10.02.2009 · IWW-Abrufnummer 090538
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 18.12.2008 – IX ZB 197/07
Zur Versagung der Restschuldbefreiung wegen Nichtvorlage zur Fertigung der Steuererklärung benötigter Unterlagen.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter und
die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp
am 18. Dezember 2008
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 3. April 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
Über das Vermögen des Schuldners wurde auf seinen in Verbindung mit einem Antrag auf Restschuldbefreiung gestellten Eigenantrag am 24. November 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zu 2 zum Verwalter bestellt.
Der Verwalter forderte den Schuldner mehrfach unter Fristsetzung auf, eine Steuererklärung für das Jahr 2003 bei dem zuständigen Finanzamt einzureichen. Am 14. Oktober 2004 teilte der Schuldner dem Verwalter mit, seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2003 am selben Tag bei dem zuständigen Finanzamt unter Verwendung des ELSTER-Verfahrens abgegeben zu haben. Auf sein Ersuchen, ein etwaiges Steuerguthaben der Masse zu erstatten, teilte das Finanzamt dem Verwalter am 30. November 2004 mit, dass eine Einkommensteuererklärung des Schuldners nicht eingegangen sei. Mit Fristsetzungen verbundene Anfragen des Verwalters an den Schuldner, ob er seine Einkommensteuererklärung zwischenzeitlich eingereicht habe, blieben ohne Reaktion. Schließlich legte der Verwalter eine Ablichtung der ihm von dem Schuldner übermittelten Einkommensteuererklärung dem Finanzamt mit der Bitte vor, diese Kopie als Steuererklärung zu behandeln. In der Folgezeit wurde seitens der Finanzverwaltung eine Steuererstattung von 202,86 EUR an die Masse ausgezahlt.
Im Schlusstermin vom 15. Februar 2005 beantragte der Gläubiger, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Das Amtsgericht hat dem Schuldner die Restschuldbefreiung angekündigt. Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers hat das Landgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt. Dagegen richtet sich seine Rechtsbeschwerde.
Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, § 289 Abs. 2 Satz 1, §§ 7, 6 Abs. 1 InsO) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
1.
Das Landgericht meint, dem Schuldner könne eine Verletzung von Mitwirkungspflichten nicht deshalb angelastet werden, weil er trotz mehrfacher Aufforderung keine Steuererklärung eingereicht habe. Denn nicht der Schuldner, sondern der Verwalter sei zur Abgabe der Steuererklärung in Bezug auf die Insolvenzmasse verpflichtet. Der Schuldner bleibe zwar verpflichtet, dem Verwalter die für die Erstellung der Steuererklärung erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Er sei jedoch seitens des Verwalters und des Amtsgerichts nicht zur Abgabe entsprechender Unterlagen, sondern zur Einreichung der Steuererklärung aufgefordert worden. Die Nichtvorlage der Unterlagen könne nicht als grob fahrlässig eingestuft werden, weil der Schuldner wegen des mehrfachen Hinweises auf die Erforderlichkeit der Einreichung einer Steuererklärung davon ausgehen durfte, nicht zur Vorlage von Unterlagen verpflichtet zu sein. Dem Schuldner sei jedoch die Restschuldbefreiung zu verwehren, weil er gegenüber dem Verwalter wahrheitswidrig behauptet habe, die Steuererklärung bei dem Finanzamt abgegeben zu haben. Durch diese Behauptung habe er den Verwalter davon abgehalten, selbst die Steuererklärung bei dem Finanzamt einzureichen. Insoweit habe der Schuldner zumindest grob fahrlässig gehandelt.
2.
Diese Ausführungen halten in einem entscheidenden Punkt rechtlicher Prüfung nicht stand. Da den Schuldner nach Insolvenzeröffnung keine Verpflichtung zur Erstellung einer Einkommensteuererklärung traf, kann aus seinem Verhalten nach den bislang getroffenen Feststellungen ein Versagungsgrund im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO nicht hergeleitet werden.
a)
Der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO setzt eine Verletzung von Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten "nach diesem Gesetz", also nach der Insolvenzordnung, voraus. Die Nichterfüllung einer Anordnung kann nur dann zur Versagung der Restschuldbefreiung nach dieser Vorschrift führen, wenn die erteilte Auflage rechtmäßig gewesen ist, also selbst den Vorschriften der Insolvenzordnung entsprach (BGH, Beschl. v. 20. März 2003 - IX ZB 388/02, WM 2003, 980, 983).
b)
Der Verwalter hat gemäß § 34 Abs. 1 und 3 AO die steuerlichen Pflichten des Schuldners zu erfüllen, soweit seine Verwaltung reicht. Die Verwaltungsbefugnis des Verwalters (§ 80 InsO) erstreckt sich auf das zur Insolvenzmasse (§§ 35, 36 InsO) gehörende Vermögen (BGH, Urt. v. 24. Mai 2007 - IX ZR 8/06, WM 2007, 1340, 1341 Rn. 9). Demgemäß hatte der Verwalter auch im Streitfall den dem Schuldner obliegenden steuerlichen Pflichten nachzukommen und für ihn eine Einkommensteuererklärung bei dem Finanzamt einzureichen (BFH, Urt. v. 23. August 1994 - VII R 143/92, ZIP 1994, 1969, 1970; vgl. BGHZ 74, 316, 318 ; 160, 176, 178) . Da der Schuldner durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens seine steuerliche Handlungsfähigkeit verliert (Kübler in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 155 Rn. 81), kann nur der Verwalter für ihn eine Steuererklärung bei dem Finanzamt abgeben. Auf Verlangen des Verwalters ist der Schuldner lediglich zur Vorlage der zur Erstellung der Steuererklärung notwendigen Unterlagen verpflichtet (HmbKomm/InsO-Streck, 2. Aufl. § 290 Rn. 34).
aa)
War der Schuldner folglich nicht gehalten, eine Einkommensteuererklärung zu verfassen, kann aus der Missachtung entsprechender Auflagen des Verwalters - wie das Beschwerdegericht zutreffend erkennt - ein Versagungsgrund im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO nicht hergeleitet werden. Der Verwalter kann sich seiner originären Verpflichtung zur Abfassung der das Schuldnervermögen betreffenden Steuererklärung nicht durch eine entsprechende Aufforderung an den Schuldner entledigen und darf folglich nicht auf Zusagen des Schuldners vertrauen, die Steuererklärung selbst bei dem Finanzamt einzureichen.
bb)
Ein Versagungsgrund kann entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht daraus hergeleitet werden, dass der Schuldner wahrheitswidrig die Abgabe der Steuererklärung an das Finanzamt versichert hat. Ein Versagungsgrund ist zwar gegeben, wenn der Schuldner dem Verwalter wahrheitswidrig verspricht, ihm die Steuererklärung zu übersenden, und dadurch den Verwalter an der Geltendmachung von Steuererstattungsansprüchen hindert (LG Mönchengladbach ZInsO 2005, 104 ; zustimmend HmbKomm/Streck, aaO; FK-InsO/Ahrens, 4. Aufl. § 290 Rn. 48a). Der Schuldner hat jedoch mit seiner Erklärung den Verwalter ersichtlich nicht davon abhalten wollen, selbst eine Steuererklärung bei dem Finanzamt einzureichen. Denn der Schuldner hat den Verwalter durch die - von dem Beschwerdegericht nicht berücksichtigte -Übersendung einer Kopie der Steuererklärung tatsächlich in den Stand versetzt, gegenüber dem Finanzamt durch Abgabe einer Steuererklärung tätig zu werden und einen Erstattungsbetrag zu realisieren. Überließ der Schuldner dem Verwalter eine ohne weiteres zur Verwirklichung des Steuererstattungsanspruchs geeignete Steuererklärung, erscheint es überdies naheliegend, dass die versprochene Einreichung der Steuererklärung durch den Schuldner nur versehentlich unterblieben ist. Selbst wenn man hier von einer Pflichtwidrigkeit des Schuldners ausgeht, handelt es sich mit Rücksicht auf das grundsätzlich unberechtigte Verlangen des Verwalters, eine Steuererklärung bei dem Finanzamt einzureichen, um einen unwesentlichen Verstoß, der für sich genommen nicht die Versagung der Restschuldbefreiung trägt (BGH, Beschl. v. 20. März 2003, aaO S. 982; v. 23. Juli 2004 - IX ZB 174/03, WM 2004, 1840, 1841 f;v. 17. März 2005 - IX ZB 260/03, NZI 2005, 461; v. 7. Dezember 2006 - IX ZB 11/06, ZInsO 2007, 96, 97 Rn. 8).
c)
Allerdings könnte der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO eingreifen, falls eine Gesamtbetrachtung des Verhaltens des Schuldners die Annahme rechtfertigt, dass er durch eine fortdauernde Verweigerung seiner Mitwirkungspflichten die Durchsetzung seines Steuererstattungsanspruchs zu verhindern suchte.
aa)
Nach den Feststellungen der angefochtenen Entscheidung hat der Verwalter den Beschwerdeführer zunächst wiederholt aufgefordert, eine Lohnsteuerkarte nebst ergänzender Unterlagen einzureichen, damit er - der Verwalter - eine Steuererklärung fertigen kann. Dieser Aufforderung ist der Schuldner nicht nachgekommen, sondern hat in dem eigens zwecks Auskunftserteilung vor dem Amtsgericht anberaumten Anhörungstermin seinerseits die Bereitschaft geäußert, eine Steuererklärung bei dem Finanzamt einzureichen und dem Verwalter eine Ablichtung zu übersenden.
bb)
Bei dieser Sachlage durften Gericht und Verwalter ausnahmsweise auf die Einreichung einer Steuererklärung durch den Schuldner bei dem Finanzamt vertrauen. Der Schuldner war offenbar wiederholt der Verpflichtung, dem Verwalter die zur Fertigung der Steuererklärung benötigten Unterlagen zur Verfügung zu stellen, nicht nachgekommen. Weitergehenden Anordnungen entzog sich der Schuldner durch die Versicherung, selbst die Steuererklärung bei dem Finanzamt einzureichen. Gibt der Schuldner in einer solchen Konstellation gleichwohl die Steuererklärung tatsächlich nicht ab, muss er sich bei wertender Betrachtung so behandeln lassen, wie wenn er dem Verwalter die zur Fertigung der Steuererklärung benötigten Unterlagen nicht überlassen hätte. Der Schuldner kann den Verwalter nicht auf die ihm obliegende Verpflichtung, die Steuererklärung zu fertigen, verweisen, wenn er ihm trotz der Zusage, selbst die Steuererklärung einzureichen, die entsprechenden Unterlagen vorenthält. In der unterlassenen Einreichung der Steuererklärung könnte darum in Verbindung mit der Vorenthaltung der für die Einreichung der Steuererklärung erforderlichen Unterlagen eine fortwährende Verweigerung von Mitwirkungspflichten liegen.
cc)
Die Zurückverweisung gibt dem Beschwerdegericht Gelegenheit, insoweit ergänzende Feststellungen zu treffen. Ebenso kann der Schuldner auf sein Vorbringen zurückkommen und es unter Beweis stellen, die Steuerklärung tatsächlich bei dem Finanzamt eingereicht zu haben. Rechtfertigt das Verhalten des Schuldners im Zusammenhang mit der Erstellung der Steuererklärung nicht die Versagung der Restschuldbefreiung, wird das Beschwerdegericht die bisher offen gelassene Frage zu klären haben, ob die Missachtung einer Ratenzahlungsvereinbarung durch den Schuldner einen Versagungsgrund bildet.