachtlich (BFH-Urteil vom 26. August 1992 VII R 50/91, BStBl II 1993, 8, Rz. 25 und Beschluss vom 11 Februar 2002 VII B 323/00, BFH/NV 2002, 891, Rz. 24; Finanzgericht Nürnberg-Urteil vom 1. April 2008 II 127/2005, DStRE 2008, 1292, Rz. 53 sowie Loose, in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, § 71 AO Rz. 16). Ebenso anerkannt ist aber in der Rechtsprechung des BFH, dass dieser Grundsatz dann Einschränkungen erfährt, wenn durch die Abgabe unrichtiger Steuererklärungen aussichtsreiche Beitreibungsmaßnahmen vereitelt worden sind oder eine vorsätzliche Liquiditätsverschlechterung des Unternehmens gesichert worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Februar 2002 VII B 323/00, a.a.O. und Finanzgericht Nürnberg-Urteil vom 1. April 2008, a.a.O.). Insoweit ist es gerechtfertigt, in den Fällen, in denen der Haftungstatbestand des § 71 AO erfüllt ist, der Haftungsschuldner sich aber auf eine Haftungsbeschränkung nach den Grundsätzen der anteiligen Tilgung der Umsatzsteuer beruft, diesem für die hierfür maßgeblichen Tatsachen die Feststellungslast aufzuerlegen. Da der Steuerhinterzieher im Regelfall für die verkürzten Steuern unbeschränkt haftet, wird es ihm obliegen, den Ausnahmetatbestand darzulegen, dass bzw. in welcher Höhe der Steuerausfall auch ohne sein strafbares Verhalten eingetreten wäre, und die Folgen der Nichterweislichkeit dieses hypothetischen Geschehensablaufs zu tragen (BFH-Urteil vom 26. August 1992 VII R 50/91, BStBl II 1993, 8, Rz. 25).

    Im Streitfall ist zunächst davon auszugehen, dass A.A durch die Abgabe unrichtiger Steuererklärungen in den Jahren 2003 und 2004 zeitnahe und aussichtsreiche Beitreibungsmaßnahmen durch die Finanzbehörden vereitelt hatte. Vorliegend ist nicht davon auszugehen, dass der Primärschuldner A.A bereits bei Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuererklärungen für 2003 und 2004 hinsichtlich der hinterzogenen Beträge zahlungsunfähig war und der Kläger hat das auch nicht nachgewiesen. Nichts anderes ergibt sich aus der Einlassung des Klägers im Schriftsatz vom 30. Juni 2020 unter Pkt. 17, wonach zum 31.12.2005 der Rückstand aus Umsatzsteuer 2002 - 2005 ... € betragen habe. Aus der Haftungsakte S. 68 ergibt sich vielmehr nur, dass dies der Kontostand zum 31. März 2015 gewesen ist. Dass A.A unter Umständen in späteren Jahren nicht oder nur noch beschränkt zahlungsfähig war, rechtfertigt hier nicht die Anwendung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung.

    d) Das FA hat bei Erlass des Haftungsbescheides gegenüber dem Kläger auch das ihm nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO zustehende Entschließungs- und Auswahlermessen fehlerfrei ausgeübt.

    aa) Der Erlass eines Haftungsbescheides steht nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO zwar grundsätzlich im Ermessen der Behörde. Bei einer vorsätzlichen Beihilfe zur Steuerhinterziehung - wie vorliegend - ist eine Haftungsinanspruchnahme nach den §§ 191, 71 AO aber auch ohne nähere Darlegung der Ermessenserwägungen im Haftungsbescheid - in einer Art der Vorprägung des Entschließungs- und Auswahlermessens - als ermessensgerecht nach § 102 FGO anzusehen (BFH-Urteile vom 12. Februar 2009 VI R 40/07, BStBl II 2009, 478 Rz. 17 und vom 26. Februar 1991 VII R 3/90, BFH/NV 1991, 504, Rz 15 ff. sowie Beschlüsse vom 8. Juni 2007 VII B 280/06, BFH/NV 2007, 1822, Rz. 17 sowie vom 14. Februar 2006 VII B 119/05, BFH/NV 2006, 1246, Rz. 8). Hat jemand - wie vorliegend - als Täter oder Teilnehmer eine vorsätzliche Steuerstraftat begangen, so ist es im Regelfall sachgerecht, wenn ihn die Finanzbehörde für den Steuerschaden in Anspruch nimmt. Sie würde eher ermessensfehlerhaft handeln, wenn sie den Betreffenden von einer Inanspruchnahme freistellte (BFH-Urteil vom 12. Februar 2009 VI R 40/07, BStBl II 2009, 478, Rz. 17). Deshalb kann eine den Zweck des § 71 AO berücksichtigende und an § 5 AO orientierte Ermessensausübung nur dazu führen, dass auch die Höhe des Haftungsanspruchs durch die Verwirklichung des Tatbestandes des § 71 AO vorgegeben ist (BFH-Urteil vom 26. Februar 1991 VII R 3/90, BFH/NV 1991, 504, Rz. 18, juris).

    bb) Die Nichtberücksichtigung eines weiteren Haftungsschuldners kann die Ermessensausübung nur dann als fehlerhaft erscheinen lassen, wenn die Einbeziehung dieses Gesamtschuldners in die vorzunehmende Abwägung wahrscheinlich dazu geführt hätte, dass dieser vorrangig in Anspruch zu nehmen gewesen wäre (BFH-Beschluss vom 8. Juni 2007 VII B 280/06, BFH/NV 2007, 1822, Rz. 18). Eine (gebotene) vorrangige Inanspruchnahme eines weiteren Haftungsschuldners ist vorliegend weder ersichtlich noch ist etwa dahingehendes vorgebracht worden. Auch eine Haftungsinanspruchnahme weiter Mitarbeiter der Firma B - wie der Mitarbeiter im Telefonverkauf - kommt nicht in Frage, denn nur der Kläger war Inhaber des Barverkaufskontos und nur der Kläger hat dieses A.A für Wareneinkäufe nutzen lassen.

    cc) Das FA brauchte mit dem Erlass eines Haftungsbescheids auch nicht abzuwarten, bis Vollstreckungsmöglichkeiten gegen den Erstschuldner ausgeschöpft sind (§§ 191 Abs. 5 und 219 Satz 2 AO und BFH-Beschluss vom 12. September 2014 VII B 99/13, BFH/NV 2015, 161, Rz. 25).

    dd) Danach war vom FA weder der Vollstreckungserfolg gegenüber A.A abzuwarten, noch ist die Ausübung des Auswahlermessens - vom FA im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens erläutert - zu beanstanden; denn abgesehen davon, dass eine Teilnahme des Bruders an der Steuerhinterziehung nicht erwiesen ist, würde dieser allenfalls gleichrangig neben dem Kläger haften.

    Im Übrigen kann bei mehreren gesamtschuldnerisch Haftenden vom FA berücksichtigt werden, ob die Haftungsschuld bei einem der potentiellen Schuldner nur schwer zu realisieren ist (FG-Münster-Urteil vom 27. Februar 1996 15 K 3290/95 U, EFG 1996, 619 und Loose, in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, § 191 AO, Rz. 106 m.w.N.).

    e) Die Haftungsinanspruchnahme des Klägers ist hinsichtlich der hinterzogenen Umsatzsteuern des Primärschuldners A.A auch ihrer Höhe nach nicht zu beanstanden. Das FA hat den Kläger aber zu Unrecht für die Hinterziehungszinsen aus der Steuerhinterziehung des A.A in Haftung genommen.

    aa) Zunächst ist die der Haftungsschuld des Klägers zugrundeliegende geschätzte Berechnung der Steuerschulden des A.A(vgl. Anlage zum Steuerfahndungsbericht, S. 55 Haftungsakte Teil I) nach Überzeugung des Gerichts zutreffend.

    Vorliegend war das FA zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen des A.A gemäß § 162 Abs. 1 AO berechtigt, da die Buchführung dieses Steuerpflichtigen bereits wegen der fehlenden Verbuchung des Wareneinkaufs auf dem Barverkaufskonto der Firm B nicht den gesetzlichen Anforderungen der §§ 140 ff. AO und des § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) entsprach. Die Beweiskraft der Buchführung des A.A nach § 158 AO war damit widerlegt.

    Das FA war insoweit auch dazu berechtigt, zur Berechnung der Besteuerungsgrundlagen den Rohgewinnaufschlag der Pizzeria des A.A anhand der amtlichen Richtsatzwerte für Pizzerien zu schätzen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die vorgenommene Schätzung nicht schon deshalb zu hoch, weil beim Wareneinkauf über die Firma B kein Getränkeeinkauf enthalten war. Diese mögliche Unschärfe hat das FA vorliegend dadurch ausreichend berücksichtigt, dass es bei seiner Schätzung mit 220 % Rohgewinnaufschlag für die Jahre 2003 und 2004 einen weit am unteren Rand der für Pizzerien möglich Rohgewinnaufschläge (203% bis 400%) zur Anwendung gebracht hat. Es hat also ausdrücklich nicht den ansonsten im Rahmen von Schätzungen üblichen mittleren Rohgewinnaufschlag (bei Pizzerien 285 %) angewendet. Damit hat das FA im Rahmen seiner Schätzung einen möglichen geringeren Rohgewinnaufschlagssatz bei Speisen wegen der fehlenden Lieferung von Getränken durch die Firma B ausreichend gewürdigt.

    Auch die Aufteilung der geschätzten Umsätze auf den Regelsteuersatz sowie den ermäßigten Steuersatz durch das FA unterliegt hier keinen rechtlichen Bedenken, denn das FA hat bei den hinzugeschätzten Umsätzen denselben Aufteilungssatz zugrunde gelegt, den A.A zuvor erklärt hatte (2003: 16 % = 91,43 % und 7 % = 8,57 sowie 2004: 16 % = 88,87 % und 7 % = 11,13 %; vgl. S. 55 Haftungsakte Teil I).

    bb) Die Haftungsinanspruchnahme des Klägers wegen Hinterziehungszinsen zur Umsatzsteuer 2003 und 2004 von insgesamt ... € erfolgte allerdings zu Unrecht, denn ausweislich der Akten konnten zum Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheides gegen den Kläger keine Hinterziehungszinsen mehr gegen den Primärschuldner A.A festgesetzt werden.

    Grundsätzlich haftet derjenige, der eine Steuerhinterziehung begeht, gemäß § 71 AO in der in den Jahren 2003 und 2004 geltenden Fassung dieser Vorschrift auch für die Zinsen nach § 235 AO. Vorliegend hatte der Kläger zwar Beihilfe zur Steuerhinterziehung des A.A geleistet, gegen diesen konnten die Hinterziehungszinsen zur Umsatzsteuer 2003 und 2004 aber ausweislich des Akteninhalts nicht mehr festgesetzt werden. Wegen der Subsidiarität der Haftung konnte der Kläger deshalb dafür auch nicht mehr in Haftung genommen werden. So wurden die Hinterziehungszinsen zur Umsatzsteuer 2003 und 2004 nach schriftlicher Mitteilung des FA (S. 54 FG-Akte) nach Erlass des Haftungsbescheides vom 15. Dezember 2015 am gleichen Tag festgesetzt. Ausweislich eines internen Aktenvermerks des FA (S. 58 Rückseite der Haftungsakte Teil I) hat das für die Veranlagung des A.A zuständige Finanzamt H allerdings unter anderem wegen der Umsatzsteuer für 2002 bis 2004 diesem gegenüber auf eine Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach § 156 Abs. 2 AO verzichtet. Mangels der Möglichkeit der Festsetzung von Hinterziehungszinsen konnte daher auch der Kläger dafür nicht nachträglich als Gehilfe der Steuerhinterziehung des A.A in Haftung genommen werden.

    f) Der Haftungsbescheid für die festgesetzte Steuerschuld des A.A wurde auch fristgerecht erlassen.

    Gemäß § 191 Abs. 3 AO sind die Vorschriften über die Festsetzungsfrist auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Nach § 191 Abs. 3 Satz 2 AO beträgt die Festsetzungsverjährungsfrist in den Fällen des § 71 AO zehn Jahre und beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Der haftungsbegründende Tatbestand ist erst verwirklicht, wenn alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Insoweit ist auf die Verwirklichung der Tatbestandsvoraussetzungen der Haftungsnorm, sowie die Entstehung der Steuerschuld abzustellen (BFH-Beschluss vom 1. September 2002 I B 145/01, BStBl II 2003, 223 [BFH 04.09.2002 - I B 145/01] und Loose, in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, § 191 AO Rz. 69 m.w.N.). Dementsprechend beginnt die strafrechtliche Verjährung der Beihilfetat auch grundsätzlich erst mit derjenigen der Haupttat (Fischer, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 67. Auflage 2020, § 78a StGB Rz. 4 m.w.N.). Das heißt unabhängig von der Tatzeit der Beihilfe - die, wie der Kläger zu Recht vorträgt, durch die Beihilfehandlung und nicht den Taterfolg bestimmt wird - beginnt die Verjährung der Beihilfe erst mit der Vollendung bzw. Beendigung der Haupttat oder mit deren strafbarem Versuch (Fischer, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 67. Auflage 2020, § 78a StGB Rz. 4 m.w.N.).

    Da der haftungsbegründende Tatbestand nicht nur die Beihilfehandlung, sondern auch die Merkmale der Haupttat der Steuerhinterziehung des A.A umfasst, und diese nicht vor Abgabe der unrichtigen Steuerjahreserklärungen (für 2003 am 9. Mai 2005 und für 2004 am 24. Februar 2006, vgl. Urteil des Landgerichts Az.: , S. 131 Haftungsakte Teil I) vorlagen, hat der Fristlauf der zehnjährigen Frist nicht bereits mit dem jährlichen Ende der Verkaufstätigkeit des Klägers begonnen. Die Frist war deshalb bei Erlass des Haftungsbescheides am 15. Dezember 2015 noch nicht abgelaufen.

    Auf die Abgabe von etwaigen unrichtigen Umsatzsteuer-Voranmeldungen durch A.A kommt es insofern nicht an, da einer unrichtigen oder fehlenden Jahreserklärung - unabhängig von der Abgabe oder Nichtabgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen - ein selbständiger Unrechtsgehalt zukommt und es sich materiell-rechtlich um jeweils selbstständige Taten i.S.v. § 53 StGB handelt (Bundesgerichtshof-BGH-Urteil vom 12. Januar 2005 5 StR 271/04, wistra 2005, 145). Selbst wenn in der Umsatzsteuerjahreserklärung falsche Angaben aus den monatlichen Umsatzsteuer-Voranmeldungen wiederholt werden, so ist die Umsatzsteuerhinterziehung in der Regel mit dem Eingang der Jahressteuererklärung beim FA beendet, es sei denn - und dann läge der Zeitpunkt der Beendigung noch später -, dass die Steueranmeldung zu einer Steuerherabsetzung oder Steuervergütung führt (BGH-Beschluss vom 3. März 1989 3 StR 552/88, wistra 1989, 188 und Heerspink, in Kohlmann, Kommentar zum Steuerstrafrecht, § 376 AO, Rz. 84).

    g) Mit der Aufgliederung der Haftungssumme auf die mit der jeweiligen unrichtigen Steuerjahreserklärung hinterzogenen Steuer und darauf entfallenden Hinterziehungszinsen war der Haftungsbescheid auch bestimmt genug i.S.d. § 119 Abs. 1 AO.

    2. Beweisanträge

    a) Von der beantragten Vernehmung der Frau D, als Zeugin hat das Gericht abgesehen.

    aa) Der Kläger hat beantragt, die Obengenannte als Zeugin zu vernehmen zum Beweis der Tatsache, dass die Behauptungen des Fahndungsprüfers C unzutreffend seien, dass

    (1) er bezüglich des Tourenverkaufskontos monatlich eine Aufstellung über die Gesamtsumme sämtlicher darüber getätigter Umsätze erhielt,

    (2) es beim standartmäßigen Geschäftsablauf keine personenbezogene Auswertung der Umsätze der über das Tourenverkaufskonto abgewickelten Einkäufe gab,

    (3) er keine kundenspezifischen Informationen zum Verhältnis der monatlichen Umsätze seiner fast 400 zu betreuenden Kunden - bezogen auf das Kundenkonto auf der einen und das Tourenverkaufskonto auf der anderen Seite - erhielt,

    (4) er keinen Zugang zu Informationen hatte, aus denen - bezogen auf das Kundenkonto auf der einen und das Tourenverkaufskonto auf der anderen Seite - das Verhältnis der Umsätze bezüglich des A.A hatte,

    (5) er regelmäßig Bargeld durch die Kunden entgegengenommen hatte,

    (6) er die Kunden wegen seines Provisionsanteils nicht verlieren wollte und

    (7) das Kundenverkaufskonto ausschließlich für Schwarzeinkäufe genutzt wurde.

    bb) Der Kläger hat beantragt, die Obengenannte weiter als Zeugin zu vernehmen zum Beweis der Tatsachen, dass

    (8) für sämtliche Umsätze, die über das Tourenverkaufskonto abgewickelt wurden und A.A betrafen, stets durchnummerierte Rechnungen mit vollständiger Namens- und Adressangabe des Kunden erstellt und diesem übermittelt wurden,

    (9) für sämtliche Umsätze, die über das Tourenverkaufskonto abgewickelt wurden und A.A betrafen, bei der Lieferung der Ware vom Kunden mindestens ein Lieferschein unterschrieben wurde, der wiederrum seinen korrekten Namen und seine vollständige Lieferanschrift enthielt,

    (10) für sämtliche Umsätze, die über das Tourenverkaufskonto abgewickelt wurden und A.A betrafen, bei Bargeld-Bezahlungen der Empfang des Geldes in der Regel vom Kunden quittiert wurde und

    (11) es nicht dem Zweck des Tourenverkaufskontos widersprach, wenn ein Kunde die Aufteilung wünschte, um etwa über eine zweite Kostenstelle zu verfügen, zum Beispiel bei Belieferung von Filiallieferungen, zur Differenzierung zwischen Ware zum Verzehr im Lokal sowie zur Mitnahme der Ware durch den Kunden (etwa im Fall von Pizzerien oder Imbissstuben) oder zum Kauf auf fremde Rechnung (etwa für seine Landsleute oder um für seine Familie den günstigen Großhandelspreis auszunützen).

    Die beantragte Vernehmung der D als Zeugin für die Beweisthemen 1 bis 5 und 7 bis 11 war abzulehnen, da die Beweiserhebung für die Entscheidung unerheblich ist.

    Hinsichtlich des Beweisthemas 6 ist nicht ersichtlich, welche Aussage die Zeugin dazu treffen kann. Ob der Kläger Kunden wegen seiner Provisionsansprüche nicht verlieren wollte, spielt sich ausschließlich in seine Gedankensphäre ab und kann von der Zeugin nicht objektiv beurteilt werden. Die Zeugin könnte lediglich hinsichtlich der Höhe der Provisionen befragt werden, dass ist aber hier nicht entscheidungserheblich. Der Beweisantrag läuft daher auf eine Ausforschung der Zeugin hinaus.

    b) Von der beantragten Vernehmung des Herrn E, als Zeuge hat das Gericht abgesehen.

    Der Kläger hat beantragt, den Obengenannten als Zeugen zu vernehmen zum Beweis der Tatsache, dass die Behauptungen des Fahndungsprüfers Fuchs unzutreffend seien, dass

    (1) er bezüglich des Tourenverkaufskontos monatlich eine Aufstellung über die Gesamtsumme sämtlicher darüber getätigter Umsätze erhielt,

    (2) es beim standartmäßigen Geschäftsablauf keine personenbezogene Auswertung der Umsätze der über das Tourenverkaufskonto abgewickelten Einkäufe gab,

    (3) er keine kundenspezifischen Informationen zum Verhältnis der monatlichen Umsätze seiner fast 400 zu betreuenden Kunden, bezogen auf das Kundenkonto auf der einen und das Tourenverkaufskonto auf der anderen Seite erhielt,

    (4) er keinen Zugang zu Informationen hatte, aus denen - bezogen auf das Kundenkonto auf der einen und das Tourenverkaufskonto auf der anderen Seite - das Verhältnis der Umsätze bezüglich des A.A hatte.

    Die beantragte Vernehmung des Zeugen E ist abzulehnen, da die Beweiserhebung für die Entscheidung unerheblich ist.

    c) Von der beantragten Vernehmung des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters F als Zeuge hat das Gericht abgesehen.

    Der Kläger hat beantragt, den Obengenannten als Zeugen zu vernehmen zum Beweis der Tatsache, dass

    die organisatorische und belegmäßige Abwicklung sowie die buchhalterische Erfassung, auch der sogenannten Bargeschäfte, bei der Firma B den Anforderungen der steuerlichen Vorschriften, insbesondere von § 144 AO, entsprach.

    Die beantragte Vernehmung des Zeugen Treffer ist abzulehnen, da die Beweiserhebung für die Entscheidung unerheblich ist.

    d) Von der beantragten Vernehmung der Frau Diplom-Psychologin G als Sachverständige hat das Gericht abgesehen.

    Der Kläger hat beantragt, die Obengenannte als Sachverständige zu vernehmen zum Beweis der Tatsache, dass die Aussagen der Zeugen mit den gegebenen individuellen Voraussetzungen unter den gegebenen Befragungsumständen und unter Berücksichtigung der vorhandenen Abweichungen zwischen den Zeugenaussagen auf keinem realen Ergebnishintergrund basieren.

    Die beantragte Vernehmung der Sachverständigen G ist abzulehnen, da die Beweiserhebung für die Entscheidung unerheblich ist.

    e) Von der beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem Beweisthema, ob der Aufschlagsatz von 220 % angemessen ist, hat das Gericht abgesehen.

    Das FA hat die Besteuerungsgrundlagen des A.A mangels zutreffender Aufzeichnungen schätzen müssen (§ 162 AO). Das Gericht hat diese Schätzung dem Grunde und der Höhe nach in Bezug auf die Haftungsinanspruchnahme des Klägers für rechtmäßig erachtet, weil das FA diese Schätzung anhand eines unteren Wertes der amtlichen Richtsatzsammlung vorgenommen hat und damit ausreichend den vom Kläger aufgeworfenen Umstand Rechnung getragen hat, dass A.A von der Firma B keine Getränke bezogen hat (vgl. hier in Tz. II.1. e) aa)). Welche weiteren Erkenntnisse durch ein Sachverständigengutachten erlangt werden sollen, ist für das Gericht nicht ersichtlich, insbesondere weil hier die jährlich vom Bundesministerium der Finanzen ermittelten Werte der amtlichen Richtsatzsammlung als bundesweit geltende Schätzungsgrundlagen zur Verfügung stehen. Die Einholung eines eigenen Sachverständigengutachtens zu diesem Thema bezogen auf den Streitfall stellt hier eine unzulässige Ausforschung dar, auch weil das Gericht keinerlei Zweifel daran hat, dass ein Rohgewinnaufschlag von 220 % bei Pizzerien eher großzügig als zu hoch angesetzt ist. Zudem hat der Kläger nicht konkret vorgebracht, warum die Pizzeria des A.A in den Jahren 2003 und 2004 eine solche atypische Umsatzentwicklung gehabt haben soll, die es rechtfertigen könnte, hier von den typisierten Werten der amtlichen Richtsatzsammlung abzuweichen.

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

    Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

    RechtsgebieteFGO, AOVorschriftenFGO § 100 Abs. 1 S. 1; AO § 71, § 191 Abs. 5, § 219 S. 2