Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 08.09.2023 · IWW-Abrufnummer 237280

    Amtsgericht Hildesheim: Beschluss vom 17.03.2023 – 21 Qs 1/23

    1.Die Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung unterbleibt nicht, weil der Tatverletzt die Forderung selbst vollstrecken kann.

    2.Die Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung ist aber unverhältnismäßig und hat auf Anordnung des Gerichts zu unterbleiben, wenn ein öffentlich-rechtlicher Tatverletzter die der Einziehungsentscheidung zugrundeliegende Forderung im Wege der Verwaltungsvollstreckung selbst beitreibt, denn schon die tatsächliche Vollstreckung der gleichen Forderung durch zwei Vollstreckungsbehörden stellt für den Schuldner eine belastende Maßnahme dar.


    In dem Strafvollstreckungsverfahren
    gegen R.
    wegen Steuerhinterziehung
    hat die Strafkammer 10 - 2. große Wirtschaftsstrafkammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht ### und die Richter am Landgericht ### und ### am 17. März 2023 beschlossen:
    Tenor:

    Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des Amtsgerichts Hildesheim vom 9. Januar 2023 aufgehoben.

    Die Vollstreckung der im Strafbefehl des Amtsgerichts Hildesheim vom 3. Mai 2019 angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.940 Euro unterbleibt.

    Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
    Gründe

    I.

    Das Amtsgericht Hildesheim verhängte gegen die Verurteilte mit Strafbefehl vom 3. Mai 2019 eine Geldstrafe wegen Steuerhinterziehung und ordnete daneben die Einziehung des Wertes des Erlangten in Höhe von 1.940 Euro an.

    Die von der Staatsanwaltschaft gemäß § 459i StPO als Tatverletzte angehörte Familienkasse teilte mit Schreiben vom 26. Oktober 2022 mit, die Vollstreckung der Rückforderung der Taterträge gegenüber der Verurteilten - aus eigenem Titel - im steuerrechtlichen Verwaltungsvollstreckungsverfahren selbst betreiben zu wollen. Die Staatsanwaltschaft beantragte hierauf beim Amtsgericht, das Unterbleiben der Vollstreckung der Einziehung gemäß § 459g Abs. 5 StPO anzuordnen.

    Mit Beschluss vom 9. Januar 2023 hat das Amtsgericht hierauf angeordnet, dass die Vollstreckung der Einziehung des Wertes des Erlangten "ausgeschlossen wird". Als Begründung hat es allein ausgeführt, dass nichts vollstreckt werden könne, da von der Familienkasse keine Ansprüche angemeldet worden seien. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie weiterhin die Anordnung des Unterbleibens der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung verfolgt.

    II.

    Die gemäß §§ 462 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, 459g StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft (vgl. zur Antrags- und damit auch Beschwerdebefugnis der Staatsanwaltschaft BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - 3 StR 577/17; BeckOK-StPO/Coen, 46. Edition, § 459g Rn. 22) ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der amtsgerichtlichen Entscheidung und zur Anordnung des Unterbleibens der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung.

    1. Der vom Amtsgericht angeordnete Ausschluss der Vollstreckung der Einziehungsentscheidung war aufzuheben.

    a) Der Ausschluss der Vollstreckung kann gemäß § 459g Abs. 4 StPO nur angeordnet werden, wenn der Anspruch des Tatverletzten auf das Taterlangte oder des Wertersatzes hierfür erloschen ist. Dieser Fall liegt - wie das Amtsgericht in seiner Übersendungsverfügung vom 27. Januar 2023 nunmehr selbst zutreffend erkannt hat - nicht vor. Die Familienkasse hat lediglich mitgeteilt, dass die Einziehung der Forderung durch sie im steuerrechtlichen Verwaltungsvollstreckungsverfahren beabsichtigt ist. Ob und inwieweit der Rückforderungsanspruch bereits erfüllt (§ 362 BGB) oder in anderer Weise erloschen ist (Beispiele hierzu bei KK-StPO/Appl, 9. Auflage 2023, § 459g Rn. 15), hat die Familienkasse weder mitgeteilt, noch ist dies sonst ersichtlich.

    b) Der Ausschluss der Vollstreckung konnte nicht mit der vom Amtsgericht im angefochtenen Beschluss angeführten Begründung angeordnet werden, dass mangels einer Anmeldung von Ansprüchen des Tatverletzten keine Vollstreckung der Einziehungsentscheidung möglich sei. Diese Annahme verkennt die Systematik der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, denn die Abschöpfung der der strafrechtlichen Einziehung zugrundeliegenden Taterträge stellt einen eigenen staatlichen Anspruch gegen den Verurteilten oder Einziehungsbeteiligten dar (Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 65. Auflage 2022, § 459h Rn. 1). Die Einziehung des Taterlangten oder von Surrogaten hiervon, wie der Wert von Taterträgen, aus dem Strafverfahren heraus ist daher nicht an die Geltendmachung von Ansprüchen des Verletzten geknüpft. Selbst, wenn der Auffassung des Amtsgerichts die Annahme zugrunde gelegen haben sollte, eine Vollstreckung der Einziehungsentscheidung sei ausgeschlossen, weil die Familienkasse innerhalb der Frist aus § 459j Abs. 1 bzw. § 459k Abs. 1 StPO keine Ansprüche als Verletzte geltend gemacht hat, verkennt es, dass der Anspruch auf Rückübertragung bzw. Herausgabe von Erlösen aus der Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung gemäß § 459j Abs. 5 Abs. § 459k Abs. 5 StPO grundsätzlich auch noch nach Ablauf der Frist aus Absatz 1 der vorgenannten Regelungen durch Vorlage eines Vollstreckungstitels möglich ist. Hierzu zählen auch im Verwaltungsverfahren selbst erstellte Titel öffentlich-rechtlicher Gläubiger (Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, a.a.O., § 459j Rn. 5).

    2. Auf das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und deren ursprünglichen Antrag hin war anzuordnen, dass die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung aus dem Strafbefehl vom 3. Mai 2019 unterbleibt. Die Anordnung, die das Beschwerdegericht gemäß § 309 Abs. 2 StPO selbst auszusprechen hatte, folgt aus § 459g Abs. 5 StPO, weil die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung aus dem Strafbefehl unverhältnismäßig wäre.

    a) Entscheidungen der Strafgerichte sind im Fall ihrer Rechtskraft (§ 449 StPO) grundsätzlich durch die gemäß § 451 StPO berufene Vollstreckungsbehörde zu vollstrecken. Die entsprechende Pflicht ist gesetzlich nicht eigens geregelt, allerdings allgemein anerkannt (vgl. L-R/Graalmann-Scheerer, StPO, 27. Auflage 2022, vor § 449 Rn. 6 m.w.N.). Im Sinne einer gleichmäßigen Strafvollstreckung bestimmt der die Staatsanwaltschaft als Verwaltungsvorschrift bindende § 2 StVollStrO, dass die Entscheidung des Gerichts mit Nachdruck und Beschleunigung zu vollstrecken ist. Ein Ermessen, im Einzelfall von diesem Grundsatz abzusehen, steht der Vollstreckungsbehörde nur in den vom Gesetz ausdrücklich bestimmten Fällen zu (L-R/Graalmann-Scheerer, a.a.O. Rn 7). In den übrigen Fällen kann bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen allenfalls eine im Gesetz vorgesehene richterliche Entscheidung den Grundsatz der nachdrücklichen und beschleunigten Vollstreckung suspendieren.

    Für die Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung sieht § 459g Abs. 4 und Abs. 5 StPO die Möglichkeit der Durchbrechung der Vollstreckungspflicht durch die Staatsanwaltschaft durch gerichtliche Entscheidung vor. Während die Vollstreckung des staatlichen Einziehungsanspruches nach § 459g Abs. 4 StPO durch richterliche Anordnung auszuschließen ist, wenn der Anspruch des Tatverletzten erloschen ist (vgl. oben), ermöglicht § 459g Abs. 5 StPO, die Vollstreckung einer im Erkenntnisverfahren ausgesprochenen Einziehungsanordnung durch neuerliche gerichtliche Anordnung unterbleiben zu lassen. Hierdurch sollen - als Konkretisierung des verfassungsrechtlich verankerten Übermaßverbots (LR-StPO/Gralmann-Scheerer, a.a.O., § 459g Rn. 37) - für den Betroffenen aus der Vollstreckung folgende Härten im Einzelfall vermieden werden.

    b) Die Vollstreckung einer gerichtlichen Einziehungsentscheidung ist jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn der öffentlich-rechtliche Tatverletzte seinen aus der Tat folgenden Anspruch im Wege der Verwaltungsvollstreckung tatsächlich selbst beitreibt.

    aa) Dabei ist die Frage der Unverhältnismäßigkeit in diesen Fällen umstritten. Während Stimmen im Schrifttum (L-R-StPO/Graalmann-Scheerer, a.a.O., § 459g Rn. 37; Tipke/Kruse/Krumm, AO, 165. Lfg. 4/2021, AO § 375 Rn. 29; Reh, NZWiSt 2018, 20, 23; in diesem Sinne wohl auch Schnabelrauch, NZWiSt 2022, 473, 480,0 481) und Rechtsprechung (LG Stralsund, Beschluss vom 30. Januar 2019 - 26 Qs 2/19, juris) den Anwendungsbereich von § 459g Abs. 5 StPO im Fall der Vollstreckung durch den Tatverletzten im Verwaltungsvollstreckungsverfahren eröffnet sehen, wird dies von anderen Literaturmeinungen abgelehnt (BeckOK-StPO/Coen, 46. Ed., Stand 1. Januar 2023, § 459g Rn 29; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 65. Aufl. 2022, § 459g Rn. 13a).

    bb) Die Kammer schließt sich der erstgenannten Ansicht an und hält eine Vollstreckung der strafrechtlichen Einziehungsentscheidung jedenfalls dann für unverhältnismäßig, wenn die tatverletzte öffentlich-rechtliche Körperschaft nicht nur die abstrakte Möglichkeit hat, ihre Forderung selbst zu titulieren und im Verwaltungsvollstreckungsverfahren beizutreiben, sondern feststeht, dass sie von dieser Möglichkeit tatsächlich Gebrauch macht (in diesem Sinne auch L-R-StPO/Graalmann-Scheerer a.a.O. Rn 37).

    (1) Das Gesetz selbst enthält keine Vorgaben dazu, wann die Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung unverhältnismäßig ist. Bis zu einer Änderung von § 459g Abs. 5 StPO durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25. Juni 2021 (BGBl. I, S. 2106) war als Fallbeispiel für die Unverhältnismäßigkeit bestimmt, dass die Einziehung unterbleiben sollte, soweit der Wert des Taterlangten nicht mehr im Vermögen des Betroffenen vorhanden war. Rechtsprechung und überwiegendes Schrifttum gingen bis zur Neureglung dementsprechend davon aus, dass in Fällen der Entreicherung stets das Unterbleiben der Vollstreckung anzuordnen war (KK-StPO/Appl, a.a.O., § 459g Rn. 17. m. zahlr. w.N.). Dieser Auslegung ist der Gesetzgeber mit dem Gesetz vom 25. Juni 2021 entgegengetreten, da sie seiner Zielsetzung widersprochen hatte, wonach durch Straftaten erlangtes Vermögen effektiv abzuschöpfen ist (BT-Drs. 19/27654, S. 111). Konkrete Anwendungsfälle für die Annahme einer auch weiterhin im Tatbestand von § 459g Abs. 5 S. 1 StPO vorgesehenen unverhältnismäßigen Einziehungsvollstreckung hat er gleichwohl nicht benannt, sondern die Ausbildung von Fallgruppen hierzu ausdrücklich der Rechtsprechung überlassen (BT-Drs. 19/27654, S. 111). Auch der schon vor der Gesetzesänderung im Juni 2021 von Rechtsprechung und Literatur diskutierte und vorliegend entscheidungserhebliche Fall anderweitiger Vollstreckung durch den (öffentlich-rechtlichen) Tatverletzten ist im Rahmen der Änderung von § 459g Abs. 5 StPO ohne Erwähnung geblieben und von der gesetzlichen Neuregelung folglich nicht betroffen. Dies folgt auch aus der Überlegung, dass sich die Frage der Unverhältnismäßigkeit der parallelen Vollstreckung auch dann stellt, wenn der Wert des Taterlangten noch im Vermögen des Betroffenen vorhanden ist (a.A. unter Bezugnahme auf die vorgenannte Gesetzesänderung BeckOK-StPO/Coen, a.a.O., der bis zur 39. Edition der Kommentierung [Stand 1. Januar 2021, dort Rn. 30] noch die Auffassung vertrat, dass in diesen Fällen ein Fall der Unverhältnismäßigkeit vorliegt, weil "für die Zukunft mit erheblicher Wahrscheinlichkeit" ein Wegfall der Bereicherung zu erwarten sei).

    (2) Die doppelte Inanspruchnahme des Betroffenen durch Vollstreckungsbehörde und öffentlich-rechtlichen Tatverletzten erweist sich unabhängig von der Frage der Entreicherung des Schuldners als unverhältnismäßig.

    Dabei wird die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung aus dem Strafverfahren heraus nicht bereits deshalb unverhältnismäßig sein, weil der Gläubiger die Forderung selbst vollstrecken kann (L-R-StPO/Graalmann-Scheerer a.a.O. Rn 37). Es kann vorliegend auch offenbleiben, ob die Vollstreckung der Einziehung unverhältnismäßig ist, wenn der Gläubiger aus einem privatrechtlichen Titel die Zwangsvollstreckung tatsächlich betreibt. Dagegen könnte sprechen, dass es in diesem Fällen grundsätzlich im Belieben des Gläubigers steht, mit welchem Nachdruck er die Vollstreckung seines Anspruches betreibt und ob er fortwährend bis zur Erfüllung an dessen Durchsetzung interessiert bleibt.

    Jedenfalls aber, wenn öffentlich-rechtliche Tatverletzte aufgrund im (ggf. wie hier Steuer-) Verwaltungsverfahren selbst erstellter Titel die Verwaltungsvollstreckung betreiben, besteht kein Grund für eine parallele Vollstreckung des Einziehungsanspruches. Denn eine Doppelbelastung des von der Einziehung Betroffenen ist vom Gesetzgeber auf Grundlage des Einziehungsrechts nicht bezweckt. Ausdrücklich heben die Gesetzesmaterialien insoweit die Regelungen in § 459g Abs. 4 StPO zum Ausschluss der Vollstreckung und den Ausgleichsansprüchen des von der Einziehung Betroffenen aus § 459l StPO für den Fall der Zuviel-Vollstreckung (BR-Drs. 418/16, S. 57 noch zur ursprünglichen Reformgesetzgebung) und den über § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG vermittelten zivilprozessualen Vollstreckungsschutz (BT-Drs. 19/27654, S. 112) hervor. Neben dieser rein vermögensrechtlichen Betrachtungsweise stellt die Inanspruchnahme durch zwei Vollstreckungsbehörden - zum einen auf Grundlage der strafrechtlichen Einziehungsentscheidung, zum anderen auf Grundlage der Vollstreckung im Verwaltungsverfahren - aber auch eine tatsächliche Härte für den Betroffenen dar, der zum Beispiel seine vollstreckungsrechtlichen Einwendungen ggf. doppelt geltend machen und Zuvielforderungen zurückfordern muss.

    Anders als private Gläubiger ist die Verwaltungsbehörde dabei aufgrund des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in gleicher Weise, wie die Vollstreckungsbehörde im Strafverfahren (vgl. oben) verpflichtet, den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch vollständig und mit Nachdruck zurückzufordern. Eine parallele Vollstreckung der Einziehung durch die Staatsanwaltschaft ist daneben unter Berücksichtigung des durch § 459g Abs. 5 StPO konkretisierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in solchen Fällen weder erforderlich, noch geboten (LG Stralsund a.a.O.). Es wäre auch nicht zweckmäßig und widerspräche auch dem gesetzlichen Regelungsgefüge, wenn die Staatsanwaltschaft in solchen Fällen mit ihrer Vollstreckung im Hinblick auf die Vollstreckungsbemühungen der Verwaltungsbehörde "zuwarten" würde (so aber Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, a.a.O. Rn. 13a). Für ein solches Zuwarten gibt es unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Vollstreckungsbehörde aus § 2 StrVollStrO zur nachdrücklichen und beschleunigten Vollstreckung der gerichtlichen Entscheidung bereits keine rechtliche Grundlage. Genau den Fall des Zuwartens und der späteren Wiederaufnahme der Vollstreckung regelt § 459g Abs. 5 StPO, allerdings nach dem gesetzgeberischen Konzept allein durch gerichtliche Entscheidungen.

    (3) Nachdem die Familienkasse vorliegend mitgeteilt hat, dass sie ihren aufgrund der Tat entstandenen Regressanspruch selbst vollstrecken wird, hat die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung aus dem Strafbefehl vom 3. Mai 2019 vorliegend zu unterbleiben.

    3. Die Staatsanwaltschaft wird die Vollstreckungsbemühungen und den -erfolg der Familienkasse trotz des angeordneten Unterbleibens der Vollstreckung im Blick zu behalten haben. Denn wie sich aus Sinn und Zweck von § 459g Abs. 5 StPO, insbesondere aus der in Satz 2 der Vorschrift vorgesehenen Möglichkeit der Wiederaufnahme der Vollstreckung ergibt, ist die Anordnung des Unterbleibens unter Umständen nur zeitlicher Natur. Ist - wie im Fall der Vollstreckung durch den öffentlich-rechtlichen Tatverletzten selbst - nicht absehbar, ob die Grundlage der Unverhältnismäßigkeit, dauerhaft fortbesteht, wird bis zum endgültigen Erlöschen der Forderung fortlaufend zu prüfen sein, ob das Ziel der strafrechtlichen Einziehung, nämlich die vollständige Abschöpfung der Taterträge oder deren Wertes ("Verbrechen darf sich nicht lohnen!", vgl. zuletzt BT-Drs. 24/27654, S. 111) abschließend erreicht worden ist.

    4. Im Hinblick auf die Übersendungsverfügung des Amtsgerichts vom 27. Januar 2023, in der es ausführt, dass "die Staatsanwaltschaft die Einziehung auch bei staatlichen Institutionen uneingeschränkt für erforderlich erachte und jeweils beantrage", sieht sich die Kammer zu folgender Anmerkung veranlasst: Die Anordnung der Einziehung des Taterlangten oder Surrogaten hiervon nach den §§ 73ff. StGB ist im Erkenntnisverfahren - auf nichts anderes kann sich die Anmerkung in der Übersendungsverfügung beziehen - zwingendes Recht und sowohl durch das erkennende Gericht in seinem Urteil von Amts wegen wie auch durch die Staatsanwaltschaft in ihrem Schlussvortrag und ihren Anträgen (vgl. Nr. 138 Abs. 2 RiStBV) zu beachten. Ob dies in Fällen öffentlich-rechtlicher Tatverletzter und der damit einhergehenden Gefahr der späteren Doppelvollstreckung gesetzgeberisch gelungen ist oder ob in diesen Fällen - mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft - gemäß § 421 Abs. Nr. 3 StPO bereits regelmäßig im Erkenntnisverfahren von der Einziehung abgesehen werden sollte (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 6. Juni 2019 - 1 StR 75/19, juris Rn. 16), konnte vorliegend dahinstehen. Denn zu trennen hiervon ist jedenfalls die - im vorliegenden Verfahren zu entscheidende - Frage, ob Gründe vorliegen, der Vollstreckungsbehörde nachträglich zu gestatten, von der grundsätzlich zwingenden Vollstreckung der Einziehungsentscheidung ggf. temporär (§ 459g Abs. 5 StPO) oder dauerhaft (§ 459g Abs. 4 StPO) abzusehen.

    III.

    Für das Beschwerdeverfahren hat die Kammer gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 GKG von der Erhebung von Kosten abgesehen. Ein Anspruch auf Auslagenerstattung folgt hieraus nicht (BGH, Beschluss vom 1. Dezember 1988, 4 StR 569/88, NStZ 1989, 191 [BGH 02.12.1988 - 2 StR 599/88]).

    Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 310 Abs. 2 StPO).