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  • 20.09.2007

    Bundesfinanzhof: Beschluss vom 25.07.2007 – V B 39/07

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Gründe:

    I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Steuerberater. Er übertrug im Jahre 1982 (unter der Bedingung der Rückübertragung im Scheidungsfalle) sein Wohnhaus auf seine Ehefrau. Die Kanzleiräume im Dachgeschoss sowie eine Garage mietete er von seiner Ehefrau zurück und machte u.a. in den Streitjahren 1991 und 1992 den Vorsteuerabzug aus den Mietzahlungen geltend. Hierbei hatte die Ehefrau des Klägers, von der er seit 1988 getrennt lebt und im Jahre 1993 geschieden wurde, nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) bis einschließlich Januar 1991 auf die Umsatzsteuerbefreiung der Vermietungsleistungen verzichtet und seither keine Umsatzsteuer mehr verlangt. Da der Kläger keine tatsächlichen Mietzahlungen an die Ehefrau entrichtete, sondern Verrechnungen mit Gegenansprüchen vornahm, erhob die Ehefrau des Klägers erfolgreich Zahlungsklage vor dem Amtsgericht.

    Im Jahre 1996 forderte der Kläger den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) auf, ihm mitzuteilen, ob seine Ehefrau die Mietzahlungen ordnungsgemäß als Einkünfte versteuert habe. Zur Begründung führte er aus, er wolle im Scheidungsverfahren darlegen, dass er die Mietforderungen mit einem der Ehefrau gewährten Darlehen verrechnet habe. Mit Schreiben vom 2. Juli 1997 teilte er dem FA schließlich mit, dass er in den Streitjahren Vorsteuerbeträge aus den Mietzahlungen zu Unrecht abgesetzt habe und überwies die Mehrbeträge noch am gleichen Tage an das FA.

    Dieses ordnete daraufhin eine Betriebsprüfung an, die es am 14. Juli 1997 um die Streitjahre 1991 und 1992 erweiterte. Ein gegen die Prüfungserweiterung durchgeführtes Klageverfahren wurde rechtskräftig abgewiesen (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. November 2000 IV B 95/00, juris). Nach Abschluss der Betriebsprüfung erließ das FA am 17. Oktober 2001 Änderungsbescheide, in denen es lediglich --wie vom Kläger beantragt-- die Vorsteuerbeträge aus dem Mietverhältnis kürzte. Gegen die Änderungsbescheide erhob der Kläger Einspruch mit der Begründung, im Zeitpunkt der Bescheidänderungen sei die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen gewesen. Sein Schreiben vom 2. Juli 1997 sei als Selbstanzeige zu verstehen. Aus § 171 Abs. 9 der Abgabenordnung (AO), wonach die Festsetzungsfrist nach einer Selbstanzeige nicht vor Ablauf eines Jahres abläuft, ergebe sich, dass dem FA höchstens eine Jahresfrist zur Auswertung der Selbstanzeige zur Verfügung stehe und anderweitige Unterbrechungsvorschriften im Rahmen einer Betriebsprüfung ausgeschlossen seien.

    Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, die Festsetzungsverjährung hinsichtlich der Änderungsbescheide Umsatzsteuer 1991 und 1992 sei im Jahre 2001 nicht abgelaufen, denn das FA habe vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist (1998) mit einer Außenprüfung begonnen und diese im Jahre 2001 abgeschlossen. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO durch den Beginn einer Außenprüfung werde durch § 171 Abs. 9 AO (Jahresfrist nach der Selbstanzeige vom 2. Juli 1997) nicht eingeschränkt. Daher habe das FA nach Durchführung der Schlussbesprechung im Jahre 2001 die Steuerbescheide ändern dürfen. Die Änderungen seien auch materiell rechtmäßig, da der Kläger für den begehrten Vorsteuerabzug aus dem Mietverhältnis mit seiner Ehefrau trotz Aufforderung in der mündlichen Verhandlung keine Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis habe vorlegen können. Zudem ergebe sich aus einem Zivilrechtsstreit mit seiner Ehefrau, dass diese ab Februar 1991 ihren Gewerbebetrieb aufgegeben habe und der Kläger seither die Miete ohne Umsatzsteuer gezahlt habe.

    Hiergegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

    II. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

    1. Die Beschwerde ist zulässig, obwohl der Kläger die Beschwerdefrist versäumt hat, denn ihm war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Beschwerde wurde zwar erst kurz vor Fristablauf per Telefax an das Gericht übermittelt und ging dort verspätet ein. Das Telefaxgerät des Gerichts war aber aufgrund von Überbeanspruchung durch einen Rechtsanwalt mehrere Stunden vor (und nach) Ablauf des für den Kläger geltenden Fristendes besetzt.

    2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

    Gemäß § 116 Abs. 3 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift dargelegt hat, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Dies ist nicht der Fall.

    3. Soweit der Kläger geltend macht, das FG habe die Verjährungsfrage "total verkannt", macht er keinen Verfahrensfehler, sondern die materiellrechtliche Unrichtigkeit des Urteils geltend (vgl. BFH-Beschluss vom 9. März 2006 VIII B 348/04, juris). Im Übrigen nimmt der Kläger, der von Beruf Steuerberater ist, nicht zur Kenntnis, dass der BFH in einem ihn betreffenden Verfahren bereits die Rechtsauffassung des FG als zutreffend bezeichnet hat, dass aus § 171 Abs. 9 AO, wonach die Festsetzungsfrist nach einer Selbstanzeige nicht vor Ablauf eines Jahres abläuft, nicht folgt, dass dem FA höchstens eine Jahresfrist zur Auswertung der Selbstanzeige zur Verfügung steht und anderweitige Unterbrechungsvorschriften --wie hier nach umgehender Anordnung einer Betriebsprüfung-- ausgeschlossen sind (BFH-Beschluss vom 28. November 2000 IV B 95/00, juris).

    Die Rüge, das FG habe nicht beachtet, dass das FA den Widerruf der Option durch die Ehefrau nicht genehmigt habe, betrifft ebenfalls eine --die Zulassung der Revision nicht begründende-- materiellrechtliche Rechtsfrage und nicht eine Verfahrensfrage.

    4. Es ist nicht verfahrensfehlerhaft, dass das FG die Ehefrau des Klägers für die Beurteilung des Vorsteuerabzugs wegen Vermietung der Kanzleiräume nicht beigeladen hat. Ein Fall der notwendigen Beiladung (§ 60 Abs. 3 FGO) liegt nicht vor (BFH-Beschluss vom 14. März 2007 V S 34/06, BFH/NV 2007, 1348).

    5. Der Kläger rügt zu Unrecht, dass eine als Verfahrensmangel zu berücksichtigende einseitige Prozessführung des Vorsitzenden darin zum Ausdruck komme, dass der Vorsitzende die Verhandlung fortgesetzt habe, obschon der Kläger zu Protokoll erklärt habe:

    "Ob die Mieten verrechnet, gezahlt oder teilweise verrechnet wurden, ist in diesem Fall kein Streitthema mehr. Ob ein schriftlicher Mietvertrag oder ein Beleg mit Steuerausweis von 14 % vorliegt ebenfalls nicht. Der Sachgebietsleiter der Rb-Stelle und der Veranlagungsstelle kamen nicht, weil Ihnen bekannt war, dass es sich bei der Betriebsprüfungserweiterung 1990 - 1992 um eine gesetzlich nicht zulässige Ermittlungsprüfung handelt."

    Soweit ein Gericht durch sein Verhalten Gründe für eine einseitige Prozessführung abgibt, muss der Kläger das Gericht nach § 51 FGO wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen. Soweit der Kläger von seinem Recht hierzu nicht umgehend während der mündlichen Verhandlung Gebrauch gemacht hat, geht es verloren (§ 51 FGO i.V.m. § 43 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Eine nach § 43 ZPO ausgeschlossene Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit kann nicht mehr als Verfahrensmangel mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden. Im Übrigen ist aus dem Beschwerdevorbringen nicht ersichtlich, dass das Gericht Grund für eine Richterablehnung gegeben hätte.

    6. Weiter rügt der Kläger als verfahrensfehlerhaft, das FG habe seinen Schriftsatz vom 1. Februar 2007 nicht beachtet, in dem er (nach Zustellung des Urteils) alle Voraussetzungen für die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs dargetan habe und dass der Vorsitzende während der mündlichen Verhandlung nicht auf sein Angebot eingegangen sei, den bisher fehlenden Mietvertrag nochmals zu erstellen. Zwar habe er während der mündlichen Verhandlung die Frage des Vorsitzenden, ob er Unterlagen über die Mietzahlungen habe, noch verneint. Jedoch könne man sich einmal irren, wenn man nach der mündlichen Verhandlung doch noch Unterlagen vorfinde.

    Mit diesem Vortrag vermag der Kläger keinen Verfahrensfehler zu begründen. Denn ebenso wie ein bereits verkündetes Urteil (§ 104 Abs. 1 FGO) vom Gericht grundsätzlich nicht mehr abgeändert werden kann, gilt dies bei einem durch Zustellung wirksam gewordenen Urteil (§ 104 Abs. 2 FGO) mit der Zustellung (Gräber/von Groll, FGO, § 104 Rz 1). Somit war bei dem vorliegend am 19. Januar 2007 zugestellten Urteil der Schriftsatz vom 1. Februar 2007 und die darin enthaltenen weiteren Unterlagen nicht mehr zu berücksichtigen.

    7. Die Rüge des Klägers, das FG sei verfahrensfehlerhaft seinem Beweisantrag auf Vernehmung des Inspektors A nicht nachgekommen und habe dadurch seine Sachaufklärungspflicht verletzt, ist bereits nicht ordnungsgemäß erhoben. Abgesehen davon, dass nicht deutlich wird, zu welchem Beweisthema der Zeuge hätte vernommen werden sollen und ob es ggf. hierauf nach dem maßgeblichen materiellrechtlichen Standpunkt des FG angekommen wäre, fehlt bereits der Vortrag, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung die fehlende Einvernahme gerügt hat (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschlüsse vom 28. Februar 2007 V B 107/06, BFH/NV 2007, 1170; vom 9. Januar 2007 VIII B 180/05, BFH/NV 2007, 751). Einen derartigen Beweisantrag hat der Kläger nach dem maßgeblichen Sitzungsprotokoll in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt.

    8. Unbegründet ist die Rüge, bei der "Fällung" des Urteils sei "unmittelbar an der mündlichen Verhandlung" die Richterin Z nicht anwesend gewesen. Diese habe sich der Unterschrift entzogen, weil sie gesehen habe, "welch böses Spiel der Vorsitzende mit dem Kläger getrieben habe".

    Diese Ausführungen lassen nicht erkennen, dass das Urteil entgegen § 52 FGO i.V.m. § 196 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) nicht mit der Mehrheit der beteiligten Richter zustande gekommen ist. Das in den Akten befindliche Original des Urteils ist von den drei beteiligten Berufsrichtern unterzeichnet worden. Hierbei wurde die Unterschrift der Richterin am FG Z durch die Unterschrift des Vorsitzenden ersetzt, weil diese am Tage der Unterschrift durch Prüfungstätigkeit verhindert war. Diese Möglichkeit der Vertretung in der Unterschrift (und nicht bei der Abstimmung) sieht § 105 Abs. 1 Satz 2 FGO im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens ausdrücklich vor. Dafür, dass entgegen § 196 GVG die bei der mündlichen Verhandlung anwesende Richterin am FG Z bei der Abstimmung nicht teilgenommen hat, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Eine gesonderte Protokollierung über die Beratung und Abstimmung sieht das Gesetz nicht vor (BFH-Beschluss vom 8. November 1996 I B 56/96, BFH/NV 1997, 576). Die vom Kläger vermisste Mitteilung über das Abstimmungsergebnis würde zudem gegen das Beratungsgeheimnis (§ 45 Abs. 1 Satz 2 des Deutschen Richtergesetzes) verstoßen.

    9. Schließlich rügt der Kläger zu Unrecht als verfahrensfehlerhaft, dass der Vorsitzende zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht die Frage gestellt habe, ob noch Anträge gestellt werden. Falls der Vorsitzende diese Frage gestellt hätte, hätte er, der Kläger, gerügt,

    - dass ihm vor der Verhandlung nicht der Tatbestand ausgehändigt worden sei,

    - dass er beantragt hätte, dass ihm unmittelbar nach der mündlichen Verhandlung das Protokoll ausgehändigt werde,

    - dass er gerügt hätte, dass "über die Mietverrechnungen kein Beweisantrag gestellt worden sei" und

    - dass er zu Protokoll gegeben hätte, dass er überrascht gewesen sei von der Aufforderung des Vorsitzenden, Urkunden vorzulegen, die den Vorsteuerabzug belegen.

    Hiermit will der Kläger offenbar zum Ausdruck bringen, das FG habe das rechtliche Gehör verletzt. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass der Kläger durch die fehlende Frage des Vorsitzenden nach weiteren Anträgen oder weiteren Sachvortrags gehindert war, während der ca. 1 1/2-stündigen mündlichen Verhandlung zu Wort zu kommen und weitere Anträge zu stellen.

    RechtsgebieteAO, FGO, ZPO, GVG