02.11.2010
Finanzgericht Köln: Urteil vom 30.06.2009 – 8 K 1265/07
1. Die Zuordnungsentscheidung des Unternehmers bezüglich einer Leistung ist bereits dann anzuerkennen, wenn der Leistungsbezug im objektiven und erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit steht und diese fördern soll.
2. Ist im Rahmen eines Strafprozesses und der damit einhergehenden Strafverteidigung Hauptmotiv der vorgeworfenen Tat die Sicherung des Überlebens des Unternehmens durch Schmiergeldzahlungen, ist der Auslöser der Tat in der Unternehmensspähre angelegt.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
hat der 8. Senat in der Sitzung vom 30.06.2009 in der Besetzung: Vorsitzende Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
für Recht erkannt:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über das Recht zum Vorsteuerabzug aus zwei Rechtsanwaltsrechnungen im Streitjahr (2005), in denen Kosten der Strafverteidigung abgerechnet werden.
Der Kläger betrieb im Streitjahr ein Einzelunternehmen, das die Vermietung und Verpachtung eigener Gewerbeflächen und die Eigenschaft als Besitzunternehmen zum Gegenstand hatte. Er vermietete das bebaute Gewerbegrundstück … in … an die Firma …A-GmbH. Er ist im Rahmen einer steuerlichen Betriebsaufspaltung der Besitzunternehmer und Anteilseigner der Firmen
…A-GmbH (folgend nur: A-GmbH) zu 100 v.H.
B-GmbH zu 100 v.H.
C-GmbH zu 9/16.
Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass der Kläger seit dem 1. Januar 2005 umsatzsteuerlicher Organträger der vorgenannten Gesellschaften ist.
Ausweislich des Handelsregisterauszugs betreffend die A-GmbH war seit dem 22. Januar 2002 neben den Kläger Herr P aus … als Geschäftsführer bestellt.
Aufgrund einer anonymen Anzeige, die auf Unregelmäßigkeiten bei der Auftragsvergabe betreffend Bauprojekte der D-AG …, hinwies, kam es zu einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft … gegen eine Vielzahl von Beschuldigten. Unter dem Aktenzeichen …/02 wurde gegen den Kläger und andere wegen bandenmäßiger Untreue, Geldwäsche pp ermittelt. Im Zuge dessen kam es zu einem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts … vom 2. Juni 2003. Darin heißt es, es bestehe der Verdacht, dass Verantwortliche u.a. der D-AG ausgeschriebene Bauprojekte und Folgeaufträge gezielt an einzelne Baufirmen, u.a. die A-GmbH, weitergeleitet hätten. Die Unternehmen hätten die Ausschreibungen gewonnen und die Aufträge überhöht abgerechnet. Hierdurch hätten die Unternehmen zum Teil Spenden an den S-Verein … refinanziert. Es habe festgestellt werden können, dass die A-GmbH seinerzeit an mehreren Projekten tätig gewesen sei und auch eine Werbebande im Stadion des S-Verein … angemietet habe. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt dieses Beschlusses Bezug genommen (Bl. 18-20 d.A.).
Soweit hier von Interesse, stellte die Staatsanwaltschaft … in einer Verfügung vom 9. Februar 2005 zu Aktenzeichen …/02 das abschließende Ermittlungsergebnisse wie folgt dar:
Die finanzielle Situation bei der A-GmbH war im Jahr 1999 angespannt. Die Firma hatte sich an verschiedenen Ausschreibungsverfahren betreffend Bauprojekte der D-AG, u.a. betreffend ein Neubauprojekt … und dem Projekt … beteiligt, hinsichtlich derer sie befürchten musste, keinen Zuschlag zu erhalten. Die A-GmbH hatte deshalb im April 1999 ein Nachlassangebot betreffend das Bauprojekt … abgegeben und mit diesem Angebot eine Verbindung mit weiteren Aufträgen – u.a. das Projekt … – hergestellt, um über das Angebot einer Paketlösung zu den erhofften Aufträgen zu gelangen.
Der seinerzeitige Geschäftsführer der A-GmbH X versuchte in dieser Zeit, über Kontakte in der Baubranche Informationen über weitere anstehende Arbeiten zu erhalten, um eine durchgehende Beschäftigung der Angestellten zu gewährleisten bzw. deren drohende Kurzarbeit zu verhindern. Im Frühjahr 1999 kam X in Kontakt mit dem Architekten Y, der gegenüber X äußerte, wenn die A-GmbH kurzfristig Aufträge benötige, könne nur Z – seinerzeit der Aufsichtsratsvorsitzende der D-AG – helfen. Auf Vermittlung von Y kam es zu einem Gespräch zwischen X und Z in Räumen der Kanzlei Z, in dem X die Problematik darlegte; Z kündigte hierauf X einen Anruf in den kommenden Tagen an. Über dieses Gespräch waren der Kläger als Geschäftsführer der A-GmbH und Herr P in seiner damaligen Eigenschaft als Prokurist der A-GmbH informiert.
Anfang Mai 1999 meldete sich telefonisch entweder bei X oder P ein Herr W. Dieser kontrollierte die E und W GbR, eine Werbegesellschaft des S-Vereins …. Im Telefonat nahm W auf das Gespräch zwischen X und Z Bezug und benannte den Betrag, den die A-GmbH zu unterbieten hatte, um den Auftrag bezüglich des Projekts … zu erhalten. X erstellte hierauf zusammen mit P ein neues Angebot, das den Vorgaben des W entsprach. Danach gewährte die A-GmbH 13 % Nachlass auf das …gewerk betreffend das Projekt … Absprachegemäß traf sich X am 12. Mai 1999 mit W in dessen Büro in … und erhielt dort unter Vorhalt einer Rechnung der E und W GbR über rund 00 DM an eine andere Firma die Ankündigung, auf eine entsprechende Rechnung in Kürze ebenfalls an die Werbegesellschaft zahlen zu sollen. X machte darauf deutlich, dass die A-GmbH keine 00 DM zahlen könne und bot eine Zahlung von 00 DM durch die Firma A-GmbH an. Am 12. Mai 1999 kam es zu einer ersten Rechnung der E und W GbR an die A-GmbH über 00 DM, die diese am 14. Juni 1999 bezahlte. Die A-GmbH erhielt Ende Mai den Auftrag für das …gewerk betreffend das Projekt ….
X nahm in der Zwischenzeit Kontakt zu einem Vertreter der Firma T auf und bat ihn, den der A-GmbH zugesagten Rabatt für den Einkauf der im Auftrag … benötigten Waren zu reduzieren und die so eingesparten Gelder der E und W GbR als Werbemaßnahme zukommen zu lassen. Tatsächlich wurden in der Folgezeit Werbemaßnahmen der Fa. T abgesprochen und seitens der E und W GbR in Rechnung gestellt.
Die Staatsanwaltschaft … hielt in dem Vermerk hierzu fest, es hätten demnach Absprachen stattgefunden, um ausgeschriebene Aufträge an die A-GmbH zu vergeben. Diese Absprachen seien als Bestechung und Bestechlichkeit anzusehen. X sei als Täter der Bestechung hinreichend verdächtig. Gegen W bestehe der Verdacht der Beihilfe zur Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr. Nach dem Tatplan habe er die von einem Mitarbeiter der D-AG erhaltenen Informationen über die Angebote der Bieter aus den Ausschreibungsverfahren … und … Straße an X weitergegeben und sichergestellt, dass es als Gegenleistung zwischen der A-GmbH und der E und W GbR zu einem Werbevertrag kam. Gegen den für die Bauprojekte zuständigen Abteilungsleiter bei der D-AG M bestehe der Verdacht der Untreue, weil dieser die bei ihm bestehende Vermögensbetreuungspflicht dahingehend, durch Nachverhandlungen mit Bietern das günstigste Angebot für die D-AG zu erzielen, verletzt habe. Gegen den Beschuldigten P bestehe der Verdacht der Beihilfe zur Bestechung im geschäftlichen Verkehr des X, weil er die Tätigkeit von X unterstützt habe, indem er mit diesem in Kenntnis der bestehenden Absprachen Nachtragsangebote erstellt habe. Gegen den Kläger bestehe ebenfalls ein Tatverdacht, weil er die erforderlichen Zahlungen durch seine Unterschrift freigegeben habe. Indem er X die wesentlichen Entscheidungen zur Auftragserlangung überlassen habe, sei er Gehilfe hinsichtlich dessen Taten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Vermerks Bezug genommen.
Beide Strafverfahren gegen den Kläger und gegen Herrn P wurden in der Folgezeit gemäß § 153a StPO gegen Zahlung geringfügiger Geldbeträge (Kläger: 1.500 EUR; P: 900 EUR) eingestellt.
Der Kläger hatte sich im Ermittlungsverfahren durch Rechtsanwalt R aus … vertreten lassen. Auch P war im Ermittlungsverfahren durch die Rechtsanwältin K aus … anwaltlich vertreten. Bezüglich beider Mandate bestanden im Wesentlichen gleichlautende Honorarvereinbarungen vom 17. Juni bzw. 14. Juli 2003. Darin waren als Auftraggeber sowohl die A-GmbH als auch der jeweils Beschuldigte benannt; diese verpflichteten sich, im Hinblick auf die Bedeutung und den Umfang der Strafsache …/02 anstelle der gesetzlichen Gebühren einen Stundensatz von netto 250 EUR zu zahlen. Beide Vereinbarungen sind auf Seiten der Auftraggeber von der A-GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer Kl. und P unterschrieben und mit dem Firmenstempel der A-GmbH versehen. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt dieser Honorarvereinbarungen (Bl. 14-17 d.A.) Bezug genommen.
Am 9. November 2005 stellte Rechtsanwältin K ihre Tätigkeit in Rechnung. Die Rechnung ist adressiert an die A-GmbH, z.Hd. Herrn Geschäftsführer P und rechnet 384 Stunden zu je 250 EUR = 96.000 EUR zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von 15.360 EUR ab (Gesamtrechnungsbetrag: 111.360 EUR). Mit Rechnung vom 14. November 1995 rechnete Rechtsanwalt R seine Leistungen mit 255,75 Stunden zu je 250 EUR 63.937,50 EUR zzgl. Umsatzsteuer in Höhe von 10.230 EUR ab. Diese Rechnung ist an die A-GmbH, z.Hd. Herrn Kl. adressiert. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt dieser Rechnungen Bezug genommen (Bl. 12, 13 d.A.).
In der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat November 2005 machte der Kläger – soweit hier von Interesse – die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer in Gesamthöhe von 25.590 EUR als Vorsteuer geltend.
Im Juni 2006 fand beim Kläger eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung statt. Im Prüfungsbericht vom 4. Juli 2006 kam der Prüfer im Tz. 15 zu dem Ergebnis, der Vorsteuerabzug aus den beiden Rechtsanwaltsrechnungen sei zu versagen. Hierzu führte er aus, die Anwälte hätten Leistungen an drei verschiedene Leistungsempfänger erbracht, nämlich zugunsten der Herren Kl. und P einerseits und zugunsten der A-GmbH andererseits, der es um die Wiedererlangung der von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Unterlagen gegangen sei. Deswegen hätten für die jeweiligen Leistungen jeweils getrennte Rechnungen an den jeweiligen Leistungsempfänger ausgestellt werden müssen. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt des Prüfungsberichts (Bl. 7-9 d.A.) Bezug genommen.
Im Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für November 2005 vom 5. Oktober 2006 erkannte der Beklagte die Vorsteuern aus den Rechtsanwaltsrechnungen nicht an. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, woraufhin der Beklagte den Bescheid am 20. November 2006 zur Korrektur der unzutreffend erfassten Umsatzhöhe änderte, die Höhe der anerkannten Vorsteuern aber unverändert ließ.
Mit Einspruchsentscheidung vom 6. März 2007 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Hierzu führte er aus, der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen sei zu versagen, weil sich die von den Anwälten erbrachten Leistungen nicht auf das Unternehmen des Klägers bezögen. Die Leistungen der Rechtsanwälte seien dem Kläger und Herrn P als Privatpersonen erbracht worden und hätten der GmbH nur in Rechnung gestellt werden können, weil der Kläger gemeinschaftlich mit Herrn P beschlossen hätte, dass die GmbH diese Kosten begleiche, obschon dies mit dem Verhalten eines gewissenhaften Geschäftsführers nicht in Einklang zu bringen sei. Nach der Rechtsprechung des BFH seien Strafverteidigungskosten nicht betrieblich veranlasst, wenn der Tatvorwurf Verstöße, die eine Schädigung des Arbeitgebers zum Gegenstand hätten, betreffe. Denn dann seien die Strafverteidigungskosten von nicht beruflichen Gründen überlagert. So liege der Fall hier, weil gegen den Kläger und Herrn P ein Verfahren wegen Untreue eingeleiten gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen (Bl. 67 ff. d.A.).
Der Kläger hat am 3. April 2007 die vorliegende Klage erhoben.
Er hat ursprünglich – vertreten durch seinen vormaligen Steuerberater – geltend gemacht, der Beklagte habe den Streitfall nur selektiert zu seinen Gunsten dargestellt, so dass ein Verfahren der Beweisaufnahme gemäß § 82 FGO durchzuführen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf die Schriftsätze vom 3. April 2007, vom 17. April 2007, vom 16. Mai 2007, vom 4. Juni 2007, vom 11. Juli 2007, vom 21. November 2007 und 18. Februar 2008 Bezug genommen.
Inzwischen ist der Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2005 vom 9. März 2009 ergangen. Dieser wertet eine im April 2008 erfolgte Betriebsprüfung beim Kläger aus. In Tz. 2.4. des Berichts vom 25. November 2008 ist ausgeführt, der Kläger habe entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung wiederum die Vorsteuern aus den Rechnungen der Anwälte K und R geltend gemacht. Diese seien aber weiterhin als nicht abzugsfähig zu behandeln. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Prüfungsberichts Bezug genommen.
In der Sache hat am 24. Juni 2009 ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter stattgefunden. Darin haben die jetzigen Vertreter des Klägers klargestellt, dass auch nach Ergehen des Umsatzsteuer-Jahresbescheids für das Jahr 2005 nach wie vor alleine die Frage des Vorsteuerabzugs aus den zwei Rechtsanwaltsrechungen hier streitig sei. Im Termin haben beide Beteiligten erklärt, sie verzichteten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids 2005 vom 9. März 2009 bei der Festsetzung der Steuer weitere Vorsteuern in Höhe von 25.590 EUR zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht, nachdem er den Inhalt des staatsanwaltschaftlichen Vermerks vom 9. Februar 2005 zur Kenntnis genommen hat, geltend, dass vorliegend durch die strafbaren Handlungen des Klägers und des Herrn P zwar keine Schädigung der A-GmbH, sondern der D-AG stattgefunden habe. Er halte aber dennoch den Vorsteuerabzug aus den streitgegenständlichen Rechnungen nicht für möglich. Denn aus dem BFH-Urteil vom 18. Oktober 2007 VI R 42/04, BStBl II 2008, 223 ergebe sich, dass Strafverteidigerkosten dem Grunde nach grundsätzlich privat veranlasst seien und nur ausnahmsweise betrieblichen Charakter annähmen, wenn die dem Steuerpflichtigen vorgeworfene Straftat ausschließlich unmittelbar aus seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar sei. Der BFH verneine dies, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bewusst habe schädigen wollen oder er sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung bereichert habe. Eine solche Bereicherung seitens des Klägers liege vor. Denn er sei nicht nur Geschäftsführer, sondern auch 100%-iger Gesellschafter der A-GmbH gewesen, so dass der dieser GmbH aus der Schmiergeldzahlung zugeflossene Vorteil ihm als Gesellschafter letztendlich zugute gekommen sei.
Im Übrigen sei die Höhe der Rechtsanwaltsrechnungen in Anbetracht des Ergebnisses des Strafverfahrens – nämlich die jeweilige Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a StPO gegen geringe Geldleistungen – bedenklich.
Dazu macht der Kläger geltend, eine Bereicherung in dieser Form sei mit der BFH-Rechtsprechung nicht gemeint. Der Ausschluss des Betriebsausgabenabzugs solle nur eintreten, wenn die Bereicherung auf Kosten des eigenen Arbeitgebers eintrete. Im Übrigen könne diese Erwägung hinsichtlich einer der streitigen Rechnungen bereits deshalb nicht zutreffen, weil der Geschäftsführer P gar nicht Gesellschafter der A-GmbH sei.
Das Gericht hat die Strafakten der Staatsanwaltschaft …, …/05 A zum Verfahren hinzugezogen; sie waren Gegenstand des Verfahrens.
Entscheidungsgründe:
1.
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
2.
Streitgegenstand der ursprünglich gegen den Bescheid über Umsatzsteuer-Vorauszahlungen November 2005 erhobenen Klage ist inzwischen der Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 9. März 2009. Das ergibt sich aus § 68 FGO. Nach dieser Vorschrift wird, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird, der neue Verwaltungsakt zum Gegenstand des Verfahrens. Diese Vorschrift gilt auch, wenn an die Stelle eines Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids der Umsatzsteuer-Jahresbescheid ergeht (Stöcker in Beermann/Gosch, AO/FGO § 68 FGO, Rz 32 m.w.N.).
3.
Die Klage mit diesem Streitgegenstand ist begründet.
Der angefochtene Umsatzsteuerbescheids 2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vergl. dazu § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), soweit der Beklagte den Vorsteuerabzug aus den hier streitgegenständlichen Rechtsanwaltsrechungen nicht zugelassen hat.
Nachdem die Beteiligten übereinstimmend davon ausgehen, dass der Kläger als Einzelunternehmer der Organträger u.a. der A-GmbH als Organgesellschaft ist und damit gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 des Umsatzsteuergesetzes – UStG – die Unternehmensteile der Organschaft als ein Unternehmen – nämlich dem Einzelunternehmen des Klägers – zu behandeln ist, ist der Vorsteuerabzug aus den streitigen Rechnungen bei der Umsatzbesteuerung des Klägers zuzulassen, weil insoweit bei der A-GmbH die Voraussetzungen des § 15 UStG vorliegen (vergl. zum Vorsteuerabzugsrecht des Organträgers betreffend die von der Organgesellschaft bezogenen Leistungen: BFH-Urteil vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BStBl II 2002, 373).
Nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 der letztgenannten Vorschrift kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmen für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift ist Voraussetzung für den Vorsteuerabzug, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14,14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.
a.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor. Insbesondere handelt es sich bei den von den Rechtsanwälten anlässlich der Strafverteidigung zugunsten des Kläger und des seinerzeitigen Prokuristen und späteren Geschäftsführers der A-GmbH P um Leistungen, die für das Unternehmen der A-GmbH ausgeführt worden sind.
Maßgeblich hierfür ist die Entscheidung des Unternehmers, die erbrachte Leistung seinem Unternehmen zuzuordnen. Dabei hängt die Zuordnung nicht davon ab, dass die bezogene Leistung unmittelbar zur Ausführung von Leistungen gegen Entgelt verwandt werden. Die Zuordnungsentscheidung des Unternehmers ist vielmehr bereits dann anzuerkennen, wenn der Leistungsbezug im objektiven und erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit steht und diese fördern soll. Die Entscheidungsfreiheit des Unternehmers entfällt nur dann, wenn dem Zusammenhang des Leistungsbezugs mit der unternehmerischen Sphäre nach den gesamten Umständen keinerlei Bedeutung zukommt und nur eine nichtunternehmerische Verwendung möglich ist (Finanzgericht Düsseldorf, Urteil 19. Juni 1996 5 K 7682/91 U, EFG 1996, 1185; ebenso Forgách in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 15 Rz. 123 bis 127 m.w.N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger mit der Geltendmachung des Vorsteuerabzugsrechts seine Zuordnungsentscheidung der bezogenen Rechtsanwaltsleistungen zum Unternehmen der A-GmbH dokumentiert. Dass diese Rechtsanwaltsleistungen auch in einem objektiv erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer und des Herrn P als seinerzeitiger Prokurist der A-GmbH standen, kann insbesondere nach dem Inhalt des Vermerks der Staatsanwaltschaft vom 9. Februar 2005 nicht negiert werden. Denn danach stellt sich die Lage so dar, dass die Absprachen im Zusammenhang mit den Ausschreibungen und die – teils verdeckten – Zahlungen der A-GmbH zur Erlangung der Aufträge dringend notwendig waren, um das wirtschaftliche Überleben der seinerzeit angeschlagenen A-GmbH zu sichern. Ist damit aber Hauptmotiv der vorgeworfenen Tat die Sicherung des Überlebens des Unternehmens durch Schmiergeldzahlungen, ist der Auslöser für die Tat in der Unternehmenssphäre angelegt. Dann liegt der Fall gerade nicht so, dass der Leistungsbezug keinerlei Bedeutung für die unternehmerische Sphäre hätte. Dabei ist es nach Auffassung des Senats ausreichend, dass der Leistungsbezug – hier die Rechtsanwaltsleistungen – durch die unternehmerische Tätigkeit ausgelöst worden sind, mögen sie auch für die zukünftige unternehmerische Tätigkeit keine Rolle mehr spielen. Deswegen kann es keine Rolle spielen, dass hier die Rechtsanwaltsleistungen erst zu einem Zeitpunkt in Anspruch genommen wurden, zu dem die vorgeworfenen Straftaten bereits abgeschlossen waren, die beanspruchten Leistungen also das künftige unternehmerische Tätigwerden möglicherweise nicht mehr förderten. Aber selbst wenn man dem nicht folgte, könnte der Kläger erfolgreich geltend machen, dass der Bezug der Rechtsanwaltsleistungen dem Unternehmen der A-GmbH förderlich war, weil die Ausräumung der Bestechlichkeitsvorwürfe zumindest die unternehmerische Reputation der A-GmbH wiederherzustellen geeignet war und es dem Unternehmen auch ermöglich hätte, vom Vorwurf der Bestechung befreit, mit Erfolgsaussichten weiterhin an Ausschreibungsverfahren der öffentlichen Hand teilzunehmen.
b.
Dem Vorsteuerabzug steht auch nicht die Vorschrift des § 15 Abs. 1a UStG entgegen. Danach sind nicht abziehbar Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen entfallen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG – gilt. Da die genannten Alternativen nach § 4 Abs. 5 EStG hier nicht in Betracht kommen, käme danach der Ausschluss des Vorsteuerabzugs alleine wegen der Vorschrift des § 12 Nr. 1 EStG in Betracht. Nach dieser Vorschrift können die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendete Beträge nicht steuermindernd berücksichtigt werden. Nach Satz 2 der Vorschrift gehören dazu auch die Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
Unter Berücksichtigung der vom Senat für zutreffend erachteten Rechtsprechung des BFH zur Möglichkeit des Betriebsausgabenabzugs von Strafverteidigerkosten im Einkommensteuerrecht sind die Voraussetzungen des § 12 Nr. 1 EStG vorliegend nicht erfüllt:
Bereits mit seiner Entscheidung vom 19. Februar 1982 (VI R 31/78, BStBl II 1982, 467) hatte der BFH die Abziehbarkeit von Strafverteidigungskosten bei beruflicher oder betrieblicher Veranlassung für möglich erachtet. In der Folgezeit hat er die Voraussetzungen für den Betriebsausgabenabzug konkretisiert. Danach können Strafverteidigungskosten auch bei vorsätzlich begangenen Straftaten und auch bei einer Verurteilung ausnahmsweise Betriebsausgaben sein, wenn die zur Last gelegte Tat in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen worden ist. Ein betrieblicher Zusammenhang besteht danach nur, wenn die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat ausschließlich und unmittelbar aus seiner betrieblichen Sphäre heraus erklärbar ist (BFH-Urteil vom 12. Juni 2002 XI R 35/01, BFH/NV 2002, 1441). Diese Voraussetzung hat er verneint, wenn der Tatvorwurf Verstöße betreffen, die eine Schädigung des Arbeitgebers zum Gegenstand haben (BFH-Beschluss vom 30. Juni 2004 VIII B 265/03, BFH/NV 2004, 1639). In seinem Urteil vom 18. Oktober 2007 VI R 42/04 (BStBl II 2008, 223) hat er ausgeführt, eine erwerbsbezogene Veranlassung werde auch aufgehoben, „wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bewusst schädigen wollte oder sich oder eine Dritten durch die schädigende Handlung bereichert hat”.
Dass weder der Kläger noch Herr P die A-GmbH bewusst haben schädigen wollen, liegt nach dem Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft … auf der Hand; das Gegenteil ist vielmehr der Fall, wenn beide Beschuldigten durch illegale Handlungen mit bewirkt haben sollen, dass der A-GmbH überlebensnotwendige Aufträge gesichert wurden. Das verkennt auch der Beklagte inzwischen nicht mehr.
Der Senat vermag aber auch nicht dem Ansatz des Beklagten folgen, der betriebliche Veranlassungszusammenhang der Strafverteidigungskosten sei durch eine überwiegende private Veranlassung ausgeschlossen, weil die Beschuldigten sich oder Dritte durch die schädigende Behandlung bereichert hätten. Wenn der Beklagte das hinsichtlich des Klägers damit begründet, dass der durch die Bestechungshandlung der A-GmbH zugeflossene Vermögensvorteil auch ihm zugute gekommen sei, weil er zu 100 % Gesellschafter der Gesellschaft ist, trifft diese Erwägung hinsichtlich des Herrn P bereits ersichtlich nicht zu. Im Übrigen ist diese Form der „Bereicherung” nach der Überzeugung des Senats keine solche, die im Sinne der Rechtsprechung des BFH den Betriebsausgabenabzug ausschließen soll. Denn dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, dass eine betriebliche Veranlassung der Straftat entfällt, wenn nicht die Berufsausübung und die mit ihr verfolgten Ziele – regelmäßig zum Vorteil des Betriebs bzw. des Arbeitgebers – Anlass der Straftat sind, sondern ausschließlich Motive der persönlichen Bereicherung für die Straftat eine Rolle spielen, mag sie auch anlässlich der Berufsausübung erfolgt sein. So liegt der Fall hier aber nicht. Denn die dem Kläger vorgeworfene Straftat kam ihm nicht – an seinem Unternehmen vorbei – unmittelbar zugute, sondern bedingte einen Vermögensvorteil zunächst in seinem Unternehmen. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Kläger die A-GmbH zum Zwecke der persönlichen Bereicherung dergestalt zwischengeschaltet hätte, dass er einen durch die Straftat bei ihr ankommenden Vermögensvorteil unmittelbar für private Zwecke entnimmt (vergl. zu dieser Fallgestaltung etwa BFH-Urteil vom 3. Mai 1985 VI R 103/82, BFH/NV 1986, 392). Dafür sprechen hier aber keine Anhaltspunkte; dies hat auch der Beklagte so nicht geltend gemacht. Er sieht die Bereicherung vielmehr deshalb als gegeben an, weil der Kläger als Gesellschafter an dem wirtschaftlichen Erfolg der GmbH teilnimmt. Das ist aber kein durch die Straftat sondern ein durch das Gesellschaftsverhältnis des Klägers erlangter Vermögensvorteil.
Bestätigt wird diese Auffassung des Senats durch das BFH-Urteil vom 9. Dezember 2003 (VI R 35/96, BStBl II 2004, 641, auf das dessen Urteil vom 18. Oktober 2007 VI R 42/04 (BStBl II 2008, 223) Bezug nimmt. Dort hat der BFH den Abzug von Zahlungen aufgrund einer Haftungsinanspruchnahme wegen einer Beihilfe zur Steuerhinterziehung Dritter als Werbungskosten zugelassen und hierzu ausgeführt, dass Aufwendungen, die durch strafbare Handlungen ausgelöst werden, nicht ohne weiteres der privaten Lebensführung i.S. des § 12 Nr. 1 EStG zuzuordnen sind. Im dort zugrundeliegenden Fall – den der Senat mit dem hier vorliegenden ohne weiteres für vergleichbar hält – hatte der dortige Kläger als Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter einer GmbH, die einen Großhandel betrieb, es den Kunden der GmbH durch das Ausstellen sog. Barverkaufsrechnungen ermöglicht, Schwarzgeld zu erlösen. Der BFH hat hierzu ausgeführt, der Kläger sei dem rechtswidrigen Ansinnen der Kunden, Barverkaufsrechnungen auszustellen, deshalb nachgekommen, um Umsatzeinbußen zu Lasten der GmbH zu vermeiden bzw. der bestehenden Konkurrenzsituation zwischen der GmbH und den übrigen Großhandelsbetrieben standzuhalten. Dabei sei dem dortigen Kläger zugute zu halten, dass er aus seinem unrechtmäßigen Verhalten selbst keinen eigenen Vorteil bezogen hätte; vielmehr seien die Schwarzumsätze bei der GmbH ordnungsgemäß versteuert worden. Eine den Werbungskostenabzug ausschließende persönliche Bereicherung alleine aufgrund der Gesellschafterstellung des dortigen Klägers an der durch die Straftat begünstigten GmbH hat er damit gerade nicht angenommen.
c.
Die A-GmbH besitzt auch die für den Vorsteuerabzug notwendigen Rechnungen im Sinne des §§ 14,14a UStG. Denn die streitgegenständlichen Rechnungen, mit denen sonstige Leistungen der Rechtsanwälte abgerechnet werden (§ 14 Absatz 1 Satz 1 UStG), entsprechen den formellen Erfordernissen des § 14 Abs. 4 Satz 1 EStG. Sie sind auch beide an die „A-GmbH” bzw. „Firma A-GmbH” gerichtet und damit eindeutig an die GmbH adressiert. Weshalb wegen den in den Adressierungen zusätzlich enthaltenen Angaben „z. Hd. Herrn Geschäftsführer P” bzw. „z. Hd. Herrn Kl” etwas anderes gelten soll, erschließt sich dem Senat nicht. Dass damit nicht die GmbH, sondern die genannten Herren als Empfänger der Leistungen bezeichnet werden sollen, ergibt sich aus diesen Zusätzen nämlich nicht. Die jeweilige Adressierung dürfte vielmehr dem Anliegen der Rechtsanwälte geschuldet sein, die genannten Rechnungen nicht in den allgemeinen Postverkehr der GmbH gelangen zu lassen, um dem ggf. bestehenden Interesse beider Herren zu genügen, den jeweiligen Strafvorwurf nicht innerhalb der GmbH publik werden zu lassen. Insofern vermag der Senat die Ausführungen des Beklagten in der Einspruchentscheidung, die Rechnungslegungen seien nicht eindeutig, nicht zu folgen.
4.
Der Senat setzt die Umsatzsteuer wie folgt neu fest: | |
– Festgesetzte Steuer laut Bescheid vom 9. März 2005: | … EUR |
– Zusätzlich zu berücksichtigende Vorsteuern laut Urteil: | … EUR |
– Festzusetzende Steuer laut Urteil: | … EUR |
Die Kostenentscheidung beruht