22.01.2009 · IWW-Abrufnummer 090321
Bundesfinanzhof: Urteil vom 24.09.2008 – X R 58/06
Der Steuerpflichtige muss die dem FA gegenüber wirksam getroffene Entscheidung, den Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung zu ermitteln, nicht jährlich wiederholen.
Gründe:
I.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Jahr 1994 erwarb die Klägerin ein unbebautes Grundstück und parzellierte es. Die einzelnen Parzellen verkaufte sie --bis auf ein Grundstück mit einer Größe von 2 029 qm-- noch im gleichen Jahr. Den dabei entstandenen Gewinn aus gewerblichem Grundstückshandel ermittelte sie gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Anschaffungskosten für das unparzellierte Grundstück setzte sie als Betriebsausgaben an.
Das nicht veräußerte Grundstück bebaute die Klägerin 1995 mit einem Doppelhaus. Die beiden Haushälften wurden im September 1995 für die Zeit ab dem 1. Dezember 1995 vermietet. Die Mietverträge enthielten keine Befristung und schlossen die Kündigung des Mietverhältnisses vor Ablauf von drei bzw. fünf Jahren aus. Den Mietern wurde eine bis zum 1. Dezember 1998 befristete Kaufoption eingeräumt. Eine der Doppelhaushälften wurde am 12. Dezember 1998 verkauft; der Kaufpreis wurde im Januar 1999 gezahlt.
Für 1995 erklärte die Klägerin Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung der beiden Doppelhaushälften in Höhe von 75 535 DM. Als Werbungskosten machte sie u.a. Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 56 818 DM geltend. Einkünfte aus Gewerbebetrieb --betreffend den gewerblichen Grundstückshandel-- erklärte die Klägerin für 1995 nicht. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte im Bescheid vom 4. August 1999 die Einkommensteuer in Höhe von 0 DM fest. Dabei wurden negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 71 940 DM berücksichtigt. Für die Jahre 1996 bis 1998 erklärte die Klägerin ebenfalls Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Für 1999 wurde zunächst kein Gewinn aus der Veräußerung der Doppelhaushälfte erklärt. Aufgrund einer im Jahr 2000 begonnenen Außenprüfung vertrat das FA die Ansicht, das vermietete Grundstück sei bis zu seiner Veräußerung Betriebsvermögen des gewerblichen Grundstückshandels geblieben, allerdings im Jahr 1995 Anlagevermögen geworden. Während der Außenprüfung legte die Klägerin eine Einnahmen-Überschussrechnung für 1999 vor, in der sie den durch die Veräußerung entstandenen Gewinn aus dem gewerblichen Grundstückhandel ermittelte.
Das FA nahm ausgehend von einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG aus dem Übergang vom Umlaufvermögen zum Anlagevermögen für 1995 eine Gewinnauswirkung in Höhe der auf das Grundstück entfallenden anteiligen Anschaffungskosten von 355 075 DM an. Gleichzeitig wurden die als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärten Beträge als Einkünfte aus dem gewerblichen Grundstückshandel berücksichtigt. Daraus ergab sich im Bescheid vom 15. Juli 2002 eine Einkommensteuer für 1995 in Höhe von 106 076 DM = 54 235,80 ¤.
Im Einspruchsverfahren machten die Kläger geltend, das zurückbehaltene Grundstück habe nach wie vor zum Umlaufvermögen des gewerblichen Grundstückshandels gezählt, da die Verkaufsabsicht nie aufgegeben worden sei. Die Klägerin habe sich über das Jahr 1995 hinaus stets um eine Veräußerung des Grundstücks bemüht. Zum Beleg für die Verkaufsbemühungen 1995 und 1996 legten die Kläger verschiedene Unterlagen vor.
Im Klageverfahren brachten sie weiter vor, der Klägerin sei aufgrund steuerrechtlicher Beratung die Bedeutung eines gewerblichen Grundstückshandels bewusst gewesen. Sie habe sich im Rahmen der Einkommensteuererklärung 1994 für eine Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG entschieden. Für die Folgejahre habe sie an dieser einmal gewählten Gewinnermittlungsart festgehalten. Eine Verpflichtung zur Buchführung habe angesichts des geringen Umfanges der gewerblichen Betätigung nicht bestanden. Das FA habe sie nicht zur Buchführung und Bilanzierung aufgefordert. Weder zu Beginn des Jahres 1995 noch der folgenden Jahre habe sich die Klägerin für eine andere Gewinnermittlungsart entschieden.
Die Kläger beantragten zuletzt, den Einkommensteuerbescheid 1995 vom 15. Juli 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. November 2003 zu ändern und die Einkommensteuer um 54 235,80 ¤ niedriger auf 0 ¤ festzusetzen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 631 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.
Es ließ dahingestellt bleiben, ob das bebaute Grundstück 1995 zu Anlagevermögen geworden sei. Allerdings nahm das FG einen Wechsel der Gewinnermittlungsart an. Weil die Klägerin ihr Recht, die Art der Gewinnermittlung zu wählen, nicht zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraumes 1995 zu Gunsten einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ausgeübt habe, sei der Gewinn nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG zu ermitteln gewesen. Der Umstand, dass der Gewinn 1994 nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt worden sei, lasse nicht den Schluss zu, das bestehende Wahlrecht sei 1995 in gleicher Weise ausgeübt worden. Es lasse sich nicht feststellen, dass die Klägerin zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraumes 1995 das Bewusstsein gehabt habe, (weiterhin) Einkünfte aus Gewerbebetrieb --also Gewinneinkünfte-- zu erzielen. Die Angaben in der Einkommensteuererklärung 1995 ließen den Schluss zu, die Klägerin sei davon ausgegangen, der gewerbliche Grundstückshandel sei 1994 abgeschlossen gewesen. Dementsprechend seien hinsichtlich der beiden Doppelhaushälften Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt und AfA in Ansatz gebracht worden. Auch die Einkommensteuererklärungen der Jahre 1996 bis 1999 deuteten nicht darauf hin, dass der Klägerin bewusst gewesen sei, weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erzielen. Der Wechsel der Gewinnermittlungsart habe zu einem Übergangsgewinn in Höhe von 355 075 DM geführt, der durch die vorgenommenen AfA nicht habe geschmälert werden dürfen.
Mit der Revision bringen die Kläger vor, das angefochtene Urteil verletze materielles Recht. Das FG habe außer Acht gelassen, dass die Klägerin ihr Wahlrecht bereits 1994 bewusst zugunsten einer Einnahmen-Überschussrechnung ausgeübt und für das Streitjahr 1995 daran festgehalten habe.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG sowie den Einkommensteuerbescheid für 1995 vom 15. Juli 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. November 2003 aufzuheben und die Einkommensteuer auf 0 ¤ festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Entgegen der Ansicht des FG hat die Klägerin die Gewinnermittlungsart nicht gewechselt und infolgedessen keinen Übergangsgewinn erzielt. Entgegen der Auffassung des FA ist das mit dem Doppelhaus bebaute Grundstück trotz Bebauung als Umlaufvermögen zu behandeln.
1. § 4 Abs. 3 EStG ermöglicht den Steuerpflichtigen, die nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und die keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben anzusetzen. Von dieser Möglichkeit hat die Klägerin für das dem Streitjahr 1995 vorangehende Jahr 1994 berechtigterweise Gebrauch gemacht.
a) Die Klägerin war zur Überschussrechnung befugt, weil sie weder buchführungspflichtig war, noch eine Eröffnungsbilanz erstellt und eine ordnungsmäßige kaufmännische Buchführung eingerichtet, noch aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss gemacht hatte. Vielmehr hat sie für den Veranlagungszeitraum 1994 den erstmals von ihr erzielten Gewinn aus Gewerbebetrieb durch eine Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt. Damit hat sie ihr Wahlrecht ausgeübt (vgl. dazu z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. März 1978 IV R 45/73, BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431; vom 29. April 1982 IV R 95/79, BFHE 136, 94, BStBl II 1982, 593; vom 20. Mai 1988 III R 217/84, BFH/NV 1990, 17; vom 19. Oktober 2005 XI R 4/04, BFHE 211, 262, BStBl II 2006, 509; vom 2. März 2006 IV R 32/04, BFH/NV 2006, 1457). Das hat sie durch die entsprechende Steuererklärung gegenüber dem FA bekundet.
b) Entgegen der Auffassung des FG muss das Wahlrecht nach § 4 Abs. 3 EStG nicht jährlich neu ausgeübt werden. Die Entscheidung für eine bestimmte Gewinnermittlungsart ist eine "Grundentscheidung", die nicht jährlicher Wiederholung bedarf. Die Forderung der Rechtsprechung, der Steuerpflichtige müsse die Entscheidung, seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung zu ermitteln, in dem Bewusstsein treffen, Gewinneinkünfte zu erzielen (BFH-Urteile vom 30. September 1980 VIII R 201/78, BFHE 132, 228, BStBl II 1981, 301; vom 1. Oktober 1996 VIII R 40/94, BFH/NV 1997, 403; vom 9. Februar 1999 VIII R 49/97, BFH/NV 1999, 1195; eher abgeschwächt: BFH-Urteil vom 29. August 1985 IV R 111/83, BFH/NV 1986, 158), mag für die erstmalige Ausübung des Wahlrechts berechtigt sein. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass sich dieses Bewusstsein wiederholt in der Steuererklärung niederschlagen muss und dann zu verneinen ist, wenn der Steuerpflichtige in Folgejahren eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht ausdrücklich dokumentiert hat. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Steuerpflichtige, der Gewinneinkünfte erzielt, so lange bei der einmal gewählten Gewinnermittlungsart bleibt, bis er Gegenteiliges bekundet. Dafür sprechen auch Gründe der Praktikabilität. Der Steuerpflichtige, der sein Wahlrecht in der Vergangenheit bereits ausgeübt hat, kann somit davon absehen, deutlich zu machen, dass er im späteren Veranlagungszeitraum den Gewinn auf die gleiche Weise durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt.
2. Danach hat die Klägerin nach der für 1994 vorgenommenen Gewinnermittlung keine abweichende Wahl der Gewinnermittlungsart getroffen.
a) Sie hat weder für 1995 noch für spätere Jahre eine Eröffnungsbilanz erstellt oder eine ordnungsmäßige kaufmännische Buchführung eingerichtet oder aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss gemacht. Sie hat also auf keine Weise bekundet, dass sie von der im Vorjahr getroffenen Entscheidung abweichen wolle, den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Daher muss, nachdem die Klägerin im Jahr 1994 ihren gewerblichen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt hatte und keine durchgreifenden abweichenden Anhaltspunkte vorliegen, davon ausgegangen werden, dass sie in der Folgezeit diese Gewinnermittlungsart beibehalten wollte (vgl. Weber-Grellet, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz D 39). Anders als das FA hat das FG dies verkannt und einen Wechsel der Gewinnermittlungsart angenommen. Dazu bestand kein Anlass.
b) Entgegen der Auffassung des FG hat die Klägerin den gewerblichen Grundstückshandel nicht dadurch mit Ablauf des Jahres 1994 aufgegeben, dass sie das verbliebene Grundstück bebaut und im Rahmen einer Zwischennutzung vermietet hat. Auch nach der Bebauung war das verbliebene Grundstück weiterhin zur Veräußerung bestimmt. Das ergibt sich trotz der zwischenzeitlichen Vermietung auf jeweils unbestimmte Zeit --und damit nicht langfristig-- aus entsprechenden Verkaufsbemühungen und nicht zuletzt daraus, dass den Mietern der Doppelhaushälften eine Kaufoption eingeräumt war, deren Wahrnehmung die Klägerin zum Verkauf des Objekts gezwungen hätte, selbst wenn sie ihre Veräußerungsabsicht zwischenzeitlich aufgegeben hätte. Insoweit bestand für die Klägerin kein Anlass, das Grundstück nach der Bebauung mit dem Doppelhaus dem Anlagevermögen ihres gewerblichen Grundstückshandels zuzuordnen. Es blieb Umlaufvermögen wie vor der Bebauung.
c) Dass die Klägerin im Streitjahr 1995 und in den folgenden Jahren Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt hat, rechtfertigt nicht die Annahme des FG, die Klägerin habe sich für eine andere Art der Gewinnermittlung entschieden. Der in den Steuererklärungen zum Ausdruck kommende möglicherweise vorhandene Irrtum der Klägerin, keine Gewinneinkünfte zu erzielen, ist vor dem Hintergrund der im Jahr 1994 getroffenen Entscheidung, den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln, und des Fehlens der Bekundung eines gegenteiligen Willens als unbeachtliche rechtliche Würdigung der Einkunftsart zu werten (so auch Morsbach, EFG 2006, 633) und nicht als Bekundung des Willens, künftig den Gewinn aus dem gewerblichen Grundstückshandel nicht mehr nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln zu wollen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ein Steuerpflichtiger bei der von ihm bewusst gewählten Gewinnermittlungsart bleiben will, solange seine Einkünfte objektiv als Gewinneinkünfte zu beurteilen sind. Dem steht aufgrund der von der Klägerin im Jahr 1994 ausdrücklich getroffenen Wahl der Gewinnermittlungsart nicht entgegen, dass im Allgemeinen die Erklärung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht allein deshalb als Wahl der Gewinnermittlungsart des § 4 Abs. 3 EStG anzusehen ist, weil sowohl Überschusseinkünfte (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG) als auch der Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG nach Zu- und Abflussgesichtspunkten (vgl. § 11 EStG) ermittelt werden (BFH-Urteile vom 26. November 1996 IX R 51/94, BFH/NV 1997, 404; und in BFH/NV 1999, 1195). Das hat das FG außer Acht gelassen.
3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG hat keine Feststellungen über die Herstellungskosten des Doppelhauses getroffen, die Betriebsausgaben des gewerblichen Grundstückshandels der Klägerin sind, weil das Grundstück trotz seiner Bebauung weiterhin zum Umlaufvermögen gehört. Bei der erneuten Entscheidung muss das FG den Ansatz eines Übergangsgewinns unterlassen, die im Streitjahr für das Doppelhaus angefallenen Herstellungskosten als Betriebsausgaben berücksichtigen und die von der Klägerin zu Unrecht vorgenommenen AfA auf das Doppelhaus korrigieren. Weiter hat das FG zu beachten, das Streitgegenstand nur die Einkommensteuerfestsetzung für 1995 ist, wie sich aus dem Antrag der Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren ergibt.