19.11.2024 · IWW-Abrufnummer 244854
Europäischer Gerichtshof: Beschluss vom 04.10.2024 – C-214/24
BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)
4. Oktober 2024Verfahrenssprache: Deutsch.
In der Rechtssache C-214/24
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 12. Dezember 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 20. März 2024, in dem Verfahren
A
gegen
Hauptzollamt C
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen sowie der Richter N. Wahl (Berichterstatter) und J. Passer,
Generalanwalt: J. Richard de la Tour,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Tenor:
Die Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG und insbesondere ihre Art. 7 und 33
sind dahin auszulegen, dass
die Verbrauchsteuer für Tabakwaren, die unrechtmäßig in das Gebiet eines Mitgliedstaats eingeführt und dann ohne Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens zu gewerblichen Zwecken durch mehrere Mitgliedstaaten bis in einen anderen Mitgliedstaat befördert wurden, nur von einem einzigen Mitgliedstaat erhoben werden kann, nämlich dem Bestimmungsmitgliedstaat, in den diese Waren befördert wurden, unter Ausschluss der Durchfuhrmitgliedstaaten.
Tatbestand
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 und Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. 2009, L 9, S. 12).
2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen A, einem Lkw-Fahrer, und dem Hauptzollamt C (Deutschland) wegen eines Steuerbescheids, mit dem auf von A beförderte Waren Verbrauchsteuern für Tabakwaren erhoben wurden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3
Die Erwägungsgründe 8, 9 und 30 der Richtlinie 2008/118 , die durch die Richtlinie (EU) 2020/262 des Rates vom 19. Dezember 2019 zur Festlegung des allgemeinen Verbrauchsteuersystems (ABl. 2020, L 58, S. 4) aufgehoben wurde, lauteten wie folgt:
4
Art. 7 der Richtlinie 2008/118 sah vor:
5
Art. 8 der Richtlinie 2008/118 bestimmte:
6
Art. 9 der Richtlinie 2008/118 lautete:
7
Art. 33 der Richtlinie 2008/118 sah vor:
8
Art. 38 der Richtlinie 2008/118 lautete:
Deutsches Recht
9
In § 23 Abs. 1 des Tabaksteuergesetzes in der Fassung vom 15. Juli 2009 (BGBl. 2009 I S. 1870) hieß es:
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
10
Im Jahr 2013 führten deutsche Behörden wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung mehrere strafrechtliche Ermittlungen durch. Nach Auffassung dieser Behörden hatte A im Oktober und November 2013 als Lkw-Fahrer dreimal in Ladungen versteckte Zigaretten von Litauen über Deutschland in das Vereinigte Königreich verbracht. Die im November 2013 in das Vereinigte Königreich beförderten Zigaretten wurden dort von den britischen Steuer- und Zollbehörden entdeckt.
11
Mit rechtskräftigem Urteil wurde A für die Fahrt im November 2013 in Deutschland wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Hinsichtlich der beiden Fahrten im Oktober 2013 wurde das Verfahren vorläufig eingestellt.
12
Am 11. Juni 2014 erließ das Hauptzollamt C einen Steuerbescheid, mit dem gegen A Tabaksteuer für alle im Oktober und November 2013 beförderten Zigaretten festgesetzt wurde.
13
Das Finanzgericht (Deutschland), bei dem A gegen diesen Steuerbescheid Klage erhoben hatte, befand, dass die Tabaksteuer gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 des Tabaksteuergesetzes in der Fassung vom 15. Juli 2009 entstanden sei, weil A die fraglichen Zigaretten tatsächlich in Besitz gehabt habe, da er sie in Heizkesseln oder Klimageräten versteckt mit einem Lkw aus Litauen über Polen und Deutschland in das Vereinigte Königreich transportiert habe. Desgleichen wies das Finanzgericht darauf hin, dass, auch wenn Deutschland nur als Durchfuhrmitgliedstaat im Sinne der Richtlinie 2008/118 anzusehen sei, das Hauptzollamt C zur Erhebung der Tabaksteuer berechtigt sei, da es sich im vorliegenden Fall um eine unrechtmäßige Durchfuhr handele. Des Weiteren hat das Finanzgericht ausgeführt, dass ihm eine Anwendung der sich aus dem Urteil vom 5. März 2015, Prankl (C-175/14,EU:C:2015:142), ergebenden Lösung nicht möglich sei und die fraglichen Zigaretten in Deutschland steuerpflichtig seien, weil sie dort in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt und die in Art. 34 der Richtlinie 2008/118 festgelegten Formalitäten nicht eingehalten worden seien.
14
A hat Revision zum Bundesfinanzhof (Deutschland), dem vorlegenden Gericht, eingelegt. Zur Stützung seiner Revision machte A geltend, dass das Finanzgericht gegen die Richtlinie 2008/118 verstoßen und vom Urteil vom 5. März 2015, Prankl (C-175/14,EU:C:2015:142), abgewichen sei. Nach Ansicht von A sind nur die Behörden des Staats, in dem die Waren entdeckt worden seien - vorliegend das Vereinigte Königreich -, für die Erhebung der Tabaksteuer zuständig.
15
Vor diesem Hintergrund führt das vorlegende Gericht aus, dass es für die Lösung des ihm vorliegenden Rechtsstreits darauf ankomme, ob bei einer unrechtmäßigen Einfuhr von Tabakwaren und deren anschließender Beförderung außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung durch mehrere Mitgliedstaaten in einem Durchfuhrmitgliedstaat wie vorliegend Deutschland die Tabaksteuer entsteht und - falls dies so sei - ob der Durchfuhrmitgliedstaat zur Erhebung der Tabaksteuer berechtigt sei.
16
Insoweit bestünden Zweifel hinsichtlich zum einen der Auslegung der Art. 7 und 33 der Richtlinie 2008/118 und zum anderen der Frage, ob die vom Gerichtshof im Urteil vom 5. März 2015, Prankl (C-175/14,EU:C:2015:142), vertretene Auslegung der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. 1992, L 73, S. 1) in der durch die Richtlinie 92/108/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 (ABl. 1992, L 390, S. 124) (im Folgenden: Richtlinie 92/12 ) geänderten Fassung auch auf den Fall angewandt werden könne, dass die Tabakwaren in den Bestimmungsmitgliedstaat gelangten, aber dort nicht von dessen Steuerbehörden entdeckt würden.
17
Als Erstes hebt das vorlegende Gericht hervor, dass nach dem im Streitjahr 2013 geltenden deutschen Recht die Tabaksteuer in Deutschland entstanden und A Steuerschuldner sei. Allerdings hat das vorlegende Gericht Zweifel, ob eine solche Lösung mit dem Unionsrecht vereinbar ist, weil sie bedeuten würde, dass es in mehreren Mitgliedstaaten zur Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs käme.
18
So erscheine es zunächst ausgehend vom Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 fraglich, ob für Tabakwaren, die in einem Mitgliedstaat als in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt gälten, erneut eine Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr in diesem oder in einem anderen Mitgliedstaat fingiert werden könne. Zudem setze die Fiktion für eine Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie voraus, dass für die Tabakwaren noch keine Verbrauchsteuer erhoben worden sei, und zeige, dass der Unionsgesetzgeber den Verbrauchsteueranspruch nur einmal habe entstehen lassen wollen.
19
Ferner spreche auch Art. 9 der Richtlinie 2008/118 , der vorsehe, dass sich die Entstehung der Verbrauchsteuer nach dem Recht desjenigen Mitgliedstaats richte, in dem die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr stattfinde, dafür, dass die Steuererhebung nur einmal bzw. nur in einem Mitgliedstaat erfolgen dürfe.
20
Darüber hinaus entspreche eine mehrfache Besteuerung verbrauchsteuerpflichtiger Waren nicht dem Sinn und Zweck der Richtlinie 2008/118 . So ergebe sich aus Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie und ihrem neunten Erwägungsgrund, dass ihr Zweck darin bestehe, ein allgemeines System der Verbrauchsteuern festzulegen, die unmittelbar oder mittelbar auf den Verbrauch bestimmter Waren erhoben würden. Eine Ware könne jedoch nur einmal verbraucht werden.
21
Als Zweites hat das vorlegende Gericht für den Fall, dass die Verbrauchsteuer in Deutschland entstanden sein sollte, Zweifel, ob dieser Mitgliedstaat zur Erhebung der Verbrauchsteuer berechtigt ist, da im vorliegenden Fall die Zigaretten in das Vereinigte Königreich befördert wurden, dem eigentlichen Bestimmungsmitgliedstaat, so dass sie in Deutschland weder verbraucht wurden noch verblieben sind.
22
Insoweit weist das vorlegende Gericht zunächst darauf hin, dass der Gerichtshof im Urteil vom 5. März 2015, Prankl (C-175/14,EU:C:2015:142), entschieden habe, dass im Fall der illegalen Verbringung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und ihrer Beförderung ohne das von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 92/12 vorgeschriebene Begleitdokument in einen anderen Mitgliedstaat, in dem sie von den zuständigen Behörden entdeckt würden, nicht auch die Durchfuhrmitgliedstaaten befugt seien, beim Lenker eines Lkw, der diese Beförderung durchgeführt habe, Verbrauchsteuer zu erheben, weil er diese Waren in ihrem Hoheitsgebiet zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten habe.
23
Sodann weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass sich die Rechtslage unter der Geltung der Richtlinie 2008/118 im Wesentlichen nicht geändert habe. Selbst wenn im vorliegenden Fall die Verbrauchsteuer in Deutschland gemäß Art. 7 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 der Richtlinie entstanden sein sollte, bestünden Zweifel, ob dieser Mitgliedstaat für die Erhebung der Verbrauchsteuer zuständig sei oder ob die Erhebungskompetenz gemäß Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie auf den Bestimmungsmitgliedstaat übergegangen sei, jedenfalls soweit die Waren bei der dritten Lieferung dort entdeckt worden seien.
24
Ferner ergebe sich auch aus Art. 38 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 nicht, dass Deutschland für die Erhebung der Verbrauchsteuer zuständig sei.
25
Dies vorausgeschickt, geht das vorlegende Gericht davon aus, dass die Frage, welcher Mitgliedstaat in einem Fall wie dem ihm vorliegenden für die Erhebung der Verbrauchsteuer zuständig sei, durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht vollständig geklärt sei.
26
So habe der Gerichtshof im Urteil vom 5. März 2015, Prankl (C-175/14,EU:C:2015:142), nicht explizit ausgeführt, ob es für eine Verlagerung der Kompetenz zur Erhebung der Verbrauchsteuer auf den Bestimmungsmitgliedstaat lediglich darauf ankomme, dass die Tabakwaren tatsächlich dorthin gelangt seien, unabhängig davon, ob sie dort von den zuständigen Behörden entdeckt würden oder nicht.
27
Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Können Tabakwaren, die infolge einer unrechtmäßigen Einfuhr in das Gebiet der Gemeinschaft gemäß Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2008/118 als in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt gelten, in einem anderen Mitgliedstaat gemäß Art. 7 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/118 aufgrund des Besitzes dieser Tabakwaren außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung erneut als in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt gelten, mit der Folge, dass der Verbrauchsteueranspruch nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 mehrfach entsteht? 2. Wenn die erste Frage bejaht wird: Ist Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 dahin gehend auszulegen, dass die Verbrauchsteuer für Tabakwaren ausschließlich im Bestimmungsmitgliedstaat erhoben wird, wenn die Tabakwaren unrechtmäßig in das Gebiet der Gemeinschaft eingeführt und ohne Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens sowie ohne Entrichtung der Verbrauchsteuer zu gewerblichen Zwecken durch mehrere Mitgliedstaaten bis in den Bestimmungsmitgliedstaat befördert wurden? 10 Im Jahr 2013 führten deutsche Behörden wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung mehrere strafrechtliche Ermittlungen durch. Nach Auffassung dieser Behörden hatte A im Oktober und November 2013 als Lkw-Fahrer dreimal in Ladungen versteckte Zigaretten von Litauen über Deutschland in das Vereinigte Königreich verbracht. Die im November 2013 in das Vereinigte Königreich beförderten Zigaretten wurden dort von den britischen Steuer- und Zollbehörden entdeckt. 11 Mit rechtskräftigem Urteil wurde A für die Fahrt im November 2013 in Deutschland wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Hinsichtlich der beiden Fahrten im Oktober 2013 wurde das Verfahren vorläufig eingestellt. 12 Am 11. Juni 2014 erließ das Hauptzollamt C einen Steuerbescheid, mit dem gegen A Tabaksteuer für alle im Oktober und November 2013 beförderten Zigaretten festgesetzt wurde. 13 Das Finanzgericht (Deutschland), bei dem A gegen diesen Steuerbescheid Klage erhoben hatte, befand, dass die Tabaksteuer gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 des Tabaksteuergesetzes in der Fassung vom 15. Juli 2009 entstanden sei, weil A die fraglichen Zigaretten tatsächlich in Besitz gehabt habe, da er sie in Heizkesseln oder Klimageräten versteckt mit einem Lkw aus Litauen über Polen und Deutschland in das Vereinigte Königreich transportiert habe. Desgleichen wies das Finanzgericht darauf hin, dass, auch wenn Deutschland nur als Durchfuhrmitgliedstaat im Sinne der Richtlinie 2008/118 anzusehen sei, das Hauptzollamt C zur Erhebung der Tabaksteuer berechtigt sei, da es sich im vorliegenden Fall um eine unrechtmäßige Durchfuhr handele. Des Weiteren hat das Finanzgericht ausgeführt, dass ihm eine Anwendung der sich aus dem Urteil vom 5. März 2015, Prankl (C-175/14, EU:C:2015:142), ergebenden Lösung nicht möglich sei und die fraglichen Zigaretten in Deutschland steuerpflichtig seien, weil sie dort in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt und die in Art. 34 der Richtlinie 2008/118 festgelegten Formalitäten nicht eingehalten worden seien. 14 A hat Revision zum Bundesfinanzhof (Deutschland), dem vorlegenden Gericht, eingelegt. Zur Stützung seiner Revision machte A geltend, dass das Finanzgericht gegen die Richtlinie 2008/118 verstoßen und vom Urteil vom 5. März 2015, Prankl (C-175/14, EU:C:2015:142), abgewichen sei. Nach Ansicht von A sind nur die Behörden des Staats, in dem die Waren entdeckt worden seien - vorliegend das Vereinigte Königreich -, für die Erhebung der Tabaksteuer zuständig. 15 Vor diesem Hintergrund führt das vorlegende Gericht aus, dass es für die Lösung des ihm vorliegenden Rechtsstreits darauf ankomme, ob bei einer unrechtmäßigen Einfuhr von Tabakwaren und deren anschließender Beförderung außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung durch mehrere Mitgliedstaaten in einem Durchfuhrmitgliedstaat wie vorliegend Deutschland die Tabaksteuer entsteht und - falls dies so sei - ob der Durchfuhrmitgliedstaat zur Erhebung der Tabaksteuer berechtigt sei. 16 Insoweit bestünden Zweifel hinsichtlich zum einen der Auslegung der Art. 7 und 33 der Richtlinie 2008/118 und zum anderen der Frage, ob die vom Gerichtshof im Urteil vom 5. März 2015, Prankl (C-175/14, EU:C:2015:142), vertretene Auslegung der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. 1992, L 73, S. 1) in der durch die Richtlinie 92/108/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 (ABl. 1992, L 390, S. 124) (im Folgenden: Richtlinie 92/12) geänderten Fassung auch auf den Fall angewandt werden könne, dass die Tabakwaren in den Bestimmungsmitgliedstaat gelangten, aber dort nicht von dessen Steuerbehörden entdeckt würden. 17 Als Erstes hebt das vorlegende Gericht hervor, dass nach dem im Streitjahr 2013 geltenden deutschen Recht die Tabaksteuer in Deutschland entstanden und A Steuerschuldner sei. Allerdings hat das vorlegende Gericht Zweifel, ob eine solche Lösung mit dem Unionsrecht vereinbar ist, weil sie bedeuten würde, dass es in mehreren Mitgliedstaaten zur Entstehung des Verbrauchsteueranspruchs käme. 18 So erscheine es zunächst ausgehend vom Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 fraglich, ob für Tabakwaren, die in einem Mitgliedstaat als in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt gälten, erneut eine Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr in diesem oder in einem anderen Mitgliedstaat fingiert werden könne. Zudem setze die Fiktion für eine Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie voraus, dass für die Tabakwaren noch keine Verbrauchsteuer erhoben worden sei, und zeige, dass der Unionsgesetzgeber den Verbrauchsteueranspruch nur einmal habe entstehen lassen wollen. 19 Ferner spreche auch Art. 9 der Richtlinie 2008/118, der vorsehe, dass sich die Entstehung der Verbrauchsteuer nach dem Recht desjenigen Mitgliedstaats richte, in dem die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr stattfinde, dafür, dass die Steuererhebung nur einmal bzw. nur in einem Mitgliedstaat erfolgen dürfe. 20 Darüber hinaus entspreche eine mehrfache Besteuerung verbrauchsteuerpflichtiger Waren nicht dem Sinn und Zweck der Richtlinie 2008/118. So ergebe sich aus Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie und ihrem neunten Erwägungsgrund, dass ihr Zweck darin bestehe, ein allgemeines System der Verbrauchsteuern festzulegen, die unmittelbar oder mittelbar auf den Verbrauch bestimmter Waren erhoben würden. Eine Ware könne jedoch nur einmal verbraucht werden. 21 Als Zweites hat das vorlegende Gericht für den Fall, dass die Verbrauchsteuer in Deutschland entstanden sein sollte, Zweifel, ob dieser Mitgliedstaat zur Erhebung der Verbrauchsteuer berechtigt ist, da im vorliegenden Fall die Zigaretten in das Vereinigte Königreich befördert wurden, dem eigentlichen Bestimmungsmitgliedstaat, so dass sie in Deutschland weder verbraucht wurden noch verblieben sind. 22 Insoweit weist das vorlegende Gericht zunächst darauf hin, dass der Gerichtshof im Urteil vom 5. März 2015, Prankl (C-175/14, EU:C:2015:142), entschieden habe, dass im Fall der illegalen Verbringung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und ihrer Beförderung ohne das von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 92/12 vorgeschriebene Begleitdokument in einen anderen Mitgliedstaat, in dem sie von den zuständigen Behörden entdeckt würden, nicht auch die Durchfuhrmitgliedstaaten befugt seien, beim Lenker eines Lkw, der diese Beförderung durchgeführt habe, Verbrauchsteuer zu erheben, weil er diese Waren in ihrem Hoheitsgebiet zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten habe. 23 Sodann weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass sich die Rechtslage unter der Geltung der Richtlinie 2008/118 im Wesentlichen nicht geändert habe. Selbst wenn im vorliegenden Fall die Verbrauchsteuer in Deutschland gemäß Art. 7 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 der Richtlinie entstanden sein sollte, bestünden Zweifel, ob dieser Mitgliedstaat für die Erhebung der Verbrauchsteuer zuständig sei oder ob die Erhebungskompetenz gemäß Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie auf den Bestimmungsmitgliedstaat übergegangen sei, jedenfalls soweit die Waren bei der dritten Lieferung dort entdeckt worden seien. 24 Ferner ergebe sich auch aus Art. 38 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 nicht, dass Deutschland für die Erhebung der Verbrauchsteuer zuständig sei. 25 Dies vorausgeschickt, geht das vorlegende Gericht davon aus, dass die Frage, welcher Mitgliedstaat in einem Fall wie dem ihm vorliegenden für die Erhebung der Verbrauchsteuer zuständig sei, durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht vollständig geklärt sei. 26 So habe der Gerichtshof im Urteil vom 5. März 2015, Prankl (C-175/14, EU:C:2015:142), nicht explizit ausgeführt, ob es für eine Verlagerung der Kompetenz zur Erhebung der Verbrauchsteuer auf den Bestimmungsmitgliedstaat lediglich darauf ankomme, dass die Tabakwaren tatsächlich dorthin gelangt seien, unabhängig davon, ob sie dort von den zuständigen Behörden entdeckt würden oder nicht. 27 Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1. Können Tabakwaren, die infolge einer unrechtmäßigen Einfuhr in das Gebiet der Gemeinschaft gemäß Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2008/118 als in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt gelten, in einem anderen Mitgliedstaat gemäß Art. 7 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/118 aufgrund des Besitzes dieser Tabakwaren außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung erneut als in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt gelten, mit der Folge, dass der Verbrauchsteueranspruch nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 mehrfach entsteht?2. Wenn die erste Frage bejaht wird: Ist Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 dahin gehend auszulegen, dass die Verbrauchsteuer für Tabakwaren ausschließlich im Bestimmungsmitgliedstaat erhoben wird, wenn die Tabakwaren unrechtmäßig in das Gebiet der Gemeinschaft eingeführt und ohne Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens sowie ohne Entrichtung der Verbrauchsteuer zu gewerblichen Zwecken durch mehrere Mitgliedstaaten bis in den Bestimmungsmitgliedstaat befördert wurden?Zu den Vorlagefragen
28
Nach Art. 99 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof, wenn die Antwort auf eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann oder die Beantwortung einer solchen Frage keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt, auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden.
29
Diese Bestimmung ist im Rahmen der vorliegenden Vorlage zur Vorabentscheidung anzuwenden.
30
Mit seinen zwei Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 2008/118 und insbesondere ihre Art. 7 und 33 dahin auszulegen sind, dass Tabakwaren, die unrechtmäßig in das Gebiet eines Mitgliedstaats eingeführt und dann ohne Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens zu gewerblichen Zwecken durch mehrere Mitgliedstaaten bis in einen anderen Mitgliedstaat befördert wurden, als in mehreren Mitgliedstaaten in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt gelten können, so dass die Verbrauchsteuer für diese Tabakwaren nicht ausschließlich im Bestimmungsmitgliedstaat erhoben wird, sondern von mehreren Mitgliedstaaten - einschließlich der Durchfuhrmitgliedstaaten - erhoben werden kann.
31
Es ist festzustellen, dass die Auslegung des Unionsrechts, um die das vorlegende Gericht ersucht, aus dem Urteil vom 5. März 2015, Prankl (C-175/14,EU:C:2015:142), klar abgeleitet werden kann.
32
Nach diesem Urteil sind Art. 7 Abs. 1 und 2 und Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 92/12 dahin auszulegen, dass im Fall der illegalen Verbringung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und ihrer Beförderung ohne das von Art. 7 Abs. 4 dieser Richtlinie vorgeschriebene Begleitdokument in einen anderen Mitgliedstaat, in dem sie von den zuständigen Behörden entdeckt werden, nicht auch die Durchfuhrmitgliedstaaten befugt sind, beim Lenker eines Lkw, der diese Beförderung durchgeführt hat, Verbrauchsteuer zu erheben, weil er diese Waren in ihrem Hoheitsgebiet zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten hat (Urteil vom 5. März 2015, Prankl C-175/14,EU:C:2015:142, Rn. 32).
33
In Bezug auf einen solchen Sachverhalt hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Richtlinie 92/12 bezweckte, in bestimmtem Umfang den Besitz, den Verkehr und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren zu regeln, und zwar insbesondere, um zu gewährleisten, dass der Verbrauchsteueranspruch in allen Mitgliedstaaten unter gleichen Umständen gegeben ist, und dass diese Harmonisierung es grundsätzlich ermöglicht, Doppelbesteuerungen im Verhältnis zwischen Mitgliedstaaten zu vermeiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. März 2015, Prankl C-175/14,EU:C:2015:142, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).
34
Desgleichen hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 92/12 die allgemeine Regel aufstellte, dass eine verbrauchsteuerpflichtige Ware, die in einem Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden ist und sich zu gewerblichen Zwecken in einem anderen Mitgliedstaat befindet, im letztgenannten Staat besteuert wird. Daraus hat der Gerichtshof abgeleitet, dass der Steueranspruch somit im Bestimmungsmitgliedstaat der Ware und nicht im Mitgliedstaat der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr entsteht (Urteil vom 5. März 2015, Prankl C-175/14,EU:C:2015:142, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).
35
Schließlich hat der Gerichtshof festgestellt, dass zwar weder Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 92/12 noch deren Art. 9 Abs. 1 ausdrücklich ausschlossen, Verbrauchsteuern auf Schmuggelwaren in einem Mitgliedstaat zu erheben, durch den die Waren befördert wurden, sich aber aus Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 92/12 ergibt, dass die Behörden desjenigen Mitgliedstaats für die Erhebung der Verbrauchsteuer zuständig sind, in dem die vorschriftswidrig in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union eingeführten und zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehaltenen Waren entdeckt worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. März 2015, Prankl C-175/14,EU:C:2015:142, Rn. 23 und 24).
36
Somit hat der Gerichtshof im Zusammenhang mit der Richtlinie 92/12 befunden, dass der Verbrauchsteueranspruch im Bestimmungsmitgliedstaat der Ware und nicht im Mitgliedstaat der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr entsteht. Desgleichen hat er entschieden, dass im Fall der illegalen Verbringung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und ihrer Beförderung ohne das von Art. 7 Abs. 4 dieser Richtlinie vorgeschriebene Begleitdokument in einen anderen Mitgliedstaat, in dem sie von den zuständigen Behörden entdeckt werden, nicht auch die Durchfuhrmitgliedstaaten befugt sind, beim Lenker eines Lkw, der diese Beförderung durchgeführt hat, Verbrauchsteuer zu erheben, weil er diese Waren in ihrem Hoheitsgebiet zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten hat.
37
Diese Auslegung ist auch in Bezug auf die im vorliegenden Fall anwendbaren Bestimmungen der Richtlinie 2008/118 geboten.
38
Denn erstens ist festzustellen, dass die Richtlinie 2008/118 die Richtlinie 92/12 mit Wirkung zum 1. April 2010 aufgehoben und ersetzt hat und - wie der Gerichtshof bereits entschieden hat - die Art. 32 bis 34 der Richtlinie 2008/118 keine wesentlichen Änderungen der Art. 7 bis 9 der Richtlinie 92/12 mit sich bringen, sondern den Inhalt dieser Artikel übernehmen und sie dabei klarer fassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Metro Cash & Carry Danmark, C-315/12,EU:C:2013:503, Rn. 42), so dass die Rechtsprechung zur Richtlinie 92/12 auch auf die Richtlinie 2008/118 anwendbar ist (Urteil vom 9. Juni 2022, IMPERIAL TOBACCO BULGARIA, C-55/21,EU:C:2022:459, Rn. 37). Folglich kann davon ausgegangen werden, dass den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2008/118 dieselbe Tragweite wie denen der Richtlinie 92/12 beizumessen ist.
39
Zweitens ist festzustellen, dass die in Rn. 36 des vorliegenden Beschlusses angeführte Auslegung, wonach die Erhebung der Verbrauchsteuern grundsätzlich in einem einzigen Mitgliedstaat, nämlich dem der Bestimmung und des Verbrauchs der Ware, erfolgt, so dass die Mitgliedstaaten, durch die die verbrauchsteuerpflichtigen Tabakwaren befördert werden, nicht befugt sind, auf diese Waren ebenfalls Verbrauchsteuer zu erheben, auch für die Bestimmungen der Richtlinie 2008/118 gilt.
40
Insoweit ist insbesondere hervorzuheben, dass nach Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 die Verbrauchsteuer im Bestimmungsmitgliedstaat erhoben wird.
41
Ferner entsteht der Verbrauchsteueranspruch nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118 zum Zeitpunkt und im Mitgliedstaat der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr.
42
Wie der Gerichtshof bereits hervorgehoben hat, kann die Überführung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr jedoch nur einmal stattfinden (vgl. entsprechend Urteil vom 24. Februar 2021, Silcompa, C-95/19,EU:C:2021:128, Rn. 65).
43
In diesem Zusammenhang ist ein Mitgliedstaat, durch den diese Waren befördert wurden, ohne dort verbraucht worden zu sein, nicht befugt, die Verbrauchsteuer zu erheben, unabhängig davon, ob die in einem anderen Mitgliedstaat verbrauchsteuerpflichtigen Waren von den zuständigen Behörden des Bestimmungsmitgliedstaats, in dem diese Waren zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten werden, entdeckt worden sind oder nicht.
44
Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass die Richtlinie 2008/118 und insbesondere ihre Art. 7 und 33 dahin auszulegen sind, dass die Verbrauchsteuer für Tabakwaren, die unrechtmäßig in das Gebiet eines Mitgliedstaats eingeführt und dann ohne Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens zu gewerblichen Zwecken durch mehrere Mitgliedstaaten bis in einen anderen Mitgliedstaat befördert wurden, nur von einem einzigen Mitgliedstaat erhoben werden kann, nämlich dem Bestimmungsmitgliedstaat, in den diese Waren befördert wurden, unter Ausschluss der Durchfuhrmitgliedstaaten.
Kosten
45
Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:
Die Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG und insbesondere ihre Art. 7 und 33
sind dahin auszulegen, dass
die Verbrauchsteuer für Tabakwaren, die unrechtmäßig in das Gebiet eines Mitgliedstaats eingeführt und dann ohne Eröffnung eines Steueraussetzungsverfahrens zu gewerblichen Zwecken durch mehrere Mitgliedstaaten bis in einen anderen Mitgliedstaat befördert wurden, nur von einem einzigen Mitgliedstaat erhoben werden kann, nämlich dem Bestimmungsmitgliedstaat, in den diese Waren befördert wurden, unter Ausschluss der Durchfuhrmitgliedstaaten.
Der KanzlerDer KammerpräsidentA. Calot EscobarF. BiltgenLuxemburg, den 4. Oktober 2024