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  • 29.08.2024 · IWW-Abrufnummer 243500

    Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 17.04.2024 – 16 K 16094/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Berlin-Brandenburg 

    Urteil vom 17.04.2024

    16 K 16094/23

    In dem Rechtsstreit
    A...
    - Kläger -
    Prozessbevollmächtigte/r:
    gegen
    Finanzamt
    - Beklagter -

    wegen Feststellung der Restschuldbefreiung

    hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 16. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 17. April 2024 durch
    xxx
    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

    Tatbestand

    Der Kläger hat in der Bundesrepublik Deutschland erhebliche Steuerschulden aus den Veranlagungszeiträumen 2009 bis 2012, in deren Zusammenhang er wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde. Das Landgericht C... verurteilte den Kläger mit Urteil vom xx.09.2013 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung wegen Steuerhinterziehung i. H. xxxxxxx Euro. Dieses Urteil ist seit dem xx.09.2013 rechtskräftig. Der Kläger übersiedelte in der Folge in die Republik Irland. Über das Vermögen des Klägers wurde in der Republik Irland ein Insolvenzverfahren eröffnet und mit beglaubigter Bestätigung zum xx.10.2021 die Zahlungsunfähigkeit erklärt. Nach Verfahrensabschluss erhielt der Kläger mit dem certificate of discharge from bankruptcy (Bl. 11 der Gerichtsakte) die Bestätigung, dass die angemeldeten Forderungen, worunter nach Auffassung des Klägers auch diejenigen des Beklagten fallen, von der Restschuldbefreiung erfasst seien. Hierüber wurde der Beklagte mit Schreiben vom 20.01.2023 informiert und um Bestätigung gebeten. Der Beklagte erkannte die Restschuldbefreiung im Schreiben vom 07.06.2023 nicht an.

    Der Kläger trägt auf einen Hinweis des Berichterstatters auf die mögliche Unzulässigkeit der Feststellungsklage vor, dass als statthafte Klageart aufgrund der konkreten Begebenheiten die Feststellungsklage nach § 41 Finanzgerichtsordnung - FGO - zu gelten habe. Das in Irland durchlaufene und abgeschlossene Insolvenzverfahren habe analog des Verfahrensablaufs nach Maßgabe der InsO zu einer Bestätigung der Restschuldbefreiung geführt, so dass sämtliche Forderungen - auch der Finanzverwaltung - nicht mehr vollstreckt werden könnten bzw. dürften. Da der Beklagte erklärt habe, dies nicht anzuerkennen und damit bei Rückkehr des Klägers vollstreckungsrechtliche Maßnahmen einleiten bzw. fortführen zu wollen, bestehe Klärungs- und Regelungsbedarf. Das klärungsbedürftige Rechtsverhältnis sei dabei auch in Verbindung mit erlassenen Entscheidungen des Beklagten zu sehen. Der Einwand der Subsidiarität nach § 41 Abs. 2 S. 1 FGO greife vorliegend gerade nicht, da eine anderweitige Klärungsmöglichkeit - bspw. durch Anfechtung von Steuerbescheiden oder Vollstreckungsanordnungen - durch einen alsdann abweichenden Verfahrensgegenstand ausgeschlossen sei. Vorliegend würden gerade keine Einwendungen gegen die Steuerschuld an sich, sondern gegen die Möglichkeit zur Durchsetzung der Zahlungsforderung erhoben. In Ermangelung einer Vollstreckungsabwehrklage (vgl. bereits BFH, Urteil vom 21.04.1971 VII 106/69) und der (noch) nicht bestehenden Möglichkeit zur unmittelbaren Klärung einer

    Verletzung internationalen Rechts, könne der Klage die Zulässigkeit nicht abgesprochen werden. Entsprechende Klagen seien bereits unter anderen Aktenzeichen anhängig, wozu im Bedarfsfall ergänzend vorgetragen werden könne. In der Sache selbst stelle sich sein Begehren als gerechtfertigt dar. Sofern sich der Beklagte auf den Umstand berufe, am Verfahren nicht hinreichend beteiligt worden zu sein, sei auf Art. 54 Abs. 4 Verordnung (EU) 2015/848 zu verweisen, wonach ein Ausschluss etwaiger (Mittelungs-)Verpflichtungen bei Insolvenzverfahren bezüglich natürlichen Personen vorgeschrieben sei. Gründe, die den Lauf eines ordnungsgemäßen Verfahrens in Zweifel ziehen könnten, seien weder vorgetragen, noch ersichtlich, zumal der Verlauf einer eingehenden Prüfung unterliege und durch die Abschlussbestätigung des High Court nicht in Frage gestellt werden könne. Damit verbleibe das Problem, dass er nach international gültigem Recht ein Insolvenzverfahren durchlaufen habe, welches mit der Restschuldbefreiung beendet worden sei, woraufhin der Beklagte die Absicht zur weiteren Forderungsdurchsetzung aufgrund seinerzeit angefallener steuerlicher Zahlungsverpflichtungen angekündigt habe. Würde er nach Deutschland zurückkehren, hier einer Erwerbstätigkeit nachgehen und unmittelbar einer Lohnpfändung durch die bereits angekündigte Aufrechterhaltung vollstreckungsrechtlicher Maßnahmen unterliegen, wäre sein Arbeitsplatz und seine Existenzgrundlage gefährdet, obgleich hierzu nach gesetzlichen Vorgaben weder Anlass noch Berechtigung bestünde. Der Einwand, eine schuldbefreiende Wirkung würde gegen den ordre public verstoßen, müsse unbeachtlich bleiben, da die Wirkung des Insolvenzverfahrens aufgrund europarechtlicher Vorgaben nicht in Frage gestellt werden könne.

    Hinsichtlich der Ausführungen der Beklagten gemäß Schriftsatz vom 05.10.2023 sei zunächst festzustellen, dass das von ihm durchlaufene Insolvenzverfahren und dessen Abschluss vom Beklagten grundsätzlich anerkannt werde. In Folge dessen werde auch zuerkannt, dass die restschuldbefreiende Wirkung aufgrund des Vorrangs internationalen Rechts eingetreten sei. Der Beklagte gehe gleichwohl von der Unbegründetheit der vorliegenden Klage aus, was mit dem ordre-public-Vorbehalt begründet werden solle. Aufgrund der in Deutschland erfolgten strafrechtlichen Verurteilung wäre bei Anerkennung der schuldbefreienden Wirkung ein Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundprinzipien zu konstatieren. Dabei werde von dem Beklagten allerdings verkannt, dass die Verfahrenseinleitung, wie auch der Verfahrensverlauf und dessen Abschluss im europäischen Mitgliedsstaat Irland nicht nur vom High Court geprüft, sondern auch von dem ISI überwacht werde, wobei sämtliche Umstände darzulegen seien, wie es vorliegend auch geschehen sei. Es sei also keinesfalls so, dass die Steuerlast oder deren Entstehungsgründe dem obersten Gericht vorenthalten worden wären. Die mit dem Verfahrensabschluss einhergehende Bestätigung des discharge from bankruptcy entfalte mithin Bindungswirkung in der Europäischen Union und somit auch für die Finanzverwaltung. Es sei weder angezeigt, noch rechtlich möglich, den Grund einer Steuerlast im Rahmen einer moralischen Wertung in die Entscheidung einzubeziehen, ohne die Grundfesten der gemeinschaftlichen Rechtsordnung in Frage zu stellen. Wäre eine derartige Verfahrens- und Vorgehensweise eröffnet, müsste auch beim nationalen Insolvenzrecht die Frage aufgeworfen werden, weswegen in § 302 InsO die dort benannten Forderungen von einer möglichen Restschuldbefreiung ausgenommen seien, andere Gläubiger aber begründete Verbindlichkeiten nicht weiter einfordern können. In diesem Zusammenhang dürfe auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass zahlreiche Finanzämter im Bundesgebiet die restschuldbefreiende Wirkung bereits anerkannt hätten, was sich auch als erforderlich zeige, da eine situative oder tatbestandliche Ausnahme gerade nicht gegeben sei. Es würde vielmehr der in Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz - GG - festgeschriebene Verpflichtung und dem allgemeine Gerechtigkeitsempfinden zuwiderlaufen, wenn in der Sache nicht gerechtfertigte Unterschiede zu einer Ungleichbehandlung führen und damit einen Verstoß gegen Art 3 GG begründen würde. Denn es spiele keine Rolle, ob eine festgesetzte Steuerlast hoch oder gering sei und woraus diese resultiere. Entscheidend sei einzig und alleine, dass die Steuerschuld ordnungsgemäß im Insolvenzverfahren angemeldet und von der Restschuldbefreiung erfasst worden sei. Besonderheiten in den jeweiligen internationalen Verfahren seien dem nationalen Recht keineswegs fremd. So seien auch Verhaltensweisen teilweise als strafrechtsrelevant und andernorts als legitim ausgewiesen, ohne dass dies in Frage gestellt würde. Die Akzeptanz der nationalen Bestimmungsmöglichkeiten unter gleichzeitiger Anerkennung internationaler Entscheidungen sei die Basis der Europäischen Gemeinschaft. Ein Urteil, welches in einem Mitgliedsstaat gefällt worden sei, könne von einem anderen Mitgliedsstaat weder aufgehoben noch angezweifelt werden, ohne die Rechtsordnung zu verletzen. Die Tragweite insbesondere gerichtlicher Entscheidungen sei daher entsprechend anzuerkennen. Bestätigt durch das oberste Gericht und den ISI sei festgestellt worden, dass u.a. die Steuerlast nicht mehr eingefordert werden könne. Wenn dies nun keine Relevanz entfalten solle, dürfte eine Vorabvorlageverpflichtung gegeben sein (vgl. BVerfGE vom 06.10.2017 zum AZ 2 BvR 987/16).

    Mit Schriftsatz vom 15.02.2024 trägt der Kläger im Wesentlichen weiter vor, dass durch die begehrte Feststellung nicht nur bestehende, sondern auch noch nicht festgesetzte Forderungen betroffen seien. Da zum Erlass eines Abrechnungsbescheids nach Maßgabe von § 218 Abgabenordnung - AO - aber Bescheide als Grundlage erlassen worden sein müssen, differiere das Klageanliegen. Dieses gehe deutlich über die konkrete Klärung, welche durch Anfechtung auch eines Abrechnungsbescheids erzielt werden könne, hinaus, nachdem die Beklagte mitgeteilt habe, das irische Insolvenzverfahren grundsätzlich nicht anerkennen zu wollen. Ob darüber hinaus eine Auslegung des Klageanliegens nach § 65 Finanzgerichtsordnung - FGO - erforderlich sei, wäre gesondert zu entscheiden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Schriftsatzes wird auf diesen Bezug genommen.

    Vorliegend stehe nicht die durch Bescheid festgesetzte Steuer an sich, sondern das Bestehen eines dauerhaften Vollstreckungshindernisses zur Klärung, was auch Auswirkung auf bspw. noch nicht festgesetzte Zinsen und Säumniszuschläge entfalte.

    Ergänzend sei mitzuteilen, dass der Beklagte trotz Antragstellung und Erinnerung weiterhin keinen Abrechnungsbescheid nach Maßgabe von § 218 AO übersandt habe. Die Klageeinreichung sei daher ebenso geboten, wie in Ermangelung von Alternativen auch die Verfahrensfortführung, damit die berechtigten Interessen gewahrt werden könnten.

    Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesfinanzhofs (vgl. Urteil vom 11.02.2021 zum Az. VI R 37/18) müsse sein Anliegen zudem als Untätigkeitsklage ausgelegt werden, womit die Beklagte zu verpflichten sei, den beantragten Abrechnungsbescheid u.a. betreffend die Steuerforderung aus dem Bescheid für 2009 über Umsatzsteuer vom 22.12.2014 zu erlassen.

    Mit dem Klageantrag gemäß Schriftsatz vom 04.08.2023 sei die Feststellung beantragt worden, dass aufgrund seiner registrierten Zahlungsunfähigkeit am xx.10.2021 und nach erfolgtem Discharge from Bankruptcy die Einleitung und/oder Fortführung vollstreckungsrechtlicher Maßnahmen der Finanzverwaltung, insbesondere durch die Beklagte u.a. durch Einforderung von Drittschuldnererklärungen und Übermittlung von Pfändungs- und Einziehungsverfügungen nach dem xx.10.2022 unzulässig sei. Das nach Maßgabe auch von § 65 FGO zu beurteilende Klageanliegen, hinsichtlich welchem er nicht zu einer Konkretisierung aufgefordert worden sei, ziele ersichtlich darauf ab, dass dem außergerichtlich gegenüber der Beklagten angebrachten Klärungsanliegen nicht entsprochen worden sei.

    Dabei sei die festgesetzte Steuerlast nicht in Frage zu stellen. Insoweit sei unter Beachtung des gerichtlichen Hinweises vorsorglich hervorzuheben, dass es nicht sein Bestreben sei, mit der Feststellungsklage geltend zu machen, dass die Steuerschulden im irischen Verfahren erloschen sei, wie es in der Verfügung vom 09.02.2024 ausgeführt wird. Ihm gehe es um die beklagtenseits erfolgte Aberkennung der Insolvenzentlastung durch certificate discharge from bankruptcy (an sich) und nicht um dessen (singuläre) Wirkung auf die (eine) Steuerschuld. Wie bereits vorgetragen vermöge ein Abrechnungsbescheid nach Maßgabe von § 218 AO nur eine Klärung zur Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis zu gewährleisten. Der Umstand, dass ein solcher Abrechnungsbescheid (ergänzend) beantragt worden sei, führte nicht zur Unzulässigkeit der vorliegenden Klage und dem damit verfolgten Begehren des Klägers gerichtet auf eine Feststellung, welche mit dem Abrechnungsbescheid nicht erwirkt werden könne. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei jedoch bereits im Schreiben vom 20.01.2023 das Anliegen begründet dargelegt und gemäß den Vorgaben des Bundesfinanzhofs in der angegebenen Entscheidung Anlass zum Erlass eines Abrechnungsbescheids geboten gewesen, spätestens jedoch durch Schreiben vom 09.02.2023, wenn explizit entsprechende Veranlassung (zur Klärung der Thematik) gefordert werde. Als statthafte Klageart habe aufgrund der konkreten Begebenheiten damit sowohl die Feststellungs-, als auch die Untätigkeitsklage zu gelten. Der Einwand der Subsidiarität nach § 41 Abs. 2 S. 1 FGO greife daher vorliegend in doppelter Hinsicht nicht durch. Der Abrechnungsbescheid sei bis zum heutigen Tag - unbestritten - von der Beklagten nicht erlassen worden. Bis zur Klageeinreichung seien mehr als 6 Monate verstrichen. Auch wenn vorliegend von einer Unterschreitung ausgegangen werden sollte, lägen durch die Verweigerung trotz Nachfrage und Erinnerung, was nach § 347 Abs. 1 S. 2 AO als Untätigkeitseinspruch zu würdigen sei, spätestens nach Klageeinreichung die Voraussetzungen vor, wobei eine verfrühte Rüge durch den Verfahrensverlauf Heilung erfahre, da der Beklagte in der Folgezeit weiterhin nicht in angemessener Frist entschieden habe. Durch Abrechnungsbescheid könne insoweit geklärt werden, ob die betreffenden Forderungen des Beklagten verwirklicht werden könnten oder ob einer Realisierung Umstände, wie bspw. das aus der Insolvenzentlastung resultierende Vollstreckungshindernis entgegenstehen könnten. Wegen des weiteren diesbezüglichen Vortrags wird auf den Schriftsatz von 15.04.2024 verwiesen.

    Der Kläger beantragt,

    festzustellen, dass nach seiner registrierten Zahlungsunfähigkeit am xx.10.2021 und erfolgtem discharge from bankruptcy die Einleitung und/oder Fortführung vollstreckungsrechtlicher Maßnahmen der Finanzverwaltung, insbesondere durch den Beklagten unter anderem durch Einforderung von Drittschuldnererklärungen und Übermittlung von Pfändungs- und Einziehungsverfügungen nach dem xx.10.2022 unzulässig sei,

    hilfsweise,

    den Beklagten zu verpflichten, einen Abrechnungsbescheid zu erlassen und darin festzustellen, dass die Forderungen des Finanzamts allesamt erloschen sind.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte trägt vor, dass der Kläger keinen Anspruch auf Einstellung bzw. Absehen von der Fortsetzung der Vollstreckung habe. Die Wirksamkeit der in Irland durch den High Court gemäß order of adjudication erteilten Restschuldbefreiung vom xx.10.2022 in der Bundesrepublik Deutschland beurteile sich allein nach der Verordnung (EU) 2015/848, gültig ab 26.06.2016, ABI. L 141 vom 05.06.2015, S. 19-72 (im Folgenden EUInsVO), die in der Europäischen Union allgemeine Geltung habe, in all ihren Teilen verbindlich sei und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gelte. In Ihrem Anwendungsbereich verdränge sie deshalb das deutsche internationale Insolvenzrecht. Grundsätzlich werde nach Art. 19 Abs. 1 EUInsVO die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein nach Art. 3 EUInsVO zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats anerkannt, sobald die Entscheidung im Staat der Verfahrenseröffnung wirksam sei. Ohne weitere Förmlichkeiten würden die zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens ergangenen Entscheidungen ebenfalls anerkannt, wenn diese von einem Gericht getroffen seien, dessen Eröffnungsentscheidung nach Art. 19 EUInsVO anerkannt werde (§ 32 Abs. 1 EUInsVO). In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei zudem geklärt, dass Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 EUInsVO (ehemals Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 EUInsVO) dahin auszulegen ist, dass das von einem Gericht eines Mitgliedstaats eröffnete Insolvenzverfahren von den Gerichten der übrigen Mitgliedstaaten anzuerkennen sei, ohne dass diese die Zuständigkeit des Gerichts des Eröffnungsstaats überprüfen könne (EuGH, Urteil vom 02.05.2006 - C-341/04, Eurofood - Rn. 38-44, Tenor Nr. 2). Es sei dem Gericht daher grundsätzlich verwehrt, durch entsprechende Beweiserhebungen, insbesondere durch Beiziehung der irischen Insolvenzakten, zum Beispiel vorliegend zu prüfen, ob der Kläger gemäß Art. 3 Abs. 1 S. 1 EUInsVO in Irland den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen gehabt habe. Das Verwaltungsgericht müsse die vom High Court für sich gemäß Art. 3 EUInsVO angenommene Zuständigkeit für das Insolvenzverfahren vielmehr anerkennen (Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.05.2014 - 5 A 754/11 -; OLG Nürnberg, Beschluss vom 15.12.2011 - 1 U 2/11 -; OLG Celle, Beschluss vom 27.11.2011 - 2 U 147/12 -; OLG Köln, Urteil vom 28.02.2013 -I-18 U 298/11 -; OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.08.2014 -15 U 46/12 -, jeweils zitiert nach Juris). Nach Art. 33 EUInsVO könne sich jeder Mitgliedstaat allerdings weigern, ein in einem anderen Mitgliedstaat eröffnetes Insolvenzverfahren anzuerkennen oder eine in einem solchen Verfahren ergangene Entscheidung zu vollstrecken, soweit diese Anerkennung oder diese Vollstreckung zu einem Ergebnis führe, das offensichtlich mit seiner öffentlichen Ordnung, insbesondere mit den Grundprinzipien oder den verfassungsmäßig garantierten Rechten und Freiheiten des Einzelnen, unvereinbar sei. Eine Anwendung des ordre-public-Vorbehalts gemäß Art. 33 EUInsVO komme in Betracht, wenn das Ergebnis der Anerkennung oder Vollstreckung der in einem anderen Mitgliedstaat erlassenen Entscheidung gegen einen wesentlichen Grundsatz verstoße und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Anerkennungs- oder Vollstreckungsmitgliedstaats stehe. Es müsse sich bei diesem Verstoß um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Anerkennungs- oder Vollstreckungsmitgliedstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln. Der ordre-public-Vorbehalt könne demnach nur in Ausnahmefällen einschlägig sein (vgl. EuGH, Urteil vom 02.05.2006, a.a.O.; BGH, Urteil vom 10.09.2015, a.a.O.).

    Dieser Ausnahmefall sei im vorliegenden Streitfall gegeben. Das Landgericht C... habe durch Urteil vom xx.09.2013 den Kläger zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren auf Bewährung wegen Steuerhinterziehung in Höhe von xxxxxxx € verurteilt. Das Urteil sei seit dem xx.09.2013 rechtskräftig. Da die Anerkennung einer Restschuldbefreiung für hinterzogene Steuern zu einem Ergebnis führen würde, das mit der Rechtsordnung unvereinbar wäre, sei der Kläger mit Verfahrensbeendigung von seinen Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt H ... nicht befreit.

    Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die beigezogenen Akten des Beklagten verwiesen.

    Entscheidungsgründe
    1. Die Klage hinsichtlich der begehrten Feststellung ist bereits unzulässig. Denn es besteht vorliegend mit der Möglichkeit, einen Abrechnungsbescheid im Sinne des § 218 Abgabenordnung - AO - zu beantragen, nach durchlaufenem entsprechendem Einspruchsverfahren eine andere Klageart zur Verfügung, sodass aufgrund der Subsidiaritätsregelung des § 41 Abs. 2 S. 1 FGO die vorliegende Klage unzulässig ist. Dabei legt das Gericht den Antrag des Klägers rechtsschutzwahrend dahingehend aus, dass er die Feststellung der schuldbefreienden Wirkung des irischen Insolvenzverfahrens begehrt. Die von ihm angesprochene Unzulässigkeit weiterer Vollstreckungsmaßnahmen ergäbe sich hieraus.

    Nach dem vorliegend anzuwenden irischen Recht führt das Durchlaufen des irischen Insolvenzverfahrens zu einer Befreiung von der jeweiligen Schuld, nicht zu einer bloßen Einrede. Es ist insoweit auf den Art. 125 Personal Insolvency Act 2012 zu verweisen und dort insbesondere auf Abs. 2. Ungesicherte Forderungen (unsecured debts) erlöschen (discharge) nach dieser Vorschrift.

    Art 125 des Personal Insolvency Act 2012 lautet:

    "125. (1) Upon the expiration of the Personal Insolvency Arrangement, and where the debtor concerned has complied with his or her obligations under the Personal Insolvency Arrangement, the personal insolvency practitioner shall notify the debtor, creditors and the Insolvency Service.

    (2) Where the debtor has complied with his or her obligations under the Personal Insolvency Arrangement, subject to the provisions of section 99 (2), and 102 (3) and (7) the debtor stands discharged from the unsecured debts specified in the Personal Insolvency Arrangement.

    (3) Where the debtor has complied with his or her obligations under the Personal Insolvency Arrangement, the debtor shall not stand discharged from the secured debts covered by the Arrangement except to the extent specified in the Personal Insolvency Arrangement.

    (4) Where the Insolvency Service receives the notice referred to in subsection (1), it shall record the successful completion of the Personal Insolvency Arrangement in the Register of Personal Insolvency Arrangements."

    In Übersetzung;

    (1) Nach Ablauf der Privatinsolvenzregelung und wenn der betreffende Schuldner seinen Verpflichtungen aus der Privatinsolvenzregelung nachgekommen ist, hat der Privatinsolvenzverwalter den Schuldner, die Gläubiger und den Insolvenzdienst zu benachrichtigen.

    (2) Ist der Schuldner seinen Verpflichtungen aus dem Privatinsolvenzplan nachgekommen, so ist der Schuldner vorbehaltlich der Bestimmungen des § 99 Abs. 2 und des § 102 Abs. 3 und 7 von den in der Privatinsolvenzregelung genannten ungesicherten Forderungen befreit.

    (3) Ist der Schuldner seinen Verpflichtungen aus der Privatinsolvenzregelung nachgekommen, so ist der Schuldner von den gesicherten Forderungen, die unter die Vereinbarung fallen, nur in dem in der Privatinsolvenzregelung festgelegten Umfang befreit.

    (4) Geht bei der Insolvenzverwaltung die in Absatz 1 genannte Mitteilung ein, so hat sie den erfolgreichen Abschluss der Privatinsolvenzregelung in das Register der Privatinsolvenzregelungen einzutragen.

    Art 15. des irischen bancruptcy acts 1988 lautet in Übersetzung:

    (1) Vorbehaltlich des Absatzes (2) kann das Gericht, wenn der Antrag auf Entscheidung vom Schuldner gestellt wird, dies für angemessen hält und sich vergewissert hat, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seinen Verpflichtungen gegenüber seinen Gläubigern nachzukommen, und dass die Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 und 5 erfüllt sind, den Schuldner durch Beschluss für insolvent zu erklären.

    (2) Vor Erlass eines Beschlusses nach Absatz 1 prüft das Gericht die Art und den Wert der Vermögenswerte, die dem Schuldner zur Verfügung stehen, Umfang seiner Verbindlichkeiten und die Frage, ob die Unfähigkeit des Schuldners, seinen Verpflichtungen nachzukommen, unter Berücksichtigung dieser Umstände und der Inhalt der beim Gericht eingereichten Sachverschreibung des Schuldners angemessener mit von

    (a) eine Schuldenregulierungsvereinbarung oder

    (b) ein Privatinsolvenzverfahren,

    und wenn der Gerichtshof kann das Gericht die Anhörung des Antrags vertagen, um dem Schuldner die Möglichkeit zu geben, Gelegenheit, die vom Gerichtshof präzisierten Vereinbarungen zu treffen Vertagung der mündlichen Verhandlung.

    Da das Erlöschen der Forderungen nach irischem Recht in einem Abrechnungsbescheid feststellbar ist, ist auch die Möglichkeit gegeben, diesen nach einem entsprechenden außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren mit einer anderen Klageart als der Feststellungsklage anzugreifen, was zur Unzulässigkeit der vorliegenden Feststellungsklage führt.

    Schon im Ansatz unzutreffend das Argument der Klägerseite, dass es um einen anderen Klagegegenstand ginge als in einem möglichen Abrechnungsbescheid. Denn streitig sind gerade die Steuerforderungen aus einem strafbaren Verhalten, aufgrund dessen die Steuern längst festgesetzt sind. Der Kläger selbst hat vorgetragen, dass ihm unter anderem der Bescheid vom 22.12.2014 und die zugehörende Zahlungsaufforderung des Finanzamtes G ... vorliege. Soweit der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass die Frage des ordre public in diesem Zusammenhang für eine Vielzahl von Fällen und auch anderen insbesondere zivilrechtlichen Fragestellung von Bedeutung sei, bedeutet dies nicht, dass die steuerrechtliche Frage, über die das Finanzgericht allein entscheiden kann, nicht auch nach einem vorhergehenden Abrechnungsbescheid entschieden werden könne.

    Soweit der Kläger vorträgt, dass nicht die durch Bescheid festgesetzte Steuer an sich, sondern das Bestehen eines dauerhaften Vollstreckungshindernisses zur Klärung im Vordergrund stehe, was auch Auswirkung auf bspw. noch nicht festgesetzte Zinsen und Säumniszuschläge entfalte, ist schon nicht nachvollziehbar, welche Steuerforderungen im Zusammenhang mit der Steuerhinterziehung noch nicht festgesetzt sein sollten.

    2. Der Hilfsantrag hinsichtlich einer Verpflichtung des Beklagten, einen Abrechnungsbescheid zu erlassen, kann ebenfalls keinen Erfolg haben. Der Antrag ist insoweit nicht als Untätigkeitsklage zulässig. Die vorliegende Klage war an das Gericht und nicht an den Beklagten gerichtet und kann bereits deshalb schon nicht als Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids ausgelegt werden. Zudem war die Klage eindeutig vom einem Berufsträger als Feststellungsklage formuliert. Auch in keinem anderen Schriftsatz des Klägervertreters - eines Berufsträgers - an den Beklagten taucht das Wort "Abrechnungsbescheid" oder die Wendung "Beantragung eines Abrechnungsbescheids" wörtlich oder auch nur sinngemäß auf. Dies gilt insbesondere für den Schriftsatz vom 20.01.2023. Denn in diesem Schriftsatz wurde um eine Bestätigung gebeten, aber kein Verwaltungsakt beantragt. Der nunmehr zusätzlich gestellte Antrag auf Verpflichtung zur Erlass eines Abrechnungsbescheids ist gleich aus zwei Gründen unzulässig. Er ist zum einen als Klageänderung unzulässig, weil die bisherige Feststellungsklage unzulässig ist. Er ist ferner unzulässig, weil auch der neue Untätigkeitsantrag unzulässig ist. Es hätte nämlich zunächst eines Untätigkeitseinspruchs und sodann einer sechsmonatigen Wartezeit ab Einlegung des Untätigkeitseinspruchs bedurft. Bisher hat es keinen Untätigkeitseinspruch gegeben und die erforderlichen sechs Monate sind daher noch nicht vergangen, § 347 Abs. 1 Satz 2 AO und § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO. Auch insoweit ist in keinem Schriftsatz des Klägervertreters an das Gericht oder an den Beklagten jeweils das Wort Einspruch im Zusammenhang mit einem Abrechnungsbescheid aufgetaucht oder auch nur eine Formulierung, die nach Auffassung des Gerichts hierauf hindeuten könnte.

    Durch das Verfahren über einen Abrechnungsbescheid wird der Rechtsschutz des Klägers auch in keiner Weise eingeschränkt.

    3. Die Revision war trotz des schriftsätzlich gestellten Antrags auf Zulassung der Revision nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat, § 115 Abs. 2 FGO.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    RechtsgebietFGOVorschriften§ 41 FGO