28.06.2022 · IWW-Abrufnummer 229935
Verwaltungsgericht Aachen: Urteil vom 24.03.2022 – 8 K 1116/18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Verwaltungsgericht Aachen
8 K 1116/18
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d :
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Der Kläger begehrt die Gewährung von Akteneinsicht in eine anonyme Anzeige, die zu einer steueraufsichtsrechtlichen Prüfung seines Betriebs geführt hat.
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Am 14. September 2017 um 18:00 Uhr überprüften Beamte des Hauptzollamts Aachen aufgrund einer anonymen Anzeige vom 20. August 2017, wonach der Kläger seine landwirtschaftlichen Fahrzeuge mit Heizöl betanken solle, die Traktoren und die Tankanlage auf dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers im Rahmen der Steueraufsicht nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 EnergieStG i.V.m. § 210 AO. Die Prüfung ergab keine Beanstandungen.
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Mit Schreiben vom 12. Oktober 2017 beantragte der Kläger Akteneinsicht. Er sei zur Wahrnehmung zivilrechtlicher Ansprüche gegen die anzeigende Person auf Akteneinsicht angewiesen. Auch wenn es sich um eine anonyme Anzeige gehandelt haben sollte, sei zu prüfen, ob und ggf. in welchem Umfang die Person identifizierbar sei.
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Mit Schreiben vom 19. Oktober 2017 teilte das Hauptzollamt Aachen dem Kläger mit, dass dem Antrag auf Akteneinsicht nicht entsprochen werde. Es werde kein Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen ihn geführt. Die am 14. September 2017 durchgeführte Kontrolle auf seinem Betriebsgelände sei keine strafprozessuale Maßnahme, sondern eine Maßnahme im Rahmen der Steueraufsicht gewesen. Wie aus der Prüfungsniederschrift hervorgehe, hätten sich keine Beanstandungen ergeben. Es liege auch kein Sachverhalt vor, der eine Offenbarung nach § 30 Abs. 4 Nr. 4 b) AO rechtfertige.
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Auf erneute Bitte des Klägers um Akteneinsicht verwies das Hauptzollamt Aachen mit Schreiben vom 4. Dezember 2017 auf sein vorangegangenes Schreiben. Ein Akteneinsichtsrecht in der abgeschlossenen Steuerangelegenheiten bestehe nicht. Die Einschränkungen für eine Offenbarung steuerlicher Informationen nach § 30 Abs. 4 AO stünden dem Antrag entgegen.
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Der Kläger wiederholte den Akteneinsichtsantrag noch mehrfach. Die Beklagte könne sich nicht hinter dem Datenschutz verstecken. Die Datenschutzrichtlinie betreffe den Schutz des Steuerpflichtigen, also seiner Person. Er sei aber derjenige, der die Auskunft wünsche. Die Datenschutzrichtlinie schütze nicht den Denunzianten, der durch unwahre Behauptungen einen Steuerpflichtigen belaste. Zudem lägen die Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO vor. Er habe der Akteneinsicht zugestimmt.
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Auf Bitte des Klägers um einen rechtsmittelfähigen Bescheid teilte das Hauptzollamt Aachen mit Schreiben vom 5. März 2018 mit, dass ein anfechtbarer Verwaltungsakt nicht vorliege. Für eine Klage sei das Verwaltungsgericht Aachen zuständig.
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Am 14. März 2018 hat der Kläger Klage erhoben.
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Er macht geltend, er und seine Familie würden seit geraumer Zeit in erheblichem Maße gestalkt. Es seien deswegen bereits verschiedene Verfahren anhängig, u.a. ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Aachen gegen den vermeintlichen Stalker - 000 Js 0000/00 - und ein Verfahren beim Amtsgericht Eschweiler - 00 C 00/00 - wegen Unterlassung und eines Kontaktverbots. Gegenstand der Auseinandersetzungen seien u.a. vermehrte anonyme Anzeigen gegenüber Ordnungs- und Kontrollbehörden, mit denen ihm und seiner Familie Schaden zugefügt werden solle. Er vermute, dass auch im vorliegenden Fall eine Anzeige des Stalkers vorliege. Zur Geltendmachung zivilrechtlicher Schritte sei er daher auf Akteneinsicht angewiesen. Er müsse überprüfen können, wer hinter der Anzeige stecke, in welcher Weise sie erfolgt sei und ob der Anzeigeerstatter identifizierbar sei. Der Anzeigeerstatter verdiene keinen Schutz, da seine eigene Steuerangelegenheit nicht betroffen sei und die Beklagte selbst laut Aktenvermerk vom 29. August 2017 aufgrund der Art und Umständen der Anzeige offensichtlich ihren Wahrheitsgehalt infrage stelle.
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Die Beklagte hat im Klageverfahren den Verwaltungsvorgang übersandt und dabei den Vermerk vom 29. August 2017 (Blatt 1 des Verwaltungsvorgangs - VV -) durch eine Kopie mit Schwärzung ausgetauscht und die anonyme Anzeige vom 20. August 2017 (Blatt 2 des VV) entnommen.
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Mit Verfügung vom 6. März 2019 hat der frühere Berichterstatter darauf hingewiesen, dass der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet sei.
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Mit Verfügung vom 21. März 2019 hat der frühere Berichterstatter die Nachholung des nach § 9 Abs. 4 IFG erforderlichen Widerspruchsverfahrens angeregt.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2019, zugestellt am 4. Juli 2019, wies die Generalzolldirektion Nürnberg den mit Schreiben vom 25. März 2019 erhobenen Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, einem Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG stünden die Ausschlussgründe der § 3 Nr. 4, § 3 Nr. 7 und § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG entgegen.
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Gemäß § 3 Nr. 4 IFG bestehe ein Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift geregelten Geheimhaltungspflicht unterliege. Von dieser Norm werde insbesondere das Steuergeheimnis nach § 30 AO als besonderes Amtsgeheimnis umfasst. Bei der durchgeführten Steueraufsichtsmaßnahme handle es sich um ein Verwaltungsverfahren in Steuersachen nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 a) AO. Bei der Steueraufsichtsmaßnahme nach § 210 AO und § 61 EnergieStG habe es sich um eine Kontrolle des in der Tankanlage gelagerten und in den Fahrzeugen befindlichen Kraftstoffs des Klägers durch das Hauptzollamt Aachen gehandelt. Die Steueraufsichtsmaßnahme diene der Feststellung der gleichmäßigen Festsetzung von Steuern. Schon aus dem Wortlaut „Steueraufsicht“ ergebe sich, dass es sich um eine Verwaltungsmaßnahme in Steuersachen und damit um ein Steuerverfahren handle. § 210 AO gehöre in der Systematik der AO auch zu deren vierten Teil („Durchführung der Besteuerung“). Ob in einem Verwaltungsverfahren tatsächlich Steuern erhoben würden, sei für die Einordnung als Verwaltungsverfahren in Steuersachen nicht maßgeblich. Entscheidend sei, dass sich das betreffende Verfahren nach steuergesetzlichen Vorschriften richte. Mit dem Begriff des Verwaltungsverfahrens in Steuersachen seien alle behördlichen Maßnahmen erfasst, die darauf gerichtet seien, Steuern und steuerliche Nebenleistungen festzusetzen, zu erheben oder zu vollstrecken. Dazu gehöre auch die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen. Durch das Informationsfreiheitsgesetz entstehe kein das spezialgesetzlich geregelte Steuergeheimnis „überschreibender“ Informationsanspruch. Gemäß § 32e Satz 1 AO gölten die Regelungen der Art. 12 bis 15 der Verordnung (EU) 2016/679 i.V.m. den §§ 32a bis 32d AO entsprechend. Weitergehende Informationsansprüche über steuerliche Daten seien nach § 32e Satz 2 AO ausdrücklich ausgeschlossen. Soweit sich Auskunftsansprüche gegen Finanzbehörden ergäben, begrenze der Schutzbereich des Steuergeheimnisses jedenfalls den Anspruch Dritter, also auch den des Steuerpflichtigen auf Auskunft über die Person eines Anzeigeerstatters. Die anonyme Anzeige unterliege daher dem Steuergeheimnis nach § 30 AO. Sofern der Anzeigeerstatter vorsätzlich falsche Angaben gemacht habe, sei zwar eine Offenbarung zulässig, aber gemäß § 30 Abs. 5 AO nur an die Strafverfolgungsbehörden.
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Gemäß § 3 Nr. 7 IFG bestehe ein Anspruch auf Informationszugang ferner nicht bei vertraulich erhobener oder übermittelter Information, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbestehe. Ein objektiv schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse sei nur dann nicht gegeben, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Informant seine falschen Angaben leichtfertig oder wider besseren Wissens gemacht habe (Denunziation). Im vorliegenden Fall sei es zwar möglich, dass der Anzeigeerstatter vorsätzlich falsche Angaben gemacht habe. Da er anonym aufgetreten sei, lasse sich dies aber nicht mit ausreichender Sicherheit feststellen, so dass im Ergebnis keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen Fall von Denunziantentum vorlägen.
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Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG dürfe der Zugang zu personenbezogenen Daten nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiege oder der Dritte eingewilligt habe. Bei der anonymen Anzeige handle es sich um personenbezogene Daten. Zwar sei die Anzeige anonym erstattet worden, so dass es ihr nicht möglich sei, konkrete Rückschlüsse auf die Person des Verfassers zu ziehen. Aufgrund der in der Anzeige konkret beschriebenen Situation, in der der Anzeigeerstatter die Information erlangt haben wolle, sei jedoch ggf. dem Kläger ein Rückschluss auf die Person möglich. Dies gelte umso mehr, als die in der Anzeige beschriebene Situation darauf schließen lasse, dass insgesamt nur wenige Personen anwesend gewesen seien (sehr kleiner Personenkreis). Eine Einwilligung in die Informationsweitergabe durch den Dritten scheide aus, weil bei der anonymen Anzeige eine Drittbeteiligung nach § 8 IFG nicht möglich sei. Im Rahmen der deswegen erforderlichen Interessenabwägung überwiege das schutzwürdige Interesse des Anzeigeerstatters als Dritter am Ausschluss des Informationszugangs das Informationsinteresse des Klägers. Der Kläger begehre Akteneinsicht, um ggf. bestehende zivilrechtliche Ansprüche prüfen zu können. Der anonyme Anzeigeerstatter habe ein Interesse daran, unbekannt zu bleiben, um persönliche Nachteile zu vermeiden. Im vorliegenden Fall sei es zwar denkbar, dass der Anzeigeerstatter dem Kläger schaden wolle, dies lasse sich jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen.
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Die Generalzolldirektion Nürnberg wies in der Rechtsbehelfsbelehrung darauf hin, dass aufgrund ihres Behördensitzes das Verwaltungsgericht Köln zuständig sei.
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Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2019 hat der Kläger den Widerspruchsbescheid in das Klageverfahren einbezogen.
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Er beantragt nunmehr,
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die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 19. Oktober 2017 und 4. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Juli 2019 vollständige Akteneinsicht in den Vorgang - SV 0000 B- AL000/00 - C 00 -, insbesondere auch in den ungeschwärzten Vermerk vom 29. August 2017 und in die anonyme Anzeige vom 20. August 2017 (Blatt 2 des VV) zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen
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Die Beklagte hat ursprünglich eine Verweisung an das ihrer Ansicht nach zuständige Finanzgericht angeregt. Es gehe um Akteneinsicht in einer Steuerangelegenheit. Das Hauptzollamt Aachen habe den Betrieb des Klägers im Rahmen einer Steueraufsichtsmaßnahme überprüft. Der Kläger habe sich im Verwaltungsverfahren nicht auf das Informationsfreiheitsgesetz bezogen, sondern - wie auch das Hauptzollamt Aachen - nur auf die Abgabenordnung. Sollte das Verwaltungsgericht den Verwaltungsrechtsweg als eröffnet ansehen, sei die Klage mangels Durchführung des erforderlichen Vorverfahrens bereits unzulässig. Die Klage sei zudem unbegründet, da dem Informationsbegehren nach dem Informationsfreiheitsgesetz das Steuergeheimnis des § 30 AO entgegen, der als materielle Geheimhaltungsvorschrift ausgestaltet sei. Mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sei davon auszugehen, dass grundsätzlich auch die Identität eines anonymen Anzeigeerstatters dem Steuergeheimnis des § 30 AO unterliege und deswegen ein Anspruch auf Akteneinsicht nicht bestehe, sondern lediglich ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung. Zwar seien die in dem Vorgang enthaltenen Daten hinsichtlich des Namens und der Anschrift des Anzeigeerstatters anonym gehalten. Es bestehe jedoch die Möglichkeit, ggf. anhand der dargestellten Erkenntnisgewinnung Rückschlüsse auf den Anzeigeerstatter zu ziehen.
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Mit Schriftsatz vom 5. Juli 2019 hat die Beklagte die Verweisung an das Verwaltungsgericht Köln beantragt, das aufgrund des Behördensitzes der Generalzolldirektion Nürnberg örtlich zuständig sei.
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Mit Verfügung vom 21. Oktober 2021 hat die Berichterstatterin darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht Aachen örtlich zuständig sei.
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Mit Beschluss vom 15. Februar 2022 hat die Kammer das Verfahren auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Aachen - 000 Js 0000/00 - und der beigezogenen Gerichtsakte des Amtsgerichts Eschweiler - 00 C 00/00 - Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
30
Die Klage hat keinen Erfolg.
31
I. Für den vom Kläger geltend gemachten Klageanspruch - Akteneinsicht in die vollständige Steuerakte betreffend die steueraufsichtsrechtliche Prüfung vom 14. September 2017 - ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsrechtweg eröffnet.
32
Nach dieser Vorschrift ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.
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1. Die abdrängende Sonderzuweisung des § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AO an die Finanzgerichte greift nicht ein, da die Streitigkeit nicht - ausschließlich - eine Abgabenangelegenheit i.S.v. § 33 Abs. 2 AO betrifft.
34
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist der Finanzrechtsweg gegeben in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben - wie hier mit dem Energiesteuergesetz - der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und ‑ wie hier nach §§ 1 Nr. 3, 12 Abs. 1 und 2 FGV - durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Abgabenangelegenheiten sind nach § 33 Abs. 2 FGO u.a. „alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten“. Die abgabenrechtlichen Vorschriften sind in erster Linie bei Streitigkeiten über Steuern (§ 3 AO) heranzuziehen; hierzu zählen die Durchführung der Besteuerung, das Erhebungsverfahren und die Vollstreckung. Über den engeren Bereich des so umschriebenen Steuerrechtsverhältnisses hinaus wird der Bereich der Abgabenangelegenheiten auf die damit zusammenhängenden Angelegenheiten erweitert und zugleich begrenzt. Mit § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO wird daher keine umfassende behördenbezogene Zuständigkeit der Finanzgerichtsbarkeit für die gesamte öffentlich-rechtliche Tätigkeit der Finanzbehörden begründet. Vielmehr muss die Angelegenheit gerade mit der Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften verknüpft und dadurch geprägt sein. Die Gewährung von Einsicht in Steuerakten und die Auskunft über steuerliche Daten ist eine Abgabenangelegenheit i.S.v. § 33 Abs. 2 FGO, wenn über sie auf der Grundlage steuerverfahrensrechtlicher Regelungen zu entscheiden ist oder wenn das betreffende Begehren im Steuerrechtsverhältnis wurzelt und insoweit mit der Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften im Zusammenhang steht. Fehlt es an diesem Bezug, kann der erforderliche rechtswegbestimmende Zusammenhang weder allein damit begründet werden, dass die Steuerakten Vorgänge wiedergeben, über die in Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften entschieden worden ist, noch damit, dass bei der Entscheidung über das streitgegenständliche Begehren ggf. auch abgabenrechtliche Vorschriften - etwa Schutz des Steuergeheimnisses nach § 30 AO - zu beachten sind. Eine Streitigkeit ist nämlich nicht schon dann eine solche über Abgabenangelegenheiten, wenn in ihrem Rahmen eine steuerrechtliche Vorfrage zu entscheiden ist.
35
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17.09.2018 - 7 B 6.18 -, juris, Rn. 5 und vom 15. Oktober 2012 - 7 B 2.12 -, juris. Rn. 13 ff., 17.
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Gemessen daran ist nicht festzustellen, dass der geltend gemacht Akteneinsichtsanspruch in einem Steuerrechtsverhältnis wurzelt und insoweit - allein - mit der Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften im Zusammenhang steht.
37
Zwar begehrt der Kläger Einsicht in eine Steuerakte. Denn die streitbefangenen Aktenbestandteile sind anlässlich der Prüfung bzw. Probeentnahme durch das Hauptzollamt Aachen im Betrieb des Klägers am 14. September 2017 nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 EnergieStG i.V.m. § 209 AO entstanden, bei der es sich um eine Maßnahme der besonderen Steueraufsicht handelte (vgl. Verortung des § 209 AO im 6. Abschnitt - Steueraufsicht in besonderen Fällen - des Vierten Teils - Durchführung der Besteuerung - der Abgabenordnung). Die begehrte Akteneinsicht weist aber keinen Bezug zu einem konkreten Steuerrechtsverhältnis auf. Insbesondere begehrt der Kläger die Akteneinsicht nicht, um seine Rechte in einem noch laufenden steuerrechtlichen Verfahren wahrnehmen zu können. Es ist schon zweifelhaft, ob durch die Prüfung bzw. Probeentnahme allein überhaupt schon ein Steuerrechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten begründet worden ist. Zwar zählen Maßnahmen der besonderen Steueraufsicht systematisch zum Vierten Teil der Abgabenordnung und damit zum Verfahren der Durchführung der Besteuerung. Jedoch hat die fragliche Prüfung bzw. Probeentnahme, die der Feststellung diente, ob ein steuerpflichtiger Sachverhalt nach dem Energiesteuergesetz vorlag, nicht zu Beanstandungen geführt, so dass mangels Feststellung eines steuerrelevanten Sachverhalts auch keine weiteren steuerrechtlichen, namentlich auf Festsetzung der Steuer gerichteten Maßnahmen gegenüber dem Kläger getroffen worden sind. Selbst wenn man annehmen wollte, dass allein durch die Prüfung bzw. Probeentnahme ein Steuerrechtsverhältnis begründet worden sein sollte, war das steuerrechtliche Verwaltungsverfahren im Zeitpunkt der Beantragung der Akteneinsicht am 12. Oktober 2017 jedenfalls schon abgeschlossen. Denn die Prüfung hatte - wie dargelegt - zu keinen Beanstandungen geführt. Der Kläger begehrt die Akteneinsicht insbesondere auch nicht, um die aus diesem steuerrechtlichen Verfahren gewonnenen Informationen im Zusammenhang mit einer Steuerfestsetzung oder Steuererhebung zu verwerten, sondern vielmehr um zivilrechtliche Ansprüche gegenüber dem anonymen Anzeigeerstatter prüfen und geltend machen zu können. Das Begehren des Klägers auf Akteneinsicht betrifft damit keine mit der Verwaltung von Abgaben zusammenhängende Angelegenheit.
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2. Auch die abdrängende Sonderzuweisung des § 32i Abs. 2 Satz 2 AO i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO an die Finanzgerichte ist im Hinblick auf einen auf das Informationsfreiheitsgesetz gestützten Akteneinsichtsanspruch nicht einschlägig.
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Danach ist der Finanzrechtsweg gegeben für Auskunfts- und Informationsansprüche, deren Umfang nach § 32e AO begrenzt ist. Nach § 32e Satz 1 AO gelten, soweit die betroffene Person oder ein Dritter nach dem Informationsfreiheitsgesetz vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722) in der jeweils geltenden Fassung oder nach entsprechenden Gesetzen der Länder gegenüber der Finanzbehörde einen Anspruch auf Informationszugang hat, die Art. 12 bis 15 der Verordnung (EU) 2016/679 i.V.m. den §§ 32a bis 32d AO entsprechend. Weitergehende Informationsansprüche über steuerliche Daten sind insoweit ausgeschlossen (Satz 2).
40
§ 32i Abs. 2 Satz 2 AO findet vorliegend jedoch in zeitlicher Hinsicht keine Anwendung, da die Vorschrift durch Gesetz vom 21. Dezember 2020 - Jahressteuergesetz 2020 - (BGBl. I, S. 3096) erst mit Wirkung vom 29. Dezember 2020 in Kraft getreten ist. Gemäß § 17 Abs. 1 GVG wird die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges aber durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände - hier Inkrafttreten des § 32i Abs. 2 Satz 2 AO - nicht berührt.
41
Vgl. ebenso: Krumm, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: 05.2021, § 32i AO, Rn. 2.
42
Bis zum Inkrafttreten dieser Vorschrift ergab sich auch weder aus § 32i Abs. 2 AO a.F. noch aus § 32e AO eine Rechtswegzuweisung an die Finanzgerichte für Auskunfts- und Informationsansprüche gegen Finanzbehörden, die - wie hier (auch) - auf Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes gestützt waren.
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Vgl. BFH, Beschluss vom 16. Juni 2020 - II B 65/19 -, juris; Rn. 9 ff.
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3. Für das Klagebegehren ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der allgemeine Verwaltungsrechtsweg eröffnet.
45
Ob eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne dieser Vorschrift vorliegt und damit der Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten eröffnet ist, richtet sich nach dem jeweiligen Klagebegehren. Maßgeblich ist dabei aus welcher Rechtsvorschrift der geltend gemachte Klageanspruch (objektiv) hergeleitet wird, d.h. welche Rechtsnorm streitentscheidend ist.
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Vgl. von Albedyll, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 8. Aufl. (2021), § 40 Rn. 14.
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Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit dabei unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Das zuerst angerufene Gericht darf den Rechtsstreit daher nach §§ 17a Abs. 2 Satz 1 GVG nur dann verweisen, wenn der Rechtsweg zu ihm schlechthin, d.h. mit allen für den Klageanspruch in Betracht kommenden Klagegründen, unzulässig ist. Ob für das - einen einheitlichen Streitgegenstand bildende - Klagebegehren auch eine Rechtsgrundlage in Betracht kommt, die in dem beschrittenen Rechtsweg zu verfolgen ist - ob also ein „gemischtes Rechtsverhältnis“ bzw. eine „rechtwegüberschreitende Anspruchsnormkonkurrenz“ vorliegt -, ist aufgrund des Klageantrags und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts zu prüfen. Dabei steht der Umstand, dass der Kläger sich auf eine materielle Anspruchsgrundlage beruft, für die der beschrittene Rechtsweg zulässig wäre, einer Verweisung nur dann nicht entgegen, wenn diese Anspruchsgrundlage aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts so offensichtlich nicht gegeben sein kann, dass kein Bedürfnis dafür besteht, die Klage insoweit mit Rechtskraftwirkung abzuweisen.
48
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. Oktober 2012 - 7 B 2.12 -, juris, Rn. 7, und vom 15. Dezember 1992 - 5 B 144/91 -, juris, Rn. 2 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 8. März 2018 - 15 E 100/18 -, juris, Rn. 3, vom 7. September 2011 - 8 E 879/11 -, juris, Rn. 3 und vom 26. August 2009 - 8 E 1044/09 -, juris, Rn. 4.
49
Ausgehend von diesen Maßstäben beurteilt sich das - einen einheitlichen Streitgegenstand bildende - Klagebegehren des Klägers jedenfalls auch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG.
50
Der Kläger hat den geltend gemachten Akteneinsichtsanspruch weder im Verwaltungsverfahren noch im Klageverfahren auf eine bestimmte Anspruchsgrundlage gestützt oder gar begrenzt. Er hat lediglich vorgetragen, dass die Akteneinsicht der Prüfung zivilrechtlicher Ansprüche gegen den Anzeigeerstatter diene und dem Anspruch weder der Datenschutz noch § 30 AO entgegenstünden. Auch das Hauptzollamt Aachen hat den Anspruch nicht anhand einer bestimmten Rechtsgrundlage geprüft, sondern nur einen sinngemäß unterstellten Akteneinsichtsanspruch unter Hinweis auf das Steuergeheimnis nach § 30 AO abgelehnt. Erst die Widerspruchsbehörde hat - nach entsprechendem Hinweis des Gerichts - auch einen Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz geprüft und abgelehnt. Der Kläger macht daher im vorliegenden Klageverfahren der Sache nach einen Anspruch auf Aktensicht nach allen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen geltend.
51
Für die insoweit auch in Frage kommende Anspruchsnorm des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG ist aber - bis zum Inkrafttreten des § 32i Abs. 2 Satz 2 AO - der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet.
52
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2012 - 7 B 2.12 -, juris, Rn. 11 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 26. August 2009 - 8 E 1044/09 -, juris, Rn. 7; BFH, Beschluss vom 16. Juni 2020 - II B 65/19 -, juris; Rn. 9 ff.
53
Ob daneben ggf. auch noch andere Anspruchsgrundlagen in Betracht kommen, für die grundsätzlich der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet wäre (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 FGO), wie etwa der (ungeschriebene) steuerverfahrensrechtliche Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Finanzbehörden über ein Akteneinsichtsbegehren des Steuerpflichtigen,
54
vgl. hierzu: BFH, Beschluss vom 5. Dezember 2016 - VI 27.16 -, juris, Rn. 3, und Urteil vom 23. Februar 2010 - VII R 19.09 -, juris, Rn. 10 ff.,
55
ist unerheblich. Denn wegen § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG ist es ausreichend, wenn eine Rechtsgrundlage in Betracht kommt, die in dem beschrittenen Rechtsweg zu verfolgen ist.
56
Der Anspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG ist auch nicht offensichtlich ausgeschlossen, insbesondere nicht wegen der Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 3 IFG. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass den verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Abgabenordnung betreffend die Gewährung von Akteneinsicht außerhalb eines Besteuerverfahrens - insbesondere gegenüber dem eigenständigen, unabhängig von einem anhängigen Steuerverwaltungsverfahren bestehenden Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz - keine Sperrwirkung zukommt, d.h. die Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes nicht subsidiär gegenüber denen der Abgabenordnung sind. Denn der Gesetzgeber hat sich beim Erlass der Abgabenordnung nur mit der Frage befasst, ob der Beteiligte eines steuerrechtlichen Verfahrens nach dem Vorbild des § 29 VwVfG einen Anspruch auf Akteneinsicht haben soll (vgl. BT-Drs. 7/4292 S. 24 f.). Gegenstand dieser Überlegungen und der nachfolgenden Nichtregelung („absichtsvolle Nichtregelung“) war demnach nur der Informationszugang im Rahmen des Besteuerungsverfahrens.
57
Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2018 - 7 3 C 3.16 -, juris, Rn. 12, und Beschluss vom 14. Mai 2012 - 7 B 53.11-, juris, Rn. 9 f.
58
Vorliegend geht es aber - wie dargelegt - um die Gewährung von Akteneinsicht außerhalb eines noch laufenden Besteuerungsverfahrens.
59
II. Das Verwaltungsgericht Aachen ist auch gemäß § 52 Nr. 2 Satz 1 und 2 VwGO örtlich zuständig.
60
Nach § 52 Nr. 2 Satz 1 VwGO ist bei Anfechtungsklagen gegen den Verwaltungsakt u.a. einer Bundesbehörde das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Bundesbehörde ihren Sitz hat, sofern nicht - was hier nicht der Fall ist - der Gerichtsstand der belegenen Sache (Nr. 1) oder des besonderen Pflichtenverhältnisses (Nr. 4) zur Anwendung kommt. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies auch bei Verpflichtungsklagen. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Bestimmung ist danach der Sitz der Bundesbehörde maßgeblich, die den Verwaltungsakt erlassen hat bzw. von der der Erlass des Verwaltungsakts begehrt wird, d.h. der Sitz der Ausgangsbehörde. Lediglich dann, wenn mit einer Anfechtungsklage allein der Widerspruchsbescheid angegriffen wird (vgl. § 79 Abs. 2 VwGO), ist der Sitz der Widerspruchsbehörde für die örtliche Zuständigkeit des Gerichts maßgeblich.
61
Vorliegend hat das Hauptzollamt Aachen als aktenführende örtlich zuständige Bundesbehörde (vgl. §§ 1 Nr. 3, 12 Abs. 1 und 2 FVG) den Antrag des Klägers auf Gewährung von Akteneinsicht abgelehnt. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2019, den der Kläger - zulässig - in das Klageverfahren einbezogen hat, ist diese Entscheidung bestätigt worden. Für die streitgegenständliche Verpflichtungsklage ist daher der Sitz des Hauptzollamts Aachen als Ausgangsbehörde, die den begehrten Verwaltungsakt abgelehnt hat, maßgeblich.
62
III. Die Klage ist zwar zulässig.
63
1. Die als Verpflichtungsklage statthafte Klage (vgl. § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO) ist insbesondere fristgerecht erhoben worden, da hier weder die Monatsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO noch die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO galt.
64
Die nach ihrem objektiven Regelungsgehalt (§§ 133, 157 BGB) als Bescheide zu qualifizierenden Schreiben des Hauptzollamts Aachen vom 19. Oktober 2017 und vom 7. Dezember 2017 haben keine Rechtsmittelbelehrung enthalten. Das Schreiben vom 27. Februar 2018 enthält die Angabe, für eine „Klage“ sei das Verwaltungsgericht Aachen zuständig. Diese Rechtsmittelbelehrung war jedoch fehlerhaft bzw. irreführend, weil tatsächlich hinsichtlich des Anspruchs nach dem Informationsfreiheitsgesetz gemäß § 9 Abs. 4 IFG Widerspruch zu erheben war. Eine solche Belehrung ist letztlich einer Belehrung i.S.v. § 58 Abs. 2 Satz 1 letzte Alt. VwGO gleichzusetzen, die dahin geht, dass ein Rechtbehelf nicht gegeben sei, mit der Folge, dass die Klage auch noch nach Ablauf eines Jahres eingelegt werden kann. Belehrt eine Stelle die Beteiligten dahin, ihnen stehe der von ihr bezeichnete Rechtsbehelf zu, dann stellt sie den nach Lage der Dinge einzig statthaften Rechtsbehelf als nicht gegeben dar. Die Interessenlage des Beteiligten, der sich entsprechend der ihm erteilten Belehrung verhält und infolgedessen das zu tun unterlässt, was er nach der Prozessordnung zur Wahrung seiner Rechte richtigerweise hätte tun müssen, entspricht damit der Interessenlage des Beteiligten, der von einer Stelle rechtsirrtümlich dahin belehrt worden ist, ein Rechtsbehelf sei nicht gegeben, und es infolgedessen unterlässt, den allein statthaften Rechtsbehelf einzulegen.
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Vgl. für den Fall, dass ein Verwaltungsgericht fälschlicherweise belehrt, dass Berufung gegeben ist anstatt Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung: BVerwG, Urteil vom 2. April 1987 ‑ 5 C 67/84 -, juris, Rn. 15; Meissner/Schenk in Schoch/Schneider/Bier, VwGO-Kommentar, § 58, Rn. 60.
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Auch eine Verwirkung kam im Zeitpunkt der Nachholung des richtigen Rechtsbehelfs weder mit Blick auf das Umstandsmoment noch mit Blick auf das Zeitmoment in Betracht.
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2. In dem für eine Sachentscheidungsvoraussetzung maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der mündlichen Verhandlung,
68
vgl. hierzu: Geis, in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 68 Rn. 113,
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ist auch das für dem Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz nach § 9 Abs. 4 Satz 1 und 2 IFG erforderliche Widerspruchsverfahren erfolglos durchgeführt worden. Aufgrund des bereichsspezifisch ausdrücklich vorgeschriebenen Widerspruchs,
70
vgl. hierzu: Schoch, IFG, Kommentar, 2. Auflage, Rn. 67-69, 80,
71
ist es unerheblich, dass der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber von der Öffnungsklausel in § 68 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. VwGO Gebrauch gemacht und mit § 110 JustG NRW das Widerspruchsverfahren für informationsfreiheitsrechtliche Verfahren nicht (mehr) vorgesehen hat.
72
IV. Die Klage ist jedoch unbegründet.
73
Die Bescheide des Hauptzollamts Aachen vom 19. Oktober 2017 und 4. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Juli 2019 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Ihm steht ein Anspruch auf Einsicht in die vollständige Steuerakte des Hauptzollamts Aachen betreffend den Vorgang - SV 0000 B- AL000/00 - C 00 -, namentlich in den ungeschwärzten Vermerk vom 29. August 2017 und die anonyme Anzeige vom 20. August 2017, nicht zu (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
74
1. Ein Anspruch auf Akteneinsicht ergibt sich nicht aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG
75
Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Die Vorschrift statuiert einen möglichst weitreichenden, grundsätzlich voraussetzungslosen und als Jedermann-Recht ausgestalteten Informationszugangsanspruch. Das Bestehen des Anspruchs hängt nicht davon ab, dass der Antragsteller ein rechtliches oder berechtigtes Interesse an der Information geltend macht.
76
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. Mai 2019 - 15 A 873/18 -, juris, Rn. 81.
77
a) Der Kläger erfüllt zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift.
78
Er ist als natürliche Person anspruchsberechtigt. Die Steuerverwaltung der Beklagten ist als Bundesbehörde informationspflichtige Stelle. Bei den begehrten Aktenbestandteilen, auf die sich das Informationsbegehren bezieht, handelt es sich auch um Aufzeichnungen, die amtlichen Zwecken, nämlich der Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen, dienen und damit um amtliche Informationen i.S.v. § 2 Nr. 1 IFG.
79
b) Dem Anspruch des Klägers auf Akteneinsicht stehen jedoch die Versagungsgründe der § 3 Nr. 4 IFG (aa), § 3 Nr. 7 IFG (bb) und § 5 IFG (cc) entgegen.
80
aa) Der Versagungsgrund des § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 30 Abs. 1 AO greift hier ein.
81
Nach § 3 Nr. 4 IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang u.a. nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderem Amtsgeheimnis unterliegt.
82
Dies ist hier der Fall.
83
(1) Das Steuergeheimnis nach § 30 Abs. 1 AO, wonach Amtsträger das Steuergeheimnis zu wahren haben, stellt eine solche Rechtsvorschrift,
84
vgl. BFH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - V B 163/05 -, juris, Rn. 14,
85
bzw. ein besonderes Amtsgeheimnis dar.
86
Vgl. Schoch, IFG, Kommentar, 2. Aufl., § 3 Rn. 244; BT-Drs. 15/4493, S. 11, wo zwischen Geheimnistatbeständen und Geheimhaltungsregelungen unterschieden wird.
87
(2) Die streitgegenständlichen Aktenbestandteile unterliegen auch der gesetzlichen Geheimhaltungspflicht bzw. dem besonderen Amtsgeheimnis des § 30 Abs. 1 AO, weil deren Offenbarung das Steuergeheimnis verletzen würde.
88
Gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 1 a) AO verletzt ein Amtsträger das Steuergeheimnis u.a., wenn er personenbezogene Daten eines anderen, die ihm in einem Verwaltungsverfahren in Steuersachen bekannt geworden sind (sog. geschützte Daten), unbefugt offenbart oder verwertet.
89
(a) Bei den streitgegenständlichen Aktenbestandteilen handelt es sich um vom Steuergeheimnis geschützte „personenbezogene Daten eines anderen“.
90
Die anonyme Anzeige vom 20. August 2017 und der darauf beruhende Vermerk vom 27. August 2017 stellen „personenbezogene Daten“ dar. Personenbezogene Daten sind alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Personen beziehen (vgl. Art. 4 Nr. 1 der Verordnung (EU) 2016/679).
91
Vorliegend handelt es sich zwar um eine anonyme Anzeige, die für die Beklagte selbst keine Rückschlüsse auf die Person des Anzeigeerstatters zulässt. Nach den ‑ unbestrittenen - Angaben der Beklagten ist jedoch nicht auszuschließen, dass aufgrund der in der Anzeige konkret beschriebenen Situation, in der der Verfasser der Anzeige die Information erlangt haben will, dem Kläger als mutmaßlich Anwesenden ein Rückschluss auf die Person des Anzeigeerstatters möglich ist. Das gelte umso mehr, als die beschriebene Situation darauf schließen lasse, dass nur wenige Personen anwesend gewesen seien (sehr kleiner Personenkreis). Auch der Kläger selbst begehrt die Akteneinsicht in die anonyme Anzeige gerade deswegen, um den Anzeigeerstatter identifizieren zu können. Damit enthält die anonyme Anzeige wegen der möglichen Identifizierbarkeit des Verfassers zumindest durch den Kläger personenbezogene Daten.
92
In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist zudem geklärt, dass dem Steuergeheimnis nach § 30 Abs. 1 AO grundsätzlich auch sowohl die Identität eines Anzeigeerstatters als auch der genaue Inhalt der Anzeige als geschützte personenbezogene Daten „eines anderen“ i.S.v. § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO unterliegen.
93
Vgl. BFH, Beschlüsse vom 28. Dezember 2006 - VII b 44.03 -, juris, Rn. 9, vom 7. Dezember 2006 - V B 163/05 -, juris, Rn. 12, vom 19. November 2002 - VII B 123/02 -, juris, Rn. 5, und grundlegend Urteil vom 8. Februar 1994 - VII R 88792 -, juris, Rn. 18 ff.; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: November 2021, § 30, Rn. 15; Nr. 1.4 zu § 30 AEAO 2014 des BFM i.d.F. vom 12. Januar 2022.
94
(b) Die geschützten Daten sind der Beklagten auch „in einem Verwaltungsverfahren in Steuersachen“ bekannt geworden. Mit dem Begriff des Verwaltungsverfahrens in Steuersachen sind alle behördlichen Maßnahmen erfasst, die darauf gerichtet sind, Steuern und steuerliche Nebenleistungen festzusetzen, zu erheben und zu vollstrecken. Dazu gehört auch die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen.
95
Vgl. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: November 2021, § 30, Rn. 31.
96
Bei der Prüfung bzw. Probeentnahme des in der Tankanlage und in den Fahrzeugen des Klägers befindlichen Kraftstoffs durch das Hauptzollamt Aachen am 14. September 2017 handelte es sich um eine Maßnahme der Steueraufsicht nach § 61 EnergieStG i.V.m. § 210 AO, die der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der Energiesteuer und damit der gleichmäßigen Festsetzung von Steuern diente.
97
(3) Die Offenbarung der anonymen Anzeige vom 20. August 2017 und des Vermerks vom 27. August 2017 verletzt das Steuergeheimnis nach § 30 Abs. 1 AO.
98
Die Offenbarung geschützter Daten durch einen Amtsträger ist nicht unbefugt und verletzt daher nicht das Steuergeheimnis, wenn sie nach Maßgabe von § 30 Abs. 4 oder Abs. 5 AO zulässig ist.
99
Soweit es nach § 30 Abs. 4 und 5 AO zulässig ist, dem Steuergeheimnis unterliegende Kenntnisse zu offenbaren, folgt daraus allerdings lediglich die Befugnis der Finanzbehörde zur Offenbarung, aber keine Pflicht. Die Finanzbehörde muss vielmehr unter Abwägung der gegenseitigen Interessen eine sachgerechte Ermessensentscheidung treffen. In Fällen, in denen die Offenlegung des Namens eines Anzeigeerstatters oder des Inhaltes einer anonymen Anzeige begehrt wird, ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Steuerpflichtigen (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) gegen das Steuergeheimnis abzuwägen, das auf der einen Seite das allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Informanten (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) schützt, und auf der anderen Seite auch dem ‑ im öffentlichen Interesse - liegenden Zweck dient, durch einen besonderen Schutz des Vertrauens in die Amtsverschwiegenheit die Bereitschaft zur Offenlegung der steuerlichen Sachverhalte zu fördern, um so das Steuerverfahren zu erleichtern, die Steuerquellen vollständig zu erfassen und eine gesetzmäßige, insbesondere gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen - kurz eine möglichst vollständige Erschließung der Steuerquellen zu gewährleisten; dieser Zweck kann es auch erfordern, die Auskunftsbereitschaft Dritter zu erhalten.
100
Vgl. in ständiger RSpr: BFH, Beschlüsse vom 28. Dezember 2006 - VII b 44.03 -, juris, Rn. 9, vom 7. Dezember 2006 - V B 163/05 -, juris, Rn. 12, und Urteil vom 8. Februar 1994 - VII R 88792 -, juris, Rn. 16 ff.; auch Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: November 2021, § 30, Rn. 117; Alber, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand: November 2021, § 30, Rn. 61; Tormöhlen, in: Gosch, AO/FGO, 1. Aufl., Stand: 1. April 2021, § 30, Rn. 127; Nr. 13.6 zu § 30 AEAO 2014 des BFM i.d.F. vom 12. Januar 2022.
101
Im Rahmen der Interessenabwägung kommt dem Informantenschutz in der Regel ein höheres Gewicht als dem Persönlichkeitsrecht des Steuerpflichtigen zu, wenn sich die vertraulich mitgeteilten Informationen im Wesentlichen als zutreffend erweisen und zu Steuernachforderungen führen, d.h. von steuerlicher Relevanz waren,
102
vgl. BFH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - V B 163/05 -, juris, Rn. 12, und Urteil vom 7. Mai 1985 - VII R 25/82 -, juris, Rn. 11,
103
oder wenn sich bei einer Vielzahl von Angaben zumindest einige als steuerrechtlich bedeutsam erweisen, wobei diese im Verhältnis zu den anderen nicht völlig unmaßgeblich sein dürfen.
104
Vgl. BFH, Urteil vom 8. Februar 1994 - VII R 88/92 -, juris, Rn. 32.
105
Hingegen kann sich die Offenbarungsbefugnis der Finanzbehörde nach § 30 Abs. 4 oder Abs. 5 AO zur Gewährleistung effektiven Grundrechtsschutzes zu einer Offenbarungsverpflichtung verdichten, wenn durch die Handlung der Informationsperson das allgemeine Persönlichkeitsrecht des von der Anzeige Betroffenen erheblich verletzt wird.
106
Vgl. BFH, Beschluss vom 19. November 2002 - VII B 123/02 -, juris, Rn. 8, und Urteile vom 8. Februar 1994 - VII R 88792 -, juris, Rn. 22, 25, und vom 7. Mai 1985 - VII R 25/82 -, juris, Rn. 10; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: November 2021, § 30, Rn. 117.
107
Die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Schutz von Informanten durch das Steuergeheimnis nach § 30 AO ist im Rahmen des Versagungsgrundes des § 3 Nr. 4 IFG zu beachten, allerdings mit der Maßgabe, dass bei Eingreifen einer Offenbarungsbefugnis nach § 30 Abs. 4 oder Abs. 5 AO die auskunftspflichtige Behörde hier keine Ermessensentscheidung zu treffen, sondern vielmehr eine - gerichtlich voll überprüfbare - Interessenabwägung vorzunehmen hat. Dies folgt daraus, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Steuerverfahren - außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens - keinen (gebundenen) Anspruch auf Akteneinsicht oder Auskunft gibt, sondern nur einen Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung (vgl. hierzu im Folgenden unter 3. b)). Dabei wird § 30 AO als gesetzliche Ermessensgrenze verstanden (§ 102 Satz 1 FGO), die im Rahmen der Ermessenentscheidung eine Abwägung zwischen den gegenläufigen Interessen verlangt. Demgegenüber vermittelt § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG jedoch einen gebundenen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen („hat“), sofern nicht ein Versagungsgrund nach den §§ 3 bis 6 IFG vorliegt. Auch § 3 IFG räumt der auskunftspflichtigen Behörde kein Ermessen und keinen Beurteilungsspielraum ein, wenn die Voraussetzungen der Norm erfüllt sind („besteht nicht“). Es handelt sich vielmehr um einen sog. „Ist-Versagungsgrund“ (vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 9). Die bei Eingreifen einer Offenbarungsbefugnis nach § 30 Abs. 4 oder Abs. 5 AO erforderliche Abwägung zwischen den gegenläufigen Interessen ist daher im rechtlichen Zusammenhang des § 3 Nr. 4 IFG gerichtlich voll überprüfbar.
108
Vgl. ebenso zur Interessenabwägung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG: OVG NRW, Urteil vom 22. Mai 2019 - 15 A 873/18 -, juris, Rn. 156.
109
Ausgehend von diesen Maßstäben ist vorliegend eine Offenbarung der streitgegenständlichen Aktenbestandteile an den Kläger nicht zulässig.
110
Eine Offenbarung nach den hier allein in Betracht zu ziehenden Regelungen des § 30 Abs. 4 Nr. 2, Nr. 3, Nr. 4a) und Nr. 4b) AO sowie § 30 Abs. 5 AO ist schon deswegen nicht zulässig, weil die Voraussetzungen dieser Vorschriften nicht erfüllt sind und damit kein Fall einer zulässigen Offenbarung vorliegt. Sofern man zugunsten des Klägers die Voraussetzungen § 30 Abs. 4 Nr. 4b) AO als erfüllt ansehen wollte, fiele jedenfalls die erforderliche Interessenabwägung zu dessen Lasten aus.
111
(a) Eine Offenbarung nach § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO, wonach die Offenbarung geschützter Daten zulässig ist, soweit sie durch Bundesgesetz - hier möglicherweise § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG - zugelassen ist, scheidet aus. Denn gemäß § 32e Satz 3 AO findet die Vorschrift des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO bei Ansprüchen nach den Informationsfreiheitsgesetzen ausdrücklich keine Anwendung.
112
(b) Eine Offenbarung nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO (Zustimmung der betroffenen Person) kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil der Kläger nicht „betroffene Person“ im Sinne der Vorschrift ist. Betroffene Person ist diejenige Person, deren personenbezogene Daten durch § 30 Abs. 1 und 2 AO geschützt werden.
113
Vgl. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: November 2021, § 30, Rn. 31.
114
Dies ist hier der anonyme Anzeigeerstatter, dessen Daten nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 a) AO geschützt sind und dessen Identität der Beklagten unbekannt ist, mit der Folge, dass auch seine Zustimmung nicht eingeholt werden kann.
115
(c) Eine Offenbarung nach § 30 Abs. 4 Nr. 4a) AO ist ebenfalls nicht möglich. Danach ist die Offenbarung geschützter Daten zulässig, wenn sie der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Tat dient, die keine Steuerstraftat ist, und die Kenntnisse in einem Verfahren wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erlangt worden sind.
116
Vorliegend hat das Hauptzollamt Aachen die Kenntnis von den schutzwürdigen Daten - anonyme Anzeige - nicht in einem Steuerstraf- oder Steuerbußgeldverfahren erlangt. Die anonyme Anzeige erfolgte außerhalb eines solchen Verfahrens. Sie führte lediglich zu einem Prüfverfahren der Steueraufsichtsbehörde zur Ermittlung eines ggf. steuerrelevanten Sachverhalts. Mangels Beanstandungen im Rahmen dieser Prüfung wurde im Anschluss daran gerade auch kein Steuerstraf- oder Steuerbußgeldverfahren gegen den Kläger eigeleitet.
117
(d) Eine Offenbarung nach § 30 Abs. 4 Nr. 4b) AO kommt ebenfalls nicht in Frage. Danach ist die Offenbarung geschützter Daten zulässig, wenn sie der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Tat dient, die keine Steuerstraftat ist, und die Kenntnisse ohne steuerliche Verpflichtung oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht erlangt worden sind.
118
Zwar hat das Hauptzollamt Aachen die Kenntnis von den schutzwürdigen Daten ‑ anonyme Anzeige - ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung erlangt. Tatsachen sind der Finanzbehörde ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung bekannt geworden, wenn die Auskunftsperson nicht zuvor von der Finanzbehörde zur Erteilung einer Auskunft aufgefordert worden ist. Wer sich ohne rechtliche Verpflichtung äußert, ist nämlich nicht schutzwürdig.
119
Vgl. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: November 2021, § 30, Rn. 115.
120
Das war hier der Fall, weil der Anzeigeerstatter von sich aus ohne vorherige Aufforderung der Finanzbehörde dieser Informationen zum Kläger mitgeteilt hat.
121
Es jedoch nicht ersichtlich, dass der Kläger gegen den Anzeigeerstatter ein Strafverfahren - etwa wegen falscher Verdächtigung nach § 164 StGB oder Beleidigungsdelikten nach den §§ 185 ff. StGB - eingeleitet hat. Nach seinen eigenen Angaben im Klageverfahren hat er bislang lediglich beabsichtigt, mit der begehrten Information zivilrechtliche Ansprüche gegen den Anzeigeerstatter zu prüfen.
122
Soweit der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, sich wegen der unberechtigten Anzeige auch strafrechtliche Schritte gegen den anonymen Anzeigeerstatter (Anzeige gegen unbekannt) vorzubehalten, spricht Einiges dafür, dass dies ausreichend sein dürfte, da § 30 Abs. 4 Nr. 4b) AO seinem Wortlaut nach nicht voraussetzt, dass das Strafverfahren wegen einer Nicht-Steuerstraftat bereits eingeleitet ist („der Durchführung ... dient“). Die Anknüpfung an das Ziel der Offenbarung dürfte auch die noch beabsichtigte Durchführung eines Strafverfahrens erfassen. Im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der mündlichen Verhandlung dürfte die Durchführung eines Strafverfahrens, zumindest was den Straftatbestand des § 164 StGB (falsche Verdächtigung) angeht, der bei einer unberechtigten Anzeige einer Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 AO) in Frage kommt, auch noch möglich sein, weil insofern noch keine Verfolgungsverjährung eingetreten ist (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB, wonach diese fünf Jahre bei Taten beträgt, die - wie bei § 164 StGB - im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind). Hingegen dürften die Beleidigungsdelikte bereits verjährt sein (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB, wonach die Verfolgungsverjährung bei den übrigen Taten - auch die §§ 185 ff. StGB - drei Jahre beträgt).
123
Aber auch dann, wenn man zugunsten des Klägers wegen der noch möglichen Durchführung eines Strafverfahrens eine Offenbarungsbefugnis nach § 30 Abs. 4 Nr. 4b) AO als gegeben ansähe, wäre die Versagung der begehrten Akteneinsicht durch die Beklagten nicht zu beanstanden. Denn die dann gebotene - gerichtlich voll überprüfbare - Abwägung zwischen den gegenläufigen Interessen des Klägers am Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts einerseits und dem Steuergeheimnis andererseits, das sowohl dem Interesse des Informanten am Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts bzw. seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als auch dem öffentlichen Interesse an einer ordnungsgemäßen und effektiven Aufgabenerfüllung der Finanzverwaltung dient, fällt zulasten des Klägers aus.
124
Zwar kommt dem Steuergeheimnis hier nicht schon deswegen höheres Gewicht zu, weil sich die Informationen des anonymen Anzeigeerstatters im Wesentlichen als zutreffend erwiesen und zu Steuernachforderungen geführt haben. Denn im Rahmen der auf die anonyme Anzeige folgenden steueraufsichtsrechtlichen Prüfung ist es gerade nicht zu Beanstandungen gekommen.
125
Jedoch ist dem Steuergeheimnis deswegen der Vorrang einzuräumen, weil dem Geheimhaltungsinteresse der Beklagten, namentlich dem Informantenschutz mit Blick auf das dem Steuergeheimnis auch zugrunde liegende öffentliche Interesse an einer sachgerechten und effektiven Aufgabenerfüllung der Finanzverwaltung grundsätzlich - und so auch hier - ein höheres Gewicht zukommt.
126
Vgl. hierzu: Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: November 2021, § 30, Rn. 15, m.w.N.
127
Zwar ist dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bzw. des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung eines Anzeigeerstatters, der - wie hier - objektiv unrichtige Angaben macht, an sich kein erhebliches Gewicht beizumessen. Das Steuergeheimnis dient aber - wie dargelegt - nicht nur dem Grundrechtsschutz des Informanten, sondern gerade auch dazu, durch den besonderen Schutz des Vertrauens in die Amtsverschwiegenheit die Bereitschaft zur Offenlegung steuerlicher Sachverhalte zu fördern, um so das Steuerverfahren zu erleichtern, die Steuerquellen vollständig zu erfassen und eine gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen. Der Schutz des Informanten ist daher regelmäßig im öffentlichen Interesse an dem Erhalt der Auskunftsbereitschaft Dritter geboten.
128
Vgl. hierzu grundlegend: BFH, Urteil vom 8. Februar 1994 - VII 88/92 -, juris, Rn. 20.
129
Entsprechend ist auch in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs anerkannt, dass die Beachtung des Steuergeheimnisses die Ablehnung eines Antrags auf Akteneinsicht bzw. Auskunft regelmäßig selbst dann nicht fehlerhaft macht, wenn die Offenbarung nach § 30 Abs. 4 und Abs. 5 AO zulässig wäre. Denn in den dort genannten Fällen ist die Finanzbehörde zur Offenbarung nur befugt, nicht aber verpflichtet.
130
Vgl. BFH, Urteile vom 8. Februar 1994 - VII 88/92 -, juris, Rn. 25, und vom 7. Mai 1985 - VII R 25/82 -, juris, Rn. 10.
131
Es ist auch nicht festzustellen, dass sich im vorliegenden Fall die Offenbarungsbefugnis nach § 30 Abs. 4 Nr. 4b) AO ausnahmsweise aufgrund der Schutzwirkungen des Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art 2 Abs. 1 GG zugunsten des Klägers zu einer Offenbarungspflicht verdichtet hätte. Eine erhebliche Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ist nicht festzustellen.
132
Zwar muss grundsätzlich jeder Bürger die Möglichkeit haben, sich gegen ungerechtfertigte Angriffe auf seine Ehre zur Wehr zu setzen. Insbesondere wer zu Unrecht strafrechtlichen Ermittlungstätigkeiten ausgesetzt wird, kann ein berechtigtes Interesse daran haben, die Identität des Informationsgebers zu erfahren.
133
Vgl. BFH, Urteile vom 8. Februar 1994 - VII 88/92 -, juris, Rn. 25, und vom 7. Mai 1985 - VII R 25/82 -, juris, Rn. 11.
134
Daraus ergibt sich im vorliegenden Fall aber nicht, dass die Interessenabwägung zur Offenlegung der streitgegenständlichen Aktenbestandteile führen muss.
135
Die anonyme Anzeige hat gerade nicht dazu geführt, dass gegen den Kläger ein Steuerstraf- oder Steuerbußgeldverfahren eingeleitet worden ist. Auf die anonyme Anzeige hat lediglich eine Überprüfung der Tankanlage und der Traktoren nach § 61 EnergieStG und § 210 AO durch die Steueraufsichtsbehörde stattgefunden. Die steueraufsichtsrechtliche Prüfung nach diesen Vorschriften setzt aber keinen Tatverdacht im Sinne der Strafprozessordnung voraus. Die steueraufsichtsrechtliche Ermittlung des Vorliegens eines ggf. steuerrelevanten Sachverhalts im Rahmen des Besteuerungsverfahrens ist daher nicht in vergleichbarer Weise mit einem ethischen oder moralischen Unwerturteil verbunden, wie dies bei einem straf- oder bußgeldrechtlichen Ermittlungsverfahren der Fall ist.
136
Vgl. ebenso für den Fall, dass kein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet und das Steuerermittlungsverfahren eingestellt worden ist: Alber, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand: November 2021, § 30, Rn. 61; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. November 2009 - 7 K 1213/07 -, Rn. 24; FG Köln, Urteil vom 3. Mai 2000 ‑ 11 K 6922/98 -, juris, Rn. 31.
137
Zudem war die steuerbehördliche Maßnahme nur von kurzer Dauer (an einem Tag allenfalls für einige Stunden) und es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sie in der Öffentlichkeit bekannt geworden wäre. Auch im Übrigen hat die Maßnahme nicht zu steuerrechtlichen Nachteilen des Klägers geführt.
138
Schließlich bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Grenzen des Geheimnisschutzes hier deswegen überschritten wären, weil der Anzeigeerstatter wider besseres Wissen oder leichtfertig falsche Behauptungen aufgestellt hat.
139
Im Rahmen der Interessenabwägung hat das staatliche Geheimhaltungsinteresse und damit auch das Steuergeheimnis als besondere Ausprägung ein erhebliches Gewicht nur innerhalb bestimmter Grenzen: Der Verleumdung, der üblen Nachrede oder auch der leichtfertig falschen Verdächtigung darf der freiheitliche Rechtsstaat nicht Vorschub leisten. Zwar lässt der Umstand allein, dass eine den Behörden vertraulich erteilte Information letztlich nicht bewiesen werden kann oder sich gar als unrichtig erweist, das Geheimhaltungsbedürfnis hinsichtlich der Informationsquelle nicht entfallen, und zwar, selbst dann nicht, wenn ein Irrtum des Informanten auf leichter Fahrlässigkeit beruht. Denn die Behörden können die für ihre Aufgabenerfüllung unentbehrlichen Informationen Dritter nur erwarten, wenn nicht schon jede geringe Nachlässigkeit des Informanten zu seiner Preisgabe führt. Auch auf die Motive des Informanten kommt es gerade in Steuerangelegenheiten nicht entscheidend an. Dagegen entfällt das Geheimhaltungsbedürfnis regelmäßig dann, wenn ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Informant die Behörden wider besseres Wissen oder leichtfertig falsch informiert hat. Personen, die andere in dieser Weise denunzieren, sind als Gewährsleute meist ungeeignet. Durch deren Enttarnung werden sich andere, verlässliche Informanten von ihrer Tätigkeit nicht abhalten lassen. Auch darf der Rechtsschutz des Betroffenen gegen Denunzianten nicht behindert werden; sie zu schützen, entspräche keinen vernünftigen rechtsstaatlichen Anliegen.
140
Vgl. zum Informantenschutz auch: VGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. November 1998 - VGH B 6/98, VGH B 5/98 -, juris, Rn. 25 ff.; in ständ. RSpr: BVerwG, Beschlüsse vom 15. März 2019 - 20 F 7.17 -, juris, Rn. 8 und 10 und vom 22. Juli 2010 - 20 F 11.10 -, juris, Rn. 11, 13; Urteile vom 4. September 2003 - 5 C 48.02 -, juris, Rn. 30, vom 27. Februar 2003 - 2 C 10.02 -, juris, Rn. 21 und vom 3. September 1991 - 1 C 48.88 -, juris, Rn. 23 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 9. April 2008 - 8 E 1124/07 -, juris, Rn. 5.
141
Vorliegend bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Anzeigeerstatter gegenüber dem Hauptzollamt Aachen wider besseres Wissen oder leichtfertig falsche Angaben gemacht hat. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers beschränkt sich im Wesentlichen auf die Vermutung, dass es sich bei dem Anzeigeerstatter um die Person handeln könnte, die ihn und seine Familie seit geraumer Zeit - u.a. durch unberechtigte Anzeigen bei Behörden - stalke. Dies reicht auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger gegen diese Person - wegen anderer Handlungen - eine Strafanzeige wegen Nachstellung gestellt hat (das Strafverfahren wurde vorläufig nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt) und ein zivilgerichtliches Verfahren wegen Unterlassung und eines Kontaktverbots führt, nicht aus, um der Kammer die Überzeugung zu vermitteln, dass der Anzeigeerstatter hier wider besseres Wissen oder leichtfertig gehandelt hat. Dies gilt insbesondere auch deswegen, weil der Anzeigeerstatter nach den ‑ unbestrittenen - Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung in der Anzeige eine konkret beobachtete Situation (Gespräch mit dem Kläger) beschrieben hat, in der dieser die Informationen betreffend die Betankung von Kraftfahrzeugen mit Heizöl erlangt haben will. Insoweit ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Anzeigeerstatter aus der beschriebenen Gesprächssituation möglichweise auch nur (fahrlässig) falsche Schlussfolgerungen gezogen hat. Dies gilt umso mehr, als es sich nach den - im Übrigen auch gerichtsbekannten - Angaben der Beklagten bei dem beschrieben Vorgang um ein Steuerdelikt handelt, das gerade im Bereich landwirtschaftlicher Betrieb häufig vorkommt. Soweit der Kläger anführt, dass die Beklagte selbst den Wahrheitsgehalt der Angaben des Anzeigeerstatters in dem Vermerk vom 29. August 2017 bezweifelt hat, rechtfertigt dies ebenfalls keine andere Beurteilung. Dies gilt umso mehr, als sich diese Zweifel nur auf die Anzeige der angeblichen Beschäftigung einer Reinigungskraft im Privathaushalt des Klägers bezogen haben, in Bezug auf die das Hauptzollamt Aachen - anders als in Bezug auf den Energiesteuersachverhalt - auch keine Veranlassung zur Überprüfung gesehen hat.
142
Allein die objektive Eignung der übermittelten Informationen, den Ruf des Klägers zu schädigen, weist auch bei einer unterstellten Schädigungsabsicht des Informanten nicht darauf, dass dies wider besseres Wissen erfolgt ist.
143
Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 2003 - 5 C 48.02 -, juris, Rn. 30.
144
Dass es für den Kläger ohne Kenntnis vom Inhalt der anonymen Anzeige in tatsächlicher Hinsicht schwierig ist, konkrete Anhaltspunkte für ein leichtfertiges oder wider besseres Wissen erfolgtes Handeln des Anzeigeerstatters zu benennen, rechtfertigt ebenfalls kein anderes Ergebnis. Die Daten unterliegen grundsätzlich dem Steuergeheimnis. Die Finanzbehörden sind aber - wie dargelegt - zur Feststellung von steuerrelevanten Sachverhalten u.a. auch darauf angewiesen, Hinweise aus der Bevölkerung zu erhalten. Diese Hinweise würden aber nicht mehr oder jedenfalls nur noch eingeschränkt erfolgen, wenn eine von den Informanten ausdrücklich oder - wie hier - nach den Umständen erkennbar gewünschte Anonymität nicht sichergestellt werden könnte.
145
Vgl. ähnlich: OVG NRW, Beschluss vom 9. April 2008 - 8 E 1124/07 -, juris, Rn. 9.
146
(e) Eine Offenbarung nach § 30 Abs. 5 AO, wonach vorsätzlich falsche Angaben der betroffenen Person - hier des Anzeigeerstatters - den Strafverfolgungsbehörden gegenüber offenbart werden dürfen, ist ebenfalls ausgeschlossen.
147
Die Vorschrift lässt eine Offenbarung ausdrücklich nur gegenüber den Strafverfolgungsbehörden (Polizei, Staatsanwaltschaft und Strafgericht) zu.
148
Vgl. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: November 2021, § 30, Rn. 116; Alber, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand: November 2021, § 30, Rn. 59; Tormöhlen, in: Gosch, AO/FGO, 1. Aufl., Stand: 1. April 2021, § 30, Rn. 151; Nr. 13.4 zu § 30 AEAO 2014 des MFM i.d.F. vom 12. Januar 2022.
149
Der Kläger begehrt die Einsicht in die streitgegenständlichen Aktenbestandteile jedoch an sich selbst, und zwar zur Geltendmachung zivilrechtlicher und nunmehr ggf. auch strafrechtlicher Ansprüche.
150
Zudem ist nicht festzustellen, dass der Anzeigeerstatter vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat. Zwar waren die Angaben objektiv falsch, weil sich im Rahmen der Prüfung durch das Hauptzollamt Aachen keine Beanstandungen ergeben haben. Es bestehen aber keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Anzeigeerstatter vorsätzlich gehandelt hat. Auf die vorstehenden Ausführungen unter IV. 1. b) aa) (3) (d) wird Bezug genommen.
151
bb) Dem Akteneinsichtsanspruch steht ferner auch § 3 Nr. 7 IFG entgegen.
152
Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht bei vertraulich erhobener oder ermittelter Information, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbesteht. Die Voraussetzungen dieser Norm sind erfüllt.
153
(1) Bei den streitgegenständlichen Aktenbestandteilen handelt es sich um vertraulich erhobene Informationen. Vertraulich i.S.v. § 3 Nr. 7 IFG sind solche Informationen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Dies setzt eine Übereinkunft über die Vertraulichkeit zwischen der informationspflichtigen Stelle und dem Dritten voraus. Darüber hinaus ist ein objektiv schutzwürdiges Interesse an der Vertraulichkeit erforderlich. Die Gesetzessystematik und der Zweck der Vorschrift gebieten eine in diesem Sinne einschränkende Auslegung. § 3 IFG schützt ausweislich der amtlichen Überschrift besondere öffentliche Belange. Die in den Nrn. 1 bis 8 geregelten Ausschlusstatbestände sind nach der Vorstellung des Gesetzgebers eng zu verstehen (vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 9). Damit wäre nicht vereinbar, wenn bereits der Umstand, dass eine Information vertraulich erhoben oder übermittelt wird, für sich genommen ohne Hinzutreten eines objektiv anzuerkennenden Schutzbedürfnisses zum Ausschluss des Informationszugangs führte. Der Anspruch auf Informationszugang wäre sonst zur Disposition der am Informationsaustausch Beteiligten gestellt. Für ein einschränkendes Verständnis spricht auch, dass das „Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung“ im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang fortbestehen muss. Dieses Erfordernis weist darauf hin, dass die Vertraulichkeit nur bei einem berechtigten Interesse geschützt sein soll. Zudem soll ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 11) die vertraulich übermittelte Information nicht als solche, sondern im öffentlichen Interesse der Aufgabenerfüllung der Behörden geschützt werden, die in besonderem Maße auf Informationen der Bürger angewiesen sind, welche regelmäßig nur unter der Bedingung der Verschwiegenheit zu erlangen sind. Die Zielsetzung des § 3 Nr. 7 IFG ist daher doppelter Natur. Die Regelung bezweckt den Schutz des Informanten im Interesse der behördlichen Aufgabenerfüllung.
154
Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 2020 - 10 C 25.19 -, juris, Rn. 27, und vom 30. März 2017 - 7 C 19.15 -, juris, Rn. 24.
155
Ein objektiv schutzwürdiges Interesse an der Vertraulichkeit einer Information liegt jedenfalls dann vor, wenn dem Informanten bei deren Offenbarung Nachteile drohen und deshalb (zukünftig) die ordnungsgemäße Erfüllung der behördlichen Aufgabe, welche auf die vertrauliche Übermittlung von Informationen angewiesen ist, gefährdet ist. Ein objektiv schutzwürdiges Interesse an der Vertraulichkeit einer Information besteht im Anschluss hieran auch dann, wenn eine Behörde zur ordnungsgemäßen Erfüllung öffentlicher Aufgaben von hohem Gewicht auf die Erhebung und Übermittlung von Informationen, die anders nicht zu erlangen wären, durch mit spezifischen Kenntnissen und Fertigkeiten ausgestattete Dritte angewiesen ist und auf Seiten dieser Dritten ein besonderes Vertraulichkeitsinteresse anzuerkennen ist.
156
Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 2020 - 10 C 25.19 -, juris, Rn. 28, und vom 30. März 2017 - 7 C 19.15 -, juris, Rn. 25.
157
Ausgehend von diesen Maßstäben stellen die anonyme Anzeige vom 20. August 2017 und der darauf beruhende Vermerk vom 29. August 2017 vertraulich erhobene Informationen dar. Aufgrund des anonymen Auftretens des Anzeigeerstatters, mit dem dieser zu erkennen gegeben hat, dass er seine Identität nicht offen legen will, sowie der anschließenden Verweigerung der Weitergabe der Informationen an den Kläger, mit der die Beklagte das Vertraulichkeitsanliegen des Anzeigeerstatters anerkannt hat, liegt eine - stillschweigende - Übereinkunft über die Vertraulichkeit der erteilten Informationen zwischen dem Anzeigeerstatter und der Beklagten vor.
158
Im Bereich der Finanzverwaltung ist auch ein objektiv schutzwürdiges Interesse an der Vertraulichkeit einer anonym erteilten Information anzunehmen. Die Finanzbehörden sind - wie bereits unter IV 1. b) aa) ausgeführt - dem Gebot gleichmäßiger Besteuerung verpflichtet. Sie haben die Aufgabe, die Steuergerechtigkeit zu fördern und der Steuerhinterziehung entgegenzuwirken. Hierfür sind Information Dritter nicht nur hilfreich, sondern häufig unentbehrlich. Oft erhalten Finanzbehörden nur durch Hinweise von Privatpersonen Kenntnisse über steuerlich relevante Sachverhalte, die andere Personen betreffen. Müssten die Gewährsleute damit rechnen, dass ihre Identität später preisgegeben wird, ließe die Bereitschaft zur Informationserteilung insgesamt mit hoher Wahrscheinlichkeit erheblich nach. Gerade in steuerlichen Angelegenheiten werden Informanten nicht selten aus dem privaten und beruflichen Umfeld des Betroffenen stammen (müssen) und deshalb häufig auf die strikte Wahrung ihrer Anonymität Wert legen. Die Preisgabe ihrer Identität müsste auf diejenigen, die in entsprechender Lage über einschlägige Kenntnisse verfügen, in der Regel abschreckend wirken und ließe die Bereitschaft der Bürger zur Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen insgesamt sinken.
159
Vgl. VGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. November 1998 - VGH B 6/98, VGH B 5/98 -, juris, Rn. 20 f.
160
Aus diesem Grund sind - wie dargelegt - nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Namen von Informanten und der Inhalt einer Anzeige auch durch das Steuergeheimnis geschützt.
161
Vgl. BFH, Beschlüsse vom 28. Dezember 2006 - VII b 44.03 -, juris, Rn. 9, vom 7. Dezember 2006 - V B 163/05 -, juris, Rn. 12, vom 19. November 2002 - VII B 123/02 -, juris, Rn. 5, sowie grundlegend Urteil vom 8. Februar 1994 - VII R 88792 -, juris, Rn. 18 ff.
162
(2) Das danach im Bereich der Finanzverwaltung grundsätzlich anzuerkennende besondere Vertraulichkeitsinteresse eines - wie hier - anonym auftretenden Anzeigeerstatters bestand im Zeitpunkt des Antrags des Klägers auf Informationszugang auch noch fort. Anhaltspunkte dafür, dass dieses entfallen sein könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
163
cc) Schließlich steht dem Informationsanspruch auch der Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG entgegen.
164
Nach dieser Vorschrift darf der Zugang zu personenbezogenen Daten nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiegt oder der Dritte eingewilligt hat.
165
Da im vorliegenden Fall der Anzeigeerstatter wegen seines anonymen Auftretens nicht ausdrücklich eingewilligt hat und dessen Einwilligung auch nicht nachträglich eingeholt werden kann, weil er anonym geblieben ist, bedarf es hier einer Abwägung zwischen dem Informationsinteresse des Klägers und dem schutzwürdigen Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs.
166
Diese Interessenabwägung fällt zulasten des Klägers aus. Dies folgt schon aus der gesetzlichen Wertung des § 5 Abs. 2 IFG. Danach überwiegt das Informationsinteresse des Antragstellers u.a. nicht bei Informationen, die einem Berufs- oder Amtsgeheimnis unterliegen.
167
Die Vorschrift enthält - in Ergänzung zu § 3 Nr. 4 IFG - einen gesetzlichen Maßstab für die Interessenabwägung nach Absatz 1 u.a. bei Informationen, die einem Berufs- oder Amtsgeheimnis unterliegen (vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 13). Ein Berufs- oder Geheimnis ergibt sich allerdings nicht schon aus der allgemeinen Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, insbesondere nach § 67 BBG oder § 39 BRRG. Vielmehr muss es sich - ebenso wie bei § 3 Nr. 4 IFG - um ein besonderes Amtsgeheimnis handeln. Andernfalls würde der Informationsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz leerlaufen, wenn die allgemeine Pflicht zur Amtsverschwiegenheitspflicht als Versagungsgrund ausreichte (vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 13). Bei personenbezogenen Daten, die durch die in der Vorschrift bezeichneten besonderen Umstände gekennzeichnet sind, ist demnach für eine einzelfallbezogene Abwägung kein Raum mehr; vielmehr hat das Gesetz selbst eine abschließende Entscheidung getroffen und im Ergebnis einen abwägungsresistenten Ausschlussgrund für einen beantragten Informationszugang normiert.
168
Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 20.12 -, juris, Rn. 19.
169
Bei dem Steuergeheimnis nach § 30 Abs. 1 AO handelt es sich - wie unter IV 1. b) aa) dargelegt - um ein besonderes Amtsgeheimnis im Sinne der Vorschrift.
170
Vgl. Schoch, IFG, 2. Aufl. (2016), § 3, Rn. 244 m.w.N.
171
Die streitgegenständlichen Aktenbestandteile unterliegen auch dem Steuergeheimnis. Ob Informationen bereits dann dem besonderen Berufs- oder Amtsgeheimnis im Sinne der Vorschrift „unterliegen“, wenn sie von diesem gleichsam nur abstrakt erfasst werden - wie hier die anonyme Anzeige von § 30 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 a) AO -, wofür die von § 5 Abs. 2 IFG beabsichtigte Verstärkung des Schutzes der betreffenden Daten und das weite Verständnis der Ausschlussnorm sprechen,
172
vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 20.12 -, juris, Rn. 26 ,
173
oder ob für eine „Unterliegen“ auch eine Verletzung des Berufs- oder Amtsgeheimnisses vorausgesetzt wird, wofür der gleiche Wortlaut wie in § 3 Nr. 4 IFG und die vom Gesetzgeber beabsichtigte Ergänzung des § 3 Nr. 4 IFG sprechen, was - wie hier im Rahmen von § 30 Abs. 4 Nr. 4 b) AO - seinerseits eine Interessenabwägung erfordern kann, kann dahingestellt belieben. Denn im vorliegenden Fall wird das Steuergeheimnis durch die Offenbarung der in Rede stehenden Informationen verletzt, weil - wie unter IV 1. b) aa) ausgeführt - entweder schon eine Offenbarungsbefugnis nach § 30 Abs. 4 oder Abs. 5 AO nicht besteht oder aber bei Einschlägigkeit des § 30 Abs. 4 Nr. 4b) AO im Rahmen der dort gebotenen Interessenabwägung dem Steuergeheimnis wegen des ihm zugrunde liegenden öffentlichen Interesse an einer ordnungsgemäßen und effektiven Aufgabenerfüllung der Finanzverwaltung der Vorrang gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers einzuräumen ist. Daher fällt gemäß § 5 Abs. 2 IFG auch die Interessenabwägung nach § 5 Abs. 1 IFG zwingend zu Lasten des Klägers aus.
174
2. Der Kläger kann einen Anspruch auf vollständige Akteneinsicht auch nicht aus dem datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch des Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 i.V.m. § 32c AO ableiten.
175
Nach Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 hat die betroffene Person gegenüber dem Verantwortlichen das Recht, Auskunft über die bei diesem verarbeiteten personenbezogenen Daten und die in den Ziffern a) bis h) aufgeführten Daten zu erhalten.
176
a) Der Kläger ist betroffene Person i.S.v. Art. 4 Nr. 1 der Verordnung (EU) 2016/679, weil die in der anonymen Anzeige vom 20. August 2017 und dem darauf beruhenden Vermerk vom 27. August 2017 enthaltenen Angaben sich (auch) auf ihn als identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen.
177
b) Zu den Daten, über die Auskunft zu erteilen ist, gehören nach Art. 15 Abs. 1 g) der Verordnung (EU) 2016/679 auch, wenn die personenbezogenen Daten - wie hier - nicht bei der betroffenen Person erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten. Unter „Herkunft“ der Daten fallen auch die Personen, die über personenbezogene Daten informiert haben.
178
Vgl. ebenso schon zu § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG: BVerwG, Urteil vom 3. September 1991 - 1 C 48.88 -, juris, Rn. 19.
179
Das bedeutet, dass auch der Name des anonymen Anzeigeerstatters sowie der Inhalt der anonymen Anzeige selbst erfasst sind.
180
c) Gemäß § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO besteht das Recht auf Auskunft der betroffenen Person gegenüber einer Finanzbehörde gemäß Art. 15 der Verordnung (EU) 2016/679 allerdings nicht, soweit die betroffene Person nach § 32a Abs. 1 AO oder nach § 32b Abs. 1 oder 2 AO nicht zu informieren ist.
181
Vorliegend greift § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ein. Danach besteht die Pflicht der Finanzbehörde zur Information der betroffenen Person gemäß Art. 14 Abs. 1, 2 und 4 der Verordnung (EU) 2016/679 - ergänzend zu den in Art. 14 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2016/679 und § 31c Abs. 2 AO genannten Ausnahmen - u.a. nicht, wenn die Daten, ihre Herkunft, ihre Empfänger oder die Tatsachen ihrer Verarbeitung nach § 30 AO geheim gehalten werden müssen und deswegen das Interesse der betroffenen Person an der Informationserteilung zurücktreten muss.
182
Dies ist hier nach den vorstehenden Ausführungen unter IV 1. b) aa) der Fall, da eine Offenlegung der streitgegenständlichen Aktenbestandteile das Steuergeheimnis nach § 30 AO verletzt.
183
3. Dem Kläger steht schließlich auch kein steuerverfahrensrechtlicher Anspruch auf vollständige Akteneinsicht zu.
184
a) Die Abgabenordnung enthält keine § 29 Abs. 1 VwVfG entsprechende Regelung, nach der ein Anspruch auf Akteneinsicht besteht. Ein solches Einsichtsrecht ist weder aus § 91 Abs. 1 AO (Anhörung Beteiligter) und dem hierzu ergangenen Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) noch aus § 364 AO (Offenlegung der Besteuerungsunterlagen an Beteiligte im Einspruchsverfahren i.S.v. § 359 AO) und dem dazu ergangenen AEAO abzuleiten.
185
Vgl. BFH, Beschluss vom 5. Dezember 2016 - VI B 37/16 -, juris, Rn. 3, und Urteil vom 23. Februar 2010 - VII R 19/09 -, juris, Rn. 11.
186
b) Der Bundesfinanzhof geht aber in ständiger Rechtsprechung - ebenso wie die Finanzverwaltung in Nr. 4 AEAO zu § 91 AO - davon aus, dass dem Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter, der während eines laufenden steuerrechtlichen Verwaltungsverfahrens um Akteneinsicht nachsucht, ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung der Behörde zusteht. Dieser Anspruch dient der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs der Verfahrensbeteiligten.
187
Vgl. BFH, Beschluss vom 5. Dezember 2016 - VI B 37/16 -, juris, Rn. 3 und Urteil vom 23. Februar 2010 - VII R 19/09 -, juris, Rn. 11 f.
188
Ein solcher Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Akteneinsicht scheitert im vorliegenden Fall bereits daran, dass dieser nicht während eines laufenden Steuerverwaltungsverfahrens geltend gemacht worden ist.
189
Vgl. ebenso zum Ausschluss des Anspruchs nach bestandskräftigem Abschluss des Steuerverfahrens: FG Schleswig-Holstein, B2schluss vom 8. November 2011 - 5 K 113/11 -, juris, Rn. 14.
190
Es ist - wie ausgeführt - schon zweifelhaft, ob durch die Prüfung bzw. Probeentnahme nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 EnergieStG i.V.m. § 210 AO im Betrieb des Klägers am 14. September 2017 überhaupt schon ein Steuerrechtsverhältnis zwischen diesem und der Beklagten begründet worden ist. Zwar zählen Maßnahmen der besonderen Steueraufsicht systematisch zum Vierten Teil der Abgabenordnung und damit zum Verfahren der Durchführung der Besteuerung. Jedoch hat die fragliche Prüfung, die der Feststellung diente, ob ein steuerrelevanter Sachverhalt nach dem Energiesteuergesetz vorlag, gerade nicht zu Erkenntnissen bzw. Beanstandungen geführt, so dass mangels Feststellung eines steuerrelevanten Sachverhalts auch keine weiteren steuerrechtlichen Maßnahmen gegenüber dem Kläger getroffen worden sind.
191
Selbst wenn man annehmen wollte, dass allein durch die Prüfung bzw. Probeentnahme nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 EnergieStG i.V.m. § 210 AO ein Steuerrechtsverhältnis begründet worden ist, war das steuerrechtliche Verwaltungsverfahren im Zeitpunkt der Beantragung der Akteneinsicht am 12. Oktober 2017 jedenfalls schon abgeschlossen. Denn die am 14. September 2017 vorgenommene Prüfung hatte ‑ wie dargelegt - zu keinen Feststellungen bzw. Beanstandungen geführt.
192
c) Ein steuerrechtlicher Anspruch auf vollständige Akteneinsicht folgt schließlich auch nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben.
193
Die Pflicht, Treu und Glauben zu genügen (§ 242 BGB), die als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch im öffentlichen Recht und damit auch im Steuerrecht zu beachten ist, verlangt die Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des anderen Beteiligten im Steuerrechts-(Steuerpflicht-, Steuerschuld-)Verhältnis und kann deswegen unter Umständen auch ein Recht auf Akteneinsicht begründen. Dies gilt insbesondere wenn ein Beteiligter an dem Steuerrechtsverhältnis zur Wahrung seiner Rechte auf die Auskunft angewiesen ist.
194
Vgl. BFH, Urteil vom 23. Februar 2010 - VII R 19/09 -, juris, Rn. 14 ff.
195
Vorliegend fehlt es an einer solchen Pflicht zur Rücksichtnahme, weil - wie unter IV 3. b) dargelegt - ein Steuerrechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten allein durch die Prüfung bzw. Probeentnahme nach § 61 Abs. 1 Nr. 1 EnergieStG i.V.m. § 210 AO nicht begründet worden ist bzw., sofern dies der Fall gewesen sein sollte, dieses jedenfalls im Zeitpunkt der Beantragung der Akteneinsicht am 12. Oktober 2017 nicht mehr bestanden hat. Zudem benötigt der Kläger die gewünschten Unterlagen nicht zur Wahrung seiner Rechte gegenüber der Beklagten, sondern zur Prüfung zivilrechtlicher und nunmehr ggf. auch strafrechtlicher Ansprüche gegen den anonymen Anzeigeerstatter, d.h. einen Dritten, und damit zu steuerverfahrensfremden Zwecken.
196
Die Kammer konnte über den Rechtsstreit ohne Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auch ohne vollständige Vorlage der Akten, namentlich der anonyme Anzeigen vom 20. August 2017 und des ungeschwärzten Vermerks vom 28. August 2017, sowie ohne Durchführung eines In-Camera-Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO entscheiden. Denn die tatsächlichen Grundlagen für die rechtliche Beurteilung des Falls ergaben sich in ausreichender Weise aus dem sonstigen Akteninhalt und dem Vortrag der Beteiligten, namentlich dem der Beklagten.
197
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2 ZPO.
RechtsgebieteIFG, FGO, AOVorschriftenIFG § 1 Abs. 1 S. 1; IFG § 3 Nr. 4; IFG § 3 Nr. 7; IFG § 5 Abs. 1; IFG § 5 Abs. 2; FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1; AO § 32i Abs. 2 S. 2; AO § 30 Abs. 1; AO § 30 Abs. 4 Nr. 3