13.11.2024 · IWW-Abrufnummer 244744
Landgericht Wiesbaden: Beschluss vom 12.02.2024 – 6 KLs 1141 Js 23920/12
Zur Unrichtigkeit und Unvollständigkeit von Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen und der billigenden Inkaufnahme der Steuerrechtswidrigkeit
LG Wiesbaden 6. Große Strafkammer
Tenor
Die Eröffnung des Hauptverfahrens wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen der Angeschuldigten fallen der Staatskasse zu Last.
Gründe
I.
Mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wiesbaden vom 30.09.2021 wird den Angeschuldigten vorgeworfen, im Zeitraum vom 19.03.2004 bis zum 11.10.2007 in Stadt F und anderen Orten jeweils gemäß §§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1, 39, 42 AO, 8 Abs. 1 Satz 1, 31 Abs. 1 Satz 1 KStG, 15 Abs. 1 Nr. 1, 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, Abs. 2a, 36 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG, 52,53 StGB und teilweise gemeinschaftlich handelnd nach § 25 Abs. 2 StGB als Verantwortliche der G AG (im Folgenden nur noch G AG) Körperschaftssteuern und Solidaritätszuschläge in drei Fällen zum Vorteil der G AG hinterzogen bzw. sich jedenfalls daran nach § 27 Abs. 1 StGB beteiligt zu haben.
Die G AG, die im Jahr 2009 auf die H AG verschmolzen wurde, war bis zum Erwerb der Aktien durch die J AG im Oktober 2007 eine Gesellschaft, die zum Konzern der irischen G Bank plc mit Sitz in K-Stadt gehörte. Im August 2006 verlegte die G AG, die bis dahin ihren Sitz in L-Stadt gehabt hatte, diesen nach M-Stadt.
Das Hauptgeschäftsfeld der G AG bestand in der weltweiten Finanzierung von Staaten und Kommunen in Gestalt direkter Kreditvergaben und dem Ankauf von Staatsanleihen. Auf Grund ihrer Gesellschaftsform als Aktiengesellschaft war die G AG bzgl. Ihrer erwirtschafteten Gewinne körperschaftssteuerpflichtig. Sie war darüber hinaus buchführungspflichtig und ermittelte ihre Gewinne nach den Regeln des HGB.
Der Angeschuldigte A war von Juli 2006 bis April 2010 Vorstandsmitglied der G AG und hier verantwortlich für den Bereich Finanzen, Risiko, Operations, IT und Audit.
Der Angeschuldigte B war im Tatzeitraum Prokurist der G AG und Leiter der Abteilung Legal/Tax (Steuerabteilung).
Der Angeschuldigte C war von Juni 2002 bis Juni 2005 Vorstandsmitglied der G AG und hier verantwortlich für die Bereiche IT, Financial Controlling, Recht und Steuern.
Der Angeschuldigte D war im Tatzeitraum Mitarbeiter der Abteilung Legal/Tax (Steuerabteilung) der G AG, welche vom Angeschuldigten B geleitet wurde.
Der Angeschuldigte E war von 2002 bis April 2007 Finanzvorstand der G Bank plc, der Muttergesellschaft der G AG. Von Juni 2005 bis Januar 2006 war er zusätzlich Vorstandsmitglied der G AG.
II.
Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wiesbaden soll der Angeschuldigte C am 17.10.2023 im Rahmen einer Werbeaktion der N Beratungsgesellschaft GmbH (im Folgenden N) von einem „Steuermodell“ erfahren haben, dass die N in Kooperation mit der O plc (im Folgenden O) vertrieb. Es soll sich dabei um eine Wertpapierleihe gehandelt haben, bei der festverzinsliche Wertpapiere hingegeben und als Sicherheiten im Tausch deutsche Standardaktien hereingenommen wurden. Das Modell sollte die „Nachsteuerrendite“ der Kunden „optimieren“, in dem die unterschiedliche Besteuerung von Zins- und Dividendenerträgen ausgenutzt werden sollte. Diese Optimierung basierte auf dem Umstand, dass die Zinserträge aus festverzinslichen Wertpapieren zu 100 % der Körperschaftssteuer unterlagen, während die Dividendenerträge aufgrund des im Tatzeitraum geltenden § 8b Abs. 1, Abs. 5 KStG nur zu 5 % steuerpflichtig waren. Dieses Modell sollen Verantwortliche der N entwickelt haben. Mit der O soll die N im April 2003 einen Kooperationsvertrag geschlossen haben, wonach die O als Abwicklungsbank dienen sollte.
Noch vor dem 27.01.2004 soll auch der Angeschuldigte B von diesem Modell erfahren und den Angeklagten E in Grundzügen informiert haben. Im März 2004 hätten sodann Verantwortliche der N auf Wunsch der Angeschuldigten C, B und E das Modell präsentiert. Die Angeschuldigten C, B und E hätten das Modell als insgesamt rentabel erachtet und am 07.04.2004 eine entsprechende Entscheidung des Vorstandes zur Umsetzung bewirkt. Ab dem 19.03.2004 soll der Angeschuldigte C und die Zeugin P jeweils in Vertretung der G AG und der O zur Umsetzung des Modells mehrere Verträge abgeschlossen haben, die die wechselseitige Hin- und Rückübertragung von Aktien und sonstigen Wertpapieren zum Gegenstand hatten. Der Angeschuldigte C soll hierbei in Einvernehmen mit den Angeschuldigten A, B und Dr. E sowie mit Wissen des Angeschuldigten D gehandelt haben.
Ferner soll eine als „Beratungsgebühr“ bezeichnete Provision an die Abwicklungsbank O vereinbart und später auch gezahlt worden sein (für das Jahr 2004 928.000,- €, für das Jahr 2005 1.200.020,- €, für das Jahr 2006 959.900,- €). Hinsichtlich der Begrifflichkeit der „Beratungsgebühr“ soll allen Angeschuldigten bewusst gewesen sein, dass die O zu keinem Zeitpunkt Beratungsleistungen für die G AG erbracht habe.
In Ausführung der vertraglichen Vereinbarungen zwischen der G AG und der O soll die G AG im Rahmen von Wertpapierleihgeschäften aus ihrem Bestand jeweils für mehrere Monate festverzinsliche Wertpapiere an die O übertragen haben und von der O für denselben Zeitraum als Wertausgleich Aktien verschiedener inländischer börsennotierter Gesellschaften als Sicherheit geliefert bekommen haben, die nicht dem Handelsbuch der G AG zugeordnet waren und lediglich in Beteiligung gehalten wurden. Es soll sich jeweils um Wertpapiere gehandelt haben, deren Kuponstichtag (Zinsfälligkeitszeitpunkt) im Leihzeitraum lag. Die Lieferungen der Wertpapiere sollen jeweils vor dem Tag der Hauptversammlungen stattgefunden und über die Clearstream Banking AG in L-Stadt abgewickelt worden sein. Dabei sollen die Sicherheiten, die die O stellte, jeweils ca. 105 % des Marktpreises der verliehenen Wertpapiere zum Beginn der jeweiligen Transaktionen betragen haben.
Die Vereinbarungen soll vorgesehen haben, dass die G AG nach Ende der vertraglichen Laufzeit des Leihgeschäfts Wertpapiere gleicher Art und Güte an die O zurück zu übereignen hatte. Während der jeweiligen Haltedauer der Wertpapiere soll die G AG die Dividenden aus den ihr überlassenen Aktien und die O die Zinsen aus den ihr überlassenen festverzinslichen Wertpapieren vereinnahmt haben. Die Dividenden- und Zinserträge sollten nach der vertraglichen Konzeption exakt übereinstimmen; im Falle wertmäßiger Abweichungen sollte vertragsmäßig ein Wertausgleich zu leisten sein. Für die Leihe sollen Transaktionskosten angefallen sein, wobei diese Transaktionskosten die jeweiligen Gewinne stets überstiegen haben sollen, sodass es sich grundsätzlich um Verlustgeschäfte gehandelt haben soll.
Kurze Zeit nach der wechselseitigen Vereinnahmung von Zinsen bzw. Dividenden sollen die G AG und die O das Leihgeschäft beendet und einen Rücktausch der Wirtschaftsgüter vorgenommen haben.
Der Marktwert der hingegebenen festverzinslichen Wertpapiere soll im Jahr 2004 181.005.000,- €, im Jahr 2005 im ersten Leihgeschäft 1.129.071.798,- € und im zweiten Leihgeschäft 436.448.483,- € sowie im Jahr 2006, aufgeteilt in drei Leihgeschäfte, 486.100.777,- €, 456.348.135,- € und 196.675.000,- € betragen haben. Hinsichtlich der einzelnen übertragenen festverzinslichen Wertpapiere sowie Aktien in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum wird auf die Anklageschrift, dort S. 11 ‒ 19 (Bl. 3056 ‒ 3063, Band 16) verwiesen.
Die O AG soll Bruttodividenden in Höhe von 8.085.000,31 € für das Jahr 2004, 40.002.200,65 € für das Jahr 2005 und 32.738.269,22 € für das Jahr 2006 erzielt haben. Die ausschüttenden Aktiengesellschaften sollen hierauf im Jahr 2004 1.617.000,03 € Kapitalertragssteuer und 88.934,97 € Solidaritätszuschlag einbehalten haben, im Jahr 2005 8.000.440,13 € und 440.024,18 € und im Jahr 2006 6.547.653,84 € und 360.120,94 €.
Ohne Berücksichtigung der steuerlichen Effekte sollen die Geschäfte der G AG mit der O in allen drei Geschäftsjahren zu einem wirtschaftlichen Verlust geführt haben (2004: 907.375,- €, 2005: 1.079,159,- €, 2006: 906.567,- €).
Mit dem Ziel, hinsichtlich der einbehaltenen Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlages eine Anrechnung auf die festgesetzte Körperschaftssteuer bzw. den festgesetzten Solidaritätszuschlag durch Eintragung in die Zeilen 3a und 6 der Anlage WA zur jeweiligen Körperschaftsteuererklärung zu erhalten, sollen sodann in den Jahren 2004 und 2005 ein nicht näher identifizierter Verantwortlicher der G AG, im Jahr 2006 die Zeugen Q und R sowie der Angeschuldigte D für die G AG Steuerbescheinigungen nach § 45a Abs. 2 EStG selbst ausgestellt haben. Diese Steuerbescheinigungen sollen den jeweiligen Körperschaftsteuererklärungen 2004 bis 2006 beigefügt worden sein. Im Einzelnen wird auf die Aufstellung in der Anklageschrift verwiesen, dort S. 22 ‒ 23 (Bl. 3.066 ‒ 3.067, Band 16).
Fall 1 ‒ Veranlagung 2004
Die Körperschaftssteuererklärung für das Jahr 2004 (Fall 1), eingegangen beim Finanzamt L-Stadt V am 05.09.2005, sollen am 02.09.2005 die Angeschuldigten E und B unterzeichnet haben.
Dabei sollen die Angeschuldigten E und B in Zeile 44b des Mantelbogens KSt 1A Dividendeneinnahmen in Höhe von 8.085.000,- € erklärt haben, die gem. § 8b Abs. 1 KStG freizustellen seien. Ferner sollen sie die Anrechnung der einbehaltenen Kapitalertragssteuer in Höhe von 1.617.000,06 € sowie des Solidaritätszuschlags in Höhe von 88.934,97 € durch entsprechende Einträge in Zeile 3a bzw. 6 der Anlage WA zur Körperschaftserklärung begehrt haben.
Weitere Erklärungen sollen laut Staatsanwaltschaft auf Grund der mit den Angeschuldigten C und A getroffenen Übereinkunft, die auch der Angeschuldigte D mitgetragen haben soll, nicht erfolgt sein.
In den der Körperschaftssteuererklärung beigefügten Wirtschaftsprüfungsberichten sollen die Angeschuldigten E und B im Band „Erläuterungsteil" auf Seite 50 Tz. 188 in Umsetzung des gemeinsamen Tatplanes mit den Angeschuldigten A und C lediglich die folgende Ergänzung gemacht haben:
„Die laufenden Erträge aus Aktien und anderen nicht festverzinslichen Wertpapieren betreffen ausschließlich Dividendenerträge aus im Rahmen von Wertpapierleihgeschäften hereingenommenen Sicherheiten. Zum Bilanzstichtag bestanden keine Wertpapierleihgeschäfte."
Im Unklaren hätten die genannten Angeschuldigten die Finanzbehörde tatplangemäß über die Einbettung des in der Steuererklärung benannten Wertpapierleihgeschäfts in das beschriebene vertragliche Gesamtkonzept gelassen, obwohl die Angeschuldigten zumindest billigend in Kauf genommen hätten, dass sich ihre Erklärungspflicht auch auf diese Angaben bezogen habe.
Infolge des Wertpapierleihgeschäfts soll die G AG einen Steuervorteil in Höhe von 1.920.187,- € erzielt haben, so dass sich unter Berücksichtigung des Verlustes in Höhe von 907.375,- € ein Vermögensvorteil in Höhe von 1.012.812,- € erzielt worden sei, der ausschließlich auf die von den Angeschuldigten beabsichtigen Steuervorteile zurückzuführen gewesen sein soll.
Am 05.07.2006 soll ein Steuerbescheid des Finanzamtes L-Stadt V ergangen sein, in welchem die Körperschaftssteuer durch den Zeugen FA1 antragsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt wurde. Infolge der unvollständigen Angaben gegenüber der Finanzbehörde soll ein Betrag in Höhe von 7.680.750,- € an Zinserträgen infolge des Wertpapierleihgeschäfts nicht im Rahmen der steuerlichen Veranlagung berücksichtigt worden sein. Die hierauf zu entrichtende Körperschaftssteuer in Höhe von 1.920.187,50 € nebst Solidaritätszuschlag in Höhe von 105.610,31 € soll nicht festgesetzt worden sein. Darüber hinaus soll das Finanzamt infolge der unvollständigen Angaben der Angeschuldigten über das Wertpapierdarlehen ‒ was den Angeschuldigten bewusst gewesen sein soll ‒ die bereits einbehaltene/entrichtete Kapitalertragssteuer in Höhe von 1.617.000,- € nebst Solidaritätszuschlag in Höhe von 88.934,97 € auf die festzusetzende Steuerschuld angerechnet haben, weshalb insgesamt ein Hinterziehungsschaden betreffend das Kalenderjahr 2004 in einer Gesamthöhe von 3.731.732,78 € entstanden sei.
Diesen Schaden hätten alle Angeschuldigten zumindest billigend in Kauf genommen.
Fall 2 ‒ Veranlagung 2005
Die Körperschaftssteuererklärung für das Jahr 2005 (Fall 2), eingegangen beim Finanzamt L-Stadt V am 05.10.2006, sollen die Angeschuldigten A und B unterzeichnet haben. Darin sollen die Angeschuldigten in Zeile 44b des Mantelbogens 1A Dividendeneinnahmen in Höhe von 40.002.201,- € erklärt haben, die gemäß § 8b Abs.1 KStG freizustellen seien. Sie hätten zudem die Anrechnung der Kapitalertragsteuer von 8.000.440,13 € und des Solidaritätszuschlages von 440.024,18 € in Zeile 3a und 6 der Anlage WA zur Körperschaftssteuererklärung angestrebt, die auf diese Dividendeneinnahmen entfielen.
Weitere Erläuterungen sollen auf der Grundlage einer ausdrücklich oder stillschweigend mit den übrigen Angeschuldigten getroffenen Vereinbarung dagegen nicht erfolgt sein. In den der Körperschaftssteuererklärung beigefügten Wirtschaftsprüfungsberichten hätten die Angeschuldigten A und B auch im Einvernehmen mit den übrigen Angeschuldigten sowie mit Wissen des Angeschuldigten D im Band „Bericht", Abschnitt F.V auf Seife 78 Tz. 387 lediglich die folgende Ergänzung getätigt:
Weiterhin soll es Im Band „Erläuterungsteil" S. 50, Tz. 90 geheißen haben:
„Die laufenden Erträge aus Aktien und anderen nicht festverzinslichen Wertpapieren betreffen insgesamt Dividendenerträge aus Wertpapierleihgeschäften. Siehe hierzu Erläuterungen im Abschnitt F. V. des Hauptberichts."
Im Band „Teilprüfungsbericht" soll ferner auf S. 45, Tz. 174 aufgeführt worden sein:
Im Unklaren hätten die genannten Angeschuldigten die Finanzbehörde tatplangemäß über die Einbettung des in der Steuererklärung benannten Wertpapierleihgeschäfts in das beschriebene vertragliche Gesamtkonzept gelassen, obwohl die Angeschuldigten zumindest billigend in Kauf genommen hätten, dass sich ihre Erklärungspflicht auch auf diese Angaben bezogen habe. Es sei auch allen bewusst gewesen, dass die O zu keinem Zeitpunkt Beratungsleistungen erbracht und sie fortlaufend Bedenken gegen die steuerrechtliche Zulässigkeit des Modells gehabt hätten. Bei Offenlegung dieses Sachverhalts hätten die Veranlagungsbeamten die Veranlagung nicht auf die folgende Weise durchgeführt.
Infolge der Hingabe der festverzinslichen Wertpapiere und dem Tausch mit Aktien sei ein Differenzbetrag von 38.002.090.00 € nicht der Besteuerung unterworfen worden, woraus sich ein Steuervorteil in Höhe von 9.500.522,- € nebst Solidaritätszuschlag i.H.v. 522.528,74€ ergeben habe. Ferner sei zu Unrecht Kapitalertragssteuer i.H.v. 8.000.440,13 und Solidaritätszuschlag in Höhe von 440.024,18 € angerechnet worden, der ausschließlich auf die Steuervorteile zurückzuführen gewesen sei. Im Jahr 2005 sollen die Angeschuldigten damit einen Verkürzungsbetrag von insgesamt 18.463.515,52 € bewirkt und billigend in Kauf genommen haben.
Fall 3 ‒ Veranlagung 2006
Die Körperschaftssteuerklärung für das Jahr 2006 (Fall 3), eingegangen beim Finanzamt L-Stadt V am 23.07.2007 und zuständigkeitshalber an das Finanzamt F-Stadt I weitergeleitet, sollen die Angeschuldigten A und B unterzeichnet haben. Darin sollen die Angeschuldigten in Zeile 44b des Mantelbogens 1A Dividendeneinnahmen in Höhe von 32.738,269,- € erklärt haben, die gemäß § 8b Abs.1 KStG freizustellen seien. Sie hätten zudem die Anrechnung der Kapitalertragsteuer von 6.547,653,84 € und des Solidaritätszuschlages von 360.120,94 € in Zeile 3a und 6 der Anlage WA zur Körperschaftssteuererklärung angestrebt, die auf diese Dividendeneinnahmen entfielen. Weitere Erläuterungen seien unterblieben.
In den der Körperschaftssteuererklärung beigefügten Wirtschaftsprüfungsberichten sollen die Angeschuldigten im Band „Bericht" (Teilprüfungsbericht II) unter E.III.2 Wertpapierleihgeschäfte
(Tz. 110), wie auch dem Angeschuldigten D bewusst gewesen sein soll, lediglich die folgende Ergänzung ausgeführt haben:
„Im Geschäftsjahr hat die Bank auf der Grundlage eines „Rahmenvertrages für Wertpapierleihgeschäfte" und weiterer Ergänzungsvereinbarungen hierzu mehrere kurzfristige Wertpapierleihgeschäfte (Laufzeit bis 4 Wochen) mit einer anderen Bank getätigt. Die Bank hat hierbei als Darlehensgeber festverzinsliche Wertpapiere im Nominalwert von Insgesamt € 1.849,6 Mio. verliehen und als Sicherheit Aktien mit einem Kurswert von zusammen € 1.858,7 Mio. sowie weitere festverzinsliche Wertpapiere mit Nominalwerten von insgesamt € 270,0 Mio. erhalten. Die während der Laufzeit der Wertpapierleihgeschäfte fälligen und ausgezahlten Dividenden in Höhe von € 32,7 Mio. an den aus Sicherheit erhaltenen Aktien wurden von der Bank vereinnahmt. Aus den aus Sicherheit erhaltenen festverzinslichen Wertpapieren wurden keine Zinszahlungen während der Laufzeit der Wertpapierleihgeschäfte von der G vereinnahmt. Zusätzlich hat die Bank eine Ausgleichszahlung in Höhe von € 13,9 Mio. erhalten, die als Zinserträge ausgewiesen wurden. Die während der Laufzeit fälligen aus ausgezahlten Zinsen aus den verliehenen festverzinslichen Wertpapieren in Höhe von € 46,4 Mio. wurden von der Entleiherin der festverzinslichen Wertpapiere vereinnahmt. Zum Stichtag 31. Dezember 2006 bestanden keine Wertpapierleihgeschäfte. Die G hat im Zusammenhang mit diesen Geschäften Wertpapierleihgebühren von zusammen T€ 45,6 vereinnahmt."
Im Band „Erläuterungsteil", S. 48, Tz. 183 soll es heißen:
„Die laufenden Erträge aus Aktien und anderen nicht festverzinslichen Wertpapieren betreffen insgesamt Dividendenerträge aus Wertpapierleihgeschäften. Siehe hierzu die Erläuterungen Im Abschnitt E.III.2 des Teilprüfungsberichts II."
Im Band „Erläuterungsteil", S. 42, Tz. 156 soll ausgeführt worden sein:
„Der Anstieg der Kosten für Beratung und Prüfung im Berichtszeitraum entfällt mit T€ 959 vor allem auf Beratungsleistungen der O plc, im Zusammenhang mit dem Abschluss von Wertpapierleihgeschäften."
Mit Unterstützung durch den Angeschuldigten D sollen die Angeschuldigten B und A die Finanzbehörden darüber im Unklaren gelassen haben, dass das in der Steuererklärung beschriebene Wertpapierleihgeschäft in das vertragliche Gesamtkonzept eingebettet gewesen sei, obwohl alle drei beteiligten Angeschuldigten zumindest billigend in Kauf genommen hätten, dass sich die Erklärungspflicht auch auf diese Angaben bezogen habe. Es sei auch allen bewusst gewesen, dass die O zu keinem Zeitpunkt Beratungsleistungen erbracht habe. Sie hätten noch wie vor Bedenken gegen die steuerrechtliche Zulässigkeit des Modells gehabt. Bei Offenlegung dieses Sachverhalts hätten die Veranlagungsbeamten die Veranlagung nicht auf die folgende Weise durchgeführt.
Ohne Berücksichtigung der steuerlichen Effekte hätte die G AG im Veranlagungsjahr 2006 einen Verlust in Höhe von 906.567,- € erzielt. Erst durch Berücksichtigung der steuerlichen Effekte des § 8b Abs. 1 KStG sei im Steuerbescheid des Finanzamtes vom 11.10.2007 statt der vollen Besteuerung von Zinserträgen in Höhe von 32.738,269,- € lediglich eine Besteuerung von Dividenden in Höhe von 1.636.913,- € erfolgt. Die G AG habe dadurch statt der geschuldeten Körperschaftssteuer auf die erwirtschafteten Zinsen in Höhe von 8.184,567,- € lediglich 409.228,- € abgeführt, so dass sich ein Steuervorteil in Höhe von 7.775.339,- € ergeben habe. Ferner sollen in Folge der unvollständigen Angaben zu Unrecht abgeführte Kapitalertragssteuer in Höhe von 6.547.653,84 € sowie Solidaritätszuschlag in Höhe von 360.120,94 € angerechnet worden sein. Der Verkürzungsbetrag soll sich damit auf insgesamt 15.110.757,12 € belaufen haben, welchen die Angeschuldigten B, A und D zumindest billigend in Kauf genommen hätten.
Insgesamt soll ein Steuerschaden in Höhe von 37.306.005,42 € entstanden sein.
Das Finanzamt erließ am 26.09.2016 geänderte Körperschaftssteuerbescheide, gegen die die H AG als Rechtsnachfolgerin der G AG Klage erhob. Durch Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 28.01.2020 (Az.: 4 K 890/17) wurde die Klage ‒ mit Ausnahme der steuerlichen Berücksichtigung der Leihgebühren ‒ überwiegend abgewiesen.
III.
Die Eröffnung des Hauptverfahrens war aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen abzulehnen.
Aus rechtlichen Gründen ist die Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß §§ 203, 204 Abs. 1 StPO abzulehnen, wenn der zur Anklage gebrachte Sachverhalt auch unter Berücksichtigung des bisherigen gesamten Ermittlungsergebnisses keinen Straftatbestand erfüllt (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 66. Aufl. 2023, § 203 Rn. 1, § 204 Rn. 1 m.w.N.). Aus tatsächlichen Gründen besteht kein hinreichender Tatverdacht, wenn die Beweise keinen hinreichenden Tatverdacht gegen die Angeschuldigten begründen können.
Diese Voraussetzungen lagen vor, denn die Aktenlage trägt den Verdacht der Steuerhinterziehung nicht. Sie belegt für die Veranlagungszeiträume 2005 und 2006 schon nicht, dass die Angeschuldigten objektiv unvollständige Angaben gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO getätigt hätten. In jedem Fall fehlt es an einem hinreichenden Tatverdacht für eine billigende Inkaufnahme einer Steuerverkürzung.
1. Unrichtige/unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen
Die Steuererklärungen in den Veranlagungsjahren 2005 und 2006 enthalten entgegen der Annahme der Staatsanwaltschaft keine unrichtigen oder unvollständigen Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen.
Steuerlich erheblich sind Tatsachen, wenn sie zur Ausfüllung eines Besteuerungstatbestandes herangezogen werden müssen und damit Grund und Höhe des Steueranspruchs oder des Steuervorteils beeinflussen oder wenn sie die Finanzbehörde zur Einwirkung auf den Steueranspruch sonst veranlassen können (BGH, Urteil vom 27.09.2002 - 5 StR 97/02; Joecks/Jäger/Randt/Grötsch, Steuerstrafrecht, 9. Aufl., § 370 AO Rn. 200). Dabei können steuerlich erhebliche Tatsachen sowohl ausdrücklich als auch konkludent erklärt werden (Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 370 Rn. 41). Konkludente Erklärungen erfolgen insbesondere in amtlichen Steuervordrucken, da die erforderlichen Angaben in den amtlichen Vordrucken sich in der Regel in der Wiedergabe von Summen- oder Mengenangaben erschöpfen (vgl. BeckOK-AO/Ibold, 27. Edition 15.01.2024, § 370 Rn. 116 f., 132 f.; MüKo-StGB/Schmitz/Wulf, 4. Aufl., § 370 AO, Rn. 241).
Diesen verkürzten Angaben geht eine rechtliche Subsumtion des Erklärenden unter den zugrunde gelegten Sachverhalt voraus; entsprechend wird neben der angewandten Rechtsansicht auch ein bestimmter Sachverhalt miterklärt. Der Erklärungswert einer konkludenten Aussage bezüglich der miterklärten Tatsache bemisst sich hierbei nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung, den Richtlinien der Finanzverwaltung und der regelmäßigen Veranlagungspraxis (BGH, Urteil vom 10.11.1999 - 5 StR 221/99, juris Rn. 25 f.).
Bei Einreichung einer Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck im Sinne des § 150 Abs. 1 AO wird durch die Nutzung des ausgefüllten Formulars im Übrigen regelmäßig zum Ausdruck gebracht, der Erklärende habe sämtliche erheblichen Umstände vollständig erklärt (Joecks/Jäger/Randt, aaO, Rn. 197). Im Fall von Zweifelsfragen sind die steuerrelevanten Sachverhalte entsprechend der im Steuererklärungsvordruck geforderten Angaben vollständig anzugeben und in einer Anlage oder in einem Freifeld iSv § 150 Abs. 7 S.1 AO auf die eigene Rechtsauffassung hinzuweisen, um jedes Risiko auszuschließen zu können (Klein/Rätke, AO Kommentar, 17. Auflage 2023, § 150 Rn. 24). Bei entsprechender Erläuterung liegt keine Verletzung der Erklärungspflicht vor, denn es obliegt dem Finanzamt, die richtige rechtliche Beurteilung vorzunehmen. Das gilt selbst dann, wenn noch Rückfragen des Finanzamtes erforderlich sind oder der vom Steuerpflichtigen mitgeteilte Sachverhalt zwar unvollständig, aber derart ausführlich ist, dass daraus die Steuerrelevanz geschlossen werden kann (Klein aaO).
Dem Steuerpflichtigen steht es dabei frei, offen oder verdeckt eine ihm günstige steuerrechtliche Gestaltung zu wählen, solange und soweit er die steuerlich erheblichen Tatsachen richtig und vollständig vorträgt und es dem Finanzamt dadurch ermöglicht, die Steuer unter abweichender rechtlicher Beurteilung zutreffend festzusetzen (BGH, Urteil vom 10.11.1999 - 5 StR 221/99, juris Rn. 23). Es steht dem Steuerpflichtigen hingegen nicht frei, den Steuerbehörden aus einem Gesamtsachverhalt nur einen Teil der Tatsachen richtig vorzutragen und sie im Übrigen nach Maßgabe einer nicht offen gelegten, ersichtlich strittigen eigenen rechtlichen Bewertung des Vorgangs zu verschweigen, obwohl die Einzelheiten für die steuerliche Beurteilung bedeutsam sein können (BGH, Urteil vom 19.12.1990 - 3 StR 90/90).
Bei der Vorlage von Steuerbescheinigungen für Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag wird nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs konkludent erklärt, dass auf die vereinnahmten Kapitalerträge Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag tatsächlich einbehalten und mithin erhoben worden ist (BGH, Urteil vom 28.07.2021, 1 StR 519/20, Rn. 50). „Erhoben“ im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG ist die Kapitalertragsteuer, wenn sie vom Schuldner der Kapitalerträge für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge einbehalten wurde (st. Rspr.; vgl. BFH, Urteil vom 23. April 1996 ‒ VIII R 30/93 Rn. 14; FG Hessen, Urteil vom 10. März 2017 ‒ 4 K 977/14 Rn. 99 f.; Blümich/Ettlich, EStG, Stand: Mai 2021, § 36 Rn. 113).
Gemäß § 20 Abs. 2a S. 2 EStG (VZ 2004) ist der Anteilseigner derjenige, „dem nach § 39 der Abgabenordnung die Anteile an dem Kapitalvermögen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen sind.“ Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO sind Wirtschaftsgüter einem anderen als dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen, wenn dieser die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann. Die Vorschrift ist Ausdruck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Steuerrecht. Macht ein anderer geltend, ihm sei ein Wirtschaftsgut gemäß § 39 Abs. 2 S. 1 AO zuzurechnen, ist unter Würdigung der Gesamtumstände zu entscheiden, ob die jeweilige Rechtslage ihm eine eigentumsähnliche Rechtsposition verschafft. Ein Wirtschaftsgut kann dabei nur einem oder mehreren Steuersubjekten gemeinsam und nicht zugleich einem oder mehreren anderen zurechenbar sein (BGH, Urteil vom 28.07.2021 − 1 StR 519/20, Rn. 75).
Im Hinblick auf eine mögliche Steuerumgehung nach § 42 AO kommt es darauf an, ob der Steuerpflichtige das Finanzamt über die Tatsachen, die ihn zur Wahl einer ungewöhnlichen Gestaltung bewogen haben, oder über einzelne Merkmale dieser Gestaltung und der dadurch geregelten Verhältnisse getäuscht oder bewusst im Unklaren gelassen und dadurch dem Finanzamt die Möglichkeit der Prüfung versperrt oder erschwert hat, ob die Voraussetzungen des § 42 AO vorliegen (Joecks/Jäger/Randt/Grötsch, AO, 9. Auflage 2022, § 370 Rn. 214).
a) Veranlagungsjahr 2004
Diesen Vorgaben sind die Angeschuldigten für das Veranlagungsjahr 2004 in objektiver Hinsicht nicht hinreichend nachgekommen. Im Rahmen der Körperschaftssteuererklärung für das Jahr 2004 wurden in Zeile 44b des Mantelbogens KSt 1A Dividendeneinnahmen in Höhe von 8.085.000,- € und in Zeile 3a die Anrechnung der Kapitalertragssteuer in Höhe von 1.617.000,06 € bzw. des Solidaritätszuschlags von 88.934,97 € in Zeile 6 der Anlage WA eingetragen und in den beigefügten Wirtschaftsprüfungsberichten im Band „Erläuterungsteil“ auf S. 50 Tz. 188 näher erklärt. Im Konkreten erläuterten die Angeschuldigten, dass die laufenden Erträge auf Aktien und anderen nicht festverzinslichen Wertpapieren ausschließlich Dividendenerträge aus im Rahmen von Wertpapierleihgeschäften hereingenommenen Sicherheiten betreffen, wobei zum Bilanzstichtag keine Wertpapierleihgeschäfte bestanden. Aus diesen Eintragungen und Angaben konnte die Finanzbehörde noch nicht beurteilen, ob die Gesellschaft wirtschaftliche Eigentümerin der Aktien, für welche Dividenden bezogen wurde, geworden ist. Auch die einzelnen Merkmale der Steuergestaltung wurden hierdurch nicht so mitgeteilt, dass das Finanzamt deren Würdigung nach § 42 AO beurteilen konnte.
b) Veranlagungsjahr 2005 und 2006
Hinsichtlich der Steuererklärung für das Jahr 2005 erklärten die Angeschuldigten in Zeile 44b des Mantelbogens KSt 1A Dividendeneinnahmen in Höhe von 40.002.201,00 € und in Zeile 3a eine Anrechnung der Kapitalertragssteuer von 8.000.440,13 € bzw. des Solidaritätszuschlags von 440.024,18 € in Zeile 6 der Anlage WA. Dazu ergänzten die Angeschuldigten im Wirtschaftsprüfungsbericht, Band „Bericht“, Abschnitt F.V. auf S. 78 Tz. 387, dass „die Bank auf der Grundlage eines „Rahmenvertrages für Wertpapierleihgeschäfte“ und weiterer Ergänzungsvereinbarungen hierzu mehrere kurzfristige Wertpapierleihgeschäfte (Laufzeit bis 5 Wochen) mit einer anderen Bank tätigte“. Sie führten ferner dazu aus, dass die Bank dabei „als Darlehensgeber festverzinsliche Wertpapiere im Nominalwert von insgesamt 1.359,4 Mio. EUR erhalten“ habe, wobei „die während der Laufzeit der Wertpapierleihgeschäfte fälligen und ausgezahlten Dividenden in Höhe von 40,00 Mio. EUR an den als Sicherheit erhaltene Aktien von der Bank vereinnahmt“ wurden. Weiter seien „aus den als Sicherheit erhaltenen festverzinslichen Wertpapieren keine Zinszahlungen während der Laufzeit der Wertpapierleihgeschäfte von der G vereinnahmt“ worden. Weiter wurde ausgeführt, dass zum Stichtag 31.12.2005 keine Wertpapierleihgeschäfte bestanden hätten und „die G im Zusammenhang mit diesen Geschäften Wertpapierleihgebühren von zusammen T€ 43 vereinnahmt“ habe. Zudem wurde im Band „Erläuterungsteil“, S.5, Tz.90 erläutert, dass „die laufenden Erträge aus Aktien und anderen nicht festverzinslichen Wertpapieren insgesamt Dividendenerträge aus Wertpapierleihgeschäften“ betreffen. Dazu verwiesen sie auf die Erläuterungen im Abschnitt F.V. des Hauptberichts. Ferner erfolgten im Band Teilprüfungsbericht, S. 45, Tz. 174 die Erläuterungen: „die Kosten für Beratung und Prüfung im Berichtszeitraum entfallen mit 1,2 Mio. EUR vor allem auf Beratungsleistungen der O plc, im Zusammenhang mit dem Abschluss von Wertpapierleihgeschäften.“
Hinsichtlich der Steuererklärungen für das Jahr 2006 erklärten sie ebenfalls in Zeile 44b des Mantelbogens KSt 1A Dividendeneinnahmen in Höhe von 32.738.269,00 € und in Zeile 3a eine Anrechnung der Kapitalertragssteuer von 6.547.653,84 € bzw. des Solidaritätszuschlags von 360.120,94 € in Zeile 6 der Anlage WA. Dazu erläuterten sie im Band „Bericht“, unter E.III.2 Wertpapierleihgeschäfte, Tz 110, dass „die Bank im Geschäftsjahr auf Grundlage eines „Rahmenvertrages für Wertpapierleihgeschäfte“ und weiterer Ergänzungsvereinbarungen hierzu mehrere kurzfristige Wertpapierleihgeschäfte (Laufzeit bis 4 Wochen) mit einer anderen Bank“ tätigte. Dabei habe „die Bank als Darlehensgeber festverzinsliche Wertpapiere im Nominalwert von insgesamt 1.849,6 Mio. EUR verliehen und als Sicherheit Aktien mit einem Kurswert von zusammen 1.858,7 Mio. EUR sowie weitere festverzinsliche Wertpapiere mit Nominalwerten von insgesamt 270,0 Mio. EUR erhalten“, wobei „die während der Laufzeit der Wertpapierleihgeschäfte fälligen und ausgezahlten Dividenden in Höhe von 32,7 Mio. EUR an den als Sicherheit erhaltenen Aktien von der Bank vereinnahmt“ wurden. „Aus den als Sicherheit erhaltenen festverzinslichen Wertpapieren“ seien „keine Zinszahlungen während der Laufzeit der Wertpapierleihgeschäfte von der G vereinnahmt“ worden. Weiter wurde ausgeführt, dass „die Bank (zusätzlich) eine Ausgleichzahlung in Höhe von 13,9 Mio. EUR erhalten“ habe, „die als Zinserträge ausgewiesen wurden“. „Die während der Laufzeit fälligen aus ausgezahlten Zinsen aus den verliehenen festverzinslichen Wertpapieren in Höhe von 46,4 Mio. EUR“ seien „von der Entleiherin der festverzinslichen Wertpapiere vereinnahmt“ worden. „Zum Stichtag 31.12.2006 (haben) keine Wertpapierleihgeschäfte“ bestanden. „Die G habe zudem „im Zusammenhang mit diesen Geschäften Wertpapierleihgebühren von zusammen T€ 45,6 vereinnahmt.“ Weiter hieß es im Band „Erläuterungsteil“, S.48, Tz.183, dass „die laufenden Erträge aus Aktien und anderen nicht festverzinslichen Wertpapieren insgesamt Dividendenerträge aus Wertpapierleihgeschäften“ betreffen. Dazu verwiesen sie auf die Erläuterungen im AbschnittE.III.2 des Teilprüfungsberichts II. Ferner führten sie im Band „Erläuterungsteil“, S. 42, Tz. 156, aus, dass „der Anstieg der Kosten für Beratung und Prüfung im Berichtszeitraum mit T€ 959 vor allem auf Beratungsleistungen der O plc, im Zusammenhang mit dem Abschluss von Wertpapierleihgeschäften“ entfalle.
Damit lagen Steuerklärungen vor, die sämtliche erforderlichen Tatsachen enthielten. Insbesondere wird in den Erläuterungsteilen der Steuerklärungen die Wertpapierleihe und die Verknüpfung mit den als Sicherheit erhaltenen Aktien offengelegt. Den Erläuterungsteilen war in den Veranlagungsjahren 2005 und 2006 weiter zu entnehmen, dass „keine Zinszahlungen während der Laufzeit der Wertpapierleihgeschäfte von der G vereinnahmt“ worden seien.
Damit wurden die Veranlagungsbeamten der jeweils zuständigen Finanzämter in die Lage versetzt, die rechtlichen Auswirkungen der Wertpapierleihe ‒ insbesondere den Übergang des wirtschaftlichen neben dem zivilrechtlichen Eigentum auf die G AG gemäß § 39 Abs. 1 AO sowie einen möglichen Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 AO ‒ eigenständig zu prüfen.
Es war insbesondere nicht nötig, das vertragliche Gesamtkonzept in allen Einzelheiten darzulegen. Wie die steuerrechtliche Zulässigkeit der konkreten Ausgestaltung der Wertpapierleihegeschäfte der G AG in den Veranlagungsjahren 2004 bis 2006 zu beurteilen war, hatte die Rechtsprechung zum damaligen Zeitpunkt noch nicht tragend entschieden. Es existierte im Tatzeitraum keine oberfinanzgerichtliche Rechtsprechung zu der anklagegegenständlichen Sachverhaltskonstellation. Erstmals durch Urteil vom 16.04.2014 nahm der BFH in einem sog. cum-ex-Fall an, dass das wirtschaftliche Eigentum dann ausscheide, wenn der Erwerb der Aktien mit einem modellhaft aufgelegten Gesamtvertragskonzept verbunden ist, nach welchem der Initiator den Anteilserwerb fremdfinanziert, der Erwerber der Aktien unmittelbar nach ihrem Erwerb dem Initiator im Wege einer sog. Wertpapierleihe bis zum Rückverkauf weiterreicht und der Erwerber das Marktpreisrisiko der Aktien im Rahmen eines sog. Total-Return Swap-Geschäfts auf den Initiator überträgt (Leitsatz des Urteils vom 16.04.2014, I R 2/12 ‒ zitiert nach beck-online). Hierbei wird erstmals in Weiterentwicklung der bis dato ergangenen Rechtsprechung auf das Gesamtvertragskonzept entscheidend abgestellt und ausgeführt, dass die einzelnen Komponenten des Geschäfts für sich genommen noch nicht zur Versagung des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums führen würden (Urteil vom 16.04.2014, Rz. 33 ‒ zitiert nach beck-online). Damit wurde die bisher lediglich für andere Konstellationen bestehende Rechtsprechung zum wirtschaftlichen Eigentum in einem wesentlichen Punkt fortentwickelt (vgl. dazu FG Hessen, Urteil vom 28.01.2020).
Mit Urteil vom 18.08.2015 (I R 88/13) entschied der Bundesfinanzhof für den Fall der Wertpapierleihe, dass das wirtschaftliche Eigentum an Aktien, die im Rahmen einer sogenannten Wertpapierleihe an den Entleiher zivilrechtlich übereignet wurden, ausnahmsweise beim Verleiher bleiben könne, wenn die Gesamtwürdigung der Umstände ergebe, dass dem Entleiher lediglich eine formale zivilrechtliche Rechtsposition verschafft werden sollte (Leitsatz, zitiert nach beck-online). Als relevante Umstände wurde hierbei angesehen, dass die Geschäfte nicht darauf angelegt waren, der Klägerin in einem wirtschaftlichen Sinne Erträge zukommen zu lassen, keine Liquiditätsvorteile ersichtlich seien, diese keine Stimmrechte ausüben wollte und auch kein endgültiger Übergang der Chancen und Risiken erfolgte. Wertsteigerungschancen ergaben sich aufgrund des konkreten Modells nicht einmal im abstrakten Sinne. Eine Gesamtwürdigung ergebe daher, dass der Klägerin lediglich eine formale zivilrechtliche Position ‒ eine leere Eigentumshülle ‒ verschafft wurde, die es ihr ermöglichen sollte, formal steuerfreie Dividenden zu beziehen (Urteil vom 18.08.2015, Rz.21, zitiert nach beck-online).
Mit Urteil vom 28.01.2020 entschied das Hessische Finanzgericht für den der Anklage zugrundeliegenden Sachverhalt, dass basierend auf den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 16.04.2014 und 18.08.2015 auch im Streitfall von eines solchen Konstellation auszugehen sei.
Entscheidend sei dabei, dass die wechselseitigen Austauschgeschäfte darauf angelegt waren, dass weder eine wirtschaftliche Fruchtziehung aus den überlassenen Aktien bzw. Wertpapieren erfolgen sollte noch eine wirtschaftliche Zwischennutzung der Papiere beabsichtigt war. Sie waren ferner nicht darauf angelegt, Stimmrechte oder sonstige Verwaltungsrechte zu verschaffen und es bestand keinerlei Liquiditätsvorteil. Auch hier ‒ so das Hessische Finanzgericht ‒ war aufgrund der Gesamtwürdigung davon auszugehen, dass es bei den wechselseitigen Austauschgeschäften lediglich darum ging, eine leere Eigentumshülle zu übertragen, um die steuerlichen Vorteil in Form der Steuerfreistellung der Dividendenerträge nach § 8b KStG zu erhalten. Schließlich hat das Hessische Finanzgericht auch § 42 AO als anwendbar angesehen.
Daraus folgt, dass die Erträge aus den Aktien nicht als Dividendenerträge im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu qualifizieren und deswegen keine Bezüge im Sinne von § 8b Abs. 1, 5 KStG sind, die der Steuerfreistellung unterlägen.
In den jeweiligen Veranlagungsjahren 2004 bis 2006 herrschte allerdings noch eine andere Sichtweise der oberfinanzgerichtlichen Rechtsprechung, der Finanzverwaltung sowie der Kommentarliteratur vor. Die Rechtsprechung im Tatzeitraum ging noch regelmäßig davon aus, dass entsprechend der Regelvermutung in § 39 Abs. 1 AO das wirtschaftliche Eigentum dem zivilrechtlichen Eigentum folgt. Im Fall einer Sicherungsübereignung, wie sie vorliegend hinsichtlich der Aktien zumindest kurzfristig bis zur Rückübertragung erfolgte, war danach das wirtschaftliche Eigentum regelmäßig auch dem Sicherungseigentümer zuzurechnen (vgl. BFH Urteil vom 17.01.2001 ‒ I R 97/00 und aus den Jahren 2011: FG Hamburg, Urteil vom 24.11.2011 ‒ 6 K 22/10 sowie Auffassung d. Finanzverwaltung u.a. BMF vom 03.04.1990, IV B 2-S 2134-2/90).
Im Fall der Wertpapierleihe war ebenfalls grundsätzlich anerkannt, dass das wirtschaftliche Eigentum auf den Entleiher übergeht (vgl. im Einzelnen Rau, DStR 2015, 2048ff.).
Insbesondere wurde bis zur Entscheidung des BFH im Jahr 2014 noch nicht auf das Gesamtvertragskonzept abgestellt. Von daher kann auch vom Steuerpflichtigen nicht verlangt werden, Angaben zur Einbettung der Geschäfte in das Gesamtvertragskonzept zu tätigen, wie es die Anklage verlangt. Dies würde ihm ex post auferlegen, Angaben zu tätigen, die aus damaliger Sicht für das wirtschaftliche Eigentum nicht relevant erschienen und damit auch nicht steuerlich erheblich sein konnten.
Die Verknüpfung von Wertpapierleihgeschäften und Sicherheiten durch die Gestellung von Aktien kommt bereits in den noch kursorisch gefassten Angaben im Geschäftsbericht für das Jahr 2004 zum Ausdruck, wo es heißt:
„Die laufenden Erträge aus Aktien und anderen nicht festverzinslichen Wertpapieren betreffen ausschließlich Dividendenerträge aus im Rahmen von Wertpapierleihgeschäften hereingenommenen Sicherheiten. Zum Bilanzstichtag bestanden keine Wertpapierleihgeschäfte."
Die Angaben für das Jahr 2005 konkretisierten diese Geschäfte, so dass deren wesentlicher Aspekt ‒ ein Tausch von Aktien und festverzinslichen Wertpapieren ‒ für die Steuerbehörden erkennbar war.
Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob aus den Zeugenaussagen der zuständigen Sachbearbeiter beim Finanzamt FA1 bis FA 4 tatsächlich bewiesen werden kann, dass die Festsetzungen der Veranlagung anders erfolgt wären, wenn die Angeschuldigten weitere Einzelheiten der vertraglichen Einbettung der Wertpapierleihe dargelegt hätten.
Der Zeuge FA1 war zuständiger Sachbearbeiter des Finanzamtes L-Stadt betreffend des Kalenderjahres 2004 und erklärte bei seiner Vernehmung, dass er die Körperschaftssteuererklärung der G AG für das Jahr 2004 als übersichtlich und plausibel bewertet habe. Nachfragen hätten sich ihm nicht aufgedrängt.
Die Zeugin FA2 war zuständige Sachbearbeiterin für das Jahr 2005 und bekundete, dass sich für sie auch bei heutiger Durchsicht der Körperschaftsteuererklärung und Anlagen keine steuerlichen Besonderheiten in den Veranlagungsarbeiten ergeben. Sie würde den Körperschaftsteuerbescheid 2005 auch heute unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagen.
Der Zeuge FA3 gab an, dass man anhand der damals vorgelegten Unterlagen nicht habe abschließend beurteilen können, ob das wirtschaftliche Eigentum auf die G AG übergegangen sei und er die Veranlagung heute wieder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durchführen würde. Die Aussage lässt den Schluss zu, dass der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums jedenfalls nicht ausgeschlossen war und die Auffassung der Angeschuldigten dahingehend daher nicht unvertretbar erschien.
Der Zeuge FA4 erläuterte, dass er im Fall von Auffälligkeiten, die sich aus der Einsicht der Steuerklärungen ergäben, vor Durchführung der Veranlagung den Sachgebietsleiter einbeziehe und gegebenenfalls Kontakt mit der Betriebsprüfung aufnehme. Das habe er hinsichtlich der Veranlagung der G AG für das Jahr 2006 nach seiner Erinnerung nicht gemacht.
Sämtliche Sachbearbeiter, die als Zeugen vernommen wurden, gaben schließlich ‒ nachdem sie mit einer schriftlichen Darstellung des bis zur Vernehmung bekannten Sachverhaltes bekannt gemacht und konkret nach Konsequenzen gefragt wurden ‒ weiterhin an, dass sie in Kenntnis dieses Sachverhaltes hypothetisch weitere Maßnahmen ergriffen hätten. So gab der Zeuge FA4 beispielsweise an, dass er die Veranlagung für das Jahr 2006 nicht durchgeführt und sich mit der Betriebsprüfung in Verbindung gesetzt hätte. Ferner gab der Zeuge FA1 an, er hätte mit diesen Erkenntnissen die einschlägigen Verträge und detaillierten Aufstellungen zur Freistellung gem. § 8b KStG angefordert.
Die Zeugenaussagen müssen jedoch vor dem Hintergrund gewürdigt werden, dass die Bewertung des § 39 Abs. 1 AO zum Vernehmungszeitpunkt bereits seit ca. 10 Jahren anders zu beurteilen war, als in den Jahren 2004 bis 2006 davor. Sämtliche vernommenen Sachbearbeiter werteten die eingereichten Steuererklärungen mit den in den Wirtschaftsprüfungsberichten gemachten Angaben aus heutiger Sicht in der Weise, dass fraglich erscheine, ob das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien tatsächlich auf die G AG übergegangen sei. Diese Bewertung hat mithin nur eine sehr begrenze Aussagekraft für den Tatzeitraum. Im Zeitpunkt der Veranlagung erkannten die Zeugen die Problematik trotz der vorgetragenen Tatsachen und ausdrücklichen Erwähnung der Wertpapierleihe tatsächlich nicht und äußerten keine Zweifel.
Danach genügte es, dass die Angeschuldigten in den Steuerklärungsvordrucken, die den Erklärungen zugrunde gelegten Tatsachen und Beträge darlegten und in den Anlagen, insbesondere den angehängten Wirtschaftsprüfungsberichten erläuternd auf die kurzfristige Wertpapierleihe hinwiesen.
2. Fehlende billigende Inkaufnahme der Steuerrechtswidrigkeit
Jedenfalls handelten die Angeschuldigten nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen in allen drei Fällen ohne Hinterziehungsvorsatz im Sinne des § 16 StGB, so dass es insoweit auch aus tatsächlichen Gründen am hinreichenden Tatverdacht fehlt.
Für eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung bedarf es keiner Absicht und keines direkten Vorsatzes. Der Täter muss wissen, dass gegen ihn ein bestimmter Steueranspruch besteht und dass die Folge seines Tuns oder Unterlassens die Verkürzung dieses Anspruchs ist, also dass er den Steueranspruch dem Grunde und der Höhe nach kennt (oder zumindest für möglich hält) und ihn auch verkürzen will (BGHSt 5, 92; BGH GA 1977, 344; BGH wistra 1986, 174; 1986, 220; 1989, 263; 1990, 193, 194; 1995, 191; 1998, 225, 226; BGH wistra 2011, 465; BGHSt 48, 108, 117; BGH NStZ-RR 2018, 180; BayObLGSt. 1974, 99; BayObLG NJW 1976, 635; OLG Karlsruhe BB 1979, 1134; OLG Köln ZfZ 1981, 342). Der Hinterziehungsvorsatz setzt weder dem Grunde, noch der Höhe nach eine sichere Kenntnis des Steueranspruchs bzw. der steuerrechtlichen Lage voraus (BGH, Urteil vom 16.12.2009 - 1 StR 491/09, Rn. 37; Urteil vom 08.09.2011 - 1 StR 38/11, juris Rn. 21). Notwendig, aber auch genügend ist vielmehr, dass der Täter die eine Steuerhinterziehung ausfüllenden objektiven Tatbestandsmerkmale im Rahmen einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“ zutreffend erfasst (FG Köln, Urteil vom 16.01.2019 - 11 K 2194/16, juris Rn 71). Die Kenntnis aller Einzelheiten, insbesondere eine konkrete Vorstellung über die korrekte Einordnung des von ihm nicht, nicht richtig oder unvollständig erklärten Sachverhalts oder der genauen gesetzlichen Grundlagen des Steueranspruchs, ist nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 08.09.2011 - 1 StR 38/11, juris Rn. 21; FG Köln, Urteil vom 16.01.2019 - 11 K 2194/16, juris Rn 71). Ob ein Tatbeteiligter nach diesen Maßgaben vorsätzlich handelte oder nicht, bemisst sich nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände, die für sein Vorstellungsbild von Bedeutung waren (BGH, Urteil vom 08.09.2011 - 1 StR 38/11, juris Rn. 25).
Ein Tatbestandsirrtum, der zum Vorsatzausschluss führt, liegt auch vor, wenn der Irrtum auf einer falschen steuerrechtlichen Würdigung eines zutreffend wahrgenommenen Sachverhalts beruht (Erbs/Kohlhaas/Hadamitzky/Senge, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand 2019, § 370 Rn. 66).
Den Angeschuldigten war nach Würdigung der bisherigen Ermittlungsergebnisse nicht bewusst, dass die G AG mit Abgabe der Steuererklärung die Freistellung nach § 8b Abs. 1 KStG zu Unrecht erzielte und die Kapitalertragssteuer nicht anrechenbar war, da sie von der damaligen Rechtslage und dem Zusammenfallen des wirtschaftlichen und zivilrechtlichen Eigentums im Fall der Wertpapierleihe gemäß § 39 Abs. 1 AO ausgingen. Das subjektive Vorstellungsbild der Beteiligten kann vorliegend aus den vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Gutachten, geschlossen werden. Wie bereits ausgeführt ging die Rechtsprechung im Veranlagungszeitraum noch davon aus, dass bei Wertpapierleihen wirtschaftliches Eigentum des Entleihers begründet wird. So heißt es im Gutachten von Kanzlei T vom 28.02.2003 für die S-Bank unter Zf. 3.4ff.:
3.6. Um in den Genuss der Steuerfreistellung für Dividenden nach § 8b KStG 2001 zu kommen, muss der Investor am jeweiligen Dividendenstichtag nicht nur rechtlicher, sondern auch, wirtschaftlicher Eigentümer (39 AO) der Aktien sein, § 20 Abs. 2a EStG. Wir gehen davon aus, dass der Investor an den entsprechenden Stichtagen rechtlicher Eigentümer der Aktien ist. Er ist nur dann nicht ihr wirtschaftlicher Eigentümer, wenn ein Dritter die tatsächliche Kontrolle über die Aktien dergestalt ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO).
3.7 Im vorliegenden Fall beeinträchtigt die Verpflichtung des Investors aus der Wertpapierleihe, die Aktien auf S-Bank zurückzuübertragen, nicht seine Rechtsstellung in Bezug auf die mit den ausländischen Aktien verknüpften Mitgliedschaftsrechte und Eigentumsrechte. Die Dividendenbezugsrechte, Stimmrechte und das Recht, die Aktien zu verkaufen oder zu verpfänden, werden in keiner Weise durch die Wertpapierleihe/Sicherungsabrede beeinträchtigt.
3.8 Die Sicherungsabrede begründet nur eine Verpflichtung des Investors, eine im voraus festgelegte Anzahl an Aktien gleicher Art und Güte bei Fälligkeit der Wertpapierleihe zurückzugeben. Diese Verpflichtung kann auch mit anderen Anteilen als den ursprünglich erhaltenen erfüllt werden, d.h. der Investor ist nicht verpflichtet, dieselben Aktien zu liefern.
3.10. Es gibt keine aktuellen Fälle aus der Rechtsprechung, die sich mit der Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums von unter einem Sicherungsgeschäft übertragenen Wertpapieren befassen. In älteren Fällen haben sowohl der Bundesfinanzhof als auch die Finanzverwaltung das wirtschaftliche Eigentum an Anteilen, die bei echten Pensionsgeschäflen übertragen wurden, stets dem rechtlichen Eigentümer zugeordnet. Indes ist die bilanzrechtliche Behandlung dieser Geschäftsform in der Fachliteratur umstritten. Ansatzpunkt des Streites ist § 340b (4) HGB, der 1993 als Vorschrift für Kreditinstitute ins Handeisgesetzbuch aufgenommen wurde, aber dennoch als Teil der deutschen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung angesehen wird. Diese Vorschrift ordnet das wirtschaftliche Eigentum dem Verkäufer der Wertpapiere unter einem Repo-Agreement dann zu, wenn der Erwerber eine unbedingte Verpflichtung zur Rückübertragung der Wertpapiere auf den Veräußerer hat (echtes Pensionsgeschäft).
3.11 Nach unserer Auffassung gilt § 340b HGB jedoch nicht für die steuerrechtliche Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums, da im Steuerrecht § 39 AO als lex specialis Anwendung findet. Die Anwendung des § 39 AO kann zu einer von § 340b Abs. 4 HGB abweichenden Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums im Sinne des Steuerrechts führen, wenn der rechtliche Eigentümer nur zur Rückübertragung von Anteilen derselben Art und Güte verpflichtet ist und bis zur Erfüllung seiner Rückübertragungspflicht frei über die erhaltenen Anteile verfügen kann. Diese Ansicht wird nun auch in verschiedenen Stellungnahmen in der Fachliteratur vertreten. Zudem werden die Aktien im vorliegenden Fall nicht unter einem Repo-Agreement übertragen.
Die den Angeschuldigten vorgelegene gutachterliche Stellungnahme der Kanzlei U verweist auf die Auffassung der Finanzverwaltung und führt aus (Bl. 52 Anlagenband 2):
Kern der Auffassung der Finanzverwaltung ist somit, daß es bei der Wertpapierleihe zur Verlagerung des zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Eigentums kommt und somit auch die Einkünfte
jeweils auf den Darlehensnehmer verlagert werden. Diese Auffassung entspricht zudem auch
der neuesten höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung, wie aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs - vom 17.10.2001, Az. l R 97/00, BFH/NV 2002, 240, - hervorgeht: (…)
Die Einschätzung von RA V vom 24.05.2004, der von dem Angeschuldigten D beauftragt wurde, lautete wie folgt:
Bezüglich der Zurechnung der Erträge aus den im Wege des Wertausgleichs als Sicherheit auf die G übertragenen Aktien und Schuldverschreibungen ist U.E. wie folgt zu differenzieren:
Für Dividenden (Einkünfte i.S.d. § 20 Abs. f Nr. 1 EStG) enthält § 20 Abs. 2a EStG die ausdrückliche Regelung, dass diese dem Anteilseigner, d.h. demjenigen zuzurechnen sind, dem die Anteile im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses nach § 39 AO zuzurechnen sind. Die Dividenden für die als Wertausgleich auf die G übertragenen Aktien sind der G daher steuerlich insoweit zuzurechnen, als die G im Zeitpunkt des GewinnverteilungsbeschIusses zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien ist. Dies sollte u.E. jedenfalls dann der Fäll sein, wenn die G über die Aktien frei verfügen (d.h. diese insbesondere auch übertragen, weiterverleihen, verkaufen oder weiterverpfänden) und das mit den Aktien verbundene Stimmrecht ausüben kann. Unabhängig davon sind wir der Auffassung, dass die G zur Erzielung der gewünschten steuer1ichen Folgen das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien dadurch dokumentieren muss, dass die übertragenden Aktien in der Handelsbilanz der G ausgewiesen werden.
Da die letztgenannten Gutachten die Basis für die Entscheidung über die Durchführung der Geschäfte im Tatzeitraum bildeten, muss davon ausgegangen werden, dass die Angeschuldigten sich diese Rechtsauffassungen zu eigen machten und dementsprechend von einem wirtschaftlichen Eigentum ausgingen. Denn die Gutachten wurden aufgrund des zutreffenden Sachverhaltes angefertigt, wobei als Gutachter unparteiische, neutrale Dritte eingesetzt wurden und nicht allein ein zu erzielendes Ergebnis im Vordergrund stand, d.h. der Auftrag ergebnisoffen erteilt wurde. Es handelte sich nicht um bloße „Feigenblatt“- oder „Gefälligkeitsgutachten“, weil entweder der Sachverhalt unvollständig oder falsch untersucht oder die beauftragten Gutachter finanziell an der Durchführung der Geschäfte partizipierten und die Angeschuldigten hiervon Kenntnis hatten (vgl. dazu Urteil der Kammer vom 01.11.2022 ‒ 6 KLs 1111 Js 27125/12 zu einem sog. cum-ex-Sachverhalt). Damit liegt ein Tatumstandsirrtum vor.
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Relevanz des Gesamtvertragskonzepts, auf dessen Kenntnis und Nichtangabe sich die Anklage entscheidend stützt, erstmals in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 16.04.2014 (I R 2/12) entwickelt wurde, so dass kein Anlass bestand, sich über die eine entsprechende Erklärung Gedanken zu machen.
Schließlich ist auch nicht ‒ wie bei Kenntnis von der mehrfachen Anrechnung von Kapitalertragssteuer bei sog. cum-ex-Geschäften ‒ evident, dass eine solche steuerrechtliche Gestaltung den Steueranspruch des Staates verletzt. Ein bei den cum-ex-Geschäften erzielter „Griff in die Staatskasse“ infolge einer mehrfachen Anrechnung einer einmal (für den wirtschaftlichen Eigentümer erhobenen) Steuer liegt hier nicht vor. Es handelt sich um eine Steuergestaltung mit dem Ziel der Erzielung eines steuerlichen Effekts, ohne dass diesem die Steuerrechtswidrigkeit „auf die Stirn geschrieben“ wäre. Diese wurde vielmehr erst viele Jahre später durch die Finanzgerichte bestätigt.
Die Änderung der rechtlichen Beurteilung zu einem späteren Zeitpunkt war für sie im Tatzeitpunkt nicht erkennbar oder dergestalt zu erwarten, dass sie diese billigend in Kauf genommen hätten. Vielmehr gingen sie davon aus, dass ihre steuerliche Behandlung zutreffend war.
Gleiches gilt im Ergebnis für die Einschätzung der Geschäfte als nicht missbräuchlich i.S.d. § 42 AO.
Allein die Tatsache, dass die Angeschuldigten als Verantwortliche der G AG eine ihnen günstige steuerrechtliche Gestaltung wählten, lässt keinen Schluss auf einen Hinterziehungsvorsatz zu. Auch dass die gewählte Gestaltungmöglichkeit inzwischen von den Finanzgerichten als Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO eingestuft wurde, führt per se zu keinem anderen Ergebnis. Denn eine Steuerumgehung ist grundsätzlich weder verboten noch strafbar. Legt der Steuerpflichtige die „gestalteten“ Verhältnisse pflichtgemäß offen, kann die Finanzverwaltung die Steuer nach § 42 AO festsetzen. Eine Steuerhinterziehung kann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige pflichtwidrig unvollständige oder unrichtige Angaben macht, um das Vorliegen einer Steuerumgehung zu verschleiern. Das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG gebietet es aber, dass im Falle der Steuerhinterziehung durch Steuerumgehung nach § 42 AO eine Fallgruppe betroffen ist, für welche die Rechtsprechung im Zeitpunkt der Tatbegehung bereits hinreichend bestimmte Grundsätze herausgearbeitet hat (Klein/Ratschow, 17. Aufl. 2023, AO § 42 Rn. 15). Daran fehlt es wie dargestellt im vorliegenden Fall.
Zur Klärung der rechtlichen Zulässigkeit der Wertpapierleihe und insbesondere der als Problem erkannten Frage der Steuerumgehung nach § 42 AO wurden mehrere Steuerkanzleien/Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beauftragt, mit deren angefertigten Rechtsgutachten sich die Angeschuldigten auseinandersetzten. Dabei wurden die Gutachten ‒ wie ausgeführt ‒ aufgrund des zutreffenden Sachverhaltes angefertigt, wobei als Gutachter unparteiische, neutrale Dritte eingesetzt wurden und nicht allein ein zu erzielendes Ergebnis im Vordergrund stand, d.h. der Auftrag ergebnisoffen erteilt wurde. Hervorzuheben gilt dabei auch insbesondere, dass die Angeschuldigten über das von der O vorgelegte Gutachten der Kanzlei U, welches zur Nichtanwendbarkeit des § 42 AO kam, hinaus ein eigenes Gutachten bei RA V (Kanzlei W) in Auftrag gaben. Insbesondere der Frage nach einem etwaigen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO wurde darin nachgegangen. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, die Gutachter hätten die Angeschuldigten darauf hingewiesen, dass letztlich eine Einzelfallentscheidung über die Zulässigkeit des Gestaltungsmodells getroffen werden würde, ist nicht geeignet einen Schluss auf die inneren Tatsachen der Angeschuldigten zu führen. Vielmehr stellen die Hinweise pauschale Ausführungen dar, die nicht geeignet sind über das Ergebnis des Gutachtens hinaus ernsthafte Zweifel bei den Angeschuldigten zu erwecken. Vielmehr weist der Gutachter auf das grundsätzlich bestehende Risiko der Einzelfallentscheidung des Gerichts hin.
Soweit die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Z gegen Ende des Jahres 2005 gegenüber den Angeschuldigten ernsthafte Bedenken äußerte, reagierten die Angeschuldigten darauf in der Weise, dass sie weitere Einzelheiten der Wertpapierleihgeschäfte in den Anlagen der jeweiligen Steuererklärungen darlegten und damit in der Gesamtschau auch dahingehend der objektive Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht erfüllt ist.
Damit nahmen die Angeschuldigten nicht mit der für eine Verurteilung hinreichenden Wahrscheinlichkeit billigend in Kauf, dass sie einen Steueranspruch des Staates verletzten und handelten ohne den erforderlichen Hinterziehungsvorsatz.
Hinzu tritt, dass der Nachweis des Gehilfenvorsatzes der Angeschuldigten E und D nach Aktenlage voraussichtlich nicht gelingen wird. Die Angeschuldigten stellten sich in ihrer Einlassung als ausführende weisungsgebundene Mitarbeiter dar, die „Opfer schlechter Beratung“ durch die jeweils anweisende Person geworden seien. Nach Rspr. des BGH (vgl. BGH, Urt. vom 01.08.2000 ‒ 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107) ist ebendies bei der Bewertung „berufstypischen Verhaltens“ auszuschließen. Insbesondere reicht ein bedingter Tatvorsatz für eine Verurteilung aufgrund berufstypischen Verhaltens nicht aus; erforderlich wäre vielmehr ein „dolus directus“. Bedingter Vorsatz kann in dem Fall allenfalls ausreichen, wenn „das für die Angeschuldigten erkennbare Risiko strafbaren Verhaltens besonders hoch“ gewesen ist. Dies schließt die Staatsanwaltschaft jedoch allein aus den Gesamtumständen der Abwicklung der Wertpapierleihgeschäfte, ein konkretes Risikobewusstsein der Angeschuldigten D bzw. E führt sie jedoch nicht an und ist auch dem bisherigen Ermittlungsergebnis nicht zu entnehmen. Vielmehr wurde das Risiko eines Gestaltungsmissbrauchs bereits nach anwaltlicher Beratung als gering angesehen, so dass das hohe Risiko strafbaren Verhaltens erst recht nicht erkennbar gewesen sein kann.
Daher besteht kein hinreichender Tatverdacht für eine Straftat der Körperschaftssteuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.
12.02.2024
6 KLs 1141 JS 23920/12
Tenor
Die Eröffnung des Hauptverfahrens wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen der Angeschuldigten fallen der Staatskasse zu Last.
Gründe
I.
Mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wiesbaden vom 30.09.2021 wird den Angeschuldigten vorgeworfen, im Zeitraum vom 19.03.2004 bis zum 11.10.2007 in Stadt F und anderen Orten jeweils gemäß §§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1, 39, 42 AO, 8 Abs. 1 Satz 1, 31 Abs. 1 Satz 1 KStG, 15 Abs. 1 Nr. 1, 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, Abs. 2a, 36 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG, 52,53 StGB und teilweise gemeinschaftlich handelnd nach § 25 Abs. 2 StGB als Verantwortliche der G AG (im Folgenden nur noch G AG) Körperschaftssteuern und Solidaritätszuschläge in drei Fällen zum Vorteil der G AG hinterzogen bzw. sich jedenfalls daran nach § 27 Abs. 1 StGB beteiligt zu haben.
Die G AG, die im Jahr 2009 auf die H AG verschmolzen wurde, war bis zum Erwerb der Aktien durch die J AG im Oktober 2007 eine Gesellschaft, die zum Konzern der irischen G Bank plc mit Sitz in K-Stadt gehörte. Im August 2006 verlegte die G AG, die bis dahin ihren Sitz in L-Stadt gehabt hatte, diesen nach M-Stadt.
Das Hauptgeschäftsfeld der G AG bestand in der weltweiten Finanzierung von Staaten und Kommunen in Gestalt direkter Kreditvergaben und dem Ankauf von Staatsanleihen. Auf Grund ihrer Gesellschaftsform als Aktiengesellschaft war die G AG bzgl. Ihrer erwirtschafteten Gewinne körperschaftssteuerpflichtig. Sie war darüber hinaus buchführungspflichtig und ermittelte ihre Gewinne nach den Regeln des HGB.
Der Angeschuldigte A war von Juli 2006 bis April 2010 Vorstandsmitglied der G AG und hier verantwortlich für den Bereich Finanzen, Risiko, Operations, IT und Audit.
Der Angeschuldigte B war im Tatzeitraum Prokurist der G AG und Leiter der Abteilung Legal/Tax (Steuerabteilung).
Der Angeschuldigte C war von Juni 2002 bis Juni 2005 Vorstandsmitglied der G AG und hier verantwortlich für die Bereiche IT, Financial Controlling, Recht und Steuern.
Der Angeschuldigte D war im Tatzeitraum Mitarbeiter der Abteilung Legal/Tax (Steuerabteilung) der G AG, welche vom Angeschuldigten B geleitet wurde.
Der Angeschuldigte E war von 2002 bis April 2007 Finanzvorstand der G Bank plc, der Muttergesellschaft der G AG. Von Juni 2005 bis Januar 2006 war er zusätzlich Vorstandsmitglied der G AG.
II.
Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wiesbaden soll der Angeschuldigte C am 17.10.2023 im Rahmen einer Werbeaktion der N Beratungsgesellschaft GmbH (im Folgenden N) von einem „Steuermodell“ erfahren haben, dass die N in Kooperation mit der O plc (im Folgenden O) vertrieb. Es soll sich dabei um eine Wertpapierleihe gehandelt haben, bei der festverzinsliche Wertpapiere hingegeben und als Sicherheiten im Tausch deutsche Standardaktien hereingenommen wurden. Das Modell sollte die „Nachsteuerrendite“ der Kunden „optimieren“, in dem die unterschiedliche Besteuerung von Zins- und Dividendenerträgen ausgenutzt werden sollte. Diese Optimierung basierte auf dem Umstand, dass die Zinserträge aus festverzinslichen Wertpapieren zu 100 % der Körperschaftssteuer unterlagen, während die Dividendenerträge aufgrund des im Tatzeitraum geltenden § 8b Abs. 1, Abs. 5 KStG nur zu 5 % steuerpflichtig waren. Dieses Modell sollen Verantwortliche der N entwickelt haben. Mit der O soll die N im April 2003 einen Kooperationsvertrag geschlossen haben, wonach die O als Abwicklungsbank dienen sollte.
Noch vor dem 27.01.2004 soll auch der Angeschuldigte B von diesem Modell erfahren und den Angeklagten E in Grundzügen informiert haben. Im März 2004 hätten sodann Verantwortliche der N auf Wunsch der Angeschuldigten C, B und E das Modell präsentiert. Die Angeschuldigten C, B und E hätten das Modell als insgesamt rentabel erachtet und am 07.04.2004 eine entsprechende Entscheidung des Vorstandes zur Umsetzung bewirkt. Ab dem 19.03.2004 soll der Angeschuldigte C und die Zeugin P jeweils in Vertretung der G AG und der O zur Umsetzung des Modells mehrere Verträge abgeschlossen haben, die die wechselseitige Hin- und Rückübertragung von Aktien und sonstigen Wertpapieren zum Gegenstand hatten. Der Angeschuldigte C soll hierbei in Einvernehmen mit den Angeschuldigten A, B und Dr. E sowie mit Wissen des Angeschuldigten D gehandelt haben.
Ferner soll eine als „Beratungsgebühr“ bezeichnete Provision an die Abwicklungsbank O vereinbart und später auch gezahlt worden sein (für das Jahr 2004 928.000,- €, für das Jahr 2005 1.200.020,- €, für das Jahr 2006 959.900,- €). Hinsichtlich der Begrifflichkeit der „Beratungsgebühr“ soll allen Angeschuldigten bewusst gewesen sein, dass die O zu keinem Zeitpunkt Beratungsleistungen für die G AG erbracht habe.
In Ausführung der vertraglichen Vereinbarungen zwischen der G AG und der O soll die G AG im Rahmen von Wertpapierleihgeschäften aus ihrem Bestand jeweils für mehrere Monate festverzinsliche Wertpapiere an die O übertragen haben und von der O für denselben Zeitraum als Wertausgleich Aktien verschiedener inländischer börsennotierter Gesellschaften als Sicherheit geliefert bekommen haben, die nicht dem Handelsbuch der G AG zugeordnet waren und lediglich in Beteiligung gehalten wurden. Es soll sich jeweils um Wertpapiere gehandelt haben, deren Kuponstichtag (Zinsfälligkeitszeitpunkt) im Leihzeitraum lag. Die Lieferungen der Wertpapiere sollen jeweils vor dem Tag der Hauptversammlungen stattgefunden und über die Clearstream Banking AG in L-Stadt abgewickelt worden sein. Dabei sollen die Sicherheiten, die die O stellte, jeweils ca. 105 % des Marktpreises der verliehenen Wertpapiere zum Beginn der jeweiligen Transaktionen betragen haben.
Die Vereinbarungen soll vorgesehen haben, dass die G AG nach Ende der vertraglichen Laufzeit des Leihgeschäfts Wertpapiere gleicher Art und Güte an die O zurück zu übereignen hatte. Während der jeweiligen Haltedauer der Wertpapiere soll die G AG die Dividenden aus den ihr überlassenen Aktien und die O die Zinsen aus den ihr überlassenen festverzinslichen Wertpapieren vereinnahmt haben. Die Dividenden- und Zinserträge sollten nach der vertraglichen Konzeption exakt übereinstimmen; im Falle wertmäßiger Abweichungen sollte vertragsmäßig ein Wertausgleich zu leisten sein. Für die Leihe sollen Transaktionskosten angefallen sein, wobei diese Transaktionskosten die jeweiligen Gewinne stets überstiegen haben sollen, sodass es sich grundsätzlich um Verlustgeschäfte gehandelt haben soll.
Kurze Zeit nach der wechselseitigen Vereinnahmung von Zinsen bzw. Dividenden sollen die G AG und die O das Leihgeschäft beendet und einen Rücktausch der Wirtschaftsgüter vorgenommen haben.
Der Marktwert der hingegebenen festverzinslichen Wertpapiere soll im Jahr 2004 181.005.000,- €, im Jahr 2005 im ersten Leihgeschäft 1.129.071.798,- € und im zweiten Leihgeschäft 436.448.483,- € sowie im Jahr 2006, aufgeteilt in drei Leihgeschäfte, 486.100.777,- €, 456.348.135,- € und 196.675.000,- € betragen haben. Hinsichtlich der einzelnen übertragenen festverzinslichen Wertpapiere sowie Aktien in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum wird auf die Anklageschrift, dort S. 11 ‒ 19 (Bl. 3056 ‒ 3063, Band 16) verwiesen.
Die O AG soll Bruttodividenden in Höhe von 8.085.000,31 € für das Jahr 2004, 40.002.200,65 € für das Jahr 2005 und 32.738.269,22 € für das Jahr 2006 erzielt haben. Die ausschüttenden Aktiengesellschaften sollen hierauf im Jahr 2004 1.617.000,03 € Kapitalertragssteuer und 88.934,97 € Solidaritätszuschlag einbehalten haben, im Jahr 2005 8.000.440,13 € und 440.024,18 € und im Jahr 2006 6.547.653,84 € und 360.120,94 €.
Ohne Berücksichtigung der steuerlichen Effekte sollen die Geschäfte der G AG mit der O in allen drei Geschäftsjahren zu einem wirtschaftlichen Verlust geführt haben (2004: 907.375,- €, 2005: 1.079,159,- €, 2006: 906.567,- €).
Mit dem Ziel, hinsichtlich der einbehaltenen Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlages eine Anrechnung auf die festgesetzte Körperschaftssteuer bzw. den festgesetzten Solidaritätszuschlag durch Eintragung in die Zeilen 3a und 6 der Anlage WA zur jeweiligen Körperschaftsteuererklärung zu erhalten, sollen sodann in den Jahren 2004 und 2005 ein nicht näher identifizierter Verantwortlicher der G AG, im Jahr 2006 die Zeugen Q und R sowie der Angeschuldigte D für die G AG Steuerbescheinigungen nach § 45a Abs. 2 EStG selbst ausgestellt haben. Diese Steuerbescheinigungen sollen den jeweiligen Körperschaftsteuererklärungen 2004 bis 2006 beigefügt worden sein. Im Einzelnen wird auf die Aufstellung in der Anklageschrift verwiesen, dort S. 22 ‒ 23 (Bl. 3.066 ‒ 3.067, Band 16).
Fall 1 ‒ Veranlagung 2004
Die Körperschaftssteuererklärung für das Jahr 2004 (Fall 1), eingegangen beim Finanzamt L-Stadt V am 05.09.2005, sollen am 02.09.2005 die Angeschuldigten E und B unterzeichnet haben.
Dabei sollen die Angeschuldigten E und B in Zeile 44b des Mantelbogens KSt 1A Dividendeneinnahmen in Höhe von 8.085.000,- € erklärt haben, die gem. § 8b Abs. 1 KStG freizustellen seien. Ferner sollen sie die Anrechnung der einbehaltenen Kapitalertragssteuer in Höhe von 1.617.000,06 € sowie des Solidaritätszuschlags in Höhe von 88.934,97 € durch entsprechende Einträge in Zeile 3a bzw. 6 der Anlage WA zur Körperschaftserklärung begehrt haben.
Weitere Erklärungen sollen laut Staatsanwaltschaft auf Grund der mit den Angeschuldigten C und A getroffenen Übereinkunft, die auch der Angeschuldigte D mitgetragen haben soll, nicht erfolgt sein.
In den der Körperschaftssteuererklärung beigefügten Wirtschaftsprüfungsberichten sollen die Angeschuldigten E und B im Band „Erläuterungsteil" auf Seite 50 Tz. 188 in Umsetzung des gemeinsamen Tatplanes mit den Angeschuldigten A und C lediglich die folgende Ergänzung gemacht haben:
„Die laufenden Erträge aus Aktien und anderen nicht festverzinslichen Wertpapieren betreffen ausschließlich Dividendenerträge aus im Rahmen von Wertpapierleihgeschäften hereingenommenen Sicherheiten. Zum Bilanzstichtag bestanden keine Wertpapierleihgeschäfte."
Im Unklaren hätten die genannten Angeschuldigten die Finanzbehörde tatplangemäß über die Einbettung des in der Steuererklärung benannten Wertpapierleihgeschäfts in das beschriebene vertragliche Gesamtkonzept gelassen, obwohl die Angeschuldigten zumindest billigend in Kauf genommen hätten, dass sich ihre Erklärungspflicht auch auf diese Angaben bezogen habe.
Infolge des Wertpapierleihgeschäfts soll die G AG einen Steuervorteil in Höhe von 1.920.187,- € erzielt haben, so dass sich unter Berücksichtigung des Verlustes in Höhe von 907.375,- € ein Vermögensvorteil in Höhe von 1.012.812,- € erzielt worden sei, der ausschließlich auf die von den Angeschuldigten beabsichtigen Steuervorteile zurückzuführen gewesen sein soll.
Am 05.07.2006 soll ein Steuerbescheid des Finanzamtes L-Stadt V ergangen sein, in welchem die Körperschaftssteuer durch den Zeugen FA1 antragsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt wurde. Infolge der unvollständigen Angaben gegenüber der Finanzbehörde soll ein Betrag in Höhe von 7.680.750,- € an Zinserträgen infolge des Wertpapierleihgeschäfts nicht im Rahmen der steuerlichen Veranlagung berücksichtigt worden sein. Die hierauf zu entrichtende Körperschaftssteuer in Höhe von 1.920.187,50 € nebst Solidaritätszuschlag in Höhe von 105.610,31 € soll nicht festgesetzt worden sein. Darüber hinaus soll das Finanzamt infolge der unvollständigen Angaben der Angeschuldigten über das Wertpapierdarlehen ‒ was den Angeschuldigten bewusst gewesen sein soll ‒ die bereits einbehaltene/entrichtete Kapitalertragssteuer in Höhe von 1.617.000,- € nebst Solidaritätszuschlag in Höhe von 88.934,97 € auf die festzusetzende Steuerschuld angerechnet haben, weshalb insgesamt ein Hinterziehungsschaden betreffend das Kalenderjahr 2004 in einer Gesamthöhe von 3.731.732,78 € entstanden sei.
Diesen Schaden hätten alle Angeschuldigten zumindest billigend in Kauf genommen.
Fall 2 ‒ Veranlagung 2005
Die Körperschaftssteuererklärung für das Jahr 2005 (Fall 2), eingegangen beim Finanzamt L-Stadt V am 05.10.2006, sollen die Angeschuldigten A und B unterzeichnet haben. Darin sollen die Angeschuldigten in Zeile 44b des Mantelbogens 1A Dividendeneinnahmen in Höhe von 40.002.201,- € erklärt haben, die gemäß § 8b Abs.1 KStG freizustellen seien. Sie hätten zudem die Anrechnung der Kapitalertragsteuer von 8.000.440,13 € und des Solidaritätszuschlages von 440.024,18 € in Zeile 3a und 6 der Anlage WA zur Körperschaftssteuererklärung angestrebt, die auf diese Dividendeneinnahmen entfielen.
Weitere Erläuterungen sollen auf der Grundlage einer ausdrücklich oder stillschweigend mit den übrigen Angeschuldigten getroffenen Vereinbarung dagegen nicht erfolgt sein. In den der Körperschaftssteuererklärung beigefügten Wirtschaftsprüfungsberichten hätten die Angeschuldigten A und B auch im Einvernehmen mit den übrigen Angeschuldigten sowie mit Wissen des Angeschuldigten D im Band „Bericht", Abschnitt F.V auf Seife 78 Tz. 387 lediglich die folgende Ergänzung getätigt:
„Im Geschäftsjahr hat die Bank auf der Grundlage eines „Rahmenvertrags für Wertpapierleihgeschäfte" und weiterer Ergänzungsvereinbarungen hierzu mehrere kurzfristige Wertpapierleihgeschäfte (Laufzeit bis 5 Wochen) mit einer anderen Bank getätigt. Die Bank hat hierbei als Darlehensgeber festverzinsliche Wertpapiere im Nominalwert von insgesamt € 1.359,4 Mio. verliehen und als Sicherheit Aktien mit einem Kurswert von zusammen € 1.491,8 Mio. sowie weitere festverzinsliche Wertpapiere mit Nominalwerten von insgesamt € 1.165,0 Mio. erhalten. Die während der Laufzeit der Wertpapierleihgeschäfte fälligen und ausgezahlten Dividenden in Höhe von € 40,0 Mio. an den als Sicherheit erhaltenen Aktien wurde von der Bank vereinnahmt. Aus den als Sicherheit erhaltenen festverzinslichen Wertpapiere wurden keine Zinszahlungen während der Laufzeit der Wertpapierleihgeschäfte von der G vereinnahmt. Zum Stichtag 31.12.2005 bestanden keine Wertpapierleihgeschäfte. Die G hat im Zusammenhang mit diesen Geschäften Wertpapierleihgebühren von zusammen T€ 43 vereinnahmt"
Weiterhin soll es Im Band „Erläuterungsteil" S. 50, Tz. 90 geheißen haben:
„Die laufenden Erträge aus Aktien und anderen nicht festverzinslichen Wertpapieren betreffen insgesamt Dividendenerträge aus Wertpapierleihgeschäften. Siehe hierzu Erläuterungen im Abschnitt F. V. des Hauptberichts."
Im Band „Teilprüfungsbericht" soll ferner auf S. 45, Tz. 174 aufgeführt worden sein:
„Die Kosten für Beratung und Prüfung im Berichtszeitraum entfallen mit € 1,2 Mio. vor allem auf Beratungsleistungen der O plc., im Zusammenhang mit dem Abschluss von Wertpapierleihgeschäften."
Im Unklaren hätten die genannten Angeschuldigten die Finanzbehörde tatplangemäß über die Einbettung des in der Steuererklärung benannten Wertpapierleihgeschäfts in das beschriebene vertragliche Gesamtkonzept gelassen, obwohl die Angeschuldigten zumindest billigend in Kauf genommen hätten, dass sich ihre Erklärungspflicht auch auf diese Angaben bezogen habe. Es sei auch allen bewusst gewesen, dass die O zu keinem Zeitpunkt Beratungsleistungen erbracht und sie fortlaufend Bedenken gegen die steuerrechtliche Zulässigkeit des Modells gehabt hätten. Bei Offenlegung dieses Sachverhalts hätten die Veranlagungsbeamten die Veranlagung nicht auf die folgende Weise durchgeführt.
Infolge der Hingabe der festverzinslichen Wertpapiere und dem Tausch mit Aktien sei ein Differenzbetrag von 38.002.090.00 € nicht der Besteuerung unterworfen worden, woraus sich ein Steuervorteil in Höhe von 9.500.522,- € nebst Solidaritätszuschlag i.H.v. 522.528,74€ ergeben habe. Ferner sei zu Unrecht Kapitalertragssteuer i.H.v. 8.000.440,13 und Solidaritätszuschlag in Höhe von 440.024,18 € angerechnet worden, der ausschließlich auf die Steuervorteile zurückzuführen gewesen sei. Im Jahr 2005 sollen die Angeschuldigten damit einen Verkürzungsbetrag von insgesamt 18.463.515,52 € bewirkt und billigend in Kauf genommen haben.
Fall 3 ‒ Veranlagung 2006
Die Körperschaftssteuerklärung für das Jahr 2006 (Fall 3), eingegangen beim Finanzamt L-Stadt V am 23.07.2007 und zuständigkeitshalber an das Finanzamt F-Stadt I weitergeleitet, sollen die Angeschuldigten A und B unterzeichnet haben. Darin sollen die Angeschuldigten in Zeile 44b des Mantelbogens 1A Dividendeneinnahmen in Höhe von 32.738,269,- € erklärt haben, die gemäß § 8b Abs.1 KStG freizustellen seien. Sie hätten zudem die Anrechnung der Kapitalertragsteuer von 6.547,653,84 € und des Solidaritätszuschlages von 360.120,94 € in Zeile 3a und 6 der Anlage WA zur Körperschaftssteuererklärung angestrebt, die auf diese Dividendeneinnahmen entfielen. Weitere Erläuterungen seien unterblieben.
In den der Körperschaftssteuererklärung beigefügten Wirtschaftsprüfungsberichten sollen die Angeschuldigten im Band „Bericht" (Teilprüfungsbericht II) unter E.III.2 Wertpapierleihgeschäfte
(Tz. 110), wie auch dem Angeschuldigten D bewusst gewesen sein soll, lediglich die folgende Ergänzung ausgeführt haben:
„Im Geschäftsjahr hat die Bank auf der Grundlage eines „Rahmenvertrages für Wertpapierleihgeschäfte" und weiterer Ergänzungsvereinbarungen hierzu mehrere kurzfristige Wertpapierleihgeschäfte (Laufzeit bis 4 Wochen) mit einer anderen Bank getätigt. Die Bank hat hierbei als Darlehensgeber festverzinsliche Wertpapiere im Nominalwert von Insgesamt € 1.849,6 Mio. verliehen und als Sicherheit Aktien mit einem Kurswert von zusammen € 1.858,7 Mio. sowie weitere festverzinsliche Wertpapiere mit Nominalwerten von insgesamt € 270,0 Mio. erhalten. Die während der Laufzeit der Wertpapierleihgeschäfte fälligen und ausgezahlten Dividenden in Höhe von € 32,7 Mio. an den aus Sicherheit erhaltenen Aktien wurden von der Bank vereinnahmt. Aus den aus Sicherheit erhaltenen festverzinslichen Wertpapieren wurden keine Zinszahlungen während der Laufzeit der Wertpapierleihgeschäfte von der G vereinnahmt. Zusätzlich hat die Bank eine Ausgleichszahlung in Höhe von € 13,9 Mio. erhalten, die als Zinserträge ausgewiesen wurden. Die während der Laufzeit fälligen aus ausgezahlten Zinsen aus den verliehenen festverzinslichen Wertpapieren in Höhe von € 46,4 Mio. wurden von der Entleiherin der festverzinslichen Wertpapiere vereinnahmt. Zum Stichtag 31. Dezember 2006 bestanden keine Wertpapierleihgeschäfte. Die G hat im Zusammenhang mit diesen Geschäften Wertpapierleihgebühren von zusammen T€ 45,6 vereinnahmt."
Im Band „Erläuterungsteil", S. 48, Tz. 183 soll es heißen:
„Die laufenden Erträge aus Aktien und anderen nicht festverzinslichen Wertpapieren betreffen insgesamt Dividendenerträge aus Wertpapierleihgeschäften. Siehe hierzu die Erläuterungen Im Abschnitt E.III.2 des Teilprüfungsberichts II."
Im Band „Erläuterungsteil", S. 42, Tz. 156 soll ausgeführt worden sein:
„Der Anstieg der Kosten für Beratung und Prüfung im Berichtszeitraum entfällt mit T€ 959 vor allem auf Beratungsleistungen der O plc, im Zusammenhang mit dem Abschluss von Wertpapierleihgeschäften."
Mit Unterstützung durch den Angeschuldigten D sollen die Angeschuldigten B und A die Finanzbehörden darüber im Unklaren gelassen haben, dass das in der Steuererklärung beschriebene Wertpapierleihgeschäft in das vertragliche Gesamtkonzept eingebettet gewesen sei, obwohl alle drei beteiligten Angeschuldigten zumindest billigend in Kauf genommen hätten, dass sich die Erklärungspflicht auch auf diese Angaben bezogen habe. Es sei auch allen bewusst gewesen, dass die O zu keinem Zeitpunkt Beratungsleistungen erbracht habe. Sie hätten noch wie vor Bedenken gegen die steuerrechtliche Zulässigkeit des Modells gehabt. Bei Offenlegung dieses Sachverhalts hätten die Veranlagungsbeamten die Veranlagung nicht auf die folgende Weise durchgeführt.
Ohne Berücksichtigung der steuerlichen Effekte hätte die G AG im Veranlagungsjahr 2006 einen Verlust in Höhe von 906.567,- € erzielt. Erst durch Berücksichtigung der steuerlichen Effekte des § 8b Abs. 1 KStG sei im Steuerbescheid des Finanzamtes vom 11.10.2007 statt der vollen Besteuerung von Zinserträgen in Höhe von 32.738,269,- € lediglich eine Besteuerung von Dividenden in Höhe von 1.636.913,- € erfolgt. Die G AG habe dadurch statt der geschuldeten Körperschaftssteuer auf die erwirtschafteten Zinsen in Höhe von 8.184,567,- € lediglich 409.228,- € abgeführt, so dass sich ein Steuervorteil in Höhe von 7.775.339,- € ergeben habe. Ferner sollen in Folge der unvollständigen Angaben zu Unrecht abgeführte Kapitalertragssteuer in Höhe von 6.547.653,84 € sowie Solidaritätszuschlag in Höhe von 360.120,94 € angerechnet worden sein. Der Verkürzungsbetrag soll sich damit auf insgesamt 15.110.757,12 € belaufen haben, welchen die Angeschuldigten B, A und D zumindest billigend in Kauf genommen hätten.
Insgesamt soll ein Steuerschaden in Höhe von 37.306.005,42 € entstanden sein.
Das Finanzamt erließ am 26.09.2016 geänderte Körperschaftssteuerbescheide, gegen die die H AG als Rechtsnachfolgerin der G AG Klage erhob. Durch Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 28.01.2020 (Az.: 4 K 890/17) wurde die Klage ‒ mit Ausnahme der steuerlichen Berücksichtigung der Leihgebühren ‒ überwiegend abgewiesen.
III.
Die Eröffnung des Hauptverfahrens war aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen abzulehnen.
Aus rechtlichen Gründen ist die Eröffnung des Hauptverfahrens gemäß §§ 203, 204 Abs. 1 StPO abzulehnen, wenn der zur Anklage gebrachte Sachverhalt auch unter Berücksichtigung des bisherigen gesamten Ermittlungsergebnisses keinen Straftatbestand erfüllt (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 66. Aufl. 2023, § 203 Rn. 1, § 204 Rn. 1 m.w.N.). Aus tatsächlichen Gründen besteht kein hinreichender Tatverdacht, wenn die Beweise keinen hinreichenden Tatverdacht gegen die Angeschuldigten begründen können.
Diese Voraussetzungen lagen vor, denn die Aktenlage trägt den Verdacht der Steuerhinterziehung nicht. Sie belegt für die Veranlagungszeiträume 2005 und 2006 schon nicht, dass die Angeschuldigten objektiv unvollständige Angaben gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO getätigt hätten. In jedem Fall fehlt es an einem hinreichenden Tatverdacht für eine billigende Inkaufnahme einer Steuerverkürzung.
1. Unrichtige/unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen
Die Steuererklärungen in den Veranlagungsjahren 2005 und 2006 enthalten entgegen der Annahme der Staatsanwaltschaft keine unrichtigen oder unvollständigen Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen.
Steuerlich erheblich sind Tatsachen, wenn sie zur Ausfüllung eines Besteuerungstatbestandes herangezogen werden müssen und damit Grund und Höhe des Steueranspruchs oder des Steuervorteils beeinflussen oder wenn sie die Finanzbehörde zur Einwirkung auf den Steueranspruch sonst veranlassen können (BGH, Urteil vom 27.09.2002 - 5 StR 97/02; Joecks/Jäger/Randt/Grötsch, Steuerstrafrecht, 9. Aufl., § 370 AO Rn. 200). Dabei können steuerlich erhebliche Tatsachen sowohl ausdrücklich als auch konkludent erklärt werden (Graf/Jäger/Wittig/Rolletschke, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 370 Rn. 41). Konkludente Erklärungen erfolgen insbesondere in amtlichen Steuervordrucken, da die erforderlichen Angaben in den amtlichen Vordrucken sich in der Regel in der Wiedergabe von Summen- oder Mengenangaben erschöpfen (vgl. BeckOK-AO/Ibold, 27. Edition 15.01.2024, § 370 Rn. 116 f., 132 f.; MüKo-StGB/Schmitz/Wulf, 4. Aufl., § 370 AO, Rn. 241).
Diesen verkürzten Angaben geht eine rechtliche Subsumtion des Erklärenden unter den zugrunde gelegten Sachverhalt voraus; entsprechend wird neben der angewandten Rechtsansicht auch ein bestimmter Sachverhalt miterklärt. Der Erklärungswert einer konkludenten Aussage bezüglich der miterklärten Tatsache bemisst sich hierbei nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung, den Richtlinien der Finanzverwaltung und der regelmäßigen Veranlagungspraxis (BGH, Urteil vom 10.11.1999 - 5 StR 221/99, juris Rn. 25 f.).
Bei Einreichung einer Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck im Sinne des § 150 Abs. 1 AO wird durch die Nutzung des ausgefüllten Formulars im Übrigen regelmäßig zum Ausdruck gebracht, der Erklärende habe sämtliche erheblichen Umstände vollständig erklärt (Joecks/Jäger/Randt, aaO, Rn. 197). Im Fall von Zweifelsfragen sind die steuerrelevanten Sachverhalte entsprechend der im Steuererklärungsvordruck geforderten Angaben vollständig anzugeben und in einer Anlage oder in einem Freifeld iSv § 150 Abs. 7 S.1 AO auf die eigene Rechtsauffassung hinzuweisen, um jedes Risiko auszuschließen zu können (Klein/Rätke, AO Kommentar, 17. Auflage 2023, § 150 Rn. 24). Bei entsprechender Erläuterung liegt keine Verletzung der Erklärungspflicht vor, denn es obliegt dem Finanzamt, die richtige rechtliche Beurteilung vorzunehmen. Das gilt selbst dann, wenn noch Rückfragen des Finanzamtes erforderlich sind oder der vom Steuerpflichtigen mitgeteilte Sachverhalt zwar unvollständig, aber derart ausführlich ist, dass daraus die Steuerrelevanz geschlossen werden kann (Klein aaO).
Dem Steuerpflichtigen steht es dabei frei, offen oder verdeckt eine ihm günstige steuerrechtliche Gestaltung zu wählen, solange und soweit er die steuerlich erheblichen Tatsachen richtig und vollständig vorträgt und es dem Finanzamt dadurch ermöglicht, die Steuer unter abweichender rechtlicher Beurteilung zutreffend festzusetzen (BGH, Urteil vom 10.11.1999 - 5 StR 221/99, juris Rn. 23). Es steht dem Steuerpflichtigen hingegen nicht frei, den Steuerbehörden aus einem Gesamtsachverhalt nur einen Teil der Tatsachen richtig vorzutragen und sie im Übrigen nach Maßgabe einer nicht offen gelegten, ersichtlich strittigen eigenen rechtlichen Bewertung des Vorgangs zu verschweigen, obwohl die Einzelheiten für die steuerliche Beurteilung bedeutsam sein können (BGH, Urteil vom 19.12.1990 - 3 StR 90/90).
Bei der Vorlage von Steuerbescheinigungen für Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag wird nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs konkludent erklärt, dass auf die vereinnahmten Kapitalerträge Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag tatsächlich einbehalten und mithin erhoben worden ist (BGH, Urteil vom 28.07.2021, 1 StR 519/20, Rn. 50). „Erhoben“ im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG ist die Kapitalertragsteuer, wenn sie vom Schuldner der Kapitalerträge für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge einbehalten wurde (st. Rspr.; vgl. BFH, Urteil vom 23. April 1996 ‒ VIII R 30/93 Rn. 14; FG Hessen, Urteil vom 10. März 2017 ‒ 4 K 977/14 Rn. 99 f.; Blümich/Ettlich, EStG, Stand: Mai 2021, § 36 Rn. 113).
Gemäß § 20 Abs. 2a S. 2 EStG (VZ 2004) ist der Anteilseigner derjenige, „dem nach § 39 der Abgabenordnung die Anteile an dem Kapitalvermögen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen sind.“ Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO sind Wirtschaftsgüter einem anderen als dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen, wenn dieser die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann. Die Vorschrift ist Ausdruck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Steuerrecht. Macht ein anderer geltend, ihm sei ein Wirtschaftsgut gemäß § 39 Abs. 2 S. 1 AO zuzurechnen, ist unter Würdigung der Gesamtumstände zu entscheiden, ob die jeweilige Rechtslage ihm eine eigentumsähnliche Rechtsposition verschafft. Ein Wirtschaftsgut kann dabei nur einem oder mehreren Steuersubjekten gemeinsam und nicht zugleich einem oder mehreren anderen zurechenbar sein (BGH, Urteil vom 28.07.2021 − 1 StR 519/20, Rn. 75).
Im Hinblick auf eine mögliche Steuerumgehung nach § 42 AO kommt es darauf an, ob der Steuerpflichtige das Finanzamt über die Tatsachen, die ihn zur Wahl einer ungewöhnlichen Gestaltung bewogen haben, oder über einzelne Merkmale dieser Gestaltung und der dadurch geregelten Verhältnisse getäuscht oder bewusst im Unklaren gelassen und dadurch dem Finanzamt die Möglichkeit der Prüfung versperrt oder erschwert hat, ob die Voraussetzungen des § 42 AO vorliegen (Joecks/Jäger/Randt/Grötsch, AO, 9. Auflage 2022, § 370 Rn. 214).
a) Veranlagungsjahr 2004
Diesen Vorgaben sind die Angeschuldigten für das Veranlagungsjahr 2004 in objektiver Hinsicht nicht hinreichend nachgekommen. Im Rahmen der Körperschaftssteuererklärung für das Jahr 2004 wurden in Zeile 44b des Mantelbogens KSt 1A Dividendeneinnahmen in Höhe von 8.085.000,- € und in Zeile 3a die Anrechnung der Kapitalertragssteuer in Höhe von 1.617.000,06 € bzw. des Solidaritätszuschlags von 88.934,97 € in Zeile 6 der Anlage WA eingetragen und in den beigefügten Wirtschaftsprüfungsberichten im Band „Erläuterungsteil“ auf S. 50 Tz. 188 näher erklärt. Im Konkreten erläuterten die Angeschuldigten, dass die laufenden Erträge auf Aktien und anderen nicht festverzinslichen Wertpapieren ausschließlich Dividendenerträge aus im Rahmen von Wertpapierleihgeschäften hereingenommenen Sicherheiten betreffen, wobei zum Bilanzstichtag keine Wertpapierleihgeschäfte bestanden. Aus diesen Eintragungen und Angaben konnte die Finanzbehörde noch nicht beurteilen, ob die Gesellschaft wirtschaftliche Eigentümerin der Aktien, für welche Dividenden bezogen wurde, geworden ist. Auch die einzelnen Merkmale der Steuergestaltung wurden hierdurch nicht so mitgeteilt, dass das Finanzamt deren Würdigung nach § 42 AO beurteilen konnte.
b) Veranlagungsjahr 2005 und 2006
Hinsichtlich der Steuererklärung für das Jahr 2005 erklärten die Angeschuldigten in Zeile 44b des Mantelbogens KSt 1A Dividendeneinnahmen in Höhe von 40.002.201,00 € und in Zeile 3a eine Anrechnung der Kapitalertragssteuer von 8.000.440,13 € bzw. des Solidaritätszuschlags von 440.024,18 € in Zeile 6 der Anlage WA. Dazu ergänzten die Angeschuldigten im Wirtschaftsprüfungsbericht, Band „Bericht“, Abschnitt F.V. auf S. 78 Tz. 387, dass „die Bank auf der Grundlage eines „Rahmenvertrages für Wertpapierleihgeschäfte“ und weiterer Ergänzungsvereinbarungen hierzu mehrere kurzfristige Wertpapierleihgeschäfte (Laufzeit bis 5 Wochen) mit einer anderen Bank tätigte“. Sie führten ferner dazu aus, dass die Bank dabei „als Darlehensgeber festverzinsliche Wertpapiere im Nominalwert von insgesamt 1.359,4 Mio. EUR erhalten“ habe, wobei „die während der Laufzeit der Wertpapierleihgeschäfte fälligen und ausgezahlten Dividenden in Höhe von 40,00 Mio. EUR an den als Sicherheit erhaltene Aktien von der Bank vereinnahmt“ wurden. Weiter seien „aus den als Sicherheit erhaltenen festverzinslichen Wertpapieren keine Zinszahlungen während der Laufzeit der Wertpapierleihgeschäfte von der G vereinnahmt“ worden. Weiter wurde ausgeführt, dass zum Stichtag 31.12.2005 keine Wertpapierleihgeschäfte bestanden hätten und „die G im Zusammenhang mit diesen Geschäften Wertpapierleihgebühren von zusammen T€ 43 vereinnahmt“ habe. Zudem wurde im Band „Erläuterungsteil“, S.5, Tz.90 erläutert, dass „die laufenden Erträge aus Aktien und anderen nicht festverzinslichen Wertpapieren insgesamt Dividendenerträge aus Wertpapierleihgeschäften“ betreffen. Dazu verwiesen sie auf die Erläuterungen im Abschnitt F.V. des Hauptberichts. Ferner erfolgten im Band Teilprüfungsbericht, S. 45, Tz. 174 die Erläuterungen: „die Kosten für Beratung und Prüfung im Berichtszeitraum entfallen mit 1,2 Mio. EUR vor allem auf Beratungsleistungen der O plc, im Zusammenhang mit dem Abschluss von Wertpapierleihgeschäften.“
Hinsichtlich der Steuererklärungen für das Jahr 2006 erklärten sie ebenfalls in Zeile 44b des Mantelbogens KSt 1A Dividendeneinnahmen in Höhe von 32.738.269,00 € und in Zeile 3a eine Anrechnung der Kapitalertragssteuer von 6.547.653,84 € bzw. des Solidaritätszuschlags von 360.120,94 € in Zeile 6 der Anlage WA. Dazu erläuterten sie im Band „Bericht“, unter E.III.2 Wertpapierleihgeschäfte, Tz 110, dass „die Bank im Geschäftsjahr auf Grundlage eines „Rahmenvertrages für Wertpapierleihgeschäfte“ und weiterer Ergänzungsvereinbarungen hierzu mehrere kurzfristige Wertpapierleihgeschäfte (Laufzeit bis 4 Wochen) mit einer anderen Bank“ tätigte. Dabei habe „die Bank als Darlehensgeber festverzinsliche Wertpapiere im Nominalwert von insgesamt 1.849,6 Mio. EUR verliehen und als Sicherheit Aktien mit einem Kurswert von zusammen 1.858,7 Mio. EUR sowie weitere festverzinsliche Wertpapiere mit Nominalwerten von insgesamt 270,0 Mio. EUR erhalten“, wobei „die während der Laufzeit der Wertpapierleihgeschäfte fälligen und ausgezahlten Dividenden in Höhe von 32,7 Mio. EUR an den als Sicherheit erhaltenen Aktien von der Bank vereinnahmt“ wurden. „Aus den als Sicherheit erhaltenen festverzinslichen Wertpapieren“ seien „keine Zinszahlungen während der Laufzeit der Wertpapierleihgeschäfte von der G vereinnahmt“ worden. Weiter wurde ausgeführt, dass „die Bank (zusätzlich) eine Ausgleichzahlung in Höhe von 13,9 Mio. EUR erhalten“ habe, „die als Zinserträge ausgewiesen wurden“. „Die während der Laufzeit fälligen aus ausgezahlten Zinsen aus den verliehenen festverzinslichen Wertpapieren in Höhe von 46,4 Mio. EUR“ seien „von der Entleiherin der festverzinslichen Wertpapiere vereinnahmt“ worden. „Zum Stichtag 31.12.2006 (haben) keine Wertpapierleihgeschäfte“ bestanden. „Die G habe zudem „im Zusammenhang mit diesen Geschäften Wertpapierleihgebühren von zusammen T€ 45,6 vereinnahmt.“ Weiter hieß es im Band „Erläuterungsteil“, S.48, Tz.183, dass „die laufenden Erträge aus Aktien und anderen nicht festverzinslichen Wertpapieren insgesamt Dividendenerträge aus Wertpapierleihgeschäften“ betreffen. Dazu verwiesen sie auf die Erläuterungen im AbschnittE.III.2 des Teilprüfungsberichts II. Ferner führten sie im Band „Erläuterungsteil“, S. 42, Tz. 156, aus, dass „der Anstieg der Kosten für Beratung und Prüfung im Berichtszeitraum mit T€ 959 vor allem auf Beratungsleistungen der O plc, im Zusammenhang mit dem Abschluss von Wertpapierleihgeschäften“ entfalle.
Damit lagen Steuerklärungen vor, die sämtliche erforderlichen Tatsachen enthielten. Insbesondere wird in den Erläuterungsteilen der Steuerklärungen die Wertpapierleihe und die Verknüpfung mit den als Sicherheit erhaltenen Aktien offengelegt. Den Erläuterungsteilen war in den Veranlagungsjahren 2005 und 2006 weiter zu entnehmen, dass „keine Zinszahlungen während der Laufzeit der Wertpapierleihgeschäfte von der G vereinnahmt“ worden seien.
Damit wurden die Veranlagungsbeamten der jeweils zuständigen Finanzämter in die Lage versetzt, die rechtlichen Auswirkungen der Wertpapierleihe ‒ insbesondere den Übergang des wirtschaftlichen neben dem zivilrechtlichen Eigentum auf die G AG gemäß § 39 Abs. 1 AO sowie einen möglichen Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 AO ‒ eigenständig zu prüfen.
Es war insbesondere nicht nötig, das vertragliche Gesamtkonzept in allen Einzelheiten darzulegen. Wie die steuerrechtliche Zulässigkeit der konkreten Ausgestaltung der Wertpapierleihegeschäfte der G AG in den Veranlagungsjahren 2004 bis 2006 zu beurteilen war, hatte die Rechtsprechung zum damaligen Zeitpunkt noch nicht tragend entschieden. Es existierte im Tatzeitraum keine oberfinanzgerichtliche Rechtsprechung zu der anklagegegenständlichen Sachverhaltskonstellation. Erstmals durch Urteil vom 16.04.2014 nahm der BFH in einem sog. cum-ex-Fall an, dass das wirtschaftliche Eigentum dann ausscheide, wenn der Erwerb der Aktien mit einem modellhaft aufgelegten Gesamtvertragskonzept verbunden ist, nach welchem der Initiator den Anteilserwerb fremdfinanziert, der Erwerber der Aktien unmittelbar nach ihrem Erwerb dem Initiator im Wege einer sog. Wertpapierleihe bis zum Rückverkauf weiterreicht und der Erwerber das Marktpreisrisiko der Aktien im Rahmen eines sog. Total-Return Swap-Geschäfts auf den Initiator überträgt (Leitsatz des Urteils vom 16.04.2014, I R 2/12 ‒ zitiert nach beck-online). Hierbei wird erstmals in Weiterentwicklung der bis dato ergangenen Rechtsprechung auf das Gesamtvertragskonzept entscheidend abgestellt und ausgeführt, dass die einzelnen Komponenten des Geschäfts für sich genommen noch nicht zur Versagung des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums führen würden (Urteil vom 16.04.2014, Rz. 33 ‒ zitiert nach beck-online). Damit wurde die bisher lediglich für andere Konstellationen bestehende Rechtsprechung zum wirtschaftlichen Eigentum in einem wesentlichen Punkt fortentwickelt (vgl. dazu FG Hessen, Urteil vom 28.01.2020).
Mit Urteil vom 18.08.2015 (I R 88/13) entschied der Bundesfinanzhof für den Fall der Wertpapierleihe, dass das wirtschaftliche Eigentum an Aktien, die im Rahmen einer sogenannten Wertpapierleihe an den Entleiher zivilrechtlich übereignet wurden, ausnahmsweise beim Verleiher bleiben könne, wenn die Gesamtwürdigung der Umstände ergebe, dass dem Entleiher lediglich eine formale zivilrechtliche Rechtsposition verschafft werden sollte (Leitsatz, zitiert nach beck-online). Als relevante Umstände wurde hierbei angesehen, dass die Geschäfte nicht darauf angelegt waren, der Klägerin in einem wirtschaftlichen Sinne Erträge zukommen zu lassen, keine Liquiditätsvorteile ersichtlich seien, diese keine Stimmrechte ausüben wollte und auch kein endgültiger Übergang der Chancen und Risiken erfolgte. Wertsteigerungschancen ergaben sich aufgrund des konkreten Modells nicht einmal im abstrakten Sinne. Eine Gesamtwürdigung ergebe daher, dass der Klägerin lediglich eine formale zivilrechtliche Position ‒ eine leere Eigentumshülle ‒ verschafft wurde, die es ihr ermöglichen sollte, formal steuerfreie Dividenden zu beziehen (Urteil vom 18.08.2015, Rz.21, zitiert nach beck-online).
Mit Urteil vom 28.01.2020 entschied das Hessische Finanzgericht für den der Anklage zugrundeliegenden Sachverhalt, dass basierend auf den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 16.04.2014 und 18.08.2015 auch im Streitfall von eines solchen Konstellation auszugehen sei.
Entscheidend sei dabei, dass die wechselseitigen Austauschgeschäfte darauf angelegt waren, dass weder eine wirtschaftliche Fruchtziehung aus den überlassenen Aktien bzw. Wertpapieren erfolgen sollte noch eine wirtschaftliche Zwischennutzung der Papiere beabsichtigt war. Sie waren ferner nicht darauf angelegt, Stimmrechte oder sonstige Verwaltungsrechte zu verschaffen und es bestand keinerlei Liquiditätsvorteil. Auch hier ‒ so das Hessische Finanzgericht ‒ war aufgrund der Gesamtwürdigung davon auszugehen, dass es bei den wechselseitigen Austauschgeschäften lediglich darum ging, eine leere Eigentumshülle zu übertragen, um die steuerlichen Vorteil in Form der Steuerfreistellung der Dividendenerträge nach § 8b KStG zu erhalten. Schließlich hat das Hessische Finanzgericht auch § 42 AO als anwendbar angesehen.
Daraus folgt, dass die Erträge aus den Aktien nicht als Dividendenerträge im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu qualifizieren und deswegen keine Bezüge im Sinne von § 8b Abs. 1, 5 KStG sind, die der Steuerfreistellung unterlägen.
In den jeweiligen Veranlagungsjahren 2004 bis 2006 herrschte allerdings noch eine andere Sichtweise der oberfinanzgerichtlichen Rechtsprechung, der Finanzverwaltung sowie der Kommentarliteratur vor. Die Rechtsprechung im Tatzeitraum ging noch regelmäßig davon aus, dass entsprechend der Regelvermutung in § 39 Abs. 1 AO das wirtschaftliche Eigentum dem zivilrechtlichen Eigentum folgt. Im Fall einer Sicherungsübereignung, wie sie vorliegend hinsichtlich der Aktien zumindest kurzfristig bis zur Rückübertragung erfolgte, war danach das wirtschaftliche Eigentum regelmäßig auch dem Sicherungseigentümer zuzurechnen (vgl. BFH Urteil vom 17.01.2001 ‒ I R 97/00 und aus den Jahren 2011: FG Hamburg, Urteil vom 24.11.2011 ‒ 6 K 22/10 sowie Auffassung d. Finanzverwaltung u.a. BMF vom 03.04.1990, IV B 2-S 2134-2/90).
Im Fall der Wertpapierleihe war ebenfalls grundsätzlich anerkannt, dass das wirtschaftliche Eigentum auf den Entleiher übergeht (vgl. im Einzelnen Rau, DStR 2015, 2048ff.).
Insbesondere wurde bis zur Entscheidung des BFH im Jahr 2014 noch nicht auf das Gesamtvertragskonzept abgestellt. Von daher kann auch vom Steuerpflichtigen nicht verlangt werden, Angaben zur Einbettung der Geschäfte in das Gesamtvertragskonzept zu tätigen, wie es die Anklage verlangt. Dies würde ihm ex post auferlegen, Angaben zu tätigen, die aus damaliger Sicht für das wirtschaftliche Eigentum nicht relevant erschienen und damit auch nicht steuerlich erheblich sein konnten.
Die Verknüpfung von Wertpapierleihgeschäften und Sicherheiten durch die Gestellung von Aktien kommt bereits in den noch kursorisch gefassten Angaben im Geschäftsbericht für das Jahr 2004 zum Ausdruck, wo es heißt:
„Die laufenden Erträge aus Aktien und anderen nicht festverzinslichen Wertpapieren betreffen ausschließlich Dividendenerträge aus im Rahmen von Wertpapierleihgeschäften hereingenommenen Sicherheiten. Zum Bilanzstichtag bestanden keine Wertpapierleihgeschäfte."
Die Angaben für das Jahr 2005 konkretisierten diese Geschäfte, so dass deren wesentlicher Aspekt ‒ ein Tausch von Aktien und festverzinslichen Wertpapieren ‒ für die Steuerbehörden erkennbar war.
Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob aus den Zeugenaussagen der zuständigen Sachbearbeiter beim Finanzamt FA1 bis FA 4 tatsächlich bewiesen werden kann, dass die Festsetzungen der Veranlagung anders erfolgt wären, wenn die Angeschuldigten weitere Einzelheiten der vertraglichen Einbettung der Wertpapierleihe dargelegt hätten.
Der Zeuge FA1 war zuständiger Sachbearbeiter des Finanzamtes L-Stadt betreffend des Kalenderjahres 2004 und erklärte bei seiner Vernehmung, dass er die Körperschaftssteuererklärung der G AG für das Jahr 2004 als übersichtlich und plausibel bewertet habe. Nachfragen hätten sich ihm nicht aufgedrängt.
Die Zeugin FA2 war zuständige Sachbearbeiterin für das Jahr 2005 und bekundete, dass sich für sie auch bei heutiger Durchsicht der Körperschaftsteuererklärung und Anlagen keine steuerlichen Besonderheiten in den Veranlagungsarbeiten ergeben. Sie würde den Körperschaftsteuerbescheid 2005 auch heute unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagen.
Der Zeuge FA3 gab an, dass man anhand der damals vorgelegten Unterlagen nicht habe abschließend beurteilen können, ob das wirtschaftliche Eigentum auf die G AG übergegangen sei und er die Veranlagung heute wieder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durchführen würde. Die Aussage lässt den Schluss zu, dass der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums jedenfalls nicht ausgeschlossen war und die Auffassung der Angeschuldigten dahingehend daher nicht unvertretbar erschien.
Der Zeuge FA4 erläuterte, dass er im Fall von Auffälligkeiten, die sich aus der Einsicht der Steuerklärungen ergäben, vor Durchführung der Veranlagung den Sachgebietsleiter einbeziehe und gegebenenfalls Kontakt mit der Betriebsprüfung aufnehme. Das habe er hinsichtlich der Veranlagung der G AG für das Jahr 2006 nach seiner Erinnerung nicht gemacht.
Sämtliche Sachbearbeiter, die als Zeugen vernommen wurden, gaben schließlich ‒ nachdem sie mit einer schriftlichen Darstellung des bis zur Vernehmung bekannten Sachverhaltes bekannt gemacht und konkret nach Konsequenzen gefragt wurden ‒ weiterhin an, dass sie in Kenntnis dieses Sachverhaltes hypothetisch weitere Maßnahmen ergriffen hätten. So gab der Zeuge FA4 beispielsweise an, dass er die Veranlagung für das Jahr 2006 nicht durchgeführt und sich mit der Betriebsprüfung in Verbindung gesetzt hätte. Ferner gab der Zeuge FA1 an, er hätte mit diesen Erkenntnissen die einschlägigen Verträge und detaillierten Aufstellungen zur Freistellung gem. § 8b KStG angefordert.
Die Zeugenaussagen müssen jedoch vor dem Hintergrund gewürdigt werden, dass die Bewertung des § 39 Abs. 1 AO zum Vernehmungszeitpunkt bereits seit ca. 10 Jahren anders zu beurteilen war, als in den Jahren 2004 bis 2006 davor. Sämtliche vernommenen Sachbearbeiter werteten die eingereichten Steuererklärungen mit den in den Wirtschaftsprüfungsberichten gemachten Angaben aus heutiger Sicht in der Weise, dass fraglich erscheine, ob das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien tatsächlich auf die G AG übergegangen sei. Diese Bewertung hat mithin nur eine sehr begrenze Aussagekraft für den Tatzeitraum. Im Zeitpunkt der Veranlagung erkannten die Zeugen die Problematik trotz der vorgetragenen Tatsachen und ausdrücklichen Erwähnung der Wertpapierleihe tatsächlich nicht und äußerten keine Zweifel.
Danach genügte es, dass die Angeschuldigten in den Steuerklärungsvordrucken, die den Erklärungen zugrunde gelegten Tatsachen und Beträge darlegten und in den Anlagen, insbesondere den angehängten Wirtschaftsprüfungsberichten erläuternd auf die kurzfristige Wertpapierleihe hinwiesen.
2. Fehlende billigende Inkaufnahme der Steuerrechtswidrigkeit
Jedenfalls handelten die Angeschuldigten nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen in allen drei Fällen ohne Hinterziehungsvorsatz im Sinne des § 16 StGB, so dass es insoweit auch aus tatsächlichen Gründen am hinreichenden Tatverdacht fehlt.
Für eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung bedarf es keiner Absicht und keines direkten Vorsatzes. Der Täter muss wissen, dass gegen ihn ein bestimmter Steueranspruch besteht und dass die Folge seines Tuns oder Unterlassens die Verkürzung dieses Anspruchs ist, also dass er den Steueranspruch dem Grunde und der Höhe nach kennt (oder zumindest für möglich hält) und ihn auch verkürzen will (BGHSt 5, 92; BGH GA 1977, 344; BGH wistra 1986, 174; 1986, 220; 1989, 263; 1990, 193, 194; 1995, 191; 1998, 225, 226; BGH wistra 2011, 465; BGHSt 48, 108, 117; BGH NStZ-RR 2018, 180; BayObLGSt. 1974, 99; BayObLG NJW 1976, 635; OLG Karlsruhe BB 1979, 1134; OLG Köln ZfZ 1981, 342). Der Hinterziehungsvorsatz setzt weder dem Grunde, noch der Höhe nach eine sichere Kenntnis des Steueranspruchs bzw. der steuerrechtlichen Lage voraus (BGH, Urteil vom 16.12.2009 - 1 StR 491/09, Rn. 37; Urteil vom 08.09.2011 - 1 StR 38/11, juris Rn. 21). Notwendig, aber auch genügend ist vielmehr, dass der Täter die eine Steuerhinterziehung ausfüllenden objektiven Tatbestandsmerkmale im Rahmen einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“ zutreffend erfasst (FG Köln, Urteil vom 16.01.2019 - 11 K 2194/16, juris Rn 71). Die Kenntnis aller Einzelheiten, insbesondere eine konkrete Vorstellung über die korrekte Einordnung des von ihm nicht, nicht richtig oder unvollständig erklärten Sachverhalts oder der genauen gesetzlichen Grundlagen des Steueranspruchs, ist nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 08.09.2011 - 1 StR 38/11, juris Rn. 21; FG Köln, Urteil vom 16.01.2019 - 11 K 2194/16, juris Rn 71). Ob ein Tatbeteiligter nach diesen Maßgaben vorsätzlich handelte oder nicht, bemisst sich nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände, die für sein Vorstellungsbild von Bedeutung waren (BGH, Urteil vom 08.09.2011 - 1 StR 38/11, juris Rn. 25).
Ein Tatbestandsirrtum, der zum Vorsatzausschluss führt, liegt auch vor, wenn der Irrtum auf einer falschen steuerrechtlichen Würdigung eines zutreffend wahrgenommenen Sachverhalts beruht (Erbs/Kohlhaas/Hadamitzky/Senge, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand 2019, § 370 Rn. 66).
Den Angeschuldigten war nach Würdigung der bisherigen Ermittlungsergebnisse nicht bewusst, dass die G AG mit Abgabe der Steuererklärung die Freistellung nach § 8b Abs. 1 KStG zu Unrecht erzielte und die Kapitalertragssteuer nicht anrechenbar war, da sie von der damaligen Rechtslage und dem Zusammenfallen des wirtschaftlichen und zivilrechtlichen Eigentums im Fall der Wertpapierleihe gemäß § 39 Abs. 1 AO ausgingen. Das subjektive Vorstellungsbild der Beteiligten kann vorliegend aus den vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Gutachten, geschlossen werden. Wie bereits ausgeführt ging die Rechtsprechung im Veranlagungszeitraum noch davon aus, dass bei Wertpapierleihen wirtschaftliches Eigentum des Entleihers begründet wird. So heißt es im Gutachten von Kanzlei T vom 28.02.2003 für die S-Bank unter Zf. 3.4ff.:
3.6. Um in den Genuss der Steuerfreistellung für Dividenden nach § 8b KStG 2001 zu kommen, muss der Investor am jeweiligen Dividendenstichtag nicht nur rechtlicher, sondern auch, wirtschaftlicher Eigentümer (39 AO) der Aktien sein, § 20 Abs. 2a EStG. Wir gehen davon aus, dass der Investor an den entsprechenden Stichtagen rechtlicher Eigentümer der Aktien ist. Er ist nur dann nicht ihr wirtschaftlicher Eigentümer, wenn ein Dritter die tatsächliche Kontrolle über die Aktien dergestalt ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO).
3.7 Im vorliegenden Fall beeinträchtigt die Verpflichtung des Investors aus der Wertpapierleihe, die Aktien auf S-Bank zurückzuübertragen, nicht seine Rechtsstellung in Bezug auf die mit den ausländischen Aktien verknüpften Mitgliedschaftsrechte und Eigentumsrechte. Die Dividendenbezugsrechte, Stimmrechte und das Recht, die Aktien zu verkaufen oder zu verpfänden, werden in keiner Weise durch die Wertpapierleihe/Sicherungsabrede beeinträchtigt.
3.8 Die Sicherungsabrede begründet nur eine Verpflichtung des Investors, eine im voraus festgelegte Anzahl an Aktien gleicher Art und Güte bei Fälligkeit der Wertpapierleihe zurückzugeben. Diese Verpflichtung kann auch mit anderen Anteilen als den ursprünglich erhaltenen erfüllt werden, d.h. der Investor ist nicht verpflichtet, dieselben Aktien zu liefern.
3.10. Es gibt keine aktuellen Fälle aus der Rechtsprechung, die sich mit der Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums von unter einem Sicherungsgeschäft übertragenen Wertpapieren befassen. In älteren Fällen haben sowohl der Bundesfinanzhof als auch die Finanzverwaltung das wirtschaftliche Eigentum an Anteilen, die bei echten Pensionsgeschäflen übertragen wurden, stets dem rechtlichen Eigentümer zugeordnet. Indes ist die bilanzrechtliche Behandlung dieser Geschäftsform in der Fachliteratur umstritten. Ansatzpunkt des Streites ist § 340b (4) HGB, der 1993 als Vorschrift für Kreditinstitute ins Handeisgesetzbuch aufgenommen wurde, aber dennoch als Teil der deutschen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung angesehen wird. Diese Vorschrift ordnet das wirtschaftliche Eigentum dem Verkäufer der Wertpapiere unter einem Repo-Agreement dann zu, wenn der Erwerber eine unbedingte Verpflichtung zur Rückübertragung der Wertpapiere auf den Veräußerer hat (echtes Pensionsgeschäft).
3.11 Nach unserer Auffassung gilt § 340b HGB jedoch nicht für die steuerrechtliche Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums, da im Steuerrecht § 39 AO als lex specialis Anwendung findet. Die Anwendung des § 39 AO kann zu einer von § 340b Abs. 4 HGB abweichenden Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums im Sinne des Steuerrechts führen, wenn der rechtliche Eigentümer nur zur Rückübertragung von Anteilen derselben Art und Güte verpflichtet ist und bis zur Erfüllung seiner Rückübertragungspflicht frei über die erhaltenen Anteile verfügen kann. Diese Ansicht wird nun auch in verschiedenen Stellungnahmen in der Fachliteratur vertreten. Zudem werden die Aktien im vorliegenden Fall nicht unter einem Repo-Agreement übertragen.
Die den Angeschuldigten vorgelegene gutachterliche Stellungnahme der Kanzlei U verweist auf die Auffassung der Finanzverwaltung und führt aus (Bl. 52 Anlagenband 2):
Kern der Auffassung der Finanzverwaltung ist somit, daß es bei der Wertpapierleihe zur Verlagerung des zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Eigentums kommt und somit auch die Einkünfte
jeweils auf den Darlehensnehmer verlagert werden. Diese Auffassung entspricht zudem auch
der neuesten höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung, wie aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs - vom 17.10.2001, Az. l R 97/00, BFH/NV 2002, 240, - hervorgeht: (…)
Die Einschätzung von RA V vom 24.05.2004, der von dem Angeschuldigten D beauftragt wurde, lautete wie folgt:
Bezüglich der Zurechnung der Erträge aus den im Wege des Wertausgleichs als Sicherheit auf die G übertragenen Aktien und Schuldverschreibungen ist U.E. wie folgt zu differenzieren:
Für Dividenden (Einkünfte i.S.d. § 20 Abs. f Nr. 1 EStG) enthält § 20 Abs. 2a EStG die ausdrückliche Regelung, dass diese dem Anteilseigner, d.h. demjenigen zuzurechnen sind, dem die Anteile im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses nach § 39 AO zuzurechnen sind. Die Dividenden für die als Wertausgleich auf die G übertragenen Aktien sind der G daher steuerlich insoweit zuzurechnen, als die G im Zeitpunkt des GewinnverteilungsbeschIusses zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien ist. Dies sollte u.E. jedenfalls dann der Fäll sein, wenn die G über die Aktien frei verfügen (d.h. diese insbesondere auch übertragen, weiterverleihen, verkaufen oder weiterverpfänden) und das mit den Aktien verbundene Stimmrecht ausüben kann. Unabhängig davon sind wir der Auffassung, dass die G zur Erzielung der gewünschten steuer1ichen Folgen das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien dadurch dokumentieren muss, dass die übertragenden Aktien in der Handelsbilanz der G ausgewiesen werden.
Da die letztgenannten Gutachten die Basis für die Entscheidung über die Durchführung der Geschäfte im Tatzeitraum bildeten, muss davon ausgegangen werden, dass die Angeschuldigten sich diese Rechtsauffassungen zu eigen machten und dementsprechend von einem wirtschaftlichen Eigentum ausgingen. Denn die Gutachten wurden aufgrund des zutreffenden Sachverhaltes angefertigt, wobei als Gutachter unparteiische, neutrale Dritte eingesetzt wurden und nicht allein ein zu erzielendes Ergebnis im Vordergrund stand, d.h. der Auftrag ergebnisoffen erteilt wurde. Es handelte sich nicht um bloße „Feigenblatt“- oder „Gefälligkeitsgutachten“, weil entweder der Sachverhalt unvollständig oder falsch untersucht oder die beauftragten Gutachter finanziell an der Durchführung der Geschäfte partizipierten und die Angeschuldigten hiervon Kenntnis hatten (vgl. dazu Urteil der Kammer vom 01.11.2022 ‒ 6 KLs 1111 Js 27125/12 zu einem sog. cum-ex-Sachverhalt). Damit liegt ein Tatumstandsirrtum vor.
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Relevanz des Gesamtvertragskonzepts, auf dessen Kenntnis und Nichtangabe sich die Anklage entscheidend stützt, erstmals in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 16.04.2014 (I R 2/12) entwickelt wurde, so dass kein Anlass bestand, sich über die eine entsprechende Erklärung Gedanken zu machen.
Schließlich ist auch nicht ‒ wie bei Kenntnis von der mehrfachen Anrechnung von Kapitalertragssteuer bei sog. cum-ex-Geschäften ‒ evident, dass eine solche steuerrechtliche Gestaltung den Steueranspruch des Staates verletzt. Ein bei den cum-ex-Geschäften erzielter „Griff in die Staatskasse“ infolge einer mehrfachen Anrechnung einer einmal (für den wirtschaftlichen Eigentümer erhobenen) Steuer liegt hier nicht vor. Es handelt sich um eine Steuergestaltung mit dem Ziel der Erzielung eines steuerlichen Effekts, ohne dass diesem die Steuerrechtswidrigkeit „auf die Stirn geschrieben“ wäre. Diese wurde vielmehr erst viele Jahre später durch die Finanzgerichte bestätigt.
Die Änderung der rechtlichen Beurteilung zu einem späteren Zeitpunkt war für sie im Tatzeitpunkt nicht erkennbar oder dergestalt zu erwarten, dass sie diese billigend in Kauf genommen hätten. Vielmehr gingen sie davon aus, dass ihre steuerliche Behandlung zutreffend war.
Gleiches gilt im Ergebnis für die Einschätzung der Geschäfte als nicht missbräuchlich i.S.d. § 42 AO.
Allein die Tatsache, dass die Angeschuldigten als Verantwortliche der G AG eine ihnen günstige steuerrechtliche Gestaltung wählten, lässt keinen Schluss auf einen Hinterziehungsvorsatz zu. Auch dass die gewählte Gestaltungmöglichkeit inzwischen von den Finanzgerichten als Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO eingestuft wurde, führt per se zu keinem anderen Ergebnis. Denn eine Steuerumgehung ist grundsätzlich weder verboten noch strafbar. Legt der Steuerpflichtige die „gestalteten“ Verhältnisse pflichtgemäß offen, kann die Finanzverwaltung die Steuer nach § 42 AO festsetzen. Eine Steuerhinterziehung kann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige pflichtwidrig unvollständige oder unrichtige Angaben macht, um das Vorliegen einer Steuerumgehung zu verschleiern. Das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG gebietet es aber, dass im Falle der Steuerhinterziehung durch Steuerumgehung nach § 42 AO eine Fallgruppe betroffen ist, für welche die Rechtsprechung im Zeitpunkt der Tatbegehung bereits hinreichend bestimmte Grundsätze herausgearbeitet hat (Klein/Ratschow, 17. Aufl. 2023, AO § 42 Rn. 15). Daran fehlt es wie dargestellt im vorliegenden Fall.
Zur Klärung der rechtlichen Zulässigkeit der Wertpapierleihe und insbesondere der als Problem erkannten Frage der Steuerumgehung nach § 42 AO wurden mehrere Steuerkanzleien/Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beauftragt, mit deren angefertigten Rechtsgutachten sich die Angeschuldigten auseinandersetzten. Dabei wurden die Gutachten ‒ wie ausgeführt ‒ aufgrund des zutreffenden Sachverhaltes angefertigt, wobei als Gutachter unparteiische, neutrale Dritte eingesetzt wurden und nicht allein ein zu erzielendes Ergebnis im Vordergrund stand, d.h. der Auftrag ergebnisoffen erteilt wurde. Hervorzuheben gilt dabei auch insbesondere, dass die Angeschuldigten über das von der O vorgelegte Gutachten der Kanzlei U, welches zur Nichtanwendbarkeit des § 42 AO kam, hinaus ein eigenes Gutachten bei RA V (Kanzlei W) in Auftrag gaben. Insbesondere der Frage nach einem etwaigen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO wurde darin nachgegangen. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, die Gutachter hätten die Angeschuldigten darauf hingewiesen, dass letztlich eine Einzelfallentscheidung über die Zulässigkeit des Gestaltungsmodells getroffen werden würde, ist nicht geeignet einen Schluss auf die inneren Tatsachen der Angeschuldigten zu führen. Vielmehr stellen die Hinweise pauschale Ausführungen dar, die nicht geeignet sind über das Ergebnis des Gutachtens hinaus ernsthafte Zweifel bei den Angeschuldigten zu erwecken. Vielmehr weist der Gutachter auf das grundsätzlich bestehende Risiko der Einzelfallentscheidung des Gerichts hin.
Soweit die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Z gegen Ende des Jahres 2005 gegenüber den Angeschuldigten ernsthafte Bedenken äußerte, reagierten die Angeschuldigten darauf in der Weise, dass sie weitere Einzelheiten der Wertpapierleihgeschäfte in den Anlagen der jeweiligen Steuererklärungen darlegten und damit in der Gesamtschau auch dahingehend der objektive Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht erfüllt ist.
Damit nahmen die Angeschuldigten nicht mit der für eine Verurteilung hinreichenden Wahrscheinlichkeit billigend in Kauf, dass sie einen Steueranspruch des Staates verletzten und handelten ohne den erforderlichen Hinterziehungsvorsatz.
Hinzu tritt, dass der Nachweis des Gehilfenvorsatzes der Angeschuldigten E und D nach Aktenlage voraussichtlich nicht gelingen wird. Die Angeschuldigten stellten sich in ihrer Einlassung als ausführende weisungsgebundene Mitarbeiter dar, die „Opfer schlechter Beratung“ durch die jeweils anweisende Person geworden seien. Nach Rspr. des BGH (vgl. BGH, Urt. vom 01.08.2000 ‒ 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107) ist ebendies bei der Bewertung „berufstypischen Verhaltens“ auszuschließen. Insbesondere reicht ein bedingter Tatvorsatz für eine Verurteilung aufgrund berufstypischen Verhaltens nicht aus; erforderlich wäre vielmehr ein „dolus directus“. Bedingter Vorsatz kann in dem Fall allenfalls ausreichen, wenn „das für die Angeschuldigten erkennbare Risiko strafbaren Verhaltens besonders hoch“ gewesen ist. Dies schließt die Staatsanwaltschaft jedoch allein aus den Gesamtumständen der Abwicklung der Wertpapierleihgeschäfte, ein konkretes Risikobewusstsein der Angeschuldigten D bzw. E führt sie jedoch nicht an und ist auch dem bisherigen Ermittlungsergebnis nicht zu entnehmen. Vielmehr wurde das Risiko eines Gestaltungsmissbrauchs bereits nach anwaltlicher Beratung als gering angesehen, so dass das hohe Risiko strafbaren Verhaltens erst recht nicht erkennbar gewesen sein kann.
Daher besteht kein hinreichender Tatverdacht für eine Straftat der Körperschaftssteuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.
RechtsgebietAOVorschriften§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1, 39, 42 AO