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  • 09.07.2024 · IWW-Abrufnummer 242550

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 26.07.2023 – 4 V 1042/22

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Hessisches Finanzgericht 4. Senat

    26.07.2023

    4 V 1042/22

    Tenor

    Der Abrechnungsbescheid vom 2. Januar 2018 wird in Höhe von x.xxx,xx € von der Vollziehung ausgesetzt.

    Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

    Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

    Die Beschwerde wird zugelassen.

    Gründe

    I.

    Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Verfahrens auf Aussetzung der Vollziehung eines Abrechnungsbescheids über die Anrechnung von Kapitalertragsteuer vor dem Hintergrund von um den Dividendenstichtag herum durchgeführten Börsengeschäften.

    Die Antragstellerin ist eine am xx.xx.xxxx errichtete und am xx.xx.xxxx beim Amtsgericht B unter HRB X eingetragene GmbH. Gegenstand ihres Unternehmens ist der Handel mit Finanzinstrumenten…. Die Antragstellerin ist als Eigenhändlerin an verschiedenen Börsen… tätig. Der Handel umfasst…. (Bl. 16 f. Sonderband „BP-Bericht und Bescheide sowie Einspruch gegen Bescheide nach BP“).

    Die Antragstellerin war als aktives Finanzunternehmen auch im ‒ hier betroffenen ‒ Jahr 2011 im Aktien- und Derivatehandel tätig. Gehandelt wurde auch insoweit für eigene Rechnung sowie für Rechnung konzernangehöriger Unternehmen (Bl. 156 Prozessakte).

    Den Handel in Deutschland übte die Antragstellerin an den Börsen C und D aus. E (im folgenden: E) fungierte für sie als General Clearing Member für alle Geschäfte, die sie an den Börsen C und D tätigte. Alle Aktien, die sie über die Börsen C und D erwarb und veräußerte, wurden über die Lagerstelle F AG (im folgenden: F), B, abgewickelt. E nutzte ihrerseits die G AG (im folgenden: G, B, als Depotbank für F-Bestände (Bl. 17 Sonderband „BP-Bericht und Bescheide sowie Einspruch gegen Bescheide nach BP“).

    Die Antragstellerin reichte die Körperschaftsteuererklärung für 2011 am xx.xx.2012 beim Antragsgegner ein. Sie erzielte aus den um den jeweiligen Dividendenstichtag herum getätigten Börsengeschäften im Jahr 2011 Einnahmen, die sie in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung als (Brutto-)Dividenden in Höhe von xx.xxx.xxx,xx unter dem Posten „Ertrag aus Finanzgeschäften“ (von insgesamt xxx.xxx.xxx,xx €) erfasste und die sie in die Steuererklärung übernahm (Bl. 3 ff. Körperschaftsteuerakte; Bl. 24 Prozessakte). Im Rahmen der Steuererklärung wurde die Anrechnung der Kapitalertragsteuer von x.xxx.xxx,xx € und des Solidaritätszuschlags von xxx.xxx,xx € aus den Aktiengeschäften sowie des Zinsabschlags von x.xxx,xx € und des diesbezüglichen Solidaritätszuschlags von xx,xx € aus Zinserträgen begehrt (Bl. 27 ff. Körperschaftsteuerakte). Für die hier betroffenen Geschäfte um den Dividendenstichtag herum legte die Antragstellerin Steuerbescheinigungen der G vor (Bl. 40 ff. Körperschaftsteuerakte). Diese enthielten ‒ von Anfang an und im Hinblick auf eine Ausnahme nach einer entsprechenden Korrektur ‒ folgenden Hinweis (Bl. 8 Prozessakte): „In der bescheinigten Höhe der Kapitalerträge sind enthalten: Kapitalerträge im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG aus Aktien, die mit Dividendenanspruch erworben, aber ohne Dividendenanspruch geliefert wurden“ (Bl. 42 ff. Körperschaftsteuerakte). Weiterhin enthielten die Steuerbescheinigungen folgenden „Haftungsausschluss: Die Bestände für den wirtschaftlichen Eigentümer wurden durch E übermittelt. Die G haftet nicht für fehlerhafte Informationen, die von E zur Erstellung dieser Steuerbescheinigung bereitgestellt wurden.“ Teilweise enthielten die Steuerbescheinigungen im sogenannten Haftungsausschluss statt eines Verweises auf E einen Verweis auf die Antragstellerin. Folgende Anrechnungsbeträge wurden hinsichtlich der Kapitalertragsteuer im Zusammenhang mit den um den Dividendenstichtag herum getätigten Börsengeschäften mit Aktien im Einzelnen geltend gemacht:

    Zahltag der Dividende  Wertpapier    Wertpapierkennnummer    Bruttodividende   Kapitalertragsteuer

    xx.xx.2011   AG      x.xxx,xx €   xxx,xx €
    xx.xx.2011   AG       x.xxx.xxx,xx €  xxx.xxx,xx €
    xx.xx.2011  KGAA   xxx,xx   xxx,xx €
    xx.xx.2011   KGAA   xxx,xx €   xxx,xx €
    xx.xx.2011  AG    x.xxx.xxx,xx   xxx.xxx,xx €
    xx.xx.2011  AG    xxx.xxx,xx €   xx.xxx,xx €
    xx.xx.2011  AG    xx.xxx,xx   xx.xxx,xx €
    xx.xx.2011  AG   x.xxx.xxx,xx €   xxx.xxx,xx €
    xx.xx.2011  AG  xx.xxx,xx €  xx.xxx,xx €
    xx.xx.2011  AG  x.xxx.xxx,xx €  xxx.xxx,xx €
    xx.xx.2011  AG  xx.xxx,xx €   fälschlich angegeben mit  xxx.xxx,xx €  xx.xxx,xx €
    xx.xx.2011  AG  x.xxx,xx €  x.xxx,xx €
    xx.xx.2011  AG    xxx.xxx,xx €   xx.xxx,xx €
    xx.xx.2011   AG  x.xxx,xx   x.xxx,xx €
    xx.xx.2011   AG  x.xxx,xx    x.xxx,xx €
    xx.xx.2011   SE  x.xxx.xxx,xx €  xxx.xxx,xx €
    xx.xx.2011  SE   xx.xxx,xx €   x.xxx,xx €
    xx.xx.2011  GmbH   x.xxx,xx €   xxx,xx €
    xx.xx.2011  AG  xxx,xx   xxx,xx €
    xx.xx.2021  AG   x.xxx.xxx,xx €  xxx.xxx,xx €
    xx.xx.2021  AG     x.xxx,xx   x.xxx,xx €
    xx.xx.2011  SE    x.xxx.xxx,xx €  xxx.xxx,xx €
    xx.xx.2011  SE    x.xxx,xx €   xxx,xx €
    xx.xx.2011   AG   xxx.xxx,xx €  xx.xxx,xx €
    xx.xx.2011   X     x.xxx,xx   xxx,xx €
    xx.xx.2021   AG   x.xxx,xx €   xxx,xx €
    xx.xx.2011  AG    x.xxx,xx €  xxx,xx €
    xx.xx.2011  AG    x.xxx,xx €   xxx,xx €
    xx.xx.2011   AG   xxx,xx €  xxx,xx €
    xx.xx.2011   AG  xxx.xxx,xx €   xx.xxx,xx €
    xx.xx.2011   AG    xxx,xx €   xxx,xx €
    xx.xx.2011  AG     x.xxx,xx €   xxx,xx €
    x.xx.20111    AG    x.xxx.xxx,xx €   xxx.xxx,xx €
    xx.xx.2011    AG   xx.xxx,xx €  x.xxx,xx €
    xx.xx.2011    X      x.xxx.xxx,xx €  xxx.xxx,xx €
    xx.xx.2011    KGAA  x.xxx,xx €   xxx,xx €
    xx.xx.2011  AG    x.xxx,xx €   xxx,xx €
    xx.xx.2011    AG    x.xxx,xx €   xxx,xx €
    xx.xx.2011    AG     x.xxx,xx €   xxx,xx €
    xx.xx.2011    AG    x.xxx,xx €  xxx,xx €
    xx.xx.2011    X      xxx,xx €   xxx,xx €
    xx.xx.2011    X        xxx,xx €   xxx,xx €
    xx.xx.2011   AG   x.xxx,xx €   xxx,xx €
    xx.xx.2011    AG    xxx,xx €  xxx,xx €
    xx.xx.2011    X     x.xxx.xxx,xx €  xxx.xxx,xx €
    xx.xx.2011    X      xx.xxx,xx €   x.xxx,xx €
    xx.xx.2011   AG     x.xxx,xx €   xxx,xx €
    xx.xx.2011  SE    xx.xxx,xx €   x.xxx,xx €
    xx.xx.2011   AG    x.xxx,xx €  xxx,xx €
    xx.xx.2011    X     x.xxxx,xx €  xxx,xx €
    xx.xx.2011    AG    x.xxx,xx €  xxx,xx €
    xx.xx.2011    AG    x.xxx,xx €  xxx,xx €  
    xx./xx.2011   AG    x.xxx,xx €   xxx,xx €
    xx./xx.2011   SE    x.xxx,xx €  xxx,xx €
    xx.xx.2011    AG   x.xxx,xx €  xxx,xx €
    xx.xx.2011    AG     xxx,xx €   xxx,xx €
    xx.xx.2011    AG     xxx,xx €   xxx,xx €
                                                                
    Summen   Anmerkung: In der Aufstellung blieb unberücksichtigt die Bruttoeinnahme von xx.xxx,xx € für J-Dividenden mit einer Kapitalertragsteuer von x.xxx,xx €, wofür die ‒ nach Angaben der Antragstellerin (Bl. 8 Prozessakte) ‒ wohl unzutreffende Steuerbescheinigung bei der Veranlagung vorlag. Für die Dividenden der AG lag keine Steuerbescheinigung vor.
                        
    xx.xxx.xxx,xx €
    fälschlich angegeben mit
    xx.xxx.xxx,xx €
    statt mit der zutreffenden Summe der aufgeführten Summanden von xx.xxx.xxx,xx € (Bl. 40 f. Körperschaftsteuerakte)   x.xxx.xxx,xx €

    Daneben wurde die Anrechnung weiterer Beträge aus anderen Geschäften begehrt. Für diese Zinserträge wurde ein Zinsabschlag von x.xxx,xx € einbehalten und von der Antragstellerin im Rahmen der Steuererklärung geltend gemacht. Wegen weiterer Einzelheiten dazu wird auf die Angaben in der Steuererklärung Bezug genommen (Bl. 40 f. Körperschaftsteuerakte).

    Der Antragsgegner erließ am 13. September 2012 einen Körperschaftsteuerbescheid, in dem er die Steuer antragsgemäß auf x.xxx,xx € festsetzte. Die geltend gemachte Kapitalertragsteuer in Höhe von x.xxx.xxx,xx € und xxx.xxx,xx € und der geltend gemachte Solidaritätszuschlag wurden im Rahmen der Anrechnungsverfügung berücksichtigt (Bl. 123 Körperschaftsteuerakte). Der Antragstellerin wurden demgemäß x.xxx.xxx,xx € erstattet.

    Unter dem Datum des 7. März 2013 ordnete der Antragsgegner bei der Antragstellerin eine abgekürzte Betriebsprüfung für das Jahr 2011 an, die später auf die ‒ hier nicht streitgegenständlichen ‒ Jahre 2009 und 2010 erweitert wurde (Bl. 106 Sonderband 1 zur Ermittlungsakte). Der Betriebsprüfer kam in seinem Bericht vom 8. August 2018 zu der Feststellung, dass die Anrechnung der Kapitalertragsteuer in Höhe von x.xxx.xxx,xx € und des Solidaritätszuschlags in Höhe von xxx.xxx,xx € nicht zu gewähren sei (Bl. 14 Sonderband „BP-Bericht und Bescheide sowie Einspruch gegen Bescheide nach BP“). Die Antragstellerin habe aus den in Deutschland getätigten Börsengeschäften keine

    Dividenden, sondern Dividendenkompensationszahlungen erhalten und nicht nachgewiesen, dass insoweit die Kapitalertragsteuer abgeführt worden sei. Sie sei nicht wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien im Zeitpunkt des Dividendenbeschlusses gewesen. Sie habe nämlich von einem Leerverkäufer, D oder C, als zentralem Kontrahenten gekauft. Die Antragstellerin habe durch eine Kombination von Long Call- und Long Put-Optionen kurz vor dem Dividendenstichtag erhebliche Bestände aufgebaut, die aber erst zwei Tage später und damit nach dem Verkauf geliefert worden seien. Nach den Ausführungen der Betriebsprüfung seien Rückstellungen für die Steuernachzahlungen zu bilden.

    Der Innendienst folgte den Feststellungen zur Anrechnung, lehnte aber die Bildung von Rückstellungen ab. Der Antragsgegner erließ am 8. November 2017 eine auf § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO gestützte Änderung der Anrechnungsverfügung, die er im Rahmen einer Anlage im Wesentlichen damit begründete, dass nicht nachgewiesen sei, dass die Kapitalertragsteuer abgeführt worden sei (Bl. 38 ff. Sonderband „Rechtsbehelf Anrechnung 2011“).

    Dagegen erhob die Antragstellerin mit beim Antragsgegner am 8. Dezember 2017 eigegangenem Schreiben Einspruch und stellte einen Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids (Bl. 43 Sonderband „Rechtsbehelf Anrechnung 2011“). Der beantragte Abrechnungsbescheid wurde am 2. Januar 2018 erlassen (Bl. 105 Sonderband „Rechtsbehelf Anrechnung 2011“). Darin wurde festgestellt, dass die Kapitalertragsteuer in Höhe von x.xxx.xxx,xx € und der Solidaritätszuschlag in Höhe von xxx.xxx,xx € nicht anzurechnen seien und eine entsprechende Rückforderung bereits zum 31. Dezember 2017 fällig geworden sei. Dagegen legte die Antragstellerin mit beim Antragsgegner am 25. Januar 2018 eingegangenem Schreiben Einspruch ein (Bl. 111 Sonderband „Rechtsbehelf Anrechnung 2011“). Am 28. August 2018 hob der Antragsgegner den Vorbehalt der Nachprüfung hinsichtlich des Körperschaftsteuerbescheids für 2011 vom 13. September 2012 auf. Auch dagegen legte die Antragstellerin Einspruch ein. Ebenso erhob sie Einspruch gegen den Zinsbescheid betreffend 2011. Über die Einsprüche ist bislang nicht entschieden. Hinsichtlich der jeweils mit den Einsprüchen beantragten Aussetzung der Vollziehung traf der Antragsgegner am 29. September 2022 eine Entscheidung, indem er die Aussetzung der Vollziehung jeweils und damit auch im Hinblick auf den hier betroffenen Abrechnungsbescheid ablehnte (Bl. 134 Prozessakte). Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Antragstellerin im Zeitpunkt der Dividendenzahlung nicht wirtschaftliche Eigentümerin der jeweiligen Aktien gewesen sei und nicht nachgewiesen sei, dass die Kapitalertragsteuer abgeführt worden sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Geschäfte nur dann wirtschaftlich rentabel gewesen seien, wenn die Kapitalertragsteuer auf die Dividendenkompensationszahlung nicht abgeführt worden sei, aber bei der Antragstellerin angerechnet werde.

    Mit bei Gericht am 12. Oktober 2022 eingegangenem Schriftsatz beantragte die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung des Abrechnungsbescheids vom 2. Januar 2018.

    Die Antragstellerin meint, dass sie all ihren Verpflichtungen nachgekommen sei, während der Antragsgegner seine vorangegangenen Pflichtverletzungen in gesetzeswidriger Weise durch die Rückgängigmachung der der Antragstellerin zustehenden Anrechnung zu heilen versuche. Es sei Aufgabe des Antragsgegners gewesen, pflichtgemäß zu kontrollieren, ob die Kapitalertragsteuer abgeführt worden sei. Dieser Verpflichtung sei er pflichtwidrig nicht nachgekommen. Hingegen habe die Antragstellerin ihre Verpflichtungen erfüllt, indem sie die Steuerbescheinigungen vorgelegt habe. Sie könne hingegen den Nachweis der Abführung der Kapitalertragsteuer nicht erbringen, weil sie aufgrund der gesetzlich vorgesehenen Anonymität der Börsengeschäfte den Verkäufer nicht kenne, nicht kennen könne und nicht in Erfahrung bringen könne. Die Anrechnung der Kapitalertragsteuer setze auch nicht ihre Abführung voraus. Die Antragstellerin könne als gutgläubige Teilnehmerin am Börsenhandel auch nicht steuerrechtlich herangezogen und auf zivilrechtliche Schadensersatzansprüche verwiesen werden, weil dies die zivilrechtliche Rechtsprechung nicht zulasse. Die Rechtsprechung der Steuergerichte lasse, weil sie andere Fälle betreffe, die sich hier stellende Frage nach der Verantwortung im vorliegenden Fall ungeklärt. Eine sachgerechte Lösung könne daher nur aus der Pflichtenaufteilung entwickelt werden. Soweit sich ‒ wie hier ‒ ein Versagen bei der Steuererhebung aus der Besteuerungssystematik oder dem Verstoß des Antragsgegners gegen sein Pflichtenprogramm ‒ er habe nicht geprüft, ob die Kapitalertragsteuer abgeführt worden sei ‒ ergebe, könne die Antragstellerin nicht für die Fehler des Staates im Nachhinein verantwortlich gemacht werden, zumal der Antragsgegner nicht bewiesen habe, dass falsche Angaben gemacht worden seien. Daher sei der Abrechnungsbescheid nichtig. Es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nach Art. 20 Abs. 3 GG vor. Vertrauensschutz und Rechtssicherheit würden verletzt, wenn der Antragsgegner zur Vertuschung seiner Pflichtverletzungen bei der Besteuerung ohne gesetzliche Grundlage im Nachhinein Verstöße behaupte, denen keine materiellen Rechtsnormen zugrunde lägen, an denen sie gemessen werden könnten. Die Verjährungsproblematik gemäß §§ 228 ff. AO sei vom Antragsgegner übergangen worden, indem kurz vor Ablauf der Verjährung die Änderung der Anrechnungsverfügung erfolgt sei. Schließlich drohe ein Verstoß gegen die Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG und des Art. 103 Abs. 1 GG. Denn es werde schlicht nicht über die Einsprüche entschieden, gleichzeitig aber keine Aussetzung der Vollziehung gewährt. Insofern sei auch auf Art. 6 EMRK zu verweisen. Das Ermessen sei daher bereits im Rahmen der Anrechnungsverfügung nicht in der gebotenen Weise ausgeübt worden. Auf die von der Antragstellerin vorgetragenen grundsätzlichen Erwägungen gehe der Antragsgegner ‒ wie die Antragstellerin ergänzend vorträgt ‒ nicht ein, sondern beschränke sich auf Details bestimmter Geschäfte, die an sich keine Aussagekraft hätten und ohne den Nachweis der vom Antragsgegner vorzunehmenden Überprüfung des Eingangs der Kapitalertragsteuer ins Leere gingen. Es sei ‒ was die Antragstellerin ebenfalls ergänzend nach der durchgeführten Akteneinsicht vorträgt ‒ davon auszugehen, dass der Antragsgegner nach seinen eigenen Äußerungen noch 2019 ganz am Anfang seiner Ermittlungen gestanden habe und dementsprechend keine ausreichende Grundlage für die Rücknahme der Anrechnungsverfügung gehabt habe. Jedenfalls sei dies Grund genug von ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit auszugehen, zumal selbst der Antragsgegner durch einen seiner Bediensteten im Haftungsverfahren gegen die G dargelegt habe, dass es sich bei den auf den Steuerbescheinigungen gemachten Angaben um Tatsachenangaben handele. Gerade diese ‒ so meint die Antragstellerin ‒ müsse man hier zu ihren Gunsten berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund bestünden hinsichtlich des Abrechnungsbescheids vom 2. Januar 2018 ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit. Außerdem würde die Vollziehung des Bescheids zu einer unbilligen Härte führen, weil die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin, die ihr operatives Geschäft eingestellt habe, durch die Vollziehung des Abrechnungsbescheids bedroht sei.

    Die Antragstellerin beantragt,

    die Vollziehung des Abrechnungsbescheids vom 2. Januar 2018 ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

    Der Antragsgegner beantragt,

    den Antrag abzulehnen,

    hilfsweise, die Vollziehung nur gegen Sicherheitsleistung auszusetzen.

    Der Antragsgegner meint, dass die Antragstellerin systematisch zum Nachteil des Fiskus Cum/Ex-Geschäfte abgeschlossen habe. Sie habe sich der sogenannten GUTS-Strategie bedient. Dabei würden Call- und Put-Optionen miteinander kombiniert. Der maximale Verlust einer solchen Transaktion ergebe sich aus der Summe beider Optionsprämien. Je nach Kursentwicklung sei unter normalen Bedingungen nur die Ausübung einer Option zu erwarten, weil eine Entwicklung in beide Marktrichtungen denkgesetzlich ausgeschlossen sein. Die Antragstellerin habe jedoch beide Optionen ausgeübt, und zwar einen Tag vor dem Dividendenstichtag die Call-Option und einen Tag nach dem Dividendenstichtag die Put-Option. Demnach seien vor dem Dividendenstichtag erhebliche Aktienpositionen aufgebaut und direkt nach dem Dividendenstichtag abgebaut worden. Wie sich anhand der vom Antragsgegner dargelegten Berechnungen ergebe, handle es sich um wirtschaftlich unsinnige Geschäfte. Denn ein Gewinn ergebe sich aus den von der Antragstellerin durchgeführten GUTS-Transaktionen erst dann, wenn die Anrechnung der Kapitalertragsteuer inklusive des Solidaritätszuschlags bei der Veranlagung erfolge. Die Unwirtschaftlichkeit und die „maximal auf Kante genähte“ zeitliche Abfolge der einzelnen Transaktionen indizierten bereits, dass es sich ‒ in Abgrenzung zum klassischen Dividendenstripping ‒ um gezielte, von der Antragstellerin verfolgte Cum/Ex-Leerverkaufskonstellationen gehandelt habe. Hinzu komme, dass der Ausübungspreis für den Call bei der hier vorliegenden LEPO-Variante mit einem Strike von 0,01 € extrem niedrig sei und der Ausübungspreis für den Put sehr weit über dem Marktpreis liege. Das Recht, zu einem Ausübungspreis von weit oberhalb des derzeitigen Marktpreises verkaufen zu können, erhöhe signifikant die Optionsprämie und damit den Preis für die Option. Für den Call gelte dasselbe mit umgekehrten Vorzeichen. Die Antragstellerin habe somit durch die Höhe der Optionsprämien sicherstellen können, dass sie kaufen und verkaufen könne und wegen der Höhe der Optionsprämien aus wirtschaftlichen Gründen auch müsse. Von dem nach Anrechnung der Kapitalertragsteuer (und des Solidaritätszuschlags) verbliebenen positiven Ergebnis erhalte die Antragstellerin jedoch lediglich rund 80 % (der Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlags). Dies sei darauf zurückzuführen, dass der Trader die Ausübungspreise sehr weit vom Marktpreis entfernt und mit den entsprechenden Stellschrauben (Prämie Call, Ausübungspreis Call, Prämie Put, Ausübungspreis Put) eine feste Ziellinie festgesetzt habe. Insofern werde das Ergebnis ‒ die zuvor nicht erhobene Kapitalertragsteuer ‒ zwischen der Antragstellerin und dem Stillhalter aufgeteilt. Eine Partizipation an der Kursentwicklung sei weder auf Käufer- noch auf Stillhalterebene ersichtlich. Es bestünden keine Kurschancen oder Kursrisiken. Die Transaktionen seien vielmehr marktrisikobefreit und, soweit man von der Steuererstattung absehe, wirtschaftlich sinnlos. Der Stillhalter erziele seinen Profit unmittelbar aus der Handelsposition nach Belastung mit der Dividendenkompensationszahlung, während die Antragstellerin ihren Profit erst bei und mit der erfolgten Steueranrechnung durch die Finanzbehörde erwirtschafte. Somit liege das Risiko, dass es nicht zur Anrechnung der Kapitalertragsteuer komme, bei der Antragstellerin, die deshalb 80 % des Ergebnisses beanspruchen könne. Ein derartiges Geschäft, das eine Aufteilung von nur 80 % zu 20 % vorsehe, sei ein Indiz für Cum/Ex Leerverkaufsgeschäfte. Auch hier vorliegende Dividendenlevel von 83 % oder niedriger seien sichere Indizien dafür, dass es sich um Cum/Ex- Geschäfte handle. Derartig bepreiste und ausgeführte GUTS-Transaktionen seien im Vergleich zu klassischen Cum/Ex-Leerverkaufsgeschäften vermittels Aktie Long vs. Future Short (noch) schwerer ermittel- und nachweisbar. Es sei anhand einer Vielzahl von durch die Antragstellerin gehandelten Aktienwerten stichprobenweise dargelegt worden, dass die von der Antragstellerin durchgeführten Börsengeschäfte um den Dividendenstichtag herum diesem Muster gefolgt seien. Letztlich habe auch der in einem Strafverfahren Angeklagte Händler H bestätigen können, dass derartige Geschäfte mit einem solchen Dividendenlevel für Cum/Ex-Verkaufsgeschäfte sprächen.

    Dem Gericht haben neben drei Bänden Prozessakten folgende Akten vorgelegen: Körperschaftsteuerakte, Bilanzheft, Sonderband „BP-Bericht und Bescheide sowie Einspruch gegen Bescheide nach BP“, Sonderband „AE B“, zwei Sonderbände „Rechtsbehelf Anrechnung 2011“, das dreibändige Fallheft mit zwei zusätzlichen Ordnern zu Cum/Ex-Geschäften sowie zwei Bände der Prozessakte zum Klageverfahren 4 K 1043/22 und eine Prozessakte zum Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Daneben hat der Antragsgegner dem Gericht den elektronischen Zugriff auf die fünf Ordner umfassende strafrechtliche Ermittlungsakte eingeräumt. Der Inhalt der Akten ist zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden.

    II.

    Der Antrag hat nur in sehr geringem Umfang Erfolg.

    1. Der Antrag ist zulässig.

    a) Der Antrag ist statthaft. Denn es handelt sich beim Abrechnungsbescheid vom 2. Januar 2018 um einen vollziehbaren Verwaltungsakt. Vollziehbar ist ein Abrechnungsbescheid, soweit mit ihm das Bestehen eines Anspruchs gegen den Steuerpflichtigen festgestellt wird, nicht aber, wenn festgestellt wird, dass die Steuerschuld noch nicht erloschen ist, oder wenn ein vom Steuerpflichtigen geltend gemachter Erstattungsanspruch verneint wird (Stapperfend, in: Gräber, FGO, 9. Aufl., 2019, § 69 Rn. 43 m.w.N.). Hier wird ein Steueranspruch durch den Abrechnungsbescheid festgestellt. Es wird zudem die Fälligkeit der Forderung zum Ausdruck gebracht. Der Abrechnungsbescheid erschöpft sich gerade nicht in der Negation eines Erstattungsanspruchs oder in der Feststellung, dass die Steuerschulden noch nicht getilgt sind.

    Dieses Ergebnis ist auch aus systematischen Erwägungen überzeugend. Denn auch die Rücknahme der Anrechnungsverfügung, die ‒ wie hier ‒ zu einer Abschlusszahlung führt bzw. diese einfordert, ist ein vollziehbarer Verwaltungsakt. Der Erlass des Abrechnungsbescheids soll den Steuerpflichtigen hinsichtlich seiner Rechtsschutzmöglichkeiten im Rahmen des § 69 FGO aber nicht schlechter stellen. Zwar hat das Abrechnungsverfahren gegenüber dem Anrechnungsverfahren Vorrang (Birkenfeld, in: H/H/S, AO/FGO, 273. Lieferung, § 69 FGO Rn. 227a). Das Vorrangverhältnis kann der Antragstellerin aber in der Frage der Statthaftigkeit des Antrags nach § 69 FGO nicht zum Nachteil gereichen.

    b) Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Antrag nach § 69 FGO sind erfüllt. Insbesondere ist die Aussetzung der Vollziehung durch den Antragsgegner mit Schreiben vom 29. September 2022 abgelehnt worden.

    2. Der Antrag ist nur im sehr geringem Umfang begründet und im weit überwiegenden Umfang unbegründet.

    a) Der Abrechnungsbescheid vom 2. Januar 2018 begegnet mit Blick auf die hier streitigen Börsengeschäfte keinen ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit. Ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit begegnet jedoch, dass die Anrechnung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag auch für hier nicht weiter betroffene Geschäfte abgelehnt worden ist.

    Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 S. 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit aussetzen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Dabei brauchen die für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Umstände nicht zu überwiegen. Die Entscheidung darüber ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (BFH-Beschluss vom 28. Mai 2002 IX B 208/01, BFH/NV 2002, 1284 mit zahlreichen Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen; ständige Rechtsprechung).

    Hinsichtlich des Prozessstoffs findet eine Beschränkung auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen ‒ insbesondere die Akten der Finanzbehörden ‒ sowie auf die sogenannten präsenten Beweismittel statt. Es ist Sache des Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 155 FGO i.V.m. § 294 ZPO), soweit seine Mitwirkungspflicht reicht.

    Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegen bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Abrechnungsbescheids vom 2. Januar 2018 nur in geringem Umfang vor.

    aa) Die hier in Streit stehenden Börsengeschäfte um den Dividendenstichtag herum berechtigen den Antragsgegner bei summarischer Prüfung dazu, die Anrechnung der Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlags ‒ wie im Abrechnungsbescheid vom 2. Januar 2018 festgestellt ‒ abzulehnen.

    Die Voraussetzungen für die Anrechnung der Kapitalertragsteuer (und mithin des Solidaritätszuschlags) liegen bei summarischer Prüfung insoweit nicht vor.

    Nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG i.V.m. § 8 Abs 1 KStG (jeweils in der damals gültigen Fassung) wird auf die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer die durch Steuerabzug erhobene Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer angerechnet, soweit sie auf die bei der Veranlagung erfassten Einkünfte oder auf die nach § 3 Nr. 40 EStG oder nach § 8b Abs. 1 und 6 Satz 2 KStG bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleibenden Bezüge entfällt, wobei die durch Steuerabzug erhobene Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer nicht angerechnet wird, wenn die in § 45a Abs. 2 oder 3 EStG bezeichnete Bescheinigung nicht vorgelegt worden ist. Danach ist für die Anrechnung zu verlangen, dass Dividendeneinkünfte oder Einkünfte aus Dividendenkompensationszahlungen im Rahmen der Veranlagung unter Berücksichtigung der Vorschriften des § 3 Nr. 40 EStG oder des § 8b KStG erfasst worden sind, die Einkommensteuer durch Steuerabzug erhoben worden ist und die entsprechenden Steuerbescheinigungen vorgelegt worden sind. Diese Voraussetzungen sind bei summarischer Prüfung vorliegend nicht erfüllt.

    Zwar liegen Steuerbescheinigungen vor und es sind bei der Antragstellerin nach ihren Angaben die in der Gewinn- und Verlustrechnung enthaltenen Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG), auf die § 8b Abs. 1 KStG Anwendung findet, bei der Veranlagung erfasst worden. Im Kern scheitert die Anrechnung vorliegend jedoch daran, dass die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht hat, dass die Kapitalertragsteuer einbehalten worden ist.

    Es liegt nämlich eine typische Cum/Ex-Konstellation vor (aaa)), bei der hier zum Zeitpunkt des Dividendenbeschlusses kein wirtschaftliches Eigentum vorlag (bbb)) und zum einen die Anrechnung der Kapitalertragsteuer auf die Dividendenkompensationszahlung ausgeschlossen ist, weil es sich um mit dem zentralen Kontrahenten abgeschlossene Börsengeschäfte handelt und dieser bekanntlich keine Kapitalertragsteuer abführt, und ‒ wollte man dem nicht folgen ‒ zum anderen die Anrechnung auch deshalb nicht stattfinden kann, weil die Antragstellerin, obgleich sie die Feststellungslast trifft, nicht nachgewiesen hat, dass die Kapitalertragsteuer (anderweitig) abgeführt worden ist (ccc)).

    Im Ergebnis tätigte die Antragstellerin bei summarischer Prüfung sogenannte Cum/Ex-Deals, die in ihrer konkreten Ausgestaltung die Anrechnung von Kapitalertragsteuer ausschließen.

    aaa) Es liegt hier eine typische Cum/Ex-Konstellation vor, die die realistische Gefahr aufweist, dass die Kapitalertragsteuer, deren Anrechnung von der Antragstellerin begehrt wird, nicht abgeführt worden ist.

    Bei sogenannten Cum/Ex-Geschäften handelt es sich um bis zum Jahr 2011 getätigte Gestaltungen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass Aktienübertragungen um den Dividendenstichtag herum die mehrfache Anrechnung der Kapitalertragsteuer bei verschiedenen Steuersubjekten faktisch ermöglicht und wirtschaftlich attraktiv macht. Charakteristisch für Cum/Ex-Geschäfte ist, dass der Verkäufer der Aktien zum Zeitpunkt des Abschlusses des schuldrechtlichen Vertrags nicht Eigentümer dieser Aktien ist (Leerverkäufer), dass der Leerverkäufer zur Übertragung der Aktien mit Dividendenanspruch verpflichtet ist (cum), der Lieferzeitpunkt der Aktien jedoch nach dem Dividendenstichtag liegt (ex) und der Leerverkäufer daher eine Dividendenkompensationszahlung an den Leerkäufer leistet (vgl. dazu Geisenberg, in: K/S/M, EStG, 334. Lieferung, § 20 Rn. D 92). Hier liegen derartige Geschäfte vor. Denn sie fanden um den Dividendenstichtag herum statt und eröffneten die Möglichkeit, zu doppelter Anrechnung der Kapitalertragsteuer. Hintergrund ist, dass sich die Eigentumsübertragung an den Aktien nach sachenrechtlichen Grundsätzen vollzieht (vgl. dazu die Ausführungen des beschließenden Senats im Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. März 2017 4 K 977/14, EFG 2017, 656 m.w.N.). Die Übertragung des Eigentums an den Aktien erfolgt danach bei girosammelverwahrten Aktien mit der Übertragung des Mitbesitzes an der Globalurkunde nach § 930 BGB durch Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses. Diese Umstellung erfolgt nach den Börsenusancen bei (in Abgrenzung zu OTC-Geschäften hier vorliegenden) Börsengeschäften zwei Tage nach dem Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags. Diese zeitliche Lücke eröffnet die Möglichkeit, Aktien mit Dividendenanspruch zu handeln, die ohne einen solchen Anspruch geliefert werden. Dabei fungieren die Börsen D und C zivilrechtlich als Vertragspartner, um die Anonymität der wirtschaftlichen Geschäftspartner zu gewährleisten und das Bonitätsrisiko zu übernehmen. Die abgeschlossenen Verträge werden im Rahmen des Nettings zusammengeführt und größtenteils bis auf einen Spitzenausgleich miteinander verrechnet. Der zentrale Kontrahent verfügt demnach über keine Aktien. Die Lieferung erfolgt grundsätzlich zwei Tage später über die F als Wertpapiersammelbank, die für die entsprechenden Depotbanken von Verkäufer und Käufer die Ausbuchung und Einbuchung vornimmt und gegebenenfalls Dividendenkompensationszahlungen veranlasst. Soweit daher als Schadenersatz ein Dividendenkompensationsanspruch geschuldet ist, ist der Kapitalertragsteuerabzug besonders geregelt. Erhält der Aktienerwerber lediglich eine Dividendenkompensationszahlung, muss nach der für das Jahr 2011 und damit für diesen Rechtsstreit maßgeblichen Rechtslage (§ 44 Abs. 1 Satz 3 EStG) das für den Verkäufer der Aktien den Verkaufsauftrag ausführende inländische Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b (die den Verkaufsauftrag ausführende Stelle) die Kapitalertragsteuer einbehalten und abführen, während die Zuständigkeit zur Erteilung der Steuerbescheinigung nach § 45a Abs. 3 EStG, wenn man diese Vorschrift auch auf Cum/Ex-Gestaltungen anwenden will, das inländische Kreditinstitut oder das inländische Finanzdienstleistungsinstitut des Leerkäufers trifft (kritisch zu letzterem Spengel/Eisgruber, DStR 2015, 785). Im Falle der Auszahlung von Dividenden hat hingegen der Emittent der Aktien gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 EStG die Kapitalertragsteuer auf die ausgezahlten Dividenden einzubehalten und abzuführen. Die inländische depotführende Bank des Anteilsinhabers stellt diesem, wenn nicht der Schuldner selbst die Einbehaltung und Abführung vornehmen muss, eine Steuerbescheinigung nach § 45a EStG aus, damit dieser sich die vom Emittenten einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer anrechnen lassen kann.

    bbb) Die Antragstellerin ist nicht wirtschaftliche Eigentümerin der Aktien im Zeitpunkt des Dividendenbeschlusses gewesen ((a)). Ob sie im Zeitpunkt der Dividendenkompensationszahlungen wirtschaftliche Eigentümern der Aktien war, kann offen bleiben ((b)).

    Insbesondere der beschließende Senat hat zur rechtlichen Behandlung von Cum/Ex-Geschäften bereits mehrfach entschieden. Danach hat sowohl bei außerbörslichen als auch bei mit dem zentralen Kontrahenten abgeschlossenen börslichen Aktiengeschäften um den Dividendenstichtag, die cum Dividende abgeschlossen und ex Dividende geliefert werden, der Aktienkäufer keinen Anspruch auf Anrechnung der vom Emittenten auf die originäre Dividende erhobene Kapitalertragsteuer (Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. März 2017 4 K 977/14, EFG 2017, 656). Ein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums erfolgt bei börslichen Geschäften über den zentralen Kontrahenten nicht bereits mit Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags (Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. März 2017 4 K 977/14, EFG 2017, 656; Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. Februar 2016 4 K 1684/14, EFG 2016, 761). Denn ausgehend vom Wortlaut des § 39 Abs. 1 und 2 Nr. 1 AO und der Regel-Ausnahme-Systematik der Norm ist nach der juristischen Auslegungsmethodik nur eine einmalige Zurechnung eines Wirtschaftsguts an ein Steuersubjekt möglich und mehrfaches wirtschaftliches Eigentum denklogisch ausgeschlossen, weil entscheidend auf das Recht des Eigentümers abzustellen ist, andere von der Nutzung des Wirtschaftsguts ausschließen zu können (Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. März 2017 4 K 977/14, EFG 2017, 656; Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. Februar 2016 4 K 1684/14, EFG 2016, 761; BFH-Urteil vom 2. Februar 2022 I R 22/20, BStBl II 2022, 324). Wirtschaftliches Eigentum über die Anteile wird nach der Rechtsprechung des BFH bei Cum/Ex-Geschäften nicht erworben, wenn der Erwerb der Aktien Teil eines modellhaft aufgelegten Gesamtvertragskonzepts ist, nach welchem der zivilrechtliche Erwerber die wesentlichen mit einem Aktienerwerb verbundenen Rechte weder ausüben kann noch nach der gestalterischen Konzeption soll (BFH-Urteil vom 2. Februar 2022 I R 22/20, BStBl II 2022, 324; BFH-Urteil vom 16. April 2014 I R 2/12, BFHE 246, 15). Entscheidend ist danach, ob eine nennenswerte Inanspruchnahme der mit dem Innehaben der Wertpapiere verbundenen Rechte vor oder nach dem Dividendenstichtag ermöglicht wird, ohne dass es für das Finanzamt oder das Finanzgericht als Rechtsanwender im Falle der Negation darauf ankäme, den tatsächlichen wirtschaftlich Berechtigten, also den wirtschaftlichen Eigentümer benennen zu müssen (BFH-Urteil vom 2. Februar 2022 I R 22/20, BStBl II 2022, 324). Ob sich die maßgebenden Transaktionen außerbörslich oder börslich abgespielt haben, ist insoweit ohne Bedeutung (BFH-Urteil vom 2. Februar 2022 I R 22/20, BStBl II 2022, 324). Soweit der BFH in einem älteren Urteil davon ausgegangen war, dass bereits mit dem Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags der Übergang des Eigentums stattfindet (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1999 I R 29/97, BStBl II 2000, 527), kann dies wegen Fehlens der nicht in jedem Fall gegebenen Ausschlussmöglichkeit des vormals wirtschaftlich Berechtigten nicht generalisiert werden (BFH-Urteil vom 2. Februar 2022 I R 22/20, BStBl II 2022, 324). Denn das genannte Urteil bezieht sich zudem offenbar auf einen Inhaberkauf zu inzwischen überholten ‒ der zentrale Kontrahent wurde erst 2003 eingeführt ‒ Geschäftsabläufen (BFH-Urteil vom 2. Februar 2022 I R 22/20, BStBl II 2022, 324; Spengel/Eisgruber, DStR 2015, 785).

    (a) Die Antragstellerin hat keine Dividendenzahlungen erhalten, weil sie am Dividendenstichtag weder zivilrechtliche noch wirtschaftliche Eigentümerin der Aktien gewesen ist.

    (aa) Der Erwerb wirtschaftlichen Eigentums durch die Antragstellerin neben einem anderen wirtschaftlichen Eigentümer ist ausgeschlossen. Es ist ‒ wie dargelegt ‒ durch die Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt, dass es kein mehrfaches wirtschaftliches Eigentum an Aktien mit Blick auf die Dividendenberechtigung gibt. Es kann danach nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin neben einem anderen wirtschaftlichen Eigentümer wirtschaftliches Eigentum erworben hätte. Zum Zeitpunkt des Dividendenbeschlusses und damit am Dividendenstichtag kann es demnach nur einen wirtschaftlichen Eigentümer geben.

    (bb) Es kann vorliegend auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin allein durch den Abschluss des (schuldrechtlichen) Kaufvertrags (unter Ausschluss des Veräußerers oder eines Dritten) wirtschaftliches Eigentum im Zeitpunkt des Dividendenbeschlusses begründet hätte. Es drängt sich für den vorliegenden Fall angesichts der einen Tag vor und nach dem Tag der Hauptversammlung getätigten Börsengeschäfte und der Lieferzeiten geradezu auf, dass die Antragstellerin kein wirtschaftliches Eigentum an den Aktien am Dividendenstichtag gehabt haben kann. Dafür spricht auch, dass die von der G für die Antragstellerin ausgestellten Steuerbescheinigungen nicht Dividenden, sondern Dividendenkompensationszahlungen ausweisen. Insofern scheidet eine Anrechnung von durch den Emittenten abgeführte Kapitalertragsteuer bereits deshalb aus, weil sich die Steuerbescheinigungen nicht darauf beziehen. Letztlich wird von der Antragstellerin auch nicht bestritten, dass es sich bei den von ihr erhaltenen Zahlungen um Dividendenkompensationszahlungen handelt. Demensprechend geht der Senat bei summarischer Prüfung auch davon aus, dass der Antragsgegner im Körperschaftsteuerbescheid für 2011 vom 13. September 2012 von Dividendenkompensationszahlungen ausgegangen ist und dies auch von der Antragstellerin so zu verstehen war.

    (b) Es kann ‒ auch wenn einiges dagegen sprechen dürfte ‒ offen bleiben, ob die Antragstellerin wirtschaftliches Eigentum an den Aktien nach dem Dividendenstichtag zum Zeitpunkt der Dividendenkompensationszahlung erworben hatte. Zwar spricht vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BFH viel dafür, dass dies nicht der Fall war, weil die Antragstellerin angesichts des zeitgleichen Kaufs der Kaufoptionen und des Kaufs der Verkaufsoptionen sowie der nur kurzzeitig versetzten Ausübung der jeweiligen Optionen nach dem offenbar gegebenen gestalterischen Plan der Antragstellerin für die getätigten Geschäfte zu keinem Zeitpunkt in der Lage war und sein sollte, die Rechte aus den Anteilen im Wesentlichen ausüben zu können. Letztlich kann der beschließende Senat aber offen lassen, ob die Antragstellerin vorliegend zu keinem Zeitpunkt wirtschaftliches Eigentum erworben hat. Demnach kann auch offen bleiben, ob die in der Veranlagung vom Antragsgegner vorgenommene Erfassung der Dividendenkompensationszahlungen zwingend auf den Erwerb wirtschaftlichen Eigentums im hiesigen Verfahren schließen lassen oder ob das Gericht eine davon abweichende Bewertung vornehmen darf (vgl. umgekehrt zur Bindung der Anrechnung an die geänderte Steuerfestsetzung Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 1. Juli 2021 4 K 646/20, EFG 2022, 791 und Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 28. Januar 2020 4 K 890/17, EFG 2020, 1160).

    ccc) Die aufgeworfenen Fragen können offen bleiben, weil jedenfalls der Nachweis der Einbehaltung der Kapitalertragsteuer bei summarischer Prüfung nicht erbracht ist.

    Es ist für die Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer auf die Depotbank des Veräußerers abzustellen, weil die Antragstellerin ‒ wie dargelegt ‒ keine Dividenden, sondern Dividendenkompensationszahlungen erhalten hat. Für die Erhebung der Kapitalertragsteuer bedarf es (auf jeder Stufe) zumindest der tatsächlichen Einbehaltung der Steuer, die erst vorliegt, wenn die Depotbank des Verkäufers den Bruttodividendenbetrag erhalten hat, von dem die Steuer einzubehalten ist, wohingegen es für die Anrechnung auf die tatsächliche Abführung der Steuer durch die als Verwaltungshelfer agierende Depotbank an die Finanzbehörde nicht ankommt (Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. März 2017 4 K 977/14, EFG 2017, 656; Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. Februar 2016 4 K 1684/14, EFG 2016, 761). Insofern kann zumindest für atypische Geschehensabläufe allein aus dem Erhalt eines Betrags in Höhe der Nettodividende nicht geschlussfolgert werden, dass die Kapitalertragsteuer abgeführt worden ist (Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. März 2017 4 K 977/14, EFG 2017, 656; Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. Februar 2016 4 K 1684/14, EFG 2016, 761). Die Feststellungslast für die Erhebung der Abzugsteuer obliegt dem die Anrechnung der Kapitalertragsteuer begehrenden Aktienkäufer (Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. Februar 2016 4 K 1684/14, EFG 2016, 761). Die Kapitalertragsteuerbescheinigung nach § 45a Abs. 2 und 3 EStG der inländischen Depotbank des Aktienkäufers liefert lediglich einen Anscheinsbeweis für die Erhebung der Kapitalertragsteuer (Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. März 2017 4 K 977/14, EFG 2017, 656; Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. Februar 2016 4 K 1684/14, EFG 2016, 761; Beschluss des Hessischen Finanzgerichts vom 6. April 2021 4 V 723/20, EFG 2021, 1400). Dieser Anscheinsbeweis greift aber dann nicht ein, wenn eine Abweichung vom typischen Geschehensablauf vorliegt (Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. März 2017 4 K 977/14, EFG 2017, 656; Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. Februar 2016 4 K 1684/14, EFG 2016, 761). Eine Erhebung der Kapitalertragsteuer durch den zentralen Kontrahenten findet ‒ was gerichtsbekannt ist (vgl. dazu auch Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. März 2017 4 K 977/14, EFG 2017, 656) und durch ein in den Akten befindliches Schreiben der D bestätigt wird (Bl. 404 Fallheft Cum/Ex-Geschäfte Band 1) ‒ nicht statt. Dasselbe gilt bereits aus rechtlichen Gründen für ausländische Depotbanken. Auch aus der Auszahlung der Nettodividende durch den Emittenten kann im Falle von Dividendenkompensationszahlungen keine Schlussfolgerung für die Einbehaltung der Kapitalertragsteuer gezogen werden (Beschluss des Hessischen Finanzgerichts vom 8. Oktober 2012 4 V 1661/11, juris). Zwar entkräftet das Fehlen der Berufsträgerbescheinigung bei börslichen Geschäften nicht per se einen Anscheinsbeweis, dies schließt aber die Erschütterung des Anscheinsbeweises durch atypische Geschehensabläufe nicht aus (Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. Februar 2016 4 K 1684/14, EFG 2016, 761). Die Nachweisverpflichtung desjenigen, der die Anrechnung begehrt, entfällt nicht dadurch, dass Geschäfte anonym über die Börse getätigt werden. Denn wer sich trotz der Kenntnis von seinen Nachweisverpflichtungen mit seinen Geschäften in die Anonymität des Börsengeschehens begibt, muss im Zweifel das Risiko tragen, dass er den Nachweis für die Zahlung der Kapitalertragsteuer nicht erbringen kann (Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. März 2017 4 K 977/14, EFG 2017, 656). Er ist insoweit weder schutzwürdig noch schutzbedürftig (Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. März 2017 4 K 977/14, EFG 2017, 656; Spengel/ Eisgruber, DStR 2015, 785).

    Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Antragstellerin den erforderlichen Nachweis der Erhebung der Kapitalertragsteuer bei summarischer Prüfung nicht erbracht.

    (a) Der Nachweis der Erhebung der Kapitalertragsteuer ist erforderlich und kann nicht bereits aufgrund der vorliegenden Umstände als erbracht angesehen werden.

    (aa) Es kann nicht davon ausgegangen werden, es müsse die Einbehaltung der Kapitalertragsteuer dann nicht nachgewiesen werden, wenn sich der Veräußerer möglicherweise einer ausländischen Depotbank bedient habe, weil diese nicht zur Kapitalertragsteuerabführung verpflichtet sei. Ein solcher Ansatz scheidet bereits deshalb aus, weil nach der insoweit eindeutigen Rechtsprechung zu fordern ist, dass die anzurechnenden Steuern tatsächlich einbehalten worden sind.

    Ebenso wenig kann aus der Auszahlung der Dividendenkompensation als Nettobetrag gefolgert werden, dass die Kapitalertragsteuer tatsächlich abgeführt worden ist. Denn daraus, dass die Kapitalertragsteuer auf die Dividendenzahlungen beim Emittenten abgeführt worden ist, kann nicht geschlussfolgert werden, dass die Bank (als die den Verkaufsauftrag ausführende Stelle) den Bruttobetrag der Dividendenkompensationszahlung erhalten hat und die bei der Auszahlung der Dividendenkompensation gesondert abzuführende Kapitalertragsteuer abgeführt worden ist.

    (bb) Soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, dass sie eine Kapitalertragsteuerbescheinigung vorgelegt hat, kann ‒ wie dargelegt ‒ allein aus der Vorlage nicht gefolgert werden, dass die Kapitalertragsteuer einbehalten worden ist. Die gegenteilige Ansicht überzeugt bereits deshalb nicht, weil anderenfalls die übrigen Tatbestandsmerkmale des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht erforderlich wären, wenn allein die Vorlage der Kapitalertragsteuerbescheinigung für die Anrechnung genügen würde.

    Die Steuerbescheinigungen können hier an sich nicht als ausreichend angesehen werden, um einen Anscheinsbeweis zu begründen und von einem Kapitalertragsteuereinbehalt auszugehen. Das ist hier bereits deshalb augenfällig, weil die G als ausstellende Depotbank aufgrund der Anonymität der Börsengeschäfte in der Regel nicht überprüfen kann, ob die Depotbank des Veräußerers tatsächlich die Kapitalertragsteuer einbehalten hat. Vor diesem Hintergrund ist auch erklärlich, warum G in die Steuerbescheinigung einen Haftungsausschluss aufgenommen hat und insoweit auf E verweist, zumal auch (bislang) keine Berufsträgerbescheinigung erteilt worden ist (Bl. 46 Ermittlungsakte Band 1; vgl. dazu aber auch abweichende frühere Angaben Bl. 241 Sonderband 1 zur Ermittlungsakte).

    (b) Den Nachweis des Einbehalts der Kapitalertragsteuer hat die Antragstellerin nicht erbracht.

    (aa) Die Einbehaltung der Kapitalertragsteuer scheidet bereits deshalb aus, weil der zentrale Kontrahent keine Kapitalertragsteuer einbehält. Es ist auch nicht der Nachweis geführt worden, dass dies ausnahmsweise doch geschehen ist. Der Kapitalertragsteuereinbehalt ist ‒ wie dargelegt ‒ auf jeder Stufe vorzunehmen. Das umfasst auch den zentralen Kontrahenten. Der Einbehalt ist, was allen Handelsteilnehmern hinlänglich bekannt ist und auch vom zentralen Kontrahenten nicht bestritten wird, weder selbst noch durch eine ‒ wohl nicht vorhandene ‒ den Verkaufsauftrag ausführende Stelle nachgekommen. Denn F ist ein zentraler Wertpapierverwahrer und kann nicht als Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut angesehen werden und hat jedenfalls, auch wenn man dies bestreiten wollte, nicht die Kapitalertragsteuer einbehalten.

    (bb) Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, dass für steuerliche Zwecke der Kapitalertragsteueranrechnung nicht auf den zentralen Kontrahenten abzustellen sei, ist hier der aufgrund der Steuerbescheinigungen erzeugte Anscheinsbeweis durch die vorliegenden besonderen Umstände erschüttert, weil es sich ‒ wie im folgenden zu zeigen sein wird ‒ gerade nicht um die vom Gesetz vorgesehenen typischen Geschäfte handelt, die der Bescheinigung zugrundeliegen. Vielmehr lassen die hier gegebenen besonderen Umstände den Schluss zu, dass die Börsengeschäfte durch die Antragstellerin allein deshalb getätigt worden sind, um im Ergebnis allein durch die Anrechnung der zuvor nicht abgeführten Kapitalertragsteuer wirtschaftliche Vorteile zu erlangen, was die Glaubhaftmachung der Erhebung der Kapitalertragsteuer im vorliegenden Fall jedenfalls erforderlich macht. Diese Glaubhaftmachung ist der Antragstellerin nicht gelungen.

    (aaa) Die von der Antragstellerin getätigten Börsengeschäfte sind ‒ was von ihr auch nicht bestritten wird ‒ ohne die Kapitalertragsteueranrechnung wirtschaftlich unsinnig (vgl. dazu insbesondere die Ausführungen des Antragsgegners in seiner Antragserwiderung, Bl. 243 ff. Prozessakte). So ist es schon im Ansatz bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht verständlich, warum am Tag vor dem Dividendenstichtag Optionen erworben werden, aus denen kein Vorteil aus der Kursentwicklung erlangt werden können. Die Geschäfte waren ‒ worauf der Antragsgegner unwidersprochen hingewiesen hat ‒ marktrisikobefreit. Eine Partizipation an der Kursentwicklung war ausgeschlossen.

    Dies wurde dadurch sichergestellt, dass am Tag vor der Hauptversammlung sowohl die Kauf- als auch die Verkaufsoptionen gekauft worden sind. In ihnen waren bereits zu dem Zeitpunkt feste Preise vereinbart. Die Preise waren für die Kaufoption unrealistisch tief und für die Verkaufsoption unrealistisch hoch. Um den mit der Kaufoption unrealistisch tief angesetzten Kaufpreis auf der Stillhalterseite auszugleichen, musste eine entsprechend hohe Prämie vereinbart werden. Ähnliches galt für die Verkaufsoption. In dem Zusammenhang wurden unrealistisch hohe Preise vereinbart, wofür ebenfalls eine relativ hohe Optionsprämie zu zahlen war. Bereits am Tag vor der Hauptversammlung standen damit der jeweilige Preis pro Aktie fest. Die Verkaufsoption wurde am Tag nach der Hauptversammlung ausgeübt. Da bei der Verkaufsoption bereits der fehlende Dividendenanspruch einkalkuliert war, musste das Geschäft an sich verlustträchtig sein. Die Geschäfte blieben auch nach der Zahlung der Dividendenkompensation verlustträchtig. Erst durch die Anrechnung der Kapitalertragsteuer ergab sich für die Antragstellerin ein positives Ergebnis. Insgesamt konnte im Rahmen der Geschäfte nur dann ein positives Gesamtergebnis unter Einbeziehung der Shortseite (Leerverkäufer) erzielt werden, wenn neben der Anrechnung der Kapitalertragsteuer auf der Longseite (Leerkäufer) auf der Shortseite keine Kapitalertragsteuer abgeführt wird (vgl. beispielhaft Bl. 251 Prozessakte).

    (bbb) Der Dividendenlevel lässt einen Rückschluss darauf zu, dass auch unter Außerachtlassung des zentralen Kontrahenten als Leerverkäufer vorliegend Cum/Ex-Geschäfte in der Leerverkaufskonstellation getätigt worden sind, die, um ein positives Ergebnis erzielen zu können, die Anrechnung der Kapitalertragsteuer ohne ihre Abführung voraussetzt. Der Begriff „Dividendenlevel“ bezeichnet, in welchem Umfang der Verkäufer einer Aktie cum Dividende für den Verkauf der Dividenden entgolten wird (vgl. dazu Beschluss des Hessischen Finanzgerichts vom 6. April 2021 4 V 723/20, EFG 2021, 1400). Ein Dividendenlevel von 100 % gilt den vollen Betrag einer Bruttodividende ab, während ein Dividendenlevel von 73,625 % exakt dem Betrag einer Nettodividende entspricht (vgl. dazu Beschluss des Hessisches Finanzgerichts vom 6. April 2021 4 V 723/20, EFG 2021, 1400). Während ein Bestandsverkäufer den vollen Betrag als Entgelt für einen Verkauf einer Aktie cum Dividende verlangen würde, da er dem Käufer mit der Nettodividende zugleich einen Kapitalertragsteuererstattungsanspruch verschafft, würde es sich für einen Leerverkäufer, der die vertragsgegenständlichen Aktien von einem Dritten „ex“ ‒ also ohne Dividendenanspruch ‒ erwirbt und diese seinerseits „cum“ ‒ also mit Dividendenanspruch ‒ verkauft, d.h. den Aktientransfer im sogenannten Market-Claim-Mechanismus mit einer Kompensationszahlung i.H.v. 73,625 % des Betrags einer Bruttodividende ausstattet (auf die weder er noch irgendjemand sonst Kapitalertragsteuer abgeführt hat), wirtschaftlich lohnen, dafür einen Kaufpreis weit unterhalb von 100 % zu akzeptieren. Dabei macht das Geschäft unter Berücksichtigung der weiteren Kosten (z.B. Brokergebühren, Leihgebühren, Finanzierungskosten) für den Leerverkäufer wirtschaftlich erst dann wirklich Sinn, wenn der Dividendenlevel den Nettobetrag von 73,625 % deutlich übersteigt. Vor diesem Hintergrund ist es das Handlungsziel des Leerverkäufers, an der ungerechtfertigten Steuererstattung ‒ nach Deckung seiner durch die Geschäfte entstandenen Ausgaben ‒ in möglichst großem Umfang zu partizipieren (Beschluss des Hessischen Finanzgerichts vom 6. April 2021 4 V 723/20, EFG 2021, 1400). Es ist bereits entschieden worden, dass bei einem Dividendenlevel von 90, 85 oder 80 sicher auszuschließen ist, dass es sich bei dem zugrundeliegenden Aktiengeschäft um einen Inhaberverkauf, handelt, weil es für einen Inhaberverkäufer keinen Grund gibt, zu für ihn derart ungünstigen Konditionen abzuschließen (Beschluss des Hessischen Finanzgerichts vom 6. April 2021 4 V 723/20, EFG 2021, 1400; Urteil des Landgerichts Bonn vom 18. März 2020 62 KLs 1/19, 62 KLs - 213 Js 41/19 - 1/19, juris). Die Dividendenlevel sanken mit der Zeit, weil sich die Verkäufer bzw. Stillhalter im Laufe der Zeit ‒ wohl wegen der starken Nachfrage auf Käuferseite ‒ immer besser bezahlen lassen konnten (Urteil des Landgerichts Bonn vom 18. März 2020 62 KLs 1/19, 62 KLs - 213 Js 41/19 - 1/19, juris). Während 2007 noch Level im unteren 90er-Bereich gehandelt wurden, sanken diese bis 2011 auf unter 80 % (Urteil des Landgerichts Bonn vom 1. Juni 2021 62 KLs - 213 Js 32/20 - 1/20, juris; Urteil des Landgerichts Bonn vom 9. Februar 2022 62 KLs - 213 Js 131/20 - 3/20, juris).

    Vor diesem Hintergrund ist bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass die Antragstellerin als Leerkäuferin Cum/Ex-Geschäfte in der Leerverkaufskonstellation betrieben hat. Denn die ermittelten Dividendenlevel bewegten sich im Jahr 2011 zwischen 77 % und 81 % (Bl. 158 Prozessakte; Bl. 1015 Ermittlungsakte Band 3). Auch der in einem Strafverfahren Beschuldigte und vom Antragsgegner befragte Händler H, der als Insider über besondere Kenntnisse verfügt, machte in seinen Ausführungen deutlich, dass ein Dividendenlevel in dem hier ermittelten Bereich von etwa 80 % (oder sogar darunter) ein klares Indiz für Cum/Ex-Leerverkaufsgeschäfte ist (Bl. 301, 362 f. Prozessakte).

    (ccc) Auch die von der Antragstellerin erzielten Ergebnisse der Geschäfte sprechen dafür, dass Cum/Ex-Leerverkaufsgeschäfte vorgelegen haben. Denn letztlich führten die geschäftlichen Gestaltungen dazu, dass der Antragstellerin nur rund 80 % der Kapitalertragsteuer blieben, obgleich sie Aktien mit Dividendenanspruch erworben hatte (Bl. 251 Prozessakte). Wenn man sich mit nur 80 % der Kapitalertragsteuer zufrieden gibt, erscheint es plausibel, dass es sich um die Aufteilung der nicht abgeführten, aber erstatteten Kapitalertragsteuer handelt. Die Antragstellerin erhielt 80 % der Kapitalertragsteuer, weil sie bei summarischer Prüfung das Risiko der Verweigerung der Anrechnung der Kapitalertragsteuer in Kauf nahm.

    (ddd) Auch den äußeren Umständen lassen sich Indizien entnehmen, die für Cum/Ex-Leerverkaufsgeschäfte sprechen. So ist auffällig, dass die angerechnete Kapitalertragsteuer der Antragstellerin im Jahr 2012 und damit nach einer gesetzlichen Neuregelung, die der Durchführung von bis dahin möglichen Cum/Ex-Leerverkaufsgeschäften entgegensteht, stark gesunken ist (Bl. 144 Prozessakte). In den Jahren 2009, 2010 und 2011 betrugen die beantragten Anrechnungsvolumina allein aus der Kapitalertragsteuer im Jahresverlauf x.xxx.xxx €, x.xxx.xxx € und x.xxx.xxx €. Im Jahr 2012 wurden hingegen nur noch xxx.xxx € als anzurechnende Kapitalertragsteuer geltend gemacht.

    (cc) Die von der Antragstellerin vorgetragenen Argumente führen zu keinem anderen Ergebnis. Jedenfalls sieht der Senat keinerlei Veranlassung, die grundsätzlichen Regeln der Feststellungslast aufzuweichen. Soweit die Antragstellerin vorträgt, sie habe alle ihre Pflichten gegenüber dem Antragsgegner ‒ insbesondere durch Vorlage der Steuerbescheinigung ‒ erfüllt, und es sei ihr aufgrund der Anonymität des Börsenplatzes nicht möglich, nähere Informationen zum wirtschaftlichen Geschäftspartner zu erteilen, trifft dies nur vordergründig zu und überzeugt daher nicht.

    (aaa) Wie bereits dargelegt worden ist, handelt es sich bei der Antragstellerin nicht um den schulbuchmäßigen Idealtypus eines Börsenteilnehmers, der durch die Spekulation auf bestimmte Kursentwicklungen hofft, Gewinne erzielen zu können. Vielmehr zeigen die an sich wirtschaftlich unsinnigen Geschäfte, die ohne jedes Marktrisiko getätigt worden sind, dass es der Antragstellerin ‒ wie dargelegt ‒ zumindest bei summarischer Prüfung nur darum gegangen sein kann, mit der Körperschaftsteueranrechnung Profit zu erzielen, ohne dass zuvor die Kapitalertragsteuer (von der Depotbank des Veräußerers) abgeführt worden ist. Dabei muss der Antragstellerin angesichts der Erfahrungen ihrer Geschäftsführer im Börsenhandel klar gewesen sein, dass sie mit den Börsengeschäften über den zentralen Kontrahenten von einem Leerverkäufer erwirbt und dass dieser keine Kapitalertragsteuer einbehält. Nach Aktenlage muss jedenfalls davon ausgegangen werden, dass die Geschäftsführer der Antragstellerin angesichts langjähriger Erfahrungen mit Börsengeschäften über besondere Kenntnisse (und in Bezug auf einen Geschäftsführer auch über eine besondere Position als Mitglied des Börsenrates) verfügten (Bl. 179 ff. Ermittlungsakte Band 1, Bl. 512 Sonderband 1 zur Ermittlungsakte).

    (bbb) Selbst wenn man nicht auf den zentralen Kontrahenten als Vertragspartner, sondern auf den Stillhalter als unbekanntem Geschäftspartner abstellen wollte, ist ‒ wie bereits dargelegt ‒ darauf hinzuweisen, dass sich die Antragstellerin bewusst in die Anonymität des Börsengeschäfts begeben hat und ihr angesichts der Kenntnisse ihrer Geschäftsführer klar gewesen sein muss, dass sie gerade wegen der Anonymität der Geschäfte Schwierigkeiten haben könnte, den Nachweis zu führen, dass die Kapitalertragsteuer tatsächlich einbehalten worden ist. Weil sie sehenden Auges die Nachweisschwierigkeiten in Kauf genommen hat, ist sie nicht schutzwürdig.

    (ccc) Auch soweit die Antragstellerin der Auffassung ist, dass die bisher zu dem Problemkreis ergangene Rechtsprechung nicht herangezogen werden könne, kann dem nicht gefolgt werden.

    Zwar weisen die von der Antragstellerin zitierten Entscheidungen der Finanzgerichte und des BFH Unterschiede zu dem hier vorliegenden Fall auf. Jedoch kann daraus nicht geschlossen werden, dass die dort erarbeiteten Grundsätze schlicht unanwendbar seien. Vielmehr dürfen die verallgemeinerungsfähigen Leitsätze durchaus herangezogen werden, wenn insoweit ‒ wie hier ‒ eine Vergleichbarkeit besteht. Die Sachverhalte müssen und können nicht in jeder Hinsicht identisch sein. Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. März 2017 (4 K 977/14, EFG 2017, 656) nicht herangezogen werden dürfe, weil dort Banken betroffen seien, die sich selbst die Steuerbescheinigungen ausgestellt hätten, ist dazu festzustellen, dass sich der Senat durchaus der inhaltlichen Unterschiede des dort und des hier betroffenen Sachverhalts bewusst ist. Dennoch sind die Grundsätze zum Nachweis des Kapitalertragsteuerabzugs auch auf andere Fälle übertragbar, zumal der Senat in seiner damaligen Entscheidung keine bestimmten und hier eingreifenden Einschränkungen vorgenommen hat.

    Soweit die Antragstellerin meint, die zivilgerichtliche Rechtsprechung lasse den Schluss zu, dass ihr kein Schadenersatzanspruch zustehe, ist dazu festzustellen, dass damit keine Aussage darüber getroffen ist, wer nach dem steuerrechtlichen Verfahrensrecht zum Nachweis des Kapitalertragsteuereinbehalts verpflichtet ist und wie dieser vorzunehmen ist. Insoweit bestehen auch unter dem Aspekt der Einheit der Rechtsordnung keine Zusammenhänge zwischen den zivilrechtlichen und steuerrechtlichen Fragestellungen.

    ddd) § 130 Abs. 2 AO steht dem erlassenen Abrechnungsbescheid, dessen Aussetzung von der Antragstellerin begehrt wird, bei summarischer Prüfung nicht entgegen.

    (a) Der Senat kann offen lassen, ob ein Abrechnungsbescheid im Nachgang zu einer nach § 130 Abs. 2 AO geänderten Anrechnungsverfügung nur unter den Bedingungen des § 130 Abs. 2 AO erlassen werden darf (dafür BFH-Urteil vom 26. Juni 2007 VII R 35/06, BStBl II 2007, 742; BFH-Urteil vom 27. Oktober 2009 VII R 51/08, BStBl II 2010, 382; BFH-Beschluss vom 13. Januar 2005 VII B 147/04, BStBl II 2005, 457; Alber, in: H/H/S, AO/FGO, 273. Lieferung, § 218 AO Rn. 107; Schober, in: Gosch, AO/FGO, 174. Lieferung, § 218 AO Rn. 69; a.A. BFH-Urteil vom 28. April 1993 I R 100/92, BStBl II 1993, 836; dem folgend BFH-Urteil vom 5. Mai 1993 VI R 91/93, BFH/NV 1994, 862; BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2015 VIII B 143/14, BFH/NV 2016, 14; relativierend allerdings BFH-Urteil vom 18. September 2007 I R 54/06, BStBl II 2018, 694).

    Denn auch wenn man dies im Grundsatz bejaht, besteht im Verfahren nach § 218 Abs. 2 AO jedenfalls dann keine Bindung an eine vorausgegangene Anrechnungsverfügung, wenn diese nach den dafür maßgeblichen Vorschriften zurückgenommen oder widerrufen werden kann (vgl. dazu BFH-Urteil vom 8. September 2010 I R 90/09, BStBl II 2013, 11). Das ist hier der Fall.

    (b) Die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO sind bei summarischer Prüfung erfüllt.

    Der Abrechnungsbescheid durfte ergehen, weil die Anrechnungsverfügung nach § 130 Abs. 2 AO geändert werden konnte.

    (aa) Nach § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) nur dann zurückgenommen werden, wenn ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren. Die Angaben müssen lediglich objektiv unrichtig oder unvollständig und für den Erlass des begünstigenden Verwaltungsaktes von entscheidungserheblicher Bedeutung gewesen sein (BFH-Urteil vom 2. August 2006 XI R 57/04, BFH/NV 2007, 858). Das ist dann der Fall, wenn davon auszugehen ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt nicht erlassen hätte, wenn sie die Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit der betreffenden Angaben gekannt hätte (Rüsken, in: Klein, AO, 16. Aufl., 2022, § 130 Rn. 51).

    Der Antragstellerin wurde mit der ursprünglichen Anrechnungsverfügung ein begünstigender Verwaltungsakt bekannt gegeben. Denn die Anrechnung der Kapitalertragsteuer wirkt für die Antragstellerin begünstigend. Die Angaben waren jedoch insofern unvollständig, als die Antragstellerin im Rahmen der Veranlagung nicht angegeben hat, dass die in Rede stehenden Börsengeschäfte wirtschaftlich nur dann vorteilhaft sind, wenn die Kapitalertragsteuer nicht einbehalten und abgeführt worden ist, und dass ein Nachweis für die Einbehaltung der Kapitalertragsteuer seitens der Antragstellerin nicht vorliegt. Ebenso wenig hat sie ‒ auch unter Berücksichtigung der jeweiligen Steuerbescheinigung ‒ angegeben, dass sie die Aktien über die Börse und damit von dem zentralen Kontrahenten erworben hat, der bekanntlich keine Kapitalertragsteuer abgeführt. Diesen Angaben ist eine entscheidungserhebliche Bedeutung beizumessen. Denn wäre dem Antragsgegner anhand dieser Umstände bekannt gewesen, dass bei summarischer Prüfung keine Kapitalertragsteuer erhoben worden ist, hätte er von einer Anrechnung abgesehen.

    (bb) Eine Änderung einer begünstigenden Anrechnungsverfügung kommt nach § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO auch dann in Betracht, wenn seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war. Danach muss dem Steuerpflichtigen die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes bewusst sein. Grobe Fahrlässigkeit liegt hingegen vor, wenn der Steuerpflichtige nach seinen persönlichen Fähigkeiten die Rechtswidrigkeit hätte erkennen können, jedoch wegen einer ungewöhnlichen Sorglosigkeit nicht erkannt hat (Rüsken, in: Klein, AO, 16. Aufl., 2022, § 130 Rn. 55).

    Angesichts der der Ermittlungsakte zu entnehmenden besonderen Kenntnisse der Geschäftsführer der Antragstellerin und der an sich wirtschaftlichen Sinnlosigkeit der getätigten Geschäfte ist davon auszugehen, dass zumindest grob fahrlässige Unkenntnis darüber vorlag, dass die Steueranrechnung zu Unrecht und damit rechtswidrig erfolgt ist.

    (c) Die Rücknahme der ursprünglichen Anrechnungsverfügung ist fristgemäß erfolgt. Nach § 130 Abs. 3 Satz 1 AO ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig, in dem die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis erhält, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigen. Danach setzt erst die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit die Frist in Lauf und nicht schon die bloße Tatsachenerkenntnis (BFH-Urteil vom 26. Juni 2007 VII R 35/06, BStBl II 2007, 742; BFH-Beschluss vom 14. August 2007 VII B 18/07, BFH/NV 2008, 116; Rüsken, in: Klein, AO, 16. Aufl., 2022, § 130 Rn. 66). Maßgeblich für den Beginn der Jahresfrist des § 130 Abs. 3 Satz 1 AO ist die Kenntnis des zur Entscheidung berufenen Sachbearbeiters der zuständigen Behörde (BFH-Urteil vom 26. Juni 2007 VII R 35/06, BStBl II 2007, 742; BFH-Urteil vom 28. September 1993 VII R 107/92, BFH/NV 1994, 751; Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. November 2004 5 K 1492/02, juris).

    Die Frist ist vorliegend eingehalten. Denn die zuständige Sachbearbeitung des Innendienstes erkannte die aus ihrer Sicht bestehende Rechtswidrigkeit der Anrechnungsverfügung erst im Jahr 2017. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Betriebsprüfung der zuständigen Sachbearbeitung auf ihre Nachfrage vom 27. September 2017 am 28. September 2017 betreffend das Jahr 2011 Mitteilung darüber gemacht hat, dass auch im Jahr 2011 Umstände vorliegen, die aus Sicht der Betriebsprüfung die Rücknahme der Anrechnungsverfügung rechtfertigen (Bl. 24, 42 Sonderband Rechtsbehelf Anrechnung 2011). Vor diesem Hintergrund ist die Rücknahme der Anrechnungsverfügung vom 8. November 2017 im Sinne des § 130 Abs. 2 Satz 1 AO fristgemäß ergangen.

    (d) Hinsichtlich des Rückforderungsanspruchs des Antragsgegners ist auch keine Zahlungsverjährung i.S.d. §§ 228 ff. AO eingetreten, weil ‒ wie in den folgenden Gründen dargelegt wird ‒ die streitige Anrechnungsverfügung wirksam war.

    (e) Die Rücknahme der Anrechnungsverfügung ist nicht ermessensfehlerhaft.

    (aa) Zwar ist beim Erlass eines Abrechnungsbescheids keine Ermessensausübung vorgesehen. Doch setzt eine Rücknahme einer Anrechnungsverfügung nach § 130 AO voraus, dass Ermessen ausgeübt worden ist. Unabhängig von der Frage, ob ein Abrechnungsbescheid insoweit nur unter den Voraussetzungen des § 130 AO erlassen werden darf, ist hier jedenfalls festzustellen, dass Ermessensfehler nicht vorliegen. Der Antragsgegner hat nämlich in dem Bescheid angegeben, dass eine Rücknahme unter bestimmten Umständen erfolgen kann, womit er bereits durch die Wortwahl („kann“) deutlich macht, dass er sich des durch die Vorschrift grundsätzlich eingeräumten Ermessens bewusst ist. Der Antragsgegner hat auch deutlich gemacht, dass für ihn der aus seiner Sicht fehlende Nachweis des Kapitalertragsteuerabzugs ein erheblicher Erwägungsgrund ist, die Anrechnungsverfügung zurückzunehmen. Ihm war auch bewusst, dass es sich um ‒ zwangsläufig anonyme ‒ Börsengeschäfte handelte, die bereits aufgrund ihrer Gestaltung Nachweisschwierigkeiten für die Antragstellerin mit sich bringen. Dies ergibt sich daraus, dass der Antragsgegner auf das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. März 2017 (4 K 977/14, EFG 2017, 656) verweist, dass sich mit dem Nachweis des Kapitalertragsteuerabzugs bei Börsengeschäften ‒ auch unter Einbeziehung des zentralen Kontrahenten ‒ befasst. Die Erwägungen des Antragsgegners müssen der Antragstellerin ohnehin bekannt gewesen sein, weil sie bereits Gegenstand der Erörterungen im Rahmen der Betriebsprüfung gewesen sind. Insofern findet sich eine umfangreiche Korrespondenz zwischen den Beteiligten in den Akten. So ist auch im Schreiben der Betriebsprüfung vom 26. Juli 2017 und im Schreiben des damaligen Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 15. September 2017 jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung und nicht zuletzt auf das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 10. März 2017 (4 K 977/14, EFG 2017, 656) ausführlich über Aspekte des Vertrauensschutzes diskutiert worden (Bl. 154 ff., 163 ff. Fallheft Cum/Ex-Geschäfte Band 1). Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, der Antragsgegner habe keine oder fehlerhafte Ermessenserwägungen angestellt.

    (bb) Hinzu kommt, dass der Antragsgegner im konkreten Fall ohnehin nicht gehalten ist, die Ausübung des Ermessens ‒ obgleich er dies getan hat ‒ besonders zu begründen. Denn es handelt sich bei einer auf § 130 Abs. 2 Nr. 2-4 AO gestützten Rücknahme um einen Fall des vorgeprägten Ermessens (Rüsken, in: Klein, AO, 16. Aufl., 2022, § 130 Rn. 43; BFH-Urteil vom 11. November 2020 XI R 41/18, BStBl II 2023, 288 zu § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO bei Kenntnis oder Kennenmüssen; BFH-Urteil vom 26. Juni 2007 VII R 35/06, BStBl II 2007, 742 zu § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO). Im Falle des vorgeprägten Ermessens ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Finanzamt stillschweigend sachgerechte Ermessenserwägungen angestellt hat und auf eine Begründung verzichtet werden kann, weil das Selbstverständliche nicht erläutert werden muss (Drüen, in: T/K, AO/FGO, 175. Lieferung, § 5 AO Rn. 14; Wernsmann, in: H/H/S, AO/FGO, 273. Lieferung, § 5 Rn. 56 ff.). Selbst wenn man danach ‒ entgegen den bisherigen Ausführungen ‒ die Ermessensbegründung des Antragsgegners nicht als ausreichend für eine sachgerechte Ermessensausübung ansehen wollte, käme es darauf wegen der Vorprägung des Ermessens nicht an. Dies ist auch nachvollziehbar, weil jemand, der zu aus seiner Sphäre stammenden Umständen unvollständige oder falsche Angaben macht und dies kannte oder kennen musste oder die Rechtswidrigkeit des Bescheids kannte oder grob fahrlässig nicht kannte, nicht schutzwürdig ist, und für den Regelfall damit rechnen muss, dass ‒ wie hier ‒ eine derart ergangene Anrechnungsverfügung zurückgenommen wird.

    (cc) Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Einspruchsentscheidung noch nicht ergangen ist und der Antragsgegner insoweit seine Ermessenserwägungen noch nicht endgültig angestellt hat, ohne dass dies dazu führt, dass die bisherigen Ermessenserwägungen als unvollständig oder fehlerhaft angesehen werden müssten.

    (dd) Vor diesem Hintergrund können die von der Antragstellerin in ihrer Antragsbegründung umfänglich dargestellten Aspekte eines aus ihrer Sicht gegebenen Ermessensfehlers nicht überzeugen. Zum von der Antragstellerin dargestellten Pflichtenprogramm hat der Antragsgegner, ohne dies ‒ wie dargelegt ‒ zu müssen, in seiner Rücknahmeentscheidung Stellung bezogen, in der insbesondere auf die Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts vom 10. März 2017 (4 K 977/14, EFG 2017, 656) Bezug genommen worden ist. Dass der Antragsgegner zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, als von der Antragstellerin gewünscht, begründet keinen Ermessensfehler.

    eee) Auch die weiteren ‒ übergreifenden ‒ Argumente der Antragstellerin überzeugen nicht.

    (a) Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass die Anrechnungsverfügung kurz vor Ablauf der Frist zur Zahlungsverjährung und damit ‒ nach Auffassung der Antragstellerin ‒ ohne greifbare Ermittlungsergebnisse lediglich zur Vermeidung des Eintritts der Verjährung zurückgenommen worden ist, begründet dies an sich keine Verletzung der Verjährungsvorschriften bei der Rücknahmeentscheidung. Wie dargelegt, hat der Antragsgegner auch Ermessenserwägungen bei der Rücknahmeentscheidung angestellt, die es ausschließen, dass der Antragsgegner die Rücknahme „ins Blaue hinein“ und damit nur zur Verhinderung der Verjährung vorgenommen hat.

    (b) Wenn die Antragstellerin meint, dass die Verjährung jedenfalls deshalb eingetreten sei, weil die Rücknahme der Anrechnungsverfügung aus ihrer Sicht nicht nur rechtswidrig, sondern sogar nach § 125 AO nichtig und unwirksam sei, trifft dies nicht zu. Die Rücknahme der Anrechnungsverfügung ist mit Blick auf das von der Antragstellerin thematisierte Pflichtenprogramm ebenso wenig nichtig wie der Abrechnungsbescheid. Soweit die Antragstellerin diesbezüglich vorträgt, sie habe ihr Pflichtensoll erfüllt, weil es ihr unmöglich sei, die vom Antragsgegner verlangten Nachweise zu erbringen, während der Antragsgegner seinen Pflichten zur Kontrolle der Erhebung der Kapitalertragsteuer nicht nachgekommen sei, ist dazu festzustellen, dass ‒ wie der bisherigen Begründung zu entnehmen ist ‒ die Pflichtenverteilung in dem hier vorliegenden atypischen Fall zulasten der Antragstellerin geht.

    (c) Vor diesem Hintergrund ist auch ein von der Antragstellerin beklagter Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG nicht gegeben. Denn eine nachträgliche Änderung des Pflichtenprogramms hat es nicht gegeben. Es ist auch nicht so, dass Antragsgegner und Gericht im Nachhinein eine neue Pflichtenverteilung vornehmen, sondern lediglich die damalige und für die Antragstellerin ‒ aufgrund der dargelegten Besonderheiten des vorliegenden Falls ‒ erkennbare Pflichtenverteilung feststellen.

    (d) Auch von der Antragstellerin in ihrer Antragsschrift aufgeführte (drohende) Verstöße gegen Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 6 EMRK liegen nicht vor. Wenn die Antragstellerin meint, der Antragsgegner lasse sich zu lange Zeit für den Erlass der Einspruchsentscheidung, dann gibt es insofern prozessuale Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Hingegen kann aus dem mittlerweile einige Jahre dauernden Einspruchsverfahren nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, es müsse mit Blick auf die von der Antragstellerin angegeben Vorschriften (die Einspruchsentscheidung ergehen oder) die Aussetzung der Vollziehung gewährt werden. Vielmehr ist ‒ wie hier ‒ in gesonderten Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung zu entscheiden. Damit wird insbesondere Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG gerade Rechnung getragen.

    (e) Soweit die Antragstellerin meint, es handele sich in der Steuerbescheinigung um Tatsachenangaben, ist dem im Grundsatz und für den ‒ hier nicht gegebenen ‒ Regelfall nicht zu widersprechen. Jedenfalls sollen die auf den Steuerbescheinigungen gemachten Angaben den Tatsachen entsprechen. Hier streiten die Beteiligten jedoch gerade darüber, ob die von der G gemachten Angaben zutreffend sind. Die Umstände lassen zumindest bei summarischer Prüfung den Schluss zu, dass die Angaben auf den Steuerbescheinigungen nicht den Tatsachen entsprechen und somit unzutreffende Umstände bescheinigt worden sind.

    Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Haftungsinanspruchnahme der G nach § 44 Abs. 5 EStG der Antragstellerin auch nicht zum Vorteil gereichen kann. Denn einer vorrangigen Inanspruchnahme des den Kaufvertrag ausführenden Kreditinstituts als möglichen Haftungsschuldner nach § 44 Abs. 5 EStG zur Entrichtung der Kapitalertragssteuer bedarf es im Rahmen der Rücknahme einer zu Unrecht gewährten Anrechnung nicht (Beschluss des Hessischen Finanzgerichts vom 6. April 2021 4 V 723/20, EFG 2021, 1400). Insoweit kann die Rücknahme einer bereits erlassenen Anrechnungsverfügung nicht mit der Abführung von Kapitalertragsteuer an sich gleichgesetzt werden.

    fff) Es bestehen der Höhe nach keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abrechnungsbescheids und der Rücknahme der Anrechnungsverfügung, soweit die Anrechnung von Kapitalertragsteuer in Höhe x.xxx.xxx,xx € und Solidaritätszuschlag in Höhe von xxx.xxx,xx € versagt wird. Denn die Kapitalertragsteuer in Höhe von x.xxx.xxx,xx € und der Solidaritätszuschlag in Höhe von xxx.xxx,xx € wurden aus den um den Dividendenstichtag getätigten Optionsgeschäften geltend gemacht. Der Antragsgegner hat zwar nur für die Emittenten X, …und X detailliert und unwidersprochen den Ablauf und die Wirkungsweise der von der Antragstellerin getätigten börslichen Optionsgeschäfte dargestellt. Doch angesichts der Tatsache, dass auch die anderen Geschäfte nachweislich um den Dividendenstichtag herum stattfanden, ist es bei summarischer Prüfung gerechtfertigt, davon auszugehen, dass die Geschäftsabläufe in allen Fällen denselben Regeln folgten, zumal die Antragstellerin dazu auch nichts Gegenteiliges vorgetragen hat.

    bb) Dem Antrag ist stattzugeben, soweit nicht die Anrechnung aus Cum/Ex-Geschäften betroffen ist. Dies betrifft den Zinsabschlag in Höhe von x.xxx,xx € und den diesbezüglichen Solidaritätszuschlag in Höhe von xx,xx €. Insoweit lassen sich der Akte nicht mit ausreichender Sicherheit Hinweise darauf entnehmen, dass auch diese Anrechnung bei summarischer Prüfung unberechtigt erfolgt ist.

    b) Es liegt keine unbillige Härte vor, die eine Aussetzung der Vollziehung gebieten würde.

    Die Aussetzung der Vollziehung soll nach § 69 Abs. 3 S.1, Abs. 2 S. 2 FGO auch erfolgen, wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Das ist insbesondere bei Verwaltungsakten von Bedeutung, die nicht auf Geldleistungen gerichtet sind (Stapperfend, in: Gräber, FGO, 9. Aufl., 2019, § 69 Rn. 170). Unbillig ist die Vollziehung etwa, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes wirtschaftliche Nachteile drohen, die nicht oder nur schwer wieder gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (BFH-Beschluss vom 2. April 2009 II B 157/08, BFH/NV 2009, 1146). Ist eine unbillige Härte der Vollziehung für den Betroffenen zu bejahen, so bedeutet dies noch nicht, dass die Aussetzung der Vollziehung zu gewähren ist. Vertretbar ist die Aussetzung der Vollziehung auch in diesem Fall nur dann, wenn zusätzlich Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen (BFH-Beschluss vom 26. November 2011 I S 7/11, BFH/NV 2012, 58 m.w.N.).

    Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt hier auch eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte nicht in Betracht. Es genügt jedenfalls nicht, pauschal die wirtschaftliche Existenzvernichtung zu behaupten. Dies muss substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht werden. Insofern ist es nicht ausreichend, wenn sinngemäß pauschal behauptet wird, die Antragstellerin müsse im Falle des Eintretens der Zahlungsverpflichtung (aus dem Abrechnungsbescheid) Insolvenz anmelden. Auch der Verweis auf Art. 19 Abs. 4 GG und der damit verbundene Hinweis darauf, dass die Antragstellerin ihre Rechte im Falle der Insolvenz nicht mehr verfolgen könne, vermag nicht zu überzeugen. Es ist im Gesetz angelegt, dass die Erhebung einer Klage keine aufschiebende Wirkung hat, sondern über die Pflicht zur Zahlung im Rahmen des Eilrechtsschutzes entschieden wird. Zudem ist es im Falle der Insolvenz dem Insolvenzverwalter möglich, den Prozess fortzuführen. Abgesehen von diesen grundsätzlichen Erwägungen, ist darauf hinzuweisen, dass in der Bilanz der Antragstellerin für 2011 verschiedene grundsätzlich werthaltige Vermögensgegenstände ‒ darunter Grundstücke im Wert von mehr als x Mio. € ‒ angegeben sind, zu deren Verwertungsmöglichkeit die Antragstellerin nichts vorgetragen hat. Darüber hinaus kommt ‒ wie dargelegt ‒ eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte nur dann in Betracht, wenn der angefochtene Bescheid zusätzlich Zweifel an der Rechtmäßigkeit aufweisen. Das ist hier ‒ wie dargestellt ‒ nicht der Fall.

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

    4. Die Beschwerde wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

    RechtsgebieteAO, EStGVorschriften§ 36 EStG, § 130 AO