07.06.2022 · IWW-Abrufnummer 229551
Landgericht Nürnberg-Fürth: Urteil vom 04.05.2022 – 12 Ns 508 Js 2272/20
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landgericht Nürnberg-Fürth
12 Ns 508 Js 2272/20
46 Ls 508 Js 2272/20 AG Nürnberg
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Strafverfahren gegen
…
wegen Steuerhinterziehung
aufgrund der Hauptverhandlung vom 28.04.2022 und 04.05.2022, an der teilgenommen haben:
…
I.
Das Amtsgericht Nürnberg hat den Angeklagten am 19. Oktober 2021 der Steuerhinterziehung schuldig gesprochen. Es hat ihn deshalb unter Einbeziehung der in dem Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. Februar 2021 … verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Weiterhin hat es unter Ziff. III des Urteilstenors die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 183.741 € angeordnet.
Gegen dieses Urteil wandte sich der Angeklagte mit seiner unbeschränkt eingelegten Berufung und ‒ zum Nachteil des Angeklagten ‒ die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth mit einer auf den Strafausspruch beschränkten Berufung. Beide Rechtsmittel hatten keinen Erfolg; lediglich von der Einziehungsentscheidung hat die Kammer in der Berufungshauptverhandlung gem. § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO abgesehen, was hier in Ziff. 1 des Tenors zur Klarstellung vermerkt wurde.
II.
1. Der Angeklagte nahm nach dem Abitur in … zunächst das Studium der Betriebswirtschaft auf und ergänzte es nach kurzer Zeit um das weitere Studium der Rechtswissenschaften. Nach Beendigung beider Studien, Rechtsreferendariat und Promotion zum Dr. jur. trat er eine Stelle bei … an. Während der dortigen Beschäftigung (1969-1975) erwarb er die Zulassungen als Wirtschaftsprüfer und als Steuerberater. Anschließend wechselte er als Partner in eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Seitdem diese 1994 aufgelöst wurde, ist der Angeklagte ‒ bis heute ‒ im Wesentlichen als Beirat oder Treuhänder für größere Gesellschaften tätig. Den Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildete die Bearbeitung von Gesellschaftsverträgen und Unternehmensverkäufen. Als forensisch auftretender Rechtsanwalt war der Angeklagte, trotz entsprechender Zulassung, kaum tätig. Die Zulassungen als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer gab der Angeklagte kürzlich zurück, diejenige als Wirtschaftsprüfer angabegemäß während der laufenden Berufungshauptverhandlung…
2. Der Angeklagte ist vorgeahndet wie folgt:
a) Am 17. Februar 2021 wurde er durch das Landgericht Nürnberg-Fürth wegen versuchter Steuerhinterziehung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Tatzeit war der 21. April 2016. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Das Urteil ist seit 25. Februar 2021 rechtskräftig. Der Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
…
b) Am 22. März 2021 erließ das Amtsgericht Miesbach gegen den Angeklagten einen Strafbefehl wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis am 5. November 2020 (…). Der seit 9. April 2021 rechtskräftige Strafbefehl sah eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu 40 € vor. Diese ist vollständig beglichen.
c) …
d) …
III.
Der Angeklagte war zusammen mit seiner Ehefrau beim Finanzamt X unter der Steuernummer … zur Einkommensteuer erfasst und wurde mit ihr zusammen veranlagt; seine Gewinne ermittelte er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Er war ‒ wie er zu jeder Zeit wusste ‒ verpflichtet, in seinen Steuererklärungen die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen.
Am 28. September 2011 hatte der Angeklagte für 10.000 € einen Gesellschaftsanteil im Nennwert von 8.000 € am Stammkapital von 428.000 € der H GmbH mit Sitz in P (eingetragen im Handelsregister beim Amtsgericht …) übernommen.
Mit notariellem Vertrag vom 5. Dezember 2016 veräußerte der Angeklagte diesen Anteil ‒ neben weiteren Gesellschaftern, die je ihre Anteile veräußerten ‒ an C für einen Kaufpreis in Höhe von 687.500 € und trat ihn an sie ab. Der Kauf- und Abtretungsvertrag des Notars …, UR-Nr.-…, enthielt u.a. folgende Regelungen:
„§ 2 Verkauf und Abtretung
1. Der Veräußerer verkauft die … Geschäftsanteile … an den Erwerber und tritt diese Geschäftsanteile an den Erwerber ab; der Erwerber nimmt Kauf und Abtretung jeweils an. Die Übertragung und Abtretung erfolgen jeweils mit sofortiger dinglicher Wirkung ...
2. Der Erwerber hat ein besonderes wirtschaftliches Interesse daran, dass er noch im Jahr 2016 Inhaber der heute veräußerten Geschäftsanteile wird. Um die Zahlung des Kaufpreises für den Veräußerer zu sichern, wurde den Beteiligten vom Notar empfohlen, den Vollzug der Abtretung der Geschäftsanteile von der Zahlung des Kaufpreises abhängig zu machen … [der Angeklagte] tritt seinen Anteil ohne Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung ab; der ihm zustehende Kaufpreis soll erst im Jahr 2017 zur Zahlung fällig sein.
3. Der beurkundende Notar wird von den Parteien angewiesen, gemäß § 40 Abs. 1 GmbHG nach Wirksamwerden der Abtretung … unverzüglich eine neue Gesellschafterliste einzureichen…
… § 4 Fälligkeit
1. a) Fälligkeit: heute, zahlbar bis 10.01.2017, Empfänger [Angeklagter] …
… § 7 Hinweise
Der Notar hat insbesondere auf folgendes hingewiesen: …
3. Die Erwerber können ihre Gesellschafterrechte gegenüber der Gesellschaft erst dann wirksam ausüben, wenn sie in die im Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste eingetragen sind…“
Die neue Gesellschafterliste, in der C anstatt u.a. des Angeklagten eingetragen war, wurde am 22. Dezember 2016 vom Notar beim Handelsregister eingereicht und am 23. Dezember 2016 in den Registerordner der H GmbH aufgenommen. Der Kaufpreis von 687.500 € ging am 11. Januar 2017 auf dem Konto des Angeklagten bei der … Bank ein. Aus dem Verkauf seines Gesellschaftsanteils erzielte der Angeklagte einen Veräußerungsgewinn von 406.500 €.
Der Angeklagte gab am 15. Februar 2018 die Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2016 beim Finanzamt X ab. Darin erklärte er die Einnahmen aus Gewerbebetrieb wissentlich und willentlich nicht vollständig, indem er den genannten Veräußerungsgewinn nicht angab.
Infolge der unvollständigen Angaben wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2016 um 174.162 € nebst Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer in Höhe von 9.579 € zu niedrig festgesetzt (zuletzt in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Februar 2019). Insgesamt verkürzte der Angeklagte damit Steuern in Höhe von 183.741 €.
In der Einkommensteuererklärung für 2017 vom 15./31. Januar 2020 erklärte der Angeklagte den Veräußerungsgewinn ebenso wenig.
IV.
1. Die Feststellungen der Kammer zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den Angaben des Angeklagten, dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister sowie auf den verlesenen Urteilen bzw. Strafbefehlen. Zu den Vorverurteilungen merkte der Angeklagte ergänzend an, dass er die steuerrechtliche Beurteilung im Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. Februar 2021 nicht teile. Diese sei schlicht falsch. Er habe sich damals nur auf Drängen und Anraten zu der verfahrensabkürzenden Verständigung durchgerungen.
2. Die Feststellungen der Kammer zur Sache beruhen auf Folgendem:
a) Der Angeklagte hat sich durch eine von ihm bestätigte kurze Stellungnahme seines Verteidigers zur Sache eingelassen. Danach treffe es zu, dass er den Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf des Gesellschaftsanteils an der H GmbH nicht in der Einkommensteuererklärung für 2016 angegeben habe. Er habe gedacht, dass der Vorgang erst für den Veranlagungszeitraum 2017 zu erklären gewesen wäre. Wann die Eintragung der neuen Gesellschafterliste ins Handelsregister erfolgt sei, habe er nicht gewusst. Bei der Erklärung 2016 habe ihm also der Vorsatz gefehlt; er habe sich in einem Tatbestandirrtum befunden. Er sei davon ausgegangen, dass für die Erklärungspflicht das Zuflussprinzip gelte. Er sei jederzeit bereit gewesen, den Veräußerungsgewinn zu versteuern. In der Einkommensteuererklärung für 2017 habe er diesen Gewinn nicht angegeben, weil er im Steuerbescheid für 2016 da schon festgesetzt worden sei.
b) Das Geständnis ist glaubhaft, soweit der Angeklagte die Nichterklärung des Veräußerungsgewinns im Veranlagungszeitraum 2016 bestätigt. Die Einkommensteuererklärung vom 15. Februar 2018 ‒ sie und die weiteren Urkunden wurden durch Verlesung in der Hauptverhandlung oder im Selbstleseverfahren in das Verfahren eingeführt ‒ belegt nämlich das Fehlen dieser Angabe. Demgemäß wurde der Veräußerungsgewinn bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2016 nicht berücksichtigt und die Steuer damit verkürzt.
c) Im Weiteren ist die Kammer überzeugt, dass die Einlassung des Angeklagten vorgeschoben ist, wonach er nicht gewusst habe, wann die Gesellschafterliste ins Handelsregister aufgenommen worden sei und dass er gedacht habe, der Veräußerungsgewinn sei in 2017 zu versteuern und demgemäß zu erklären. Das Gegenteil steht zur Überzeugung der Kammer fest: Der Angeklagte täuschte die Steuerbehörden bewusst, als er wissentlich und willentlich den Veräußerungserlös für 2016 nicht erklärte. Im Einzelnen:
aa) Zum Verständnis ist es hilfreich, sich zunächst den steuerrechtlichen Rahmen vor Augen zu führen, in dem der Angeklagte handelte:
Der Veräußerungsgewinn war als Einkunft aus Gewerbebetrieb nach § 17 EStG zu versteuern, weil sämtliche Voraussetzungen von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG vorlagen. Diese Einkünfte unterliegen auch bei demjenigen, der ‒ wie der Angeklagte ‒ seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, nicht dem Zuflussprinzip des § 11 EStG, sondern sind nach einer Stichtagsbewertung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns oder Verlusts zu ermitteln. Maßgebender Zeitpunkt der Gewinn- oder Verlustrealisierung ist derjenige, zu dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung der Gewinn oder Verlust realisiert wäre. Der Anspruch auf die Gegenleistung ist bei gegenseitigen Verträgen realisiert, sobald die eigene Leistung erbracht ist. Bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften kommt es darauf an, wann der Erwerber zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den übertragenen Anteilen erlangt hat. In diesem Zeitpunkt entsteht der Veräußerungsgewinn, unabhängig davon, ob die Gegenleistung ‒ hier die Zahlung der C an den Angeklagten ‒ sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann sie dem Veräußerer tatsächlich zufließt (BFH, Urteil vom 13. Oktober 2015 - IX R 43/14, juris Rn. 11; Urteil vom 20. Juli 2010 - IX R 45/09, juris Rn. 13; Urteil vom 17. April 1997 - VIII R 47/95, juris Rn. 30, alle m.w.N.).
C hat das rechtliche Eigentum an den Gesellschaftsanteilen des Angeklagten mit Abschluss des ins Verfahren eingeführten notariellen Vertrags vom 5. Dezember 2016 erworben. Die Abtretung ist danach durch den Angeklagten mit sofortiger dinglicher Wirkung erfolgt (§ 2 Nr. 1, 2 des Vertrags). Auch wenn die Eintragung der Gesellschafterliste im Handelsregister (§ 40 GmbHG) wegen der Wirkungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG im Grundsatz erforderlich sein sollte, um das wirtschaftliche Eigentum (vgl. § 39 AO) zu begründen, wäre dies mit der Eintragung am 22./23. Dezember 2016 und damit noch im Veranlagungszeitraum 2016 geschehen, wie sich aus dem Handelsregisterauszug ergibt. Tatsächlich waren die Beschränkungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG vorliegend aufgrund der raschen Eintragung aber ohnehin neutralisiert (§ 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG; vgl. dazu Wicke, GmbHG, 4. Aufl., § 16 Rn. 11; Seibt in Scholz, GmbHG, 12. Aufl., § 16 Rn. 47; strenger Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 16 Rn. 49), sodass rechtliches und wirtschaftliches Eigentum einheitlich, jedenfalls noch 2016, auf den Erwerber überging, wie es vertraglich auch übergehen sollte. Das war allen Vertragsbeteiligten wegen § 2 Nr. 2 Satz 1 des Vertrags klar ‒ und wurde dem Angeklagten in § 2 Nr. 2 letzter Satz, Nr. 3 des Vertrages gesondert deutlich vor Augen gestellt, denn wegen der Übertragung seines Anteils war der Notar überhaupt zu keinem Zuwarten bei der Einreichung der Gesellschafterliste verpflichtet.
Damit bestand für den Angeklagten ‒ was nicht einmal mehr die Verteidigung infrage stellte ‒ die Pflicht, den Veräußerungserlös in der Einkommensteuererklärung für 2016 anzugeben.
bb) Der Inhalt des Vertrags vom 5. Dezember 2016 war dem Angeklagten bekannt. Er hat, wie aus der Präambel des Vertrags hervorgeht, am 28. November 2016 den Vertragsentwurf erhalten, und konnte ihn demgemäß prüfen. Am 5. Dezember 2016 verlas der Notar in Anwesenheit des Angeklagten den Vertrag. Die Kammer ist überzeugt, dass der Angeklagte als (damaliger) Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, der sich schwerpunktmäßig mit Gesellschaftsverträgen und Unternehmenskäufen befasste, dies begriffen hat. Sie ist weiter überzeugt, dass ihm der soeben unter aa) umrissene Rechtsrahmen tatsächlich bekannt war. Gegenüber der Kammer hat der Angeklagte Gegenteiliges auch nicht behauptet.
cc) Die Kammer ist weiter überzeugt, dass der Angeklagte vor Abgabe der Einkommensteuererklärung 2016 im Februar 2018 wusste, dass die Eintragung der Gesellschafterliste ins Handelsregister noch im Dezember 2016 erfolgt und dass der Veräußerungsgewinn der Einkommensbesteuerung für 2016 zu unterwerfen war. Die das bestreitende Verteidigererklärung hält die Kammer für eine Schutzbehauptung.
(1) In tatsächlicher Hinsicht stützt sie sich im Kern auf die wertende Zusammenschau folgender Umstände:
(a) Der Veräußerungsgewinn stellte für den Veranlagungszeitraum 2016 einen überragend wichtigen Posten dar. Verglichen mit ihm (406.500 €) haben die weiteren vom Angeklagten in der Einkommensteuererklärung vom 15. Februar 2018 angegebenen Einkünfte deutlich geringere Dimensionen: So erklärte er 57.660 € Gewinn aus Gewerbebetrieb, 60.000 € Gewinn aus selbständiger Arbeit als Wirtschaftsprüfer, 394 € Kapitalerträge, 40.733 € Gewinn aus Vermietung und Verpachtung und 20.810 € an Renteneinkünften.
(b) Der Angeklagte gab den Erhalt von 687.500 € erstmals von sich aus in der Klageschrift vom 8. März 2019 an das Finanzgericht Z an, mit der er sich gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 wandte. Dort schreibt er: „Der Kläger war für G beratend tätig. Im Jahr 2015/2016 wickelte der Steuerpflichtige den Kauf der Firma H GmbH ab. Wie voraus mündlich vereinbart erhielt der Steuerpflichtige ein Honorar von 687.500 €. Auf Vorhalt, der Kläger könne doch nicht zweimal bezahlt werden, wurden die Beratungsleistungen in den noch offenen Steuererklärungen erheblich gekürzt…“
Die Zeugin E, die seinerzeit beim Finanzamt X tätig war, hat hierzu ausgeführt, der Hinweis des Angeklagten auf die ihr bis dahin unbekannte Zahlung von 687.500 € in der Klageschrift habe sie überhaupt erst darauf gebracht, näher dazu nachzuforschen. Aufgrund ihrer Ermittlungen habe sie dann herausgebracht, dass der Zahlung die Anteilsveräußerung aufgrund des notariellen Kaufvertrags vom 5. Dezember 2016 zugrunde gelegen hatte. Dazu habe sie Anfang April 2019 beim Finanzamt T eine Auskunft erbeten und diese am 9. April 2019 erhalten. Tags darauf habe das Finanzamt X die Bustra über den Verdacht einer Steuerhinterziehung informiert. Die Kammer hält die Aussage der Zeugin, die sich bei ihrer Aussage zu Einzelheiten auf ihre Akte stützte, für glaubhaft.
(c) Mit Schreiben vom 3. Mai 2019 nahm der Angeklagte sodann zur entsprechenden Anfrage der Bustra Stellung und schrieb: „Gewinn im Sinne von § 4 Abs. 3 ist der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben. Im Grundsatz handelt es sich hier um eine Geld-Zu- und Abflussrechnung im Sinne von § 11 EStG. Zum Nachweis erhalten Sie Kontoauszug [dazu nachfolgend unter (e)], aus dem sich ergibt, dass die Zahlung erst am 11.1.2017 erfolgte und daher auch erst in diesem Jahr zu versteuern ist.“
(d) In seinem Einspruch vom 26. Mai 2019 gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 führte er dann aus: „H GmbH. Es ist kein Sachverhalt vorgetragen, der Anlass sein könnte, dass meine Tätigkeit in irgendeiner Weise gewerblich sein könnte. Meine Tätigkeit erfasst ausschließlich selbständige Arbeit nach § 18 Abs. 1 EStG. Das Berufsbild meiner Tätigkeit ist in § 18 EStG erwähnt und meine Tätigkeit erfolgt genau in dem Rahmen dieser gesetzlichen Vorschrift. Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit unterscheidet sich von gewerblicher Tätigkeit dadurch, dass der Einsatz von Kapital gegenüber der geistigen Arbeit und der eigenen Arbeitstätigkeit in den Hintergrund tritt...“
(e) Die zitierte Behauptung aus der Klageschrift, die 687.500 € seien Honorar für Beratungsleistungen gewesen, ist unwahr. Aus dem Vertrag vom 5. Dezember 2016 folgt, dass die Zahlung von 687.500 € für die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen erfolgte. Ebenso ist auf dem Kontoauszug des Angeklagten bei der … Bank, der den Eingang dieses Betrages am 11. Januar 2011 belegt, als Verwendungszweck angegeben: „Kaufpreis lt. Kaufvertrag UR-Nr.-… vom 05.12.2016 Notar …“. Beleghafte oder sonst überprüfbare Hinweise auf einen Beratungsvertrag, der eine Zahlung von 687.500 € an den Angeklagten ausgelöst hätte, fehlen demgegenüber völlig. Hierzu hat der Angeklagte auch in der Berufungshauptverhandlung nichts weiter vortragen lassen.
Im Schreiben vom 27. Juni 2019 an das Finanzgericht Z im Rahmen der Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 führte der Angeklagte dann aus: „Aufgrund einer ungenauen Formulierung ist die Beklagte [d.h. das Finanzamt X] davon ausgegangen, dass der hier strittige Preis zweimal geflossen ist. Einmal nach § 17 EStG und einmal als Provision und damit als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Dieses ist falsch. Die Vergütung für diesen gesamten Vorgang lag im Verkauf der Geschäftsanteile. Weitere Zahlungen sind nicht erfolgt.“ Weiterhin führt der Angeklagte in diesem Schreiben aus: „Ich selbst habe den Verkauf der Geschäftsanteile nebst Preise der Beklagten anlässlich eines Telefongesprächs mitgeteilt. Im Übrigen wird nach § 54 der EStDV der Beteiligungsverkauf ipso jure dem Finanzamt mitgeteilt“. In der Berufungshauptverhandlung konnte der Angeklagte das angebliche Telefongespräch nach Zeit, Anlass und Gesprächspartner allerdings nicht näher bestimmen.
Dass es kein Beratungshonorar von 687.500 € gab, bestätigte der Angeklagte vor der Kammer mittelbar auch durch sein Prozessverhalten. Denn die von ihm gebilligte Verteidigererklärung, er habe die Einnahme der 687.500 € in der Einkommensteuererklärung 2017 nicht angegeben, weil sie vom Finanzamt schon für 2016 festgesetzt worden sei, ist nur dann sinnhaft und verständlich, wenn es überhaupt nur eine Einnahme von 687.500 € gab. Wäre es aber so, dass es einmal 687.500 € als Veräußerungsgewinn und zum anderen 687.500 € als Honorar gegeben hätte, wäre dieser Vortrag sinnlos.
(f) In der Einkommensteuererklärung für 2017 gab der Angeklagte die Einnahme von 687.500 € nicht an. Weil er diese Erklärung nicht unterschrieben hatte und ihn das Finanzamt zur Nachholung der Unterschrift aufgefordert hatte, reichte er dem Finanzamt ein eigenhändig unterschriebenes, auf den 31. Januar 2020 datiertes Schreiben nach, in dem er die Steuererklärung wie folgt ergänzte: „Der Verkauf der H GmbH Geschäftsanteile sind in früheren Jahren zu versteuern.“
(2) Wie sind die vorstehend angeführten Geschehnisse zu verstehen? Warum hat der Angeklagte, als er erstmals die 687.500 € erwähnte und auch später noch, diese als Beratungshonorar deklariert und was folgt daraus für den Vorsatz bei der Einkommensteuerhinterziehung 2016?
(a) Der Angeklagte selbst hat eine Erklärung dafür, warum er zunächst ein Beratungshonorar angegeben hatte, in den ins Verfahren eingeführten Urkunden nicht vorgebracht. Vor der Berufungskammer hat er dazu auch nichts weiter erklärt.
(b) Die Kammer hat die Möglichkeit erwogen und verworfen, dass die Falschdeklaration der Einnahme als Beratungshonorar schlicht einen Irrtum oder ein Versehen darstellen könnte. Der Angeklagte brachte hier bei einem für ihn wirtschaftlich hoch bedeutsamen Vorgang (oben (1)(a)) eine vom tatsächlichen Geschehen zeitlich, räumlich und situativ völlig abweichende Sachdarstellung vor, was mit einem Versehen, zumal bei einem Fachmann, nicht zu erklären wäre.
(c) Die Kammer ist vielmehr überzeugt, dass die Falschdeklaration ein bewusstes Täuschungsmanöver darstellte, das nur erklärbar ist, wenn (und weil) der Angeklagte von der Steuerbarkeit des Veräußerungserlöses in 2016 wusste. Eine als Beratungshonorar deklarierte Zahlung unterläge nämlich ‒ anders als der Veräußerungserlös ‒ als Einkunft aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) beim nicht bilanzierenden Angeklagten dem Zuflussprinzip (§ 11 EStG), sodass sie entsprechend der Gutschrift am 11. Januar 2017 erst bei der Einkommensteuer 2017 zu erklären gewesen wäre. Damit hätte der Angeklagte die Zahlung jedenfalls für das streitige Steuerjahr 2016 ‒ seine Mitteilung erfolgte ja in der Klageschrift an das Finanzgericht (oben (1)(b)) ‒ „aus der Schusslinie“ gebracht und vor der Besteuerung gerettet, was ein sehr starkes wirtschaftliches Motiv abgibt. Der Angeklagte betonte seine Linie nochmals gegenüber der Steuerfahndung, indem er auf das Zuflussprinzip hinwies (oben (1)(c)). Ebenso betonte er in seinem Einspruch noch die Freiberuflichkeit seiner Tätigkeit, obwohl es um einen schlichten Anteilsverkauf ging, der durch den Einsatz von Kapital und nicht Arbeit bewerkstelligt wurde (oben (1)(d)). Schließlich ‒ als er das weitere Behaupten einer Honorareinkunft offenbar als sinnlos erkannte ‒ meinte er, es läge eine „ungenaue Formulierung“ (oben (1)(e)) vor und verwies das resultierende Missverständnis in die Sphäre des Finanzamtes. Die Formulierung war aber nicht ungenau, sondern behauptete eindeutig etwas anderes. Das alles ergibt für die Kammer das klare und konsistente Bild einer bewussten und nachdrücklichen Irreführung des Finanzamtes durch den Angeklagten, die er ‒ allerdings untauglich ‒ noch fortführte, als er den wahren Sachverhalt bereits eingestanden hatte: Der Hinweis in der Einkommensteuererklärung 2017, der Veräußerungserlös sei „in früheren Jahren zu versteuern“ (oben (1)(f)) ist nach dem Verständnis der Kammer symptomatisch verunklarend, weil nur das eine Jahr 2016 in Frage kam.
Vor diesem Hintergrund erwies sich die Verteidigung, wie sie vor der Berufungskammer vorgebracht wurde, als nicht durchgreifend: Hätte der Angeklagte, wie er vortragen ließ, nicht gewusst, wann die Eintragung der Gesellschafterliste in das Handelsregister erfolgt ist ‒ 2016 oder 2017 ‒ wäre das Erfinden und Vorspiegeln inexistenter Einkünfte durch den Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer völlig unverständlich. Denn mit der Behauptung, er habe 2017 Beratungshonorar (und nicht einen Veräußerungserlös) vereinnahmt, setzte sich der Angeklagte der Gefahr aus, dass ihn das Finanzamt ‒ wie auch tatsächlich geschehen ‒ beim Wort nimmt und diese behaupteten Einkünfte 2017 besteuert oder jedenfalls zu besteuern versucht, bis es dem Angeklagten möglicherweise gelingt, seine Behauptung als Versehen darzustellen. Dieses risikobehaftete Manöver wäre aber entbehrlich gewesen, wenn der Veräußerungserlös ohnehin wegen einer erst 2017 erfolgten Eintragung der Gesellschafterliste sowieso 2017 zu besteuern gewesen wäre. Dann hätte es, so ist die Kammer überzeugt, der Angeklagte ‒ der seinen Lebensunterhalt seit Jahrzehnten mit der Betreuung solcher und ähnlicher Transaktionen bestreitet ‒ nicht durchgeführt. Er hat es nur durchgeführt, weil er wusste, dass die Einkunft 2016 zu besteuern ist, weil die Gesellschafterliste 2016 schon eingetragen war. Dem wollte er entgehen. Hieran hat die Kammer keinen Zweifel.
(d) Offen blieb für die Kammer allerdings, warum der Angeklagte die Zahlung selbst überhaupt thematisiert hat, statt sie in der Klage einfach zu verschweigen. Naheliegend wäre es, hier eine Vorwärtsverteidigung anzunehmen mit dem Ziel, die Besteuerung für 2016 zu verhindern (die Einkommensteuererklärung 2017 gab er erst im Januar 2020 ab), weil er damit rechnen musste, dass den Finanzbehörden die auf dem Konto dokumentierte Zahlung nicht verborgen bleibt (vgl. z.B. § 93 Abs. 7, § 93b, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO). Das Entdeckungsrisiko war dem Angeklagten jedenfalls bewusst, wie sein Hinweis auf § 54 EStDV (oben (1)(e)) zeigt. Allerdings verwendet der Angeklagte diesen Hinweis in dem Kontext, dass er sich gegen den Vorwurf des Verheimlichens wehrt. Hierzu ist anzumerken, dass dieser Hinweis nicht geeignet ist, den Steuerhinterziehungsvorsatz infrage zu stellen, allein schon, weil die in § 54 EStDV angeordnete Übersendung von Urkunden durch den Notar nicht an das für die Einkommensteuer des Gesellschafters zuständige Wohnsitzfinanzamt (X), sondern an das nach § 20 AO zuständige Finanzamt (T, an das sich die Zeugin E seinerzeit gewandt hatte) erfolgen muss. Welche Kontrollmitteilungen dann vom letztgenannten Finanzamt wann wohin versandt werden, entzieht sich regelmäßig der Kenntnis und dem Einfluss des Steuerpflichtigen.
d) Schlussendlich steht für die Kammer fest, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige (§ 371 Abs. 1 AO) nicht vorliegt.
aa) Ausgeschlossen ist, dass es jedenfalls vor der Tatentdeckung ein Telefonat mit dem Finanzamt, wie vom Angeklagten behauptet, gab, in dem er die Einnahme der 687.500 € als Einkünfte aus dem Veräußerungsgeschäft bezeichnet hätte. Schon die entsprechende Verteidigererklärung war nicht griffig. Danach solle es am 8. März 2018 ein Telefonat mit einem Angehörigen des Finanzamtes gegeben haben. Dessen oder deren Namen wurde allerdings ebenso wenig mitgeteilt, wie weitere Umstände des Telefonats.
Die gem. § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO die Strafbefreiung ausschließende Tatentdeckung lag am 10. April 2019 vor. Nach Mitteilung der Zeugin E lag ihr nämlich am 9. April 2019 die Auskunft des Finanzamtes T vor, aus der sich ergab, dass die 687.500 € Veräußerungserlös an den Angeklagten geflossen waren, sodass sie am Folgetag die Mitteilung an die Bustra schickte, in der sie den Verdacht auf eine Steuerhinterziehung formulierte.
Noch im Schreiben an die Bustra vom 3. Mai 2019 und im Einspruchsschreiben gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 vom 26. Mai 2019 beharrte der Angeklagte allerdings darauf, keinen für 2016 beachtlichen Veräußerungserlös erhalten zu haben (oben c) cc) (1)(c) und (d)). In seinen sonstigen schriftlichen Äußerungen fand sich auch kein Hinweis oder keine Bezugnahme auf ein entsprechendes Telefonat, was sich aber aufgedrängt hätte, hätte es jemals stattgefunden. Ebenso wenig beriefen sich die Finanzbehörden auf ein vermeintliches Telefonat. Dieser Geschehensablauf lässt es für die Kammer als ausgeschlossen erscheinen, dass der Angeklagte vor der Tatentdeckung den Finanzbehörden den Veräußerungserlös telefonisch mitgeteilt hätte.
Nach Lage der Dinge musste der Angeklagte bei verständiger Würdigung auch mit der Tatentdeckung rechnen (§ 371 Abs 2 Satz 1 Nr. 2 AO, vgl. oben c) cc) (2)(d)).
bb) Die erstmalige schriftliche Mitteilung des Angeklagten, er habe 687.500 € (als Beraterhonorar) erhalten, in der Klageschrift an das Finanzgericht Z vom 8. März 2019, stellte ‒ abgesehen davon, dass das Finanzgericht keine Finanzbehörde i.S.d. § 371 Abs. 1 mit § 6 Abs. 2 AO und damit kein tauglicher Adressat einer Selbstanzeige wäre (a.A. m.N. zum Streitstand Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 71. Erg.Lfg., § 371 Rn. 280) ‒ keine Selbstanzeige dar. Die Klage hat nämlich nicht über den 2016 zu versteuernden Veräußerungserlös informiert, sondern tatsächlich inexistente Einkünfte vorgespiegelt, die zudem ‒ hätte der Angeklagte sie tatsächlich erzielt ‒ erst in 2017 zu besteuern gewesen wären. Das reicht nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 2018 - 1 StR 349/18, juris Rn. 6 a.E.; Schauf, aaO, § 371 Rn. 175 f.; Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 371 Rn. 98, je m.w.N.).
V.
Damit hat sich der Angeklagte objektiv wie subjektiv der Steuerhinterziehung schuldig gemacht (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO). Die von der Verteidigung postulierte Irrtumslage ist zur Überzeugung der Kammer widerlegt, wie ausgeführt ‒ es lag beim Angeklagten kein Irrtum, sondern direkter Täuschungsvorsatz vor.
VI.
1. Den Strafrahmen hat die Kammer § 370 Abs. 3 Satz 1 AO entnommen.
a) Es liegt eine Steuerverkürzung in großem Ausmaß und damit der Regelfall eines besonders schweren Falls vor (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO). In ständiger Rechtsprechung nimmt der Bundesgerichtshof das große Ausmaß bei einem Verkürzungsbetrag von über 50.000 € an (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 StR 373/15, juris Rn. 32 ff.; vom 9. Mai 2017 - 1 StR 265/16, juris Rn. 55). Das ist hier gegeben, da die Verkürzung 183.741 € beträgt. Im Einzelnen:
aa) Auf der Grundlage der Einkommensteuererklärung des Angeklagten vom 15. Februar 2018, die den Veräußerungsgewinn nicht auswies, setzte das Finanzamt X die Einkommensteuer 2016 zuletzt (in der Fassung Einspruchsentscheidung vom 25. Februar 2019, wie dem Beschluss des Finanzgerichts Z vom 30. Oktober 2019 zu entnehmen ist) auf 66.531 € fest. Hinzu kam der daraus errechnete Solidaritätszuschlag von 3.659 €.
bb) Tatsächlich war die Einkommensteuer 2016 jedoch auf 240.693 € (zuzüglich Solidaritätszuschlag von 13.238 €) festzusetzen wie folgt:
Betrag in €
… [Berechnung] …
= festzusetzende Einkommensteuer 240.693
Solidaritätszuschlag hieraus 13.238
cc) Aus der Differenz der Ist- und der Sollsteuer errechnet sich, wie schon das Amtsgericht richtig erkannt hatte, der Verkürzungsbetrag von insgesamt 183.741 € (ESt + SolZ).
b) Die Umstände des Falles bieten bei der zu treffenden Gesamtabwägung keinen Anlass, von der Regelwirkung des besonders schweren Falles abzusehen (vgl. allgemein BGH, Beschluss vom 21. Mai 2019 - 1 StR 159/19, juris Rn. 15; Jäger in Klein, AO, 15. Aufl., § 370 Rn. 277; Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 65. Erg.Lfg., § 370 Rn. 1089). Der verkürzte Betrag liegt erheblich über der Schwelle des großen Ausmaßes. Der Angeklagte hat zudem erhebliche kriminelle Energie an den Tag gelegt. Über die in der falschen Steuererklärung liegende Tatbestandsverwirklichung hinaus versuchte er später noch die Steuerbehörden durch die Erfindung inexistenter Einkünfte in die Irre zu führen. Damit schaffte er es, sogar das Finanzgericht Z derart zu verwirren, dass es ihm insoweit eine Aussetzung der Vollziehung gewährte, „da nach summarischer Prüfung nicht eindeutig belegt ist, in welchem Jahr und in welcher Höhe der Veräußerungsgewinn angefallen und nach § 17 EStG anzusetzen ist“ (Beschluss vom 30. Oktober 2019, S. 17 Abs. 2). So ist die noch nicht beglichene Steuerschuld weiterhin offen. Der Umstand, dass der Angeklagte bei Tatbegehung nicht vorbestraft war, und sein hohes Alter rechtfertigen kein Absehen vom besonders schweren Fall.
2. Bei der Strafzumessung im engeren Sinne waren für die Kammer im Kern folgende Erwägungen leitend:
a) Zugunsten des Angeklagten sprach, dass er den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung einräumte, auch wenn die Kammer ‒ anders als seinerzeit das Amtsgericht ‒ darin keine Schuldeinsicht und Reue zu erkennen vermochte. Der Angeklagte war zudem bei Tatbegehung nicht vorbestraft und ist als über 80-Jähriger besonders haftempfindlich.
b) Zu Lasten des Angeklagten spricht neben der Höhe der Steuerverkürzung insbesondere die hohe kriminelle Energie. Die Kammer teilt nicht die Auffassung des Verteidigers in seinem Plädoyer, der die Angabe der Honorareinkünfte zwar nicht als strafbefreiende Selbstanzeige, aber doch als erheblichen, dem Angeklagten günstigen Strafzumessungsgesichtspunkt gewertet sehen wollte. Das Gegenteil ist richtig. Zwar hat das Finanzamt den Angeklagten beim Wort genommen und das Honorar bei der Steuer festgesetzt, wogegen der Angeklagte nunmehr prozessiert. Damit hat er sich selbstverschuldet Scherereien eingehandelt, was ihn aber nicht entlastet. Es ändert zudem nichts daran, dass ‒ nach der Überzeugung der Kammer ‒ mangels entsprechender Einkünfte keine Steuerschuld insoweit besteht. Dem Fiskus steht demgemäß materiell kein Anspruch gegen den Angeklagten zu, sodass dieser durch die Falschangabe auch nichts geradegerückt hat. Die Kammer sieht bei diesem Punkt vielmehr die hohe kriminelle Energie, die, über die Tatbegehung hinaus, in der fortgesetzten Irreführung der Steuerbehörden liegt, um sich auch weiterhin der Besteuerung zu entziehen.
c) Insbesondere mit Blick auf das hohe Lebensalter des Angeklagten und im Wissen darum, was Strafhaft in seinem Alter bedeutet, hat die Kammer nach Abwägung aller für und gegen ihn sprechenden Umstände die ‒ milde ‒ Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verhängt. Dies wird als (noch) angemessene Sanktion der Tat und dem Täter gerecht.
d) Hieraus war mit der Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. Februar 2021 von einem Jahr und drei Monaten gem. § 55 StGB eine Gesamtstrafe zu bilden. Unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und mit Blick darauf, dass beide Straftaten den Bereich der Steuerhinterziehung betreffen und der Angeklagte ‒ bei jeweiliger Tatbegehung ‒ noch als Steuerberater zugelassen war, hält die Kammer die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von
zwei Jahren und fünf Monaten
für erforderlich aber auch ausreichend. Wegen der grundsätzlich gesamtstrafenfähigen, aber bereits vollstreckten Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Miesbach vom 22. März 2021 wurde hierbei ein Härteausgleich gewährt.
Die Kammer hat bei der Gesamtstrafenbildung die Möglichkeit gesehen, eine Kombination von Geld- und Freiheitsstrafe (§ 53 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1, § 41 StGB) zu verhängen, wie auch die Möglichkeit, die Gesamtstrafe auf zwei Jahre zu drücken, beides, um noch eine Strafaussetzung zur Bewährung in Betracht ziehen zu können. Beides hat sie nach Abwägung der bereits genannten Gesichtspunkte und mit Blick auf die Person des Angeklagten allerdings verworfen, weil ein solches Vorgehen aus ihrer Sicht den Bereich des tat- und schuldangemessenen Strafens verlassen hätte.
VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO. Eine Ermäßigung der Berufungsgebühr und eine teilweise Auferlegung der Auslagen gegen die Staatskasse wegen der Teileinstellung zur Einziehungsentscheidung hat die Kammer nicht vorgenommen, weil die Einziehung der Sache nach gerechtfertigt wäre. Sie unterblieb, um etwaige spätere Friktionen zu den laufenden finanzgerichtlichen Streitigkeiten des Angeklagten und zu deren derzeit nicht absehbaren Ergebnissen zu vermeiden. Es ist daher nach Auffassung der Kammer billig, den Angeklagten mit den Kosten insoweit zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
12 Ns 508 Js 2272/20
46 Ls 508 Js 2272/20 AG Nürnberg
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
des Landgerichts - 12. Strafkammer - Nürnberg-Fürth
In dem Strafverfahren gegen
…
wegen Steuerhinterziehung
aufgrund der Hauptverhandlung vom 28.04.2022 und 04.05.2022, an der teilgenommen haben:
…
- Die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft werden als unbegründet verworfen mit der Maßgabe, dass Ziff. III des amtsgerichtlichen Urteils entfällt.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs. - Soweit durch die Berufung der Staatsanwaltschaft ausscheidbare Kosten entstanden sind, fallen diese der Staatskasse zur Last.
I.
Das Amtsgericht Nürnberg hat den Angeklagten am 19. Oktober 2021 der Steuerhinterziehung schuldig gesprochen. Es hat ihn deshalb unter Einbeziehung der in dem Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. Februar 2021 … verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Weiterhin hat es unter Ziff. III des Urteilstenors die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 183.741 € angeordnet.
Gegen dieses Urteil wandte sich der Angeklagte mit seiner unbeschränkt eingelegten Berufung und ‒ zum Nachteil des Angeklagten ‒ die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth mit einer auf den Strafausspruch beschränkten Berufung. Beide Rechtsmittel hatten keinen Erfolg; lediglich von der Einziehungsentscheidung hat die Kammer in der Berufungshauptverhandlung gem. § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO abgesehen, was hier in Ziff. 1 des Tenors zur Klarstellung vermerkt wurde.
II.
1. Der Angeklagte nahm nach dem Abitur in … zunächst das Studium der Betriebswirtschaft auf und ergänzte es nach kurzer Zeit um das weitere Studium der Rechtswissenschaften. Nach Beendigung beider Studien, Rechtsreferendariat und Promotion zum Dr. jur. trat er eine Stelle bei … an. Während der dortigen Beschäftigung (1969-1975) erwarb er die Zulassungen als Wirtschaftsprüfer und als Steuerberater. Anschließend wechselte er als Partner in eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Seitdem diese 1994 aufgelöst wurde, ist der Angeklagte ‒ bis heute ‒ im Wesentlichen als Beirat oder Treuhänder für größere Gesellschaften tätig. Den Schwerpunkt seiner Tätigkeit bildete die Bearbeitung von Gesellschaftsverträgen und Unternehmensverkäufen. Als forensisch auftretender Rechtsanwalt war der Angeklagte, trotz entsprechender Zulassung, kaum tätig. Die Zulassungen als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer gab der Angeklagte kürzlich zurück, diejenige als Wirtschaftsprüfer angabegemäß während der laufenden Berufungshauptverhandlung…
2. Der Angeklagte ist vorgeahndet wie folgt:
a) Am 17. Februar 2021 wurde er durch das Landgericht Nürnberg-Fürth wegen versuchter Steuerhinterziehung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Tatzeit war der 21. April 2016. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Das Urteil ist seit 25. Februar 2021 rechtskräftig. Der Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
…
b) Am 22. März 2021 erließ das Amtsgericht Miesbach gegen den Angeklagten einen Strafbefehl wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis am 5. November 2020 (…). Der seit 9. April 2021 rechtskräftige Strafbefehl sah eine Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu 40 € vor. Diese ist vollständig beglichen.
c) …
d) …
III.
Der Angeklagte war zusammen mit seiner Ehefrau beim Finanzamt X unter der Steuernummer … zur Einkommensteuer erfasst und wurde mit ihr zusammen veranlagt; seine Gewinne ermittelte er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Er war ‒ wie er zu jeder Zeit wusste ‒ verpflichtet, in seinen Steuererklärungen die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen.
Am 28. September 2011 hatte der Angeklagte für 10.000 € einen Gesellschaftsanteil im Nennwert von 8.000 € am Stammkapital von 428.000 € der H GmbH mit Sitz in P (eingetragen im Handelsregister beim Amtsgericht …) übernommen.
Mit notariellem Vertrag vom 5. Dezember 2016 veräußerte der Angeklagte diesen Anteil ‒ neben weiteren Gesellschaftern, die je ihre Anteile veräußerten ‒ an C für einen Kaufpreis in Höhe von 687.500 € und trat ihn an sie ab. Der Kauf- und Abtretungsvertrag des Notars …, UR-Nr.-…, enthielt u.a. folgende Regelungen:
„§ 2 Verkauf und Abtretung
1. Der Veräußerer verkauft die … Geschäftsanteile … an den Erwerber und tritt diese Geschäftsanteile an den Erwerber ab; der Erwerber nimmt Kauf und Abtretung jeweils an. Die Übertragung und Abtretung erfolgen jeweils mit sofortiger dinglicher Wirkung ...
2. Der Erwerber hat ein besonderes wirtschaftliches Interesse daran, dass er noch im Jahr 2016 Inhaber der heute veräußerten Geschäftsanteile wird. Um die Zahlung des Kaufpreises für den Veräußerer zu sichern, wurde den Beteiligten vom Notar empfohlen, den Vollzug der Abtretung der Geschäftsanteile von der Zahlung des Kaufpreises abhängig zu machen … [der Angeklagte] tritt seinen Anteil ohne Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung ab; der ihm zustehende Kaufpreis soll erst im Jahr 2017 zur Zahlung fällig sein.
3. Der beurkundende Notar wird von den Parteien angewiesen, gemäß § 40 Abs. 1 GmbHG nach Wirksamwerden der Abtretung … unverzüglich eine neue Gesellschafterliste einzureichen…
… § 4 Fälligkeit
1. a) Fälligkeit: heute, zahlbar bis 10.01.2017, Empfänger [Angeklagter] …
… § 7 Hinweise
Der Notar hat insbesondere auf folgendes hingewiesen: …
3. Die Erwerber können ihre Gesellschafterrechte gegenüber der Gesellschaft erst dann wirksam ausüben, wenn sie in die im Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste eingetragen sind…“
Die neue Gesellschafterliste, in der C anstatt u.a. des Angeklagten eingetragen war, wurde am 22. Dezember 2016 vom Notar beim Handelsregister eingereicht und am 23. Dezember 2016 in den Registerordner der H GmbH aufgenommen. Der Kaufpreis von 687.500 € ging am 11. Januar 2017 auf dem Konto des Angeklagten bei der … Bank ein. Aus dem Verkauf seines Gesellschaftsanteils erzielte der Angeklagte einen Veräußerungsgewinn von 406.500 €.
Der Angeklagte gab am 15. Februar 2018 die Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2016 beim Finanzamt X ab. Darin erklärte er die Einnahmen aus Gewerbebetrieb wissentlich und willentlich nicht vollständig, indem er den genannten Veräußerungsgewinn nicht angab.
Infolge der unvollständigen Angaben wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2016 um 174.162 € nebst Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer in Höhe von 9.579 € zu niedrig festgesetzt (zuletzt in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Februar 2019). Insgesamt verkürzte der Angeklagte damit Steuern in Höhe von 183.741 €.
In der Einkommensteuererklärung für 2017 vom 15./31. Januar 2020 erklärte der Angeklagte den Veräußerungsgewinn ebenso wenig.
IV.
1. Die Feststellungen der Kammer zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den Angaben des Angeklagten, dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister sowie auf den verlesenen Urteilen bzw. Strafbefehlen. Zu den Vorverurteilungen merkte der Angeklagte ergänzend an, dass er die steuerrechtliche Beurteilung im Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. Februar 2021 nicht teile. Diese sei schlicht falsch. Er habe sich damals nur auf Drängen und Anraten zu der verfahrensabkürzenden Verständigung durchgerungen.
2. Die Feststellungen der Kammer zur Sache beruhen auf Folgendem:
a) Der Angeklagte hat sich durch eine von ihm bestätigte kurze Stellungnahme seines Verteidigers zur Sache eingelassen. Danach treffe es zu, dass er den Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf des Gesellschaftsanteils an der H GmbH nicht in der Einkommensteuererklärung für 2016 angegeben habe. Er habe gedacht, dass der Vorgang erst für den Veranlagungszeitraum 2017 zu erklären gewesen wäre. Wann die Eintragung der neuen Gesellschafterliste ins Handelsregister erfolgt sei, habe er nicht gewusst. Bei der Erklärung 2016 habe ihm also der Vorsatz gefehlt; er habe sich in einem Tatbestandirrtum befunden. Er sei davon ausgegangen, dass für die Erklärungspflicht das Zuflussprinzip gelte. Er sei jederzeit bereit gewesen, den Veräußerungsgewinn zu versteuern. In der Einkommensteuererklärung für 2017 habe er diesen Gewinn nicht angegeben, weil er im Steuerbescheid für 2016 da schon festgesetzt worden sei.
b) Das Geständnis ist glaubhaft, soweit der Angeklagte die Nichterklärung des Veräußerungsgewinns im Veranlagungszeitraum 2016 bestätigt. Die Einkommensteuererklärung vom 15. Februar 2018 ‒ sie und die weiteren Urkunden wurden durch Verlesung in der Hauptverhandlung oder im Selbstleseverfahren in das Verfahren eingeführt ‒ belegt nämlich das Fehlen dieser Angabe. Demgemäß wurde der Veräußerungsgewinn bei der Festsetzung der Einkommensteuer 2016 nicht berücksichtigt und die Steuer damit verkürzt.
c) Im Weiteren ist die Kammer überzeugt, dass die Einlassung des Angeklagten vorgeschoben ist, wonach er nicht gewusst habe, wann die Gesellschafterliste ins Handelsregister aufgenommen worden sei und dass er gedacht habe, der Veräußerungsgewinn sei in 2017 zu versteuern und demgemäß zu erklären. Das Gegenteil steht zur Überzeugung der Kammer fest: Der Angeklagte täuschte die Steuerbehörden bewusst, als er wissentlich und willentlich den Veräußerungserlös für 2016 nicht erklärte. Im Einzelnen:
aa) Zum Verständnis ist es hilfreich, sich zunächst den steuerrechtlichen Rahmen vor Augen zu führen, in dem der Angeklagte handelte:
Der Veräußerungsgewinn war als Einkunft aus Gewerbebetrieb nach § 17 EStG zu versteuern, weil sämtliche Voraussetzungen von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG vorlagen. Diese Einkünfte unterliegen auch bei demjenigen, der ‒ wie der Angeklagte ‒ seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, nicht dem Zuflussprinzip des § 11 EStG, sondern sind nach einer Stichtagsbewertung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns oder Verlusts zu ermitteln. Maßgebender Zeitpunkt der Gewinn- oder Verlustrealisierung ist derjenige, zu dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung der Gewinn oder Verlust realisiert wäre. Der Anspruch auf die Gegenleistung ist bei gegenseitigen Verträgen realisiert, sobald die eigene Leistung erbracht ist. Bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften kommt es darauf an, wann der Erwerber zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den übertragenen Anteilen erlangt hat. In diesem Zeitpunkt entsteht der Veräußerungsgewinn, unabhängig davon, ob die Gegenleistung ‒ hier die Zahlung der C an den Angeklagten ‒ sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann sie dem Veräußerer tatsächlich zufließt (BFH, Urteil vom 13. Oktober 2015 - IX R 43/14, juris Rn. 11; Urteil vom 20. Juli 2010 - IX R 45/09, juris Rn. 13; Urteil vom 17. April 1997 - VIII R 47/95, juris Rn. 30, alle m.w.N.).
C hat das rechtliche Eigentum an den Gesellschaftsanteilen des Angeklagten mit Abschluss des ins Verfahren eingeführten notariellen Vertrags vom 5. Dezember 2016 erworben. Die Abtretung ist danach durch den Angeklagten mit sofortiger dinglicher Wirkung erfolgt (§ 2 Nr. 1, 2 des Vertrags). Auch wenn die Eintragung der Gesellschafterliste im Handelsregister (§ 40 GmbHG) wegen der Wirkungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG im Grundsatz erforderlich sein sollte, um das wirtschaftliche Eigentum (vgl. § 39 AO) zu begründen, wäre dies mit der Eintragung am 22./23. Dezember 2016 und damit noch im Veranlagungszeitraum 2016 geschehen, wie sich aus dem Handelsregisterauszug ergibt. Tatsächlich waren die Beschränkungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG vorliegend aufgrund der raschen Eintragung aber ohnehin neutralisiert (§ 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG; vgl. dazu Wicke, GmbHG, 4. Aufl., § 16 Rn. 11; Seibt in Scholz, GmbHG, 12. Aufl., § 16 Rn. 47; strenger Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 16 Rn. 49), sodass rechtliches und wirtschaftliches Eigentum einheitlich, jedenfalls noch 2016, auf den Erwerber überging, wie es vertraglich auch übergehen sollte. Das war allen Vertragsbeteiligten wegen § 2 Nr. 2 Satz 1 des Vertrags klar ‒ und wurde dem Angeklagten in § 2 Nr. 2 letzter Satz, Nr. 3 des Vertrages gesondert deutlich vor Augen gestellt, denn wegen der Übertragung seines Anteils war der Notar überhaupt zu keinem Zuwarten bei der Einreichung der Gesellschafterliste verpflichtet.
Damit bestand für den Angeklagten ‒ was nicht einmal mehr die Verteidigung infrage stellte ‒ die Pflicht, den Veräußerungserlös in der Einkommensteuererklärung für 2016 anzugeben.
bb) Der Inhalt des Vertrags vom 5. Dezember 2016 war dem Angeklagten bekannt. Er hat, wie aus der Präambel des Vertrags hervorgeht, am 28. November 2016 den Vertragsentwurf erhalten, und konnte ihn demgemäß prüfen. Am 5. Dezember 2016 verlas der Notar in Anwesenheit des Angeklagten den Vertrag. Die Kammer ist überzeugt, dass der Angeklagte als (damaliger) Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, der sich schwerpunktmäßig mit Gesellschaftsverträgen und Unternehmenskäufen befasste, dies begriffen hat. Sie ist weiter überzeugt, dass ihm der soeben unter aa) umrissene Rechtsrahmen tatsächlich bekannt war. Gegenüber der Kammer hat der Angeklagte Gegenteiliges auch nicht behauptet.
cc) Die Kammer ist weiter überzeugt, dass der Angeklagte vor Abgabe der Einkommensteuererklärung 2016 im Februar 2018 wusste, dass die Eintragung der Gesellschafterliste ins Handelsregister noch im Dezember 2016 erfolgt und dass der Veräußerungsgewinn der Einkommensbesteuerung für 2016 zu unterwerfen war. Die das bestreitende Verteidigererklärung hält die Kammer für eine Schutzbehauptung.
(1) In tatsächlicher Hinsicht stützt sie sich im Kern auf die wertende Zusammenschau folgender Umstände:
(a) Der Veräußerungsgewinn stellte für den Veranlagungszeitraum 2016 einen überragend wichtigen Posten dar. Verglichen mit ihm (406.500 €) haben die weiteren vom Angeklagten in der Einkommensteuererklärung vom 15. Februar 2018 angegebenen Einkünfte deutlich geringere Dimensionen: So erklärte er 57.660 € Gewinn aus Gewerbebetrieb, 60.000 € Gewinn aus selbständiger Arbeit als Wirtschaftsprüfer, 394 € Kapitalerträge, 40.733 € Gewinn aus Vermietung und Verpachtung und 20.810 € an Renteneinkünften.
(b) Der Angeklagte gab den Erhalt von 687.500 € erstmals von sich aus in der Klageschrift vom 8. März 2019 an das Finanzgericht Z an, mit der er sich gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 wandte. Dort schreibt er: „Der Kläger war für G beratend tätig. Im Jahr 2015/2016 wickelte der Steuerpflichtige den Kauf der Firma H GmbH ab. Wie voraus mündlich vereinbart erhielt der Steuerpflichtige ein Honorar von 687.500 €. Auf Vorhalt, der Kläger könne doch nicht zweimal bezahlt werden, wurden die Beratungsleistungen in den noch offenen Steuererklärungen erheblich gekürzt…“
Die Zeugin E, die seinerzeit beim Finanzamt X tätig war, hat hierzu ausgeführt, der Hinweis des Angeklagten auf die ihr bis dahin unbekannte Zahlung von 687.500 € in der Klageschrift habe sie überhaupt erst darauf gebracht, näher dazu nachzuforschen. Aufgrund ihrer Ermittlungen habe sie dann herausgebracht, dass der Zahlung die Anteilsveräußerung aufgrund des notariellen Kaufvertrags vom 5. Dezember 2016 zugrunde gelegen hatte. Dazu habe sie Anfang April 2019 beim Finanzamt T eine Auskunft erbeten und diese am 9. April 2019 erhalten. Tags darauf habe das Finanzamt X die Bustra über den Verdacht einer Steuerhinterziehung informiert. Die Kammer hält die Aussage der Zeugin, die sich bei ihrer Aussage zu Einzelheiten auf ihre Akte stützte, für glaubhaft.
(c) Mit Schreiben vom 3. Mai 2019 nahm der Angeklagte sodann zur entsprechenden Anfrage der Bustra Stellung und schrieb: „Gewinn im Sinne von § 4 Abs. 3 ist der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben. Im Grundsatz handelt es sich hier um eine Geld-Zu- und Abflussrechnung im Sinne von § 11 EStG. Zum Nachweis erhalten Sie Kontoauszug [dazu nachfolgend unter (e)], aus dem sich ergibt, dass die Zahlung erst am 11.1.2017 erfolgte und daher auch erst in diesem Jahr zu versteuern ist.“
(d) In seinem Einspruch vom 26. Mai 2019 gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 führte er dann aus: „H GmbH. Es ist kein Sachverhalt vorgetragen, der Anlass sein könnte, dass meine Tätigkeit in irgendeiner Weise gewerblich sein könnte. Meine Tätigkeit erfasst ausschließlich selbständige Arbeit nach § 18 Abs. 1 EStG. Das Berufsbild meiner Tätigkeit ist in § 18 EStG erwähnt und meine Tätigkeit erfolgt genau in dem Rahmen dieser gesetzlichen Vorschrift. Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit unterscheidet sich von gewerblicher Tätigkeit dadurch, dass der Einsatz von Kapital gegenüber der geistigen Arbeit und der eigenen Arbeitstätigkeit in den Hintergrund tritt...“
(e) Die zitierte Behauptung aus der Klageschrift, die 687.500 € seien Honorar für Beratungsleistungen gewesen, ist unwahr. Aus dem Vertrag vom 5. Dezember 2016 folgt, dass die Zahlung von 687.500 € für die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen erfolgte. Ebenso ist auf dem Kontoauszug des Angeklagten bei der … Bank, der den Eingang dieses Betrages am 11. Januar 2011 belegt, als Verwendungszweck angegeben: „Kaufpreis lt. Kaufvertrag UR-Nr.-… vom 05.12.2016 Notar …“. Beleghafte oder sonst überprüfbare Hinweise auf einen Beratungsvertrag, der eine Zahlung von 687.500 € an den Angeklagten ausgelöst hätte, fehlen demgegenüber völlig. Hierzu hat der Angeklagte auch in der Berufungshauptverhandlung nichts weiter vortragen lassen.
Im Schreiben vom 27. Juni 2019 an das Finanzgericht Z im Rahmen der Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 führte der Angeklagte dann aus: „Aufgrund einer ungenauen Formulierung ist die Beklagte [d.h. das Finanzamt X] davon ausgegangen, dass der hier strittige Preis zweimal geflossen ist. Einmal nach § 17 EStG und einmal als Provision und damit als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Dieses ist falsch. Die Vergütung für diesen gesamten Vorgang lag im Verkauf der Geschäftsanteile. Weitere Zahlungen sind nicht erfolgt.“ Weiterhin führt der Angeklagte in diesem Schreiben aus: „Ich selbst habe den Verkauf der Geschäftsanteile nebst Preise der Beklagten anlässlich eines Telefongesprächs mitgeteilt. Im Übrigen wird nach § 54 der EStDV der Beteiligungsverkauf ipso jure dem Finanzamt mitgeteilt“. In der Berufungshauptverhandlung konnte der Angeklagte das angebliche Telefongespräch nach Zeit, Anlass und Gesprächspartner allerdings nicht näher bestimmen.
Dass es kein Beratungshonorar von 687.500 € gab, bestätigte der Angeklagte vor der Kammer mittelbar auch durch sein Prozessverhalten. Denn die von ihm gebilligte Verteidigererklärung, er habe die Einnahme der 687.500 € in der Einkommensteuererklärung 2017 nicht angegeben, weil sie vom Finanzamt schon für 2016 festgesetzt worden sei, ist nur dann sinnhaft und verständlich, wenn es überhaupt nur eine Einnahme von 687.500 € gab. Wäre es aber so, dass es einmal 687.500 € als Veräußerungsgewinn und zum anderen 687.500 € als Honorar gegeben hätte, wäre dieser Vortrag sinnlos.
(f) In der Einkommensteuererklärung für 2017 gab der Angeklagte die Einnahme von 687.500 € nicht an. Weil er diese Erklärung nicht unterschrieben hatte und ihn das Finanzamt zur Nachholung der Unterschrift aufgefordert hatte, reichte er dem Finanzamt ein eigenhändig unterschriebenes, auf den 31. Januar 2020 datiertes Schreiben nach, in dem er die Steuererklärung wie folgt ergänzte: „Der Verkauf der H GmbH Geschäftsanteile sind in früheren Jahren zu versteuern.“
(2) Wie sind die vorstehend angeführten Geschehnisse zu verstehen? Warum hat der Angeklagte, als er erstmals die 687.500 € erwähnte und auch später noch, diese als Beratungshonorar deklariert und was folgt daraus für den Vorsatz bei der Einkommensteuerhinterziehung 2016?
(a) Der Angeklagte selbst hat eine Erklärung dafür, warum er zunächst ein Beratungshonorar angegeben hatte, in den ins Verfahren eingeführten Urkunden nicht vorgebracht. Vor der Berufungskammer hat er dazu auch nichts weiter erklärt.
(b) Die Kammer hat die Möglichkeit erwogen und verworfen, dass die Falschdeklaration der Einnahme als Beratungshonorar schlicht einen Irrtum oder ein Versehen darstellen könnte. Der Angeklagte brachte hier bei einem für ihn wirtschaftlich hoch bedeutsamen Vorgang (oben (1)(a)) eine vom tatsächlichen Geschehen zeitlich, räumlich und situativ völlig abweichende Sachdarstellung vor, was mit einem Versehen, zumal bei einem Fachmann, nicht zu erklären wäre.
(c) Die Kammer ist vielmehr überzeugt, dass die Falschdeklaration ein bewusstes Täuschungsmanöver darstellte, das nur erklärbar ist, wenn (und weil) der Angeklagte von der Steuerbarkeit des Veräußerungserlöses in 2016 wusste. Eine als Beratungshonorar deklarierte Zahlung unterläge nämlich ‒ anders als der Veräußerungserlös ‒ als Einkunft aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) beim nicht bilanzierenden Angeklagten dem Zuflussprinzip (§ 11 EStG), sodass sie entsprechend der Gutschrift am 11. Januar 2017 erst bei der Einkommensteuer 2017 zu erklären gewesen wäre. Damit hätte der Angeklagte die Zahlung jedenfalls für das streitige Steuerjahr 2016 ‒ seine Mitteilung erfolgte ja in der Klageschrift an das Finanzgericht (oben (1)(b)) ‒ „aus der Schusslinie“ gebracht und vor der Besteuerung gerettet, was ein sehr starkes wirtschaftliches Motiv abgibt. Der Angeklagte betonte seine Linie nochmals gegenüber der Steuerfahndung, indem er auf das Zuflussprinzip hinwies (oben (1)(c)). Ebenso betonte er in seinem Einspruch noch die Freiberuflichkeit seiner Tätigkeit, obwohl es um einen schlichten Anteilsverkauf ging, der durch den Einsatz von Kapital und nicht Arbeit bewerkstelligt wurde (oben (1)(d)). Schließlich ‒ als er das weitere Behaupten einer Honorareinkunft offenbar als sinnlos erkannte ‒ meinte er, es läge eine „ungenaue Formulierung“ (oben (1)(e)) vor und verwies das resultierende Missverständnis in die Sphäre des Finanzamtes. Die Formulierung war aber nicht ungenau, sondern behauptete eindeutig etwas anderes. Das alles ergibt für die Kammer das klare und konsistente Bild einer bewussten und nachdrücklichen Irreführung des Finanzamtes durch den Angeklagten, die er ‒ allerdings untauglich ‒ noch fortführte, als er den wahren Sachverhalt bereits eingestanden hatte: Der Hinweis in der Einkommensteuererklärung 2017, der Veräußerungserlös sei „in früheren Jahren zu versteuern“ (oben (1)(f)) ist nach dem Verständnis der Kammer symptomatisch verunklarend, weil nur das eine Jahr 2016 in Frage kam.
Vor diesem Hintergrund erwies sich die Verteidigung, wie sie vor der Berufungskammer vorgebracht wurde, als nicht durchgreifend: Hätte der Angeklagte, wie er vortragen ließ, nicht gewusst, wann die Eintragung der Gesellschafterliste in das Handelsregister erfolgt ist ‒ 2016 oder 2017 ‒ wäre das Erfinden und Vorspiegeln inexistenter Einkünfte durch den Rechtsanwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer völlig unverständlich. Denn mit der Behauptung, er habe 2017 Beratungshonorar (und nicht einen Veräußerungserlös) vereinnahmt, setzte sich der Angeklagte der Gefahr aus, dass ihn das Finanzamt ‒ wie auch tatsächlich geschehen ‒ beim Wort nimmt und diese behaupteten Einkünfte 2017 besteuert oder jedenfalls zu besteuern versucht, bis es dem Angeklagten möglicherweise gelingt, seine Behauptung als Versehen darzustellen. Dieses risikobehaftete Manöver wäre aber entbehrlich gewesen, wenn der Veräußerungserlös ohnehin wegen einer erst 2017 erfolgten Eintragung der Gesellschafterliste sowieso 2017 zu besteuern gewesen wäre. Dann hätte es, so ist die Kammer überzeugt, der Angeklagte ‒ der seinen Lebensunterhalt seit Jahrzehnten mit der Betreuung solcher und ähnlicher Transaktionen bestreitet ‒ nicht durchgeführt. Er hat es nur durchgeführt, weil er wusste, dass die Einkunft 2016 zu besteuern ist, weil die Gesellschafterliste 2016 schon eingetragen war. Dem wollte er entgehen. Hieran hat die Kammer keinen Zweifel.
(d) Offen blieb für die Kammer allerdings, warum der Angeklagte die Zahlung selbst überhaupt thematisiert hat, statt sie in der Klage einfach zu verschweigen. Naheliegend wäre es, hier eine Vorwärtsverteidigung anzunehmen mit dem Ziel, die Besteuerung für 2016 zu verhindern (die Einkommensteuererklärung 2017 gab er erst im Januar 2020 ab), weil er damit rechnen musste, dass den Finanzbehörden die auf dem Konto dokumentierte Zahlung nicht verborgen bleibt (vgl. z.B. § 93 Abs. 7, § 93b, § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO). Das Entdeckungsrisiko war dem Angeklagten jedenfalls bewusst, wie sein Hinweis auf § 54 EStDV (oben (1)(e)) zeigt. Allerdings verwendet der Angeklagte diesen Hinweis in dem Kontext, dass er sich gegen den Vorwurf des Verheimlichens wehrt. Hierzu ist anzumerken, dass dieser Hinweis nicht geeignet ist, den Steuerhinterziehungsvorsatz infrage zu stellen, allein schon, weil die in § 54 EStDV angeordnete Übersendung von Urkunden durch den Notar nicht an das für die Einkommensteuer des Gesellschafters zuständige Wohnsitzfinanzamt (X), sondern an das nach § 20 AO zuständige Finanzamt (T, an das sich die Zeugin E seinerzeit gewandt hatte) erfolgen muss. Welche Kontrollmitteilungen dann vom letztgenannten Finanzamt wann wohin versandt werden, entzieht sich regelmäßig der Kenntnis und dem Einfluss des Steuerpflichtigen.
d) Schlussendlich steht für die Kammer fest, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige (§ 371 Abs. 1 AO) nicht vorliegt.
aa) Ausgeschlossen ist, dass es jedenfalls vor der Tatentdeckung ein Telefonat mit dem Finanzamt, wie vom Angeklagten behauptet, gab, in dem er die Einnahme der 687.500 € als Einkünfte aus dem Veräußerungsgeschäft bezeichnet hätte. Schon die entsprechende Verteidigererklärung war nicht griffig. Danach solle es am 8. März 2018 ein Telefonat mit einem Angehörigen des Finanzamtes gegeben haben. Dessen oder deren Namen wurde allerdings ebenso wenig mitgeteilt, wie weitere Umstände des Telefonats.
Die gem. § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO die Strafbefreiung ausschließende Tatentdeckung lag am 10. April 2019 vor. Nach Mitteilung der Zeugin E lag ihr nämlich am 9. April 2019 die Auskunft des Finanzamtes T vor, aus der sich ergab, dass die 687.500 € Veräußerungserlös an den Angeklagten geflossen waren, sodass sie am Folgetag die Mitteilung an die Bustra schickte, in der sie den Verdacht auf eine Steuerhinterziehung formulierte.
Noch im Schreiben an die Bustra vom 3. Mai 2019 und im Einspruchsschreiben gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 vom 26. Mai 2019 beharrte der Angeklagte allerdings darauf, keinen für 2016 beachtlichen Veräußerungserlös erhalten zu haben (oben c) cc) (1)(c) und (d)). In seinen sonstigen schriftlichen Äußerungen fand sich auch kein Hinweis oder keine Bezugnahme auf ein entsprechendes Telefonat, was sich aber aufgedrängt hätte, hätte es jemals stattgefunden. Ebenso wenig beriefen sich die Finanzbehörden auf ein vermeintliches Telefonat. Dieser Geschehensablauf lässt es für die Kammer als ausgeschlossen erscheinen, dass der Angeklagte vor der Tatentdeckung den Finanzbehörden den Veräußerungserlös telefonisch mitgeteilt hätte.
Nach Lage der Dinge musste der Angeklagte bei verständiger Würdigung auch mit der Tatentdeckung rechnen (§ 371 Abs 2 Satz 1 Nr. 2 AO, vgl. oben c) cc) (2)(d)).
bb) Die erstmalige schriftliche Mitteilung des Angeklagten, er habe 687.500 € (als Beraterhonorar) erhalten, in der Klageschrift an das Finanzgericht Z vom 8. März 2019, stellte ‒ abgesehen davon, dass das Finanzgericht keine Finanzbehörde i.S.d. § 371 Abs. 1 mit § 6 Abs. 2 AO und damit kein tauglicher Adressat einer Selbstanzeige wäre (a.A. m.N. zum Streitstand Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 71. Erg.Lfg., § 371 Rn. 280) ‒ keine Selbstanzeige dar. Die Klage hat nämlich nicht über den 2016 zu versteuernden Veräußerungserlös informiert, sondern tatsächlich inexistente Einkünfte vorgespiegelt, die zudem ‒ hätte der Angeklagte sie tatsächlich erzielt ‒ erst in 2017 zu besteuern gewesen wären. Das reicht nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 2018 - 1 StR 349/18, juris Rn. 6 a.E.; Schauf, aaO, § 371 Rn. 175 f.; Joecks in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 371 Rn. 98, je m.w.N.).
V.
Damit hat sich der Angeklagte objektiv wie subjektiv der Steuerhinterziehung schuldig gemacht (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO). Die von der Verteidigung postulierte Irrtumslage ist zur Überzeugung der Kammer widerlegt, wie ausgeführt ‒ es lag beim Angeklagten kein Irrtum, sondern direkter Täuschungsvorsatz vor.
VI.
1. Den Strafrahmen hat die Kammer § 370 Abs. 3 Satz 1 AO entnommen.
a) Es liegt eine Steuerverkürzung in großem Ausmaß und damit der Regelfall eines besonders schweren Falls vor (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO). In ständiger Rechtsprechung nimmt der Bundesgerichtshof das große Ausmaß bei einem Verkürzungsbetrag von über 50.000 € an (BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 StR 373/15, juris Rn. 32 ff.; vom 9. Mai 2017 - 1 StR 265/16, juris Rn. 55). Das ist hier gegeben, da die Verkürzung 183.741 € beträgt. Im Einzelnen:
aa) Auf der Grundlage der Einkommensteuererklärung des Angeklagten vom 15. Februar 2018, die den Veräußerungsgewinn nicht auswies, setzte das Finanzamt X die Einkommensteuer 2016 zuletzt (in der Fassung Einspruchsentscheidung vom 25. Februar 2019, wie dem Beschluss des Finanzgerichts Z vom 30. Oktober 2019 zu entnehmen ist) auf 66.531 € fest. Hinzu kam der daraus errechnete Solidaritätszuschlag von 3.659 €.
bb) Tatsächlich war die Einkommensteuer 2016 jedoch auf 240.693 € (zuzüglich Solidaritätszuschlag von 13.238 €) festzusetzen wie folgt:
Betrag in €
… [Berechnung] …
= festzusetzende Einkommensteuer 240.693
Solidaritätszuschlag hieraus 13.238
cc) Aus der Differenz der Ist- und der Sollsteuer errechnet sich, wie schon das Amtsgericht richtig erkannt hatte, der Verkürzungsbetrag von insgesamt 183.741 € (ESt + SolZ).
b) Die Umstände des Falles bieten bei der zu treffenden Gesamtabwägung keinen Anlass, von der Regelwirkung des besonders schweren Falles abzusehen (vgl. allgemein BGH, Beschluss vom 21. Mai 2019 - 1 StR 159/19, juris Rn. 15; Jäger in Klein, AO, 15. Aufl., § 370 Rn. 277; Schauf in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 65. Erg.Lfg., § 370 Rn. 1089). Der verkürzte Betrag liegt erheblich über der Schwelle des großen Ausmaßes. Der Angeklagte hat zudem erhebliche kriminelle Energie an den Tag gelegt. Über die in der falschen Steuererklärung liegende Tatbestandsverwirklichung hinaus versuchte er später noch die Steuerbehörden durch die Erfindung inexistenter Einkünfte in die Irre zu führen. Damit schaffte er es, sogar das Finanzgericht Z derart zu verwirren, dass es ihm insoweit eine Aussetzung der Vollziehung gewährte, „da nach summarischer Prüfung nicht eindeutig belegt ist, in welchem Jahr und in welcher Höhe der Veräußerungsgewinn angefallen und nach § 17 EStG anzusetzen ist“ (Beschluss vom 30. Oktober 2019, S. 17 Abs. 2). So ist die noch nicht beglichene Steuerschuld weiterhin offen. Der Umstand, dass der Angeklagte bei Tatbegehung nicht vorbestraft war, und sein hohes Alter rechtfertigen kein Absehen vom besonders schweren Fall.
2. Bei der Strafzumessung im engeren Sinne waren für die Kammer im Kern folgende Erwägungen leitend:
a) Zugunsten des Angeklagten sprach, dass er den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung einräumte, auch wenn die Kammer ‒ anders als seinerzeit das Amtsgericht ‒ darin keine Schuldeinsicht und Reue zu erkennen vermochte. Der Angeklagte war zudem bei Tatbegehung nicht vorbestraft und ist als über 80-Jähriger besonders haftempfindlich.
b) Zu Lasten des Angeklagten spricht neben der Höhe der Steuerverkürzung insbesondere die hohe kriminelle Energie. Die Kammer teilt nicht die Auffassung des Verteidigers in seinem Plädoyer, der die Angabe der Honorareinkünfte zwar nicht als strafbefreiende Selbstanzeige, aber doch als erheblichen, dem Angeklagten günstigen Strafzumessungsgesichtspunkt gewertet sehen wollte. Das Gegenteil ist richtig. Zwar hat das Finanzamt den Angeklagten beim Wort genommen und das Honorar bei der Steuer festgesetzt, wogegen der Angeklagte nunmehr prozessiert. Damit hat er sich selbstverschuldet Scherereien eingehandelt, was ihn aber nicht entlastet. Es ändert zudem nichts daran, dass ‒ nach der Überzeugung der Kammer ‒ mangels entsprechender Einkünfte keine Steuerschuld insoweit besteht. Dem Fiskus steht demgemäß materiell kein Anspruch gegen den Angeklagten zu, sodass dieser durch die Falschangabe auch nichts geradegerückt hat. Die Kammer sieht bei diesem Punkt vielmehr die hohe kriminelle Energie, die, über die Tatbegehung hinaus, in der fortgesetzten Irreführung der Steuerbehörden liegt, um sich auch weiterhin der Besteuerung zu entziehen.
c) Insbesondere mit Blick auf das hohe Lebensalter des Angeklagten und im Wissen darum, was Strafhaft in seinem Alter bedeutet, hat die Kammer nach Abwägung aller für und gegen ihn sprechenden Umstände die ‒ milde ‒ Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verhängt. Dies wird als (noch) angemessene Sanktion der Tat und dem Täter gerecht.
d) Hieraus war mit der Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17. Februar 2021 von einem Jahr und drei Monaten gem. § 55 StGB eine Gesamtstrafe zu bilden. Unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und mit Blick darauf, dass beide Straftaten den Bereich der Steuerhinterziehung betreffen und der Angeklagte ‒ bei jeweiliger Tatbegehung ‒ noch als Steuerberater zugelassen war, hält die Kammer die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von
zwei Jahren und fünf Monaten
für erforderlich aber auch ausreichend. Wegen der grundsätzlich gesamtstrafenfähigen, aber bereits vollstreckten Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Miesbach vom 22. März 2021 wurde hierbei ein Härteausgleich gewährt.
Die Kammer hat bei der Gesamtstrafenbildung die Möglichkeit gesehen, eine Kombination von Geld- und Freiheitsstrafe (§ 53 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1, § 41 StGB) zu verhängen, wie auch die Möglichkeit, die Gesamtstrafe auf zwei Jahre zu drücken, beides, um noch eine Strafaussetzung zur Bewährung in Betracht ziehen zu können. Beides hat sie nach Abwägung der bereits genannten Gesichtspunkte und mit Blick auf die Person des Angeklagten allerdings verworfen, weil ein solches Vorgehen aus ihrer Sicht den Bereich des tat- und schuldangemessenen Strafens verlassen hätte.
VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO. Eine Ermäßigung der Berufungsgebühr und eine teilweise Auferlegung der Auslagen gegen die Staatskasse wegen der Teileinstellung zur Einziehungsentscheidung hat die Kammer nicht vorgenommen, weil die Einziehung der Sache nach gerechtfertigt wäre. Sie unterblieb, um etwaige spätere Friktionen zu den laufenden finanzgerichtlichen Streitigkeiten des Angeklagten und zu deren derzeit nicht absehbaren Ergebnissen zu vermeiden. Es ist daher nach Auffassung der Kammer billig, den Angeklagten mit den Kosten insoweit zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
RechtsgebieteAO, EStG, EStDV, SolZGVorschriften§ 369 Abs. 1 Nr. 1, § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO; §§ 1, 2, 17, 25 EStG; § 56 EStDV; §§ 1, 2, 3, 4 SolZG