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  • 07.01.2009 · IWW-Abrufnummer 090079

    Bundesgerichtshof: Beschluss vom 10.12.2008 – 1 StR 322/08

    1. Die Teilabordnung eines (Vorsitzenden) Richters am Oberlandesgericht an ein Landgericht ist nach § 37 DRiG zulässig. § 27 Abs. 2 DRiG steht dem weder unmittelbar noch in analoger Anwendung entgegen.



    2. Vorsitzender eines Spruchkörpers bei einem Landgericht kann auch ein Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht sein, der an das Landgericht (rück-)abgeordnet wurde.



    3. Scheidet ein Richter aus einem Spruchkörper aufgrund der Übertragung eines Richteramtes bei einem anderen Gericht aus, ist ein Verhinderungsfall i.S.v. § 192 Abs. 2 GVG nicht gegeben, wenn die Hauptverhandlung, die unter Beteiligung des Richters begonnen wurde, aufgrund einer Rückabordnung nach § 37 DRiG innerhalb der Fristen des § 229 StPO in der ursprünglichen Besetzung der Richterbank fortgesetzt werden kann.



    4. Die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO kann einen nicht gerechtfertigten Steuervorteil im Sinne von § 370 Abs. 1 AO darstellen.


    BUNDESGERICHTSHOF

    BESCHLUSS

    1 StR 322/08

    vom 10. Dezember 2008

    in der Strafsache

    gegen

    1.

    2.

    wegen Steuerhinterziehung

    Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Dezember 2008 beschlossen:

    Tenor:

    Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 13. November 2007 werden als unbegründet verworfen.

    Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

    Gründe:

    Das Landgericht hat die Angeklagten S. und G. wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren bzw. zwei Jahren verurteilt, wobei die Vollstreckung der gegen den Angeklagten G. verhängten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Die Rechtsmittel sind unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Der näheren Erörterung bedarf lediglich Folgendes:

    I.

    Die Revisionen erheben inhaltlich identische Besetzungsrügen (§ 338 Nr. 1 StPO). Folgendes Geschehen liegt zu Grunde:

    Zwischen dem 31. Hauptverhandlungstag (14. August 2007) und dem 32. Hauptverhandlungstag (4. September 2007) wurde die Vorsitzende Richterin der 4. Strafkammer durch das Bayerische Staatsministerium der Justiz unter dem Datum des 26. August 2007 mit Wirkung zum 1. September 2007 zur Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht München ernannt. Am 29. August 2007 verfügte der Vizepräsident des Oberlandesgerichts München im Einverständnis mit der Vorsitzenden Richterin deren Rückabordnung an das Landgericht München I mit einem Viertel ihrer Arbeitskraft und mit Wirkung vom 1. September 2007 bis zum 31. Dezember 2007. Ebenfalls am 29. August 2007 beschloss das Präsidium des Landgerichts München I, dass der Vorsitzenden Richterin "im Umfang ihrer Abordnung und entsprechend dem angeordneten Zeitraum der Vorsitz der 4. Strafkammer übertragen" wird. Dieser Sachverhalt wurde den Verfahrensbeteiligten zu Beginn der Fortsetzung der Hauptverhandlung am 4. September 2007 mitgeteilt. Einwendungen gegen die Besetzung des Gerichts wurden von keinem Verfahrensbeteiligten erhoben. Die Hauptverhandlung wurde in der ursprünglichen Besetzung bis zum letzten Hauptverhandlungstag fortgeführt. Dementsprechend trat der Ergänzungsrichter, der der Hauptverhandlung ab dem 1. Hauptverhandlungstag beigewohnt hatte (§ 192 Abs. 2 GVG), nicht in die Strafkammer ein.

    Auf dieser Grundlage beanstanden die Revisionen die Besetzung der Strafkammer seit dem 1. September 2007. Sie rügen die Verletzung von § 27 Abs. 2 und § 37 DRiG; § 21f Abs. 1 GVG und § 192 GVG.

    1. Der Senat kann offen lassen, ob ein Verfahrensbeteiligter, der eine solche Rückabordnung mit der Revision beanstanden will, nicht in entsprechender Anwendung von § 338 Nr. 1 Buchst. b und § 222b StPO gehalten ist, vor dem Landgericht unverzüglich nach dem Bekanntwerden der maßgeblichen Verfahrenstatsachen einen Besetzungseinwand zu erheben. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet; denn die Rückabordnung der Vorsitzenden Richterin war nämlich - auch und gerade in dieser Funktion - gesetzlich zulässig, zumindest aber nicht willkürlich.

    a) Ein Verstoß gegen § 27 Abs. 2 und § 37 DRiG ist nicht gegeben.

    aa) Die Abordnung eines Richters, auch die eines (Vorsitzenden) Richters am Oberlandesgericht an ein Landgericht, ist zulässig, wenn die in § 37 DRiG genannten Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Schmidt-Räntsch, DRiG 5. Aufl. § 27 Rdn. 16). Dies ist hier der Fall. Die Zustimmung des Richters (§ 37 Abs. 1 DRiG) lag vor und die Abordnung war auf eine bestimmte Zeit ausgesprochen (§ 37 Abs. 2 DRiG).

    bb) Unter den Voraussetzungen des § 37 DRiG ist auch die Teilabordnung eines Richters zulässig. Sie ist gesetzlich nicht ausgeschlossen und wird auch nicht durch die Möglichkeit der Übertragung eines weiteren Richteramtes verdrängt (Schmidt-Räntsch, DRiG 5. Aufl. § 37 Rdn. 4c).

    cc) Demgegenüber macht die Revision vergeblich geltend, die vorliegende Teilabordnung verstoße gegen § 27 Abs. 2 DRiG.

    (1) Diese Vorschrift sieht vor, dass eine Ämterkumulierung nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen zulässig ist. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist dies lediglich in den Fällen von § 22 Abs. 2 GVG oder § 59 Abs. 2 GVG der Fall. Diese Vorschriften betreffen nur das Amtsgericht und das Landgericht. § 27 Abs. 2 DRiG soll - gemeinsam mit § 27 Abs. 1 DRiG - im Interesse eines Richters auf Lebenszeit dessen in Art. 97 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf Unversetzbarkeit und Unabsetzbarkeit sicherstellen. Mit Ausnahme der Abordnung nach § 37 DRiG darf kein Richter auf Lebenszeit bei einem Gericht richterliche Aufgaben wahrnehmen, ohne dass ihm ein Richteramt bei diesem Gericht übertragen ist. Anderenfalls wäre der Richter bei diesem Gericht nicht in dem nach Art. 97 Abs. 2 Satz 1 GG erforderlichen Umfang geschützt (Schmidt-Räntsch, DRiG 5. Aufl. § 27 Rdn. 14). Eine Zustimmung des Richters zur Übertragung eines weiteren Richteramtes nach § 27 Abs. 2 DRiG i.V.m. § 22 Abs. 2 resp. § 59 Abs. 2 GVG, die durch Verfügung der Landesjustizverwaltung erfolgt (BGHSt 24, 283), ist regelmäßig nicht erforderlich (Kissel/Mayer, GVG § 22 Rdn. 13; zu Ausnahmen vgl. BGHZ 67, 159).

    (2) Angesichts der unterschiedlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Abordnung einerseits und von Übertragung eines weiteren Richteramtes andererseits ist eine unmittelbare Anwendung des § 27 Abs. 2 DRiG auf Fälle der Teilabordnung nicht möglich. Auch eine analoge Anwendung des § 27 Abs. 2 DRiG ist in Fällen der Teilabordnung nicht geboten (a.A. Schmidt-Räntsch, DRiG 5. Aufl. § 37 Rdn. 4c). Es ist schon fraglich, ob überhaupt eine für eine Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke vorliegt. Es fehlt jedenfalls auf Grund des Zustimmungserfordernisses (§ 37 Abs. 1 DRiG) und der zeitlichen Begrenzung (§ 37 Abs. 2 DRiG) bei der Teilabordnung im Hinblick auf den Schutzzweck des § 27 Abs. 2 DRiG (vgl. oben [1] ) regelmäßig an einer vergleichbaren Interessenlage. Ob Besonderheiten des Einzelfalles ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, mag dahinstehen; derartige Besonderheiten liegen hier jedenfalls nicht vor.

    dd) Da nach alledem ein Verstoß gegen § 27 Abs. 2 und § 37 DRiG nicht gegeben ist, bedarf es im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, ob ein solcher Verstoß überhaupt zu einer Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters und somit zu einer vorschriftswidrigen Besetzung des erkennenden Gerichts im Sinne des § 338 Nr. 1 StPO führen könnte. Hiergegen könnte sprechen, dass die Fortführung des gegenständlichen Verfahrens in der ursprünglich besetzten Richterbank bei einer uneingeschränkten Rückabordnung möglich wäre. Die Wahrung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters kann aber schwerlich davon abhängen, welche richterlichen Tätigkeiten der Richter außerhalb der in Rede stehenden Hauptverhandlung wahrnimmt und ob insoweit die Rechte des Richters verletzt sind. Näher nachzugehen braucht der Senat dem unter den gegebenen Umständen nicht.

    b) Auch § 21f Abs. 1 GVG ist nicht verletzt. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist nicht ausgeschlossen, dass der Vorsitz in einem Spruchkörper durch einen Vorsitzenden Richter eines anderen Gerichts, der zu diesem Zwecke abgeordnet wird, geführt werden kann. Die Revision (zuletzt Schriftsatz für den Angeklagten G. vom 17. November 2008) meint demgegenüber unter Hinweis insbesondere auf BGHSt 31, 389; BVerwGE 106, 345; OLG Hamm StV 2004, 366, 367, dass ein abgeordneter Richter nicht ordentlicher Vorsitzender einer Kammer beim Landgericht sein könne. Der Senat teilt diese Auffassung nicht. Die genannten Entscheidungen betreffen jeweils den Fall, dass der Richter - bei Beginn der Hauptverhandlung - noch nicht das Amt eines Vorsitzenden dieses Spruchkörpers erreicht hatte. Diese Fallkonstellation ist mit der vorliegenden nicht vergleichbar, in der der Richter während der Hauptverhandlung in ein höheres Richteramt befördert wurde. Danach wurde dem Sinn und Zweck des § 21f Abs. 1 GVG, wonach sichergestellt werden soll, dass die hervorgehobene Stellung des Vorsitzenden durch entsprechend qualifizierte Richter ausgeübt wird (BGHSt 25, 54, 55), hier entsprochen.

    c) Ebenso liegt auch kein Verstoß gegen die Vorschrift des § 192 GVG vor. Aufgrund der Rückabordnung war ein Verhinderungsfall, der den Eintritt des bestellten Ergänzungsrichters erfordert hätte, nicht gegeben.

    aa) Die Anordnung der Zuziehung eines Ergänzungsrichters nach § 192 GVG dient der Sicherstellung der Durchführung einer Hauptverhandlung, namentlich im Hinblick auf den Grundsatz der Verhandlungseinheit (§ 226 StPO) und die Unterbrechungsfristen des § 229 StPO. Die Vorschrift des § 192 GVG bezieht sich mithin auf die konkrete Hauptverhandlung, für deren Sicherstellung die Zuziehung des Ergänzungsrichters angeordnet wurde.

    bb) Dementsprechend ist eine Verhinderung im Sinne von § 192 Abs. 2 GVG gegeben, wenn die weitere Mitwirkung eines Richters nur durch die Verletzung von Verfahrensvorschriften, namentlich des § 229 StPO, ermöglicht werden könnte (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 192 GVG Rdn. 7). Ist ein Richter demgegenüber lediglich an einzelnen Tagen nicht in der Lage, an dem Verfahren weiter mitzuwirken, kann es aber später mit ihm ordnungsgemäß fortgeführt werden, dann begründet diese zeitweise Verhinderung nicht notwendig den Vertretungsfall (BGH NStZ 1986, 518, 519). Demnach war vorliegend durch die Möglichkeit der Rückabordnung der Vorsitzenden Richterin die Fortführung der Hauptverhandlung in der ursprünglichen Besetzung des Gerichts innerhalb der Fristen des § 229 StPO sichergestellt. Ein Verhinderungsfall im Sinne des § 192 GVG war somit nicht gegeben.

    d) Unabhängig von alledem hätte eine Rüge gemäß § 338 Nr. 1 StPO nur Erfolg, wenn der in Rede stehenden Besetzung eine willkürliche Verletzung der einschlägigen Bestimmungen zu Grunde liegen würde. Dies ist dann der Fall, wenn eine Maßnahme sich so weit vom Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt, dass sie nicht mehr gerechtfertigt werden kann (BVerfGE 23, 288, 320). Aus den dargelegten Gründen war die Rückabordnung der Vorsitzenden an die Strafkammer jedenfalls in rechtlicher Hinsicht vertretbar. Durch die gewählte Vorgehensweise wurde zudem ein sachgerechter Ausgleich für die aufgrund der Beförderungsentscheidung aufgetretene Interessenkollision gefunden. Als Alternative wäre in Betracht gekommen, von der Beförderung der Richterin abzusehen. Damit wäre aber ein geeigneter Richter allein deshalb von einer Beförderung ausgeschlossen, weil er ein fortgeschrittenes Verfahren zu Ende zu führen hat. Eine derartige Folge wäre mit dem sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden Grundsatz der Bestenauslese nicht zu vereinbaren. Weiter hätte in Erwägung gezogen werden können, den Vorsitz des betroffenen Senates beim Oberlandesgericht länger unbesetzt zu lassen. Dies hätte mit dem verfassungsrechtlich gebotenen Grundsatz kollidieren können, dass die Neubestellung eines Vorsitzenden ohne ungebührliche Verzögerung erfolgen muss (BVerfGE 18, 423, 426). Gegen eine Beförderung ohne Rückabordnung hätten im Hinblick auf die Wahrung des Rechts auf den gesetzlichen Richter erhebliche Bedenken bestanden. Denn dann könnte der Eindruck entstehen, mit der Wahl des Ernennungszeitpunkts hätte die Justizverwaltung während laufender Hauptverhandlung Einfluss auf die Besetzung des Spruchkörpers genommen. Mit der gewählten Vorgehensweise einer Beförderung mit sofortiger Rückabordnung des beförderten Richters war bestmöglich gewährleistet, dass die Hauptverhandlung ohne Änderung in der Zusammensetzung der Richterbank zu Ende geführt werden konnte. Der einzige Unterschied zur vorherigen Besetzung bestand letztlich in einer höheren Besoldung der Vorsitzenden.

    Die demnach vertretbare Beantwortung einer vom Gesetz nicht geregelten Zweifelsfrage verstößt aber weder gegen den in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG niedergelegten Grundsatz der Mitwirkung des gesetzlichen Richters, noch wird dadurch eine vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts i.S.v. § 338 Nr. 1 StPO herbeigeführt (BVerfGE 29, 45, 48; BGH NStZ 1982, 476, 477 m.w.N.).

    II.

    Hinsichtlich der übrigen Verfahrensrügen verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts, die auch durch die Erwiderungen der Revisionen (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht entkräftet werden.

    III.

    Auch die Sachrüge bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung. Dem steht - entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer, zuletzt im Schriftsatz vom 9. Dezember 2008 - nicht entgegen, dass der Bundesfinanzhof in dem Beschluss vom 6. November 2008 (Aktenzeichen IV B 126/07), der in dem Beschwerdeverfahren über den Antrag der F. und E. GmbH & Co. KG auf Aussetzung der Vollziehung erging und dem der identische Lebenssachverhalt zu Grunde lag, in steuerrechtlicher Hinsicht weitere Feststellungen für erforderlich erachtete. Denn im dortigen Verfahren konnten die Feststellungen aus dem strafgerichtlichen Urteil nicht übernommen werden, da dieses noch nicht rechtskräftig war und die Beteiligten die Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils bestritten (vgl. BFH, Beschl. vom 6. November 2008 - IV B 126/07 Rdn. 37 f. m.w.N. zur finanzgerichtlichen Rechtsprechung).

    Darüber hinaus bemerkt der Senat ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts:

    Die Verurteilung der Angeklagten wegen vollendeter Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 AO) begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zwar bewirkt ein unrichtiger Feststellungsbescheid als bloßer Grundlagenbescheid keine Steuerverkürzung; denn in dem Feststellungsbescheid werden lediglich die Besteuerungsgrundlagen festgestellt, die Festsetzung der Steuern bleibt dagegen dem Folgebescheid vorbehalten. Das Landgericht ist jedoch zurecht davon ausgegangen, dass die Angeklagten als Vertreter der Kommanditgesellschaft für die Kommanditisten einen nicht gerechtfertigten Steuervorteil im Sinne von § 370 Abs. 1 AO erlangt haben, indem sie durch unrichtige Angaben in der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO einen Feststellungsbescheid erwirkt haben, in dem für die Kommanditgesellschaft zu hohe negative Einkünfte festgestellt und damit zu Unrecht Verluste zugewiesen wurden. Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:

    "Nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO werden einkommensteuerpflichtige Einkünfte mehrerer Beteiligter gesondert und einheitlich festgestellt. Dieser gesonderte Feststellungsbescheid stellt einen Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO) dar und ist für die Folgebescheide bindend (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Bindungswirkung besteht unabhängig davon, ob die Feststellungen inhaltlich rechtmäßig sind und mit Bindungswirkung hätten getroffen werden dürfen (vgl. BFH/NV 1992, 363). Ist ein solcher Folgebescheid bereits vor Erlass des Feststellungsbescheides bestandskräftig geworden, so ist er zwingend zu ändern (§ 175 Abs. 1 Nr. 1 AO). Diese Bindungswirkung führt dazu, dass das für die Einkommensbesteuerung der Anteilseigner zuständige Wohnsitzfinanzamt keine Möglichkeit hat, den Inhalt des Feststellungsbescheides zu überprüfen. Damit ist es ausgeschlossen, dass ein Sachverhalt, über den im Feststellungsverfahren entschieden worden ist, im Folgeverfahren in einem damit unvereinbaren Sinne anders beurteilt wird (vgl. Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 182 Rdnr. 1). Das Veranlagungsfinanzamt erhält von Amts wegen Kenntnis vom Feststellungsbescheid, so dass es einer Mitwirkung oder Antragstellung des Steuerpflichtigen insoweit nicht bedarf.

    Gerade diese Bindungswirkung rechtfertigt aber die Annahme, dass bereits der unrichtige Feststellungsbescheid den Steueranspruch konkret gefährdet. Die Ermittlung und Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ist wesentliche Voraussetzung für die Durchführung des Festsetzungsverfahrens. Der Täter kann nun sicher sein, dass seine falschen Angaben im Feststellungsverfahren ohne weitere Zwischenschritte in die Festsetzung einfließen. Damit hat er einen Vorteil bereits mit der Wirksamkeit des Grundlagenbescheides erlangt (so auch Hardtke/Leip, NStZ 1996, 217, 219)."

    Dem schließt sich der Senat an. Der in Feststellung unrichtiger Besteuerungsgrundlagen mit Bindungswirkung liegende Vorteil ist ein Vorteil spezifisch steuerlicher Art, der auf dem Tätigwerden der Finanzbehörde beruht, und damit Steuervorteil (gl. A. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 376 AO Rdn. 21; Gast-de Haan in Klein, AO 9. Aufl. § 370 Rdn. 56; Hardtke, AO-StB 2002, 92, 93; a.A. Beckemper NStZ 2002, 518, 520; Hellmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 370 Rdn. 299; Sorgenfrei, wistra 2006, 370; zum Begriff des Steuervorteils vgl. auch BGHSt 25, 190, 202). Der Annahme eines mit dem Feststellungsbescheid erlangten Steuervorteils steht nicht entgegen, dass ein solcher Bescheid erst die Grundlage für die Berechnung der Steuerschuld bildet und regelmäßig noch keine abschließende Auskunft gibt, in welcher konkreten Höhe der Steueranspruch tatsächlich beeinträchtigt wird (a.A. Beckemper aaO S. 521). Aus dem Umstand, dass eine Umsetzung des Grundlagenbescheids in einen Einkommensteuerbescheid noch nicht stattgefunden hat, ergibt sich lediglich, dass eine Steuerverkürzung noch nicht eingetreten ist; dies schließt jedoch nicht aus, die Bekanntgabe des unrichtigen Feststellungsbescheids als gesonderten nicht gerechtfertigten Steuervorteil zu verstehen (vgl. Hardtke, AO-StB 2002, 92, 93). Auch eine genaue betragsmäßige Bestimmung der bei einer späteren Umsetzung der festgestellten Besteuerungsgrundlagen in einem Folgebescheid eintretenden Steuerverkürzung ist nicht Voraussetzung für die Annahme eines Steuervorteils (vgl. Hardtke aaO S. 95; a.A. Gast-de Haan aaO). Die Steuerhinterziehung ist zwar Erfolgsdelikt, jedoch nicht notwendig Verletzungsdelikt. Wie die Vorschrift des § 370 Abs. 4 Satz 1 AO zeigt, genügt z.B. für eine Steuerverkürzung schon die zu niedrige Festsetzung von Steuern, also eine konkrete Gefährdung des Steueranspruchs (vgl. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 15). Die hinreichend konkrete Gefährdung des Steueranspruchs genügt auch für die Annahme eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils. Da hier im Hinblick auf die Bindungswirkung von Grundlagenbescheiden (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO) die für die Kommanditgesellschaft - auch der Höhe nach - festgestellten Besteuerungsgrundlagen des Gewinnfeststellungsbescheids ohne weiteres Zutun der Angeklagten oder der Kommanditisten in die Folgebescheide der Kommanditisten einzubeziehen waren, lag eine solche Gefährdung hier vor (vgl. Joecks aaO § 376 AO Rdn. 21 und Hardtke aaO S. 95; einzelne Stimmen in der Literatur, z.B. Rolletschke in Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen § 370 Rdn. 118 und Hellmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 370 Rdn. 299, denen der Senat nicht folgt, sehen dagegen in einem unrichtigen Feststellungsbescheid noch keine für eine vollendete Steuerhinterziehung ausreichende Gefährdung von Steueransprüchen).

    Der Umstand, dass die Angeklagten ihr angestrebtes (End-)Ziel einer Steuerverkürzung erst mit der zu niedrigen Festsetzung der Einkommensteuer in den Einkommensteuerbescheiden der Kommanditisten erreichten, steht der Annahme eines in der bindenden Feststellung unrichtiger Besteuerungsgrundlagen liegenden Steuervorteils nicht entgegen (a.A. Sorgenfrei, wistra 2006, 370, 374). Die durch die Umsetzung der festgestellten unrichtigen Besteuerungsgrundlagen bei der Steuerfestsetzung in den Folgebescheiden bewirkte Steuerverkürzung stellt lediglich einen weitergehenden Taterfolg dar, der insbesondere für den Zeitpunkt der Tatbeendigung und damit für den Verjährungsbeginn der Steuerhinterziehung von Bedeutung ist (vgl. BGH wistra 1984, 142). Die Tatvollendung durch Erlangung eines bereits in der bindenden Feststellung der Besteuerungsgrundlagen liegenden Steuervorteils wird dadurch jedoch nicht in Frage gestellt (vgl. Joecks aaO § 376 Rdn. 21a; a.A. Beckemper NStZ 2002, 518, 521). Die mehrfache Verwirklichung eines tatbestandlichen Erfolgs steht im Einklang mit der Rechtsnatur der Steuerhinterziehung im Feststellungs- und Festsetzungsverfahren als Gefährdungsdelikt (vgl. Joecks aaO § 370 Rdn. 15; Hardtke/Leip, NStZ 1996, 217, 220).

    Da im vorliegenden Fall die Kommanditisten, denen die zu hohen Verluste zugewiesen wurden, nach den Urteilsfeststellungen auf der Grundlage des unrichtigen Gewinnfeststellungsbescheides für die Kommanditgesellschaft bereits veranlagt wurden, sind die Bedenken der Beschwerdeführer gegen die vom Landgericht angenommene Tatvollendung auch aus diesem Grunde unbegründet. Mit der Umsetzung der Feststellungen des Gewinnfeststellungsbescheides in den Einkommensteuerbescheiden der Kommanditisten wurden jeweils die gegen Kommanditisten gerichteten Steueransprüche verkürzt (vgl. § 370 Abs. 4 AO).

    RechtsgebieteDRiG, GVG, AOVorschriftenDRiG § 37, DRiG § 27 Abs. 2, GVG § 21f Abs. 1, GVG § 192, AO § 180