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  • 21.08.2024 · IWW-Abrufnummer 243326

    Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 02.05.2024 – 4 K 84/23

    1. Durch Unterschlagung oder durch Untreue erlangte Einnahmen sind regelmäßig nicht als steuerbare Vermögensmehrungen zu beurteilen.

    2. Bei der steuerrechtlichen Beurteilung kann es keinen Unterschied machen, ob der Steuerpflichtige zunächst durch Untreuehandlungen selbst in den Besitz von veruntreuten Geldern kommt und diese sodann zum Zwecke der Bestechung teilweise weiterleitet oder zunächst die Auszahlung an den Bestochenen veranlasst, um dann absprachegemäß davon (teilweise) zu profitieren.


    Finanzgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 02.05.2024, Az.: 4 K 84/23

    In dem Rechtsstreit
    wegen Einkommensteuer 2011 und 2019
    hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts am 2. Mai 2024 für Recht erkannt:

    Tenor:

    Der Bescheid des Beklagten für 2011 über Einkommensteuer vom 12. August 2022, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. August 2023, wird dahingehend abgeändert, dass die sonstigen Einkünfte auf 0,00 € herabgesetzt werden.

    Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

    Das Urteil ist - soweit der Klage stattgegeben wurde - wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten darüber, ob "Rückzahlungen" aus Untreuehandlungen des Klägers im Veranlagungszeitraum 2011 der Einkommensteuer zu unterwerfen sind. Hilfsweise streiten die Beteiligten darüber, ob die teilweise Rückzahlung veruntreuter Gelder im Jahr 2019 die positiven Einkünfte der Kläger im Veranlagungszeitraum 2019 mindert.

    Der Kläger war im Jahr 2011 als Geschäftsführer der A GmbH & Co. KG (im Folgenden nur: A) tätig. Er war unter anderem für den Bereich Vertrieb verantwortlich. Zu den zentralen Aufgaben des Klägers gehörte die Akquirierung neuer Kunden, die Auftragsakquirierung bei Stammkunden, Vertragsverhandlungen sowie die Kundenbetreuung. Die Klägerin (und Ehefrau des Klägers) bezog Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Jahr 2019 war der Kläger im Betrieb seiner Ehefrau angestellt. Die Klägerin bezog im Jahr 2019 auch Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb C.

    Bei einem Kunden der A handelte es sich um die E. Zwischen dem Kläger und Herrn H, einem Angestellten der E, entstand im Jahr 2004 ein erster geschäftlicher Kontakt, bei der Suche nach einem Partner für die E. Im Zeitraum 3. März 2006 bis zum 22. August 2016 veranlasste der Kläger 45 Zahlungen in Höhe von insgesamt ... € aus dem Vermögen der A an H, um sicherzustellen, dass sich im Gegenzug H dafür einsetzt, dass passende Aufträge aus der Sphäre der E an die A vergeben werden. Tatsächlich vertieften sich innerhalb dieser Zeitspanne auch die geschäftlichen Beziehungen der A und der E, wodurch die E zu einem der wichtigsten Kunden der A wurde. H nahm dabei sämtliche Zahlungen in dem Bewusstsein einer entsprechenden Vereinbarung an, wobei sich der sowohl der Kläger als auch H darüber im Klaren waren, dass für die Zahlungen keine vertragliche Grundlage existierte.

    Spätestens im Jahr 2011 fassten der Kläger und H den Entschluss, dass von nun auch der Kläger von den Entnahmen aus dem Vermögen der A unmittelbar profitieren müsse. Der Kläger und H vereinbarten vor diesem Hintergrund, dass H von den ihm überwiesenen Zahlungen vom Geschäftskonto der A einen gewissen Anteil in Form von Rückzahlungen an den Kläger zu dessen privater Verwendung zur Verfügung stellen sollte. Auf Anweisung des Klägers, der den Buchungstext "Jahresbonus2011 - 1. Halbjahr" vorgab, wurde daraufhin am 11. Juli 2011 durch Überweisung ein Betrag in Höhe von ... € aus dem Vermögen der A an H zur Auszahlung getätigt. Nachdem dieser Betrag dem Konto des H am 12. Juli 2011 gutgeschrieben wurde, überwies H am 13. Juli 2011 einen Betrag in Höhe von ... € mit dem Betreff "Viel Spaß" auf das Bankkonto des Klägers, auf dem es am 14. Juli 2011 gutgeschrieben wurde.

    Ab dem Jahr 2013 erfolgten die Zahlungen aus dem Vermögen der A an H auf ein privates Konto der Ehefrau des H. Da der Kläger einen freieren Zugriff auf die aus dem Vermögen der A überwiesenen Gelder forderte, ließ das Ehepaar H am 1. Oktober 2013 eine weitere EC-Karte für das Privatkonto der Ehefrau des H einrichten, welche dem Kläger nebst dazugehöriger PIN ausgehändigt wurde und den Kläger in die Lage versetzte, eigenhändig Barabhebungen vorzunehmen. Am 19. April 2014 erteilte das Ehepaar H dem Kläger zudem eine Kontovollmacht für das Privatkonto der Ehefrau des H. Der Kläger erhielt auf diese Weise "Rückzahlungen" in Höhe von insgesamt ... €.

    Im Oktober 2016 wurde der Kläger von der A zunächst freigestellt. Am 30. November 2017 wurde er entlassen. Im Rahmen eines Verfahrens vor dem Arbeitsgericht einigten sich der Kläger und die A unter anderem darüber, dass der Kläger als Ausgleich der von ihm erlangten "Rückzahlungen" insgesamt ... € an die A zurückzahlt, wobei ... € im Dezember 2019 und ... € im Januar 2020 fällig waren. Seiner Zahlungsverpflichtung aus dieser Einigung kam der Kläger zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt nach.

    Der Beklagte beurteilte die an den Kläger geflossenen "Rückzahlungen" als nach § 22 Nr. 3 EStG einkommensteuerpflichtigen Zufluss und erfasste daraus im Streitjahr 2011 Einkünfte in Höhe von ... €.

    Am 3. September 2021 erließ der Beklagte einen Einkommensteuerbescheid für 2019, der nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand. Hinsichtlich der steuerlichen Beurteilung der Abziehbarkeit der von dem Kläger geleisteten Rückzahlung an die A erging die Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 S. 1 und 2 AO vorläufig. Die Rückzahlungen waren steuerlich im Bescheid nicht erfasst. Die festgesetzte Einkommensteuer belief sich auf ... €.

    Mit Schreiben vom 15. September 2021 legten die Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 Einspruch ein.

    Der Beklagte erließ unter dem 12. August 2022 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Bescheid für 2011 über Einkommensteuer und setzte sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG in Höhe von ... € an und erhöhte die festgesetzte Einkommensteuer auf ... €.

    Mit Schreiben vom 5. September 2022, eingegangen beim Beklagten am 7. September 2022, legten die Kläger Einspruch gegen den Bescheid für 2011 über Einkommensteuer ein.

    Am 5. September 2022 erließ der Beklagte einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten und hinsichtlich der steuerlichen Beurteilung der Abziehbarkeit der von dem Kläger geleisteten Rückzahlungen an die A nach § 165 Abs. 2 S. 2 AO endgültigen Steuerbescheid, in dem die im Jahr 2019 geleistete Rückzahlung in Höhe von ... € als negative Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG Berücksichtigung fand. Zu einer Änderung der Höhe der Steuerfestsetzung kam es nicht, da der Beklagte den uneingeschränkten Verlustausgleich versagte.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 17. August 2023 wies der Beklagte die Einsprüche der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 2019 vom 3. September 2021 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 5. September 2022 und gegen den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 12. August 2022 als unbegründet zurück.

    Mit Klagschrift vom 13. September 2023, eingegangen bei Gericht am 14. September 2023, haben die Kläger Klage erhoben.

    Die Kläger sind der Ansicht, dass die Veruntreuung von Vermögen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Bundesgerichtshofs zu keiner Steuerpflicht führe. Lediglich ausnahmsweise könne veruntreutes Vermögen gewerbliche Einkünfte begründen, wenn dieses zur weiteren Erzielung von Einnahmen eingesetzt werde oder betriebliche Einnahmen abgezweigt würden. Abzugrenzen seien Untreuesachverhalte von Bestechungssachverhalten. Für Bestechungssachverhalte komme eine Besteuerung gemäß § 22 Nr. 3 EStG in Betracht. Eine sonstige Leistung im Sinne dieser Vorschrift sei jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein könne und das um des Entgelts Willens erbracht werde. Die der Einkommensteuer unterliegende Zahlung an den Steuerpflichtigen müsse als echte wirtschaftliche Gegenleistung durch dessen Leistung veranlasst sein. An eben dieser wirtschaftlichen Gegenleistung würde es bei Untreuesachverhalten fehlen. Durch Untreue erlangte Einnahmen würden unter keine Einkunftsart des § 2 EStG fallen. Vielmehr handele es sich um nicht steuerbare Vermögensmehrungen. Der Kläger habe mit den veruntreuten Geldern keine weiteren Einkünfte erzielt, sondern diese nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft für private Zwecke verbraucht. Folgerichtig seien die Zuflüsse an den Kläger in der Anklageschrift der Staatanwaltschaft als Untreuesachverhalte bewertet worden. Trotz umfangreicher Ermittlungen des Finanzamtes hinsichtlich diverser Steuerstraftaten, seien durch die Staatsanwaltschaft auch keine Steuerstraftaten angeklagte worden. In den Zuflüssen von den Eheleuten H sei keine Gegenleistung im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG zu sehen. Zwischen den Eheleuten H und dem Kläger habe keine hinreichend konkrete Leistungsbeziehung bestanden. Diese hätten sich nach der Anklageschrift vielmehr deliktisch verbunden, um unberechtigte Zahlungen aus dem Vermögen der A zu erbeuten. Hierzu habe der Kläger einen Zahlungsstrom auf Konten der Eheleute H umgeleitet. Dieser Zahlungsstrom habe laut der Staatsanwaltschaft aus zwei Komponenten bestanden. Die eine Komponente habe eine Zahlung an H zwecks Bestechung, die andere eine Komponente aus veruntreuten Mitteln für den Ehemann enthalten. Aus den Ermittlungen und den Geldflüssen gehe eine faktische Beuteteilung hervor. Ein Teil der Auszahlung sei H zugeflossen, damit er sich bei der E für die Belange der A einsetze. Ein anderer Teil des Geldes sei dem Kläger zugeflossen, der ab 2013 direkt auf das Geld habe zugreifen können. Hinsichtlich des vorgeworfenen Zuflusses beim Kläger habe es sich um eine "schlichte Auszahlung" gehandelt, weil er als Geschäftsführer diese Auszahlung in tatsächlicher Hinsicht habe veranlassen können. Die vorgeworfene Beuteteilung stelle keinen Leistungsaustausch dar. Dies werde insbesondere auch durch das Fortschreiten des Geschehens deutlich. Die Begründung des Beklagten, dass die Zahlungen geleistet worden seien, um weitere Bestechungsgelder zu erhalten, beinhalte eine Annahme, die sich nicht aus den Ermittlungen ergebe. Auch in der Anklageschrift befinde sich kein Hinweis darauf, dass der Kläger angedroht habe, die Zahlungen einzustellen, sofern die Eheleute H die Beuteteilung verweigern sollten. Aber selbst bei hypothetischer Unterstellung einer Steuerbarkeit nach dem EStG, bestehe kein Raum für die Anwendbarkeit des § 22 Nr. 3 EStG. Sofern eine Steuerbarkeit angenommen würde, würde dies allenfalls zu der Annahme von gewerblichen Einkünften führen, wofür die Regelmäßigkeit der Zahlungen und das Zusammenwirken von mindestens drei Personen sprechen würde. Zudem sei von der Staatsanwaltschaft in allen Fällen das Regelbeispiel der strafschärfenden Gewerblichkeit angeklagt worden. Im Falle der Ablehnung des Hauptantrages sei jedenfalls der hinsichtlich der Einkommensteuer 2019 gestellte Hilfsantrag begründet. Bei den von den Klägern im Jahr 2019 geleisteten Zahlung in Höhe von ... € würde es sich um einen Verlust aus gewerblichen Einkünften handeln, sofern eine Steuerbarkeit der veruntreuten Beträge anzunehmen wäre. Die spätere Rückzahlung an die A wäre im Umkehrschluss als gewerbliche Betriebsausgabe zu werten. Aber auch, wenn es sich bei den Zuflüssen um sonstige Einkünfte handeln sollte, so wäre die Rückzahlung nicht als Werbungskosten, sondern als negative Einkünfte einzustufen. Hinsichtlich negativer Werbungskosten gelte das vertikale Verlustverrechnungsverbot gemäß § 22 Nr. 3 S. 3 EStG nicht, da es sich lediglich auf Werbungskosten beziehe. Es handele sich nicht um Bestechungsgelder von Dritten, sondern um veruntreutes Vermögen der A. Folglich stelle die Rückzahlung negative Einkünfte dar, die dem Kläger rechtsgrundlos zugeflossen seien. Im Kern liege eine Erstattung vor. Aber selbst im Falle von sonstigen Einkünften greife das vertikale Verrechnungsverbot nicht. Die Norm sei zur ihrer Geltungswahrung verfassungskonform zu reduzieren. Eine Anwendung des Verlustausgleichsverbots stünde jedenfalls dem Gebot der Vermeidung einer Doppelbesteuerung entgegen und widerspräche der gesetzgeberischen Absicht in Form der sogenannten steuerrechtlichen Lösung. Auf kriminellem Wege erlangte Gelder seien nicht sowohl steuerrechtlich als auch strafrechtlich im Rahmen der Vermögensabschöpfung berücksichtigungsfähig. Die Lösung zur Vermeidung einer Doppelbesteuern sei dabei ausschließlich auf steuerrechtlicher Ebene zu finden.

    Die Kläger beantragen,

    1.
    den Bescheid für 2011 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, Zinsen und über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, die im Zusammenhang mit der Einkommensteuerfestsetzung durchzuführen sind, vom 12. August 2022, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. August 2023, dahingehend zu ändern, dass die sonstigen Einkünfte (mangels Steuerbarkeit) auf EUR 0,00 herabgesetzt werden;

    2.
    hilfsweise zu Ziffer 1. den Bescheid für 2019 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, die im Zusammenhang mit der Einkommensteuerfestsetzung durchzuführen sind, vom 3 September 2021, in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 5. September 2022 und der Einspruchsentscheidung vom 17. August 2023, dahingehend zu ändern, dass eine Zahlung der Eheleute in Höhe von EUR ... (aufgrund eines Vergleiches des Ehemannes mit der A GmbH und Co. KG) als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von EUR ..., hilfsweise als Gewerbeverlust und höchsthilfsweise als mit positiven Einkünften verrechenbare Werbungskosten aus sonstigen Einkünften zu berücksichtigen sind;

    Der Beklagte beantragte,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte ist der Ansicht, dass die von H an den Kläger geleistete Zahlung in Höhe von ... € im Jahr 2011 zu Recht als Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG der Besteuerung unterworfen worden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs seien Bestechungsgelder, die einem Arbeitnehmer von Dritten gezahlt werden, sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG. Nichts anderes könne für "Kick-back-Zahlungen" gelten, die der Zahlungsempfänger an den Dritten zu dessen persönlicher Verfügung zurückreiche. Auch in diesem Fall sei das erforderliche Gegenseitigkeitsverhältnis gegeben. Der Beklagte behauptet, dass H die "Kick-back-Zahlungen" in der begründeten Erwartung geleistet habe, den Kläger auch im Blick auf zukünftige Zahlungen für sich zu verpflichten. Es sei ausreichend, dass die Gegenleistung (das Entgelt) durch das Verhalten des Steuerpflichtigen veranlasst sei. Ausreichend sei ein wirtschaftlicher Zusammenhang in der Weise, dass die Gegenleistung durch das Verhalten "ausgelöst" worden sei. Die "Kick-back-Zahlungen" seien als Gegenleistung des H für die ihm vom Kläger zuvor zu dessen persönlicher Verfügung autorisierten Zahlungen zu werten. Zutreffend sei, dass sowohl der Bundesfinanzhof als auch der Bundesgerichtshof entschieden habe, dass durch Unterschlagung oder durch Untreue erlangte Einnahmen grundsätzlich nicht unter eine der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG fallen würden, sondern regelmäßig als nicht steuerbare Vermögensmehrungen zu beurteilen seien. Vorliegend gehe es jedoch nicht um die Frage der Besteuerung der Gelder, die der Kläger durch die ungerechtfertigte Autorisierung der Zahlungen aus dem Vermögen seiner Arbeitgeberin an H veruntreut habe, sondern um die steuerrechtliche Beurteilung der Frage, ob die von H geleisteten "Kick-back-Zahlungen" an den Kläger den Tatbestand der Einkunftserzielung erfüllen. Dies sei der Fall, da der Kläger die "Kick-back-Zahlungen" mit Wissen und Wollen des H im Gegenzug dafür erhalten habe, dass er diesem über einen längeren Zeitraum wiederholt Zahlungen aus dem Vermögen der A zur persönlichen Verfügung habe zukommen lassen. Entscheidungserheblich werde darauf abgestellt, dass die Zahlungen aus dem Vermögen der A nicht unmittelbar in den tatsächlichen Zugriff des Klägers gelangt seien. Aufgrund der zunächst erfolgten Gutschrift auf dem Konto des H habe der Kläger im Jahr 2011 weder faktisch noch wirtschaftlich ungehindert auf die abgezweigten Gelder zugreifen können. Vielmehr habe es eines aktiven Handelns des H bedurft, um die Geldmittel sodann teilweise an den Kläger zurückfließen zu lassen. Es könne auch dahinstehen, ob der Kläger auf die "Rückzahlungen" bestanden habe oder nicht. Entscheidend sei, dass der Kläger im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den von ihm an die Eheleute H verfügten Zahlungen aus dem Vermögen der A als Gegenleistung (Entgelt) seinerseits Zahlungen der Eheleute H angenommen habe. Dem Umstand, dass die Staatsanwaltschaft den Kläger nicht wegen Steuerhinterziehung angeklagt habe, stehe dem nicht entgegen. Dem Strafvorwurf der Staatsanwaltschaft komme keine präjudizielle Wirkung für das Besteuerungsverfahren zu. Bei der Annahme einer grundsätzlichen Steuerpflicht der empfangenen Zahlungen sei - entgegen der Ansicht der Kläger - auch nicht von gewerblichen Einkünften im Sinne des § 15 EStG auszugehen. Gewerbebetrieb sei gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG jede selbständige und nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen werde, sich als Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstelle und nicht als Ausübung von Land- oder Forstwirtschaft oder selbständiger Arbeit anzusehen sei; darüber hinaus dürfe es sich bei der Tätigkeit nicht um private Vermögensverwaltung handeln. Ob ein Steuerpflichtiger gewerblich tätig werde, bestimme sich nach der Rechtsprechung danach, ob die zu beurteilende Tätigkeit nach Art und Umfang dem Bild einer unternehmerischen Marktteilnahme entspreche. Maßgebend hierfür seien die Umstände des Einzelfalles. Ausgehend hiervon habe der Kläger sich nicht i.S.v. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt, denn eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfordere eine Tätigkeit, die gegen Entgelt am Markt erbracht und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten werde. Der Kläger sei jedoch nicht "am Markt" tätig geworden, da ein "Markt" für Personen, die gegen Entgelt Gelder veruntreuen, um sie Dritten zukommen zu lassen, nicht existiere.

    Die im Veranlagungszeitraum 2019 an die A als "Wiedergutmachung" geleistete Zahlung sei im Abflusszeitpunkt steuermindernd zu berücksichtigen. Sie sei als Werbungskosten bei den Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG in Ansatz zu bringen. Der uneingeschränkte Verlustausgleich komme nicht in Betracht. Der BFH habe mit Urteil vom 16.06.2015 (IX R 26/14, BStBI II 2015, 1019) entschieden, dass die Zurückzahlung von gem. § 22 Nr. 3 EStG als sonstige wiederkehrende Einkünfte steuerpflichtigen Bestechungsgeldern als Werbungskosten bei den Einkünften aus § 22 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen sei. Er habe zudem geurteilt, dass, soweit die Werbungskosten die Einnahmen aus § 22 Nr. 3 EStG übersteigen, einer Verrechnung des entstandenen Verlusts mit den übrigen steuerbaren Einkünften grundsätzlich das verfassungskonforme Verlustausgleichsverbot des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG entgegenstehe. Das Verlustausgleichsverbot würde nur dann nicht zum Tragen kommen, wenn es sich bei den zurückgezahlten Beträgen um zurückgezahlte Einnahmen, d.h. negative Einnahmen handele, da der Abzug von Verlusten aus negativen Einnahmen § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG nicht ausschließe (vgl. BFH-Urteil vom 26.01 2000 - IX R 87/95, BStBI II 2000, 396). Die Zurückzahlung von steuerpflichtigen Einnahmen mindere die Einnahmen im Veranlagungszeitraum der Rückzahlung als sog. negative Einnahmen (BFH-Urteil vom 13.12.1963 - VI 22/61, BStBI 1111964, 184). Negative Einnahmen würden dann vorliegen - so der BFH -, wenn die Rückzahlung einer Einnahme durch das der Auszahlung zugrunde liegende Rechtsverhältnis veranlasst sei. Die Annahme von negativen Einnahmen setze daher voraus, dass die Einnahmen an den zuvor Zahlenden zurückerstattet werde (vgl. erneut BFH-Urteil vom 16.06.2015 - IX R 26/14, BStBI II 2015, 1019 unter Verweis auf z.B. BFH-Urteile vom 17.09.2009 - VI R 17/08, BStBI II 2010, 299). Ein solcher Sachverhalt sei im vorliegenden Streitfall nicht gegeben. Auch hier sei die besondere Sachverhaltskonstellation zu beachten, die dazu geführt habe, die empfangenen "Kick-Back-Zahlungen" als Einnahmen i.S.d § 22 Nr. 3 EStG zu beurteilen. Der Kläger habe unberechtigt Geldzahlungen aus dem Vermögen seiner (früheren) Arbeitgeberin an den Mitarbeiter eines anderen Unternehmens vorgenommen und schließlich auf diesen eingewirkt, Teilbeträge der empfangenen Zahlungen an ihn persönlich weiterzuleiten. Die von ihm aufgrund des geschlossenen arbeitsgerichtlichen Vergleichs an seine (frühere) Arbeitgeberin geleisteten Zahlungen seien vor diesem Hintergrund nicht als negative Einnahmen zu beurteilen, denn dies hätte vorausgesetzt, dass die Einnahmen unmittelbar an den zuvor Zahlenden zurückerstattet worden wären. Die Rückzahlung der Kick-Back-Zahlungen hätte sich nur dann als "actus contrarius" zum Empfang der Kick-Back-Zahlungen dargestellt, wenn sich der durch die Abreden zwischen dem Kläger und H begründete Veranlassungszusammenhang in der Rückzahlung fortgesetzt hätte. Der Versagung des uneingeschränkten Verlustausgleichs führt entgegen der Ansicht der Kläger nicht zu einer verfassungswidrigen Doppelbelastung. Der Anklageschrift sei zu entnehmen, dass eine staatliche (Wertersatz-)Einziehung der von dem Kläger erlangten "Kick-back-Zahlungen" ausscheide, weil er sich in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich mit seiner früheren Arbeitgeberin zur Leistung eines Geldbetrages verpflichtet habe und mit Wirksamwerden des Vergleichs alle wechselseitigen Ansprüche abgegolten seien. Es sei demnach gar nicht zu einer strafrechtlichen Vermögensabschöpfung und damit auch nicht zu der vom den Einspruchsführern gerügten Doppelbelastung gekommen.

    Entscheidungsgründe
    Die zulässige Klage ist begründet.

    I. Der angefochtene Bescheid für 2011 über Einkommensteuer vom 12. August 2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. August 2022 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten; § 100 Abs. 1 S. 1 FGO. Die Zahlungen des H im Jahr 2011 in Höhe von ... € sind nicht als sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG steuerbar und unterliegen damit nicht der Einkommensteuer, § 2 Abs. 1 EStG. Da der Hauptantrag der Kläger erfolgreich war, war über den hilfsweise gestellten Antrag nicht zu entscheiden.

    a. Sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 S. 1 EStG sind Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 6 EStG) noch zu den Einkünften im Sinne der Nummern § 22 Nr. 1, 1a, 2 oder 4 EStG gehören. Eine Leistung im Sinne des § 22 Nr. 3 S. 1 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und eine Gegenleistung auslöst (vgl. BFH, Urteil vom 14. April 2015 - IX R 35/13 m.w.N.; Kirchhof/Kulosa/Ratschow/Hütte EStG § 22 Rn. 436 m.w.N.). Ein synallagmatisches Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Sinne eines Austauschvertrages ist nicht erforderlich. Die der Einkommensteuer unterliegende Zahlung an den Steuerpflichtigen muss als echte wirtschaftliche Gegenleistung durch dessen Leistung veranlasst und ausgelöst sein (vgl. BFH, Urteil vom 7. Dezember 2010 - IX R 46/09). Dabei sind durch Unterschlagung oder durch Untreue erlangte Einnahmen regelmäßig als nicht steuerbare Vermögensmehrungen zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1990 - 3 StR 10/90; BFH, Urteil vom 19. März 1987 - IV R 140/84).

    Gemessen an diesen Maßstäben stellt die "Rückzahlung" in Höhe von ... € durch H an den Kläger keine wirtschaftliche Gegenleistung für die vom Kläger aus dem und es insofern eines aktiven Handels des H bedurfte, um die Geldmittel sodann teilweise an den Kläger zurückfließen zu lassen. Es ist vorliegend jedoch zu berücksichtigen, dass die von dem Kläger an H veranlasste Überweisung im Jahr 2011 von vornherein daraufhin ausgerichtet war, dass diese neben einem "Bestechungsanteil" für H auch einen Anteil enthielt, der von vornherein dem Kläger selbst zufließen sollte. Letztlich bestand zwischen dem Kläger und H im Jahr 2011 eine Unrechtsvereinbarung dahingehend, dass auch der Kläger von dem von ihn veranlassten Zahlungen finanziell profitieren sollte. Mithin stellt die von dem Kläger und H getroffene Unrechtsvereinbarung eine, im Vorfeld der von dem Kläger an H veranlassten Überweisung, objektiv getroffene "Beuteteilungsabrede" dar, sodass die "Rückzahlung" des H an den Kläger nicht als wirtschaftliche Gegenleistung für dessen veranlasste Überweisung angesehen werden kann, sondern lediglich als faktische Aufteilung der zu Unrecht aus dem Vermögen der A erlangten Gelder. Letztlich kann es bei der steuerrechtlichen Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts keinen Unterschied machen, ob der Kläger zunächst durch Untreuehandlungen selbst in den Besitz von veruntreuten Geldern kommt und diese sodann zum Zwecke der Bestechung teilweise an H weiterleitet oder zunächst die Auszahlung an H veranlasst, um dann absprachegemäß davon (teilweise) zu profitieren.

    Anhaltspunkte für die Annahme des Beklagten, dass die "Rückzahlung" durch H an den Kläger in der Erwartung erfolgte, den Kläger auch im Hinblick auf zukünftige weitere Zahlungen für sich zu verpflichten, sind weder konkret dargelegt noch sonst aus dem Akteninhalt ersichtlich.

    b. Die "Rückzahlung" in Höhe von ... € unterliegt - mangels steuerbarer Einkünfte aus Leistungen (s.o.) - auch nicht der Einkommensteuer aus Gewerbebetrieb.

    Der Bescheid für 2011 über Einkommensteuer vom 12. August 2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. August 2022 war mithin dahingehend abzuändern, dass die sonstigen Einkünfte auf 0,00 € herabgesetzt werden.

    II.

    Da der Hauptantrag erfolgreich war, war über den Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden.

    III.

    Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Berichterstatter anstelle des Senats entscheiden; § 79a Abs. 3 und 4 FGO.

    Die Übertragung der Berechnung der Steuer beruht auf § 100 Abs. 2 S. 2 FGO. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 FGO.

    Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich; § 115 Abs. 2 FGO


    Vorschriften§ 22 Nr. 1, 1 Buchst. a), 2, 3 S. 1, Nr. 4 EStG