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  • 20.01.2022 · IWW-Abrufnummer 227023

    Bundesgerichtshof: Urteil vom 06.10.2021 – 1 StR 297/21

    1.

    Das Verhältnis zwischen der Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen und unrichtiger Umsatzsteuerjahreserklärung ist regelmäßig eines der Gesetzeskonkurrenz in Form der mitbestraften Vortaten.
    2.

    Die Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen und unrichtiger Umsatzsteuerjahreserklärung stehen dagegen im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander, wenn der Unrechtsgehalt der vollendeten Umsatzsteuervoranmeldungen mit Auszahlung tatsächlich nicht bestehender Erstattungsbeträge von der lediglich versuchten Umsatzsteuerjahreserklärung nicht vollständig erfasst wird.




    Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Oktober 2021 beschlossen:
    Tenor:

    Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kiel vom 26. April 2021 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

    Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

    Ergänzend bemerkt der Senat:

    1. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler das Konkurrenzverhältnis zwischen den Umsatzsteuervoranmeldungen für Januar bis Dezember 2016 (Taten II.5 bis 16 der Urteilsgründe) und der Umsatzsteuerjahreserklärung für 2016 (Tat II.17 der Urteilsgründe) als tatmehrheitlich (§ 53 StGB) bewertet.

    Nach den Urteilsfeststellungen reichte der Angeklagte für sein Einzelunternehmen im Zeitraum Januar bis Dezember 2016 jeweils monatlich unzutreffende Umsatzsteuervoranmeldungen beim Finanzamt ein und verkürzte hierdurch Steuern, da das Finanzamt den Steueranmeldungen jeweils gemäß § 168 Satz 2 AO zustimmte und die sich aus diesen ergebenden Erstattungsbeträge auszahlte. Die Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2016 reichte der Angeklagte am 18. Dezember 2017 ein und machte mit falschen Angaben einen die Summe der Umsatzsteuervoranmeldungen und bereits erfolgten Auszahlungen übersteigenden Erstattungsbetrag von über 16.000 Euro geltend. Das Finanzamt stimmte dieser Steueranmeldung jedoch nicht zu; zu einer Auszahlung des überschießenden Betrages kam es nicht.

    Das Landgericht hat die Umsatzsteuervoranmeldungen für den Zeitraum Januar bis Dezember 2016 jeweils als selbständige vollendete Taten (§ 53 StGB) der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) gewertet. Mangels Zustimmung der Finanzbehörden zu der eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2016 hat es den Angeklagten insoweit wegen versuchter Steuerhinterziehung verurteilt und im Rahmen der Strafzumessung lediglich den überschießenden Betrag, der zur Auszahlung hätte kommen sollen, berücksichtigt.

    2. Die rechtliche Bewertung und die vorgenommene Berücksichtigung des Schuldumfangs begegnen keinen Bedenken.

    a) Zwar ist nach der neueren Rechtsprechung des Senats das Verhältnis zwischen Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuerjahreserklärung regelmäßig eines der Gesetzeskonkurrenz in Form der mitbestraften Vortaten (BGH, Urteil vom 13. Juli 2017 - 1 StR 536/16 Rn. 50, BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 25; Beschlüsse vom 25. Oktober 2018 - 1 StR 7/18 Rn. 8 und vom 25. Juli 2019 - 1 StR 556/18 Rn. 5; vgl. Jäger in Klein, AO, 15. Aufl., § 370 Rn. 248). Eine mitbestrafte Vortat liegt vor, wenn im Verlauf eines deliktischen Geschehens verschiedene Angriffsobjekte beeinträchtigt werden, die konkrete Sachverhaltsgestaltung aber ergibt, dass das Schwergewicht des Unrechts bei der Nachtat liegt und der Gesamtkomplex der beiden Straftaten nur unter dem Gesichtspunkt der nachfolgenden Tat zu bewerten ist (vgl. MüKo-StGB/von Heintschel-Heinegg, 4. Aufl., Vor § 52 Rn. 59). Dies ist insbesondere bei Durchgangsdelikten gegeben, deren Unrechtsgehalt deshalb nicht über den der "Haupttat" hinausgeht, weil er sich darin erschöpft, einen intensiveren Angriff auf dasselbe Rechtsgut vorzubereiten (BGH, Urteile vom 13. Juli 2017 - 1 StR 536/16 Rn. 51, BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 25 und vom 11. Juli 2019 - 1 StR 634/18 Rn. 15; vgl. Sternberg-Lieben/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., Vor §§ 52 ff. Rn. 127; LK-StGB/Rissing-van Saan, 13. Aufl., Vor §§ 52 ff. Rn. 150; von Heintschel-Heinegg aaO).

    b) Die Voraussetzungen einer Mitbestrafung der Vortaten unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen durch die Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung liegen hier deshalb nicht vor, weil der Unrechtsgehalt der vollendeten Vortaten mit Auszahlung tatsächlich nicht bestehender Erstattungsbeträge von der lediglich versuchten "Haupttat" nicht vollständig erfasst wird. Denn soweit bereits in Form des Erlangens nicht gerechtfertigter Steuervorteile ein Taterfolg eingetreten ist, kommt dessen Unrechtsgehalt bei der Bestrafung der lediglich versuchten Hinterziehung von Umsatzsteuern durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung nicht zum Ausdruck. Damit liegt in der versuchten Tat auch nicht das Schwergewicht des Unrechts des Gesamtgeschehens. Dem steht nicht entgegen, dass der Unrechtsgehalt der unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung insofern über den der Umsatzsteuervoranmeldungen hinausgeht, als mit ihr insgesamt eine noch weitergehende Hinterziehung als mit den Voranmeldungen erstrebt wurde. Die Taten stehen damit im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander.

    c) In einer solchen Konstellation muss der Tatrichter allerdings im Rahmen der Strafzumessung in den Blick nehmen, dass die in Tatmehrheit zueinander stehenden Taten einen sich teilweise überschneidenden Schuldgehalt aufweisen. Diesem Erfordernis hat das Landgericht hier dadurch Rechnung getragen, dass es hinsichtlich der nachfolgenden Versuchstat lediglich den gegenüber den Umsatzsteuervoranmeldungen neu hinzukommenden Schuldgehalt in die Zumessung der Einzelstrafe eingestellt hat. Es hat bei der Strafzumessung für die in der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung liegende versuchte Steuerhinterziehung nur den gegenüber den Voranmeldungen überschießenden, jedoch nicht ausgezahlten Erstattungsbetrag in Ansatz gebracht.